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Neuorientierung der Erinnerungsgemeinschaft historischen AdelsZur Lage der Nobilität nach der Revolution von 1918Im Jahre 1846 bereits fand man Aristokratismen [1] in der Massenpresse, in denen unter anderem der Begriff des „echten Adels“ verhandelt worden ist; dazu notierte ein Anoynymus: „Sie war überhaupt eine der Frauen, die nur auf der Welt zu sein scheinen, Andere zu erfreuen, zu trösten, zu pflegen und zu heilen. Sie sprach selten, und lachte noch seltener; aber eine milde Freundlichkeit wich nie aus ihrem Gesichte. Was sie sagte, war nie etwas Merkwürdiges oder Pikantes, oder gar Naives, aber es war immer etwas Passendes, etwas Verständiges oder Wohlhuendes. An den niedern Stand, in dem sie geboren, konnte bei ihrem Anblick Niemand denken, denn, ohne elegant in ihrem Aeußern zu sein, war sie so durchaus anständig und würdevoll, so echt edel weiblich, daß sie eben immer nur den Eindruck einer Edeln machen konnte. Der Adel war ihrem Herzen und ihrer Seele angeboren, und das ist ja der echte Adel, von dem alle andern nur gemalte Nachbildungen sind.“ „Echter Adel“ sei hier also ein „Adel des Ausdrucks, des Benehmens, ein „innerer Adel“, der sich zugleich pejorativ vom Gegenteil eines (wie auch immer gearteten) „falschen Adels“, der hier jedoch nicht näher definiert worden ist, abhebe. [2] Doch auch über die Frage, was denn „echter Adel“ sei, gab es Meinungsverschiedenheiten, rangen Akteur*innen mit ihrem je spezifischen Agenda-Setting und Dikurshoheiten. So bezeichnete jüngst der Funktionär einer Vereinigung des historischen Adels seine eigene Erinnerungsgemeinschaft ebenfalls als „echten Adel“, grenzte ihn vom „neuen Adel“, „Geldadel, „Industrieadel“, „Rasseadel“ oder „Zeitadel“ ab. Auch hier läßt sich aus dieser Aussage nur ableiten, daß die anderen erwähnten Arten von „Adel“ als „gefälscht“ betrachtet wurden. Die genannte Äußerung steht im Vorwort einer neuen Schrift, die außer diesem Problemaufriß drei Aufsätze enthält und 2020 anläßlich des hundertjährigen Gedenktages der Novemberrevolution von 1918 publiziert worden ist. [3] Enthalten ist auch die Erkenntnis, daß Vergangenheit für den Adel Identität bedeute und eine Aufgabe der Vergangenheit eine Identititätsauflösung zur Folge haben würde (Seite 10). Die Aufsätze steuern diesem drohenden Verlust indes entgegen; sie können daher als weitere Memoriabildung und Vergangenheitsanreicherung gelten [4]. Sie beschäftigen sich dabei zuerst mit der Geschichte der „Genossenschaft der katholischen Edelleute in Bayern“ seit ihrer Gründung von 1876. Diese Geschichte wird durchaus kritisch dargestellt, indem auch auf die Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus hingewiesen wird (Seite 47-65). Ein weiterer Aufsatz widmet sich sodann der Geschichte der Idee des Abendlandes und Europas als geopolitisches Konzept in ihrer Verknüpfung mit dem katholischen Landesadel. Ein letzter Aufsatz schließlich stellt die Frage, ob sich der katholische bayerische Adel im 19. und 20. Jahrhundert verbürgerlicht habe. Dies ist indes eine Frage, die der Aufsatz nicht eindeutig beantworten kann; die Grundbesitzbindung nahm ab, sogenannte „bürgerliche“ Leistungsprinzipien nahmen dagegen im Adel an Bedeutung zu. Festzuhalten bleibt, daß der Aufsatz eher eine Art von „Zusammenbleiben“ konstatiert, [5] dazu trüge ein eigener Lebensstil ebenso bei wie von außenstehender Seite die Diskurse der „Regenbogenpresse“, die sich der Sozialgruppenbildung des historischen „Adels“ als „Faszination“ nähern würden – und sie dadurch zugleich nähre. [6] Der kleine Sammelband mit den drei Aufsätzen wird daher insgesamt als Mischung aus Selbstverortung der Erinnerungsgemeinschaft des ehemaligen bayerischen Adels , als Memoriaarbeit, als Chronik und als Reflexion gewertet werden können. In jedem Fall hat er nicht nur zu einer Erhellung der Geschichte und Werte der Genossenschaft beigetragen, sondern auch zur weiteren Vermehrung der Publikationen, die sich mit „dem (bayerischen) Adel“ als soziale Gruppenbildung befassen. Nicht zuletzt als aktuelles Selbstzeugnis aus dem „inner circle“ der süddeutschen Gentilhommerie und dem 21. Jahrhundert kann er wertvoll für die künftige Forschung sein. [7] Diese Rezension stammt von Dr. Claus Heinrich Bill, M.A., M.A., B.A., und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung. Annotationen:
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