Institut Deutsche Adelsforschung
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Fürstenhaus und Vermögenssicherung von 1918 bis 1953

Vererben, Abfinden, Schenken und Investieren als Adels-Strategien zum Besitzerhalt

Eine niederheinische Zeitung notierte mit einigem Bedauern, welche ihrer Auffassung nach schlechten Aussichten dem sogenannten „Welfenschatz“ im Februar 1931 drohten; dazu schrieb sie: „Achthundert Jahre befand sich dieser unvergleichlich kostbare Schatz in den Händen des Welfenhauses. Dreimal wurde er geplündert im Laufe vergangener Jahrhunderte. Aber wie einen geweihten Hort retteten die Welfen diese Kleinodien durch die Stürme aller Zeiten, insonderheit durch die Wirren des dreißigjährigen Krieges. Vor den gierigen Händen Napoleons floh der Welfenschatz in die sicheren Kammern des aus Hannover stammenden englischen Königshauses. Selbst als Preußen 1866 die Besitztümer der Welfen zum großen Teil an sich zog, blieb der Schatz Eigentum jenes alten Herrschergeschlechtes, obwohl er in Wien und später in Gmunden eine neue Heimat fand. Allen Kämpfen, Kriegen, Bränden, Revolutionen zum Trotz konnte diese historische Sammlung von ihren historischen Besitzern in Händen gehalten werden, dieses edle deutsche Kulturgut: Was achthundert Jahre nicht vermochten, die Not unserer Zeit – der Versailles den Stempel aufdrückt – hat es zuwege gebracht: der Welfenschatz ist ins Ausland gewandert und steht jetzt in Neuyork unterm Hammer. ‚Unterm Hammer‘ – zwar nicht in ganz wörtlicher Bedeutung. Denn die kostbaren Kreuze, Reliquare und Schatullen werden ja nicht öffentlich an den Meistbietenden versteigert. Wohl aber stehen sie in der Fifth Avenue – in Form eines kleinen luxuriösen Museums – öffentlich zur Schau, natürlich mit der ausgesprochenen Absicht, geeignete, d. h. die zahlungskräftigsten, Käufer zu finden. Wirkungsvoll sind die kostbaren Dinge aufgebaut. Der Amerikaner versteht sich auf solche Sachen! Wie aus dem Dunkel alter Kirchen treten die Kleinodien hervor in mattem Licht, so erzählen Besucher. Da leuchtet das güldene Welfenkreuz mit seinen Filigranen, Edelsteinen und Perlen, das aus dem elften Jahrhundert stammt. Dort steht das ebenso alte Gertrudiskreuz, dessen großer Saphir in der Mitte wie ein geheimnisvolles Auge strahlt. Und hier prunkt das Hauptstück des Welfenschatzes, das Kuppel-Reliquar, in dem das Haupt des heiligen Gregor von Nazianz verschlossen liegt, ein uralter kostbarer Schrein aus Gold, Elfenbein, Kupfer und Glas.

Altäre, Tragaltäre, Armreliquarien, das wertvolle Horn des Hl. Wlasius, die byzantinische Monstranz und all jene anderen Kleinodien, die der Stolz des Welfenhauses, der Stolz des deutschen Volkes waren, jetzt stehen sie – jenseits, des Ozeans – zum Verkauf aus. Deutschland war zu arm, sie innerhalb seiner Grenzen zu halten. Versailles ... Versailles … Amerika macht sich in keiner Weise Skrupel, daß es dieses alte deutsche Kulturgut erwirbt. Im Gegenteil! Es wehrt sich energisch gegen den Vorwurf, daß es Europa seiner nationalen Kunstschätze beraube. Ist nicht Amerika-- so argumentiert man jenseits des Ozeans – ein Sprößling der europäischen Kultur? Haben nicht die Vorfahren der heutigen Amerikaner, ehe ihre Enkel auswanderten, an den kulturellen Errungenschaften der alten Heimat einen ebenso großen Anteil wie die Vorfahren der heutigen Europäer? Warum also benötigte Europa den Ankauf freiwerdender Kunstschätze durch den amerikanischen Dollar? Nationale Imponderabilien werden zu ‚überflüssigen‘ Sentimentalitäten. Aber der Welfenschatz ist mehr als [nur] eine Anhäufung von Gold und Juwelen, mehr als eine Sammlung erlesener Kunstgegenstände. Er rückt – wie Herr von Felner in dieser Zeitung vor einigen Monaten treffend prophezeite – nun, da er für uns als Wirklichkeit entschwunden ist, in die geistige Nähe des Nibelungenhortes. Welcher von den amerikanischen Dollarmagnaten, wer von Besuchern der großen amerikanischen Museen wird etwas nachempfinden können von solchen Schwingungen eines deutschen Herzens? Wer im Lande des Dollars wird den in zahlreiche Teile zerspaltenen Schatz noch mit jener ‚mystischen Aureole‘ umgeben, die ihm in Deutschland gewiß war? Es ist und bleibt ein Unterschied, ob der Besitzer dem Hause der Welfen angehört, deren Stammväter zu Zeiten Barbarossae im Glanz ihrer Macht die ersten Stücke erwarben, oder ob – The Museum of Art in Cleveland, wie jetzt gemeldet wird, den ‚Goldschatz der Markgräfin Gertrudis‘ aus der Sammlung der Welfen gegen 500.000 Dollar ankauft und in seinen Räumen ausstellt.“ [1]
 
Angesprochen wird hier ein Vorgang begonnener räumlicher Trennung von symbolisch und chronologisch aufgeladenen Dingaktanten einerseits und von Humanaktanten des Adels andererseits, von in Dingen festgelegtem Kapital, von dem unklar ist, ob der materielle oder der sinnhafte Wert größer zu veranschlagen wäre, da der ökonomische Kapitaleinsatz zur Erzeugung des „Welfenschatzes“ schon vor Jahrhunderten und daher von bereits lange Zeit abgelebten Generationen verdinglicht worden war, einem bedeutenden Enrichissement unterlegen hatte. [2] Angesprochen wird in diesem Beispiel aber auch die Verknüpfung der beiden sozialen Themenbereiche von „Adel“ einerseits und „Reichtum“ andererseits, die traditionell in der alltagswissentlichen Vorstellung stets miteinander verbunden gewesen sind, [3] auch wenn verarmter Adel ebenso zur wahrnehmbaren Empirie gehört hatte. [4] Seit einiger Zeit nun ist bemerkbar, daß sich in der Historiographie vermehrt einige Formen der Reichstumsforschung etablieren, die in ihren historischen Spezialisierungen auch den Adel in den Blick genommen haben und die ihre Wurzeln in der Ungleichheitsforschung besitzen. Es ist nicht ganz klar, worin die Motivlage zu solchen Untersuchungen liegt. [5] Lehnen sie sich an die eher gesellschaftliche Hierarchien aufdecken wollende Ungleichheitsforschung an [6] oder entstammen sie dem Bemühen, Reichtum als eine von mehrerer Adelsressourcen und Dingaktanten näher – ohne eine politische Zielsetzung oder Bezüge auf aktuelle Debatten – auszuleuchten? Diese Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten, zumal „die Reichtumsforschung“, will man diesen Begriff einmal im Singular verwenden, recht heterogen auftritt.

Zu gentilhommesken Reichstumsfragen der Welfen hat indes nun auch, ganz in dieser noch jungen Tradition stehend, der Wirtschaftshistoriker Gerrit Hollatz – im Jänner 2025 – seine 2023 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Hannover angenommene Dissertation mit dem Titel „Die Welfen und ihr Vermögen. Fürstliches Leben nach der Monarchie 1918-1953“ publiziert; erschienen ist die Studie im Göttinger Wallsteinverlag, sie umfaßt 288 Seiten mit acht Abbildungen, ist hardcovergebunden mit Schutzumschlag, hat das Format 15,5 x 23 cm und ist unter der ISBN „978-3-8353-5838-6“ im analogen wie virtuellen Buchhandel um den Preis von 36,00 € beziehbar. Kernfrage des Buches ist die Suche nach einer Erklärung dafür, weshalb viele Hochadelsfamilien nach der Revolution von 1918/19 „äußerst wirkmächtig“ geblieben seien, allerdings dann doch nur am (möglicherweise nicht repräsentativen) Beispiel der Welfen. Verstanden werden kann das Werk als hybrider Ansatz aus Reichtumsforschung und Adelsforschung, es changiert beständig zwischen Einzelfallstudie und Allgemeinanspruch für den deutschen Hochadel, ohne daß dem Buch eine klare Stellung zuzuordnen wäre. Jedenfalls möchte der Verfasser mit seiner Analyse die intergenerationellen Weitergaben des Vermögens in den Blick nehmen, sich mit dem Verhältnis zwischen Hauschef, Geschwistern, Töchtern und „weichenden Erben“ auseinandersetzen, welfische Verfahren der Vermögenswahrung und -mehrung betrachten, schließlich ein Quintett von bereits in der Reichtumsforschung etablierten Vermögensfunktionen fokussieren, mithin Vermögen in Sachwerten (1), als Einkommen (2), als Rücklage für Krisen (3), als potentieller Prestigeproduzent (4) und als Grundlage für politisch-wirtschaftliche Macht (5) beleuchten, oder kurz formuliert: „Was für ein Vermögen brauchte es aus welfischer Sicht, um ein ‚standesgemäßes‘ Leben in der ständelosen Gesellschaft führen zu können?“ (Seite 15). [7]

Da das welfische Vermögen indes sehr vielgestaltig war, im In- wie Ausland lag, aus Forsten, Schlössern, Schmuck, Zinsen, Anleihen, Immobilien, Aktien und Unternehmensbeteiligungen bestand, wie mit dem „Welfenschatz“ zudem auch Zu- und Abflüsse stattfanden, war die Frage nicht ganz einfach zu beantworten. Der Verfasser hat sie gelöst, indem er sich zunächst die Sachlage nach 1918/19 angesehen hat, als die Stellung der Fürsten radikal modifiziert worden war. Zu dieser Zeit, in der auch die Fideikommisse als typische Familienlandbindungsform des Adels abgeschafft werden sollten (und es über lange Frist auch wurden), wurde nicht allein für die neu erstandenen Aufgaben eine „Vereinigung deutscher Hofkammern“ als Zusammenschluß von fürstlichen Vermögensverwaltungen begründet, sondern es wurden auch „juristische Personen bürgerlichen Rechts“ geschaffen, um das welfische Vermögen weiterhin als Familiengut außerhalb von individuellen Erbgängen bewahren und weitergeben zu können (Seite 99).

Die Welfen suchten dabei dem als instabile Liminlitätsphase in Vermögensfragen verstandenen Ableben der jeweiligen „Chefs des Hauses“ möglichst vorzubeugen, damit es nicht zu einer Zersplitterung und Aufteilung des Vermögens kam, was im Umkehrschluß die Abfindung „weichender Erben“ durch Schenkungen bedeutete, vor allem der Töchter – hier wurden beispielsweise Mitgiften gegen Erbverzichterklärung ausgefolgt – und der nachgeborenen Söhne. Die Wahrung der Familieneinheit bescherte der Familie Besitzkontinuität, die Ungleichbehandlung wurde, wohl nicht zuletzt aufgrund jahrhundertelanger Praxis, auch in der Weimarer Republik weitgehend, von einzelnen Konflikten abgesehen, bei den Welfen akzeptiert. Allerdings drohte dem Welfenvermögen von anderer Seite Ungemach; auf erhöhte Steuerlasten und die Inflation von 1923 reagierte die welfische Vermögensverwaltung, besetzt mit aus dem Adel wie aus dem Nichtadel stammenden Herren, durch eine Abstoßung von Grundbesitz und einen Einstieg in Unternehmen der Baubranche, der Holz- wie Metallverarbeitung. In diese Zeit fällt auch, was in der Arbeit detailliert herausgearbeitet worden ist, die Beteiligung an der und damit die Mitfinanzierung der Rüstungsindustrie und die Übernahme enteigneten Besitzes im nationalsozialistischen Staat (Seite 159-169). Das Jahr 1945 schließlich brachte eine Zäsur; die Familie verlor, wie viele andere Adelsfamilien aus dem Osten, viel enteignetes Gut, so unter anderem Schloß Blankenburg im Harz, aber auch Forstflächen in Österreich; gleichwohl blieb sie, nach Ausweis der Analyse des Verfassers, noch immer „sehr vermögend“ (Seite 205).

In Krisenzeiten stand dabei die Sicherung des Vermögens auf dem Plan, in prosperierenden Aufschwungphasen die Kapitalvermehrung, teils auch über risikoreiche Investitionen zum Ziel überdurchschnittlicher Renditen. Dabei ist zu bemerken, daß aber nicht allein der wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund stand, sondern auch die Aufrechterhaltung symbolischen Kapitals und damit, als dessen Grundlage, die weitere Unterhaltung ökonomisch als unwirtschaftlich geltender Aktanten, beispielsweise von Jagdgebieten oder Schlössern. [8] In der Arbeit selbst wird dieser Umstand als neue Erkenntnis bezeichnet, ist aber an sich nicht als neu zu bewerten. Ein Alleinstellungsmerkmal der Analyse aber ist es, dies nun auch für die Welfen untersucht zu haben, die sich zudem als im Wartestand für eine mögliche Restauration stehend bereithielten, einst wieder den Thron zu besteigen. Dies zeigt sich unter anderem daran, daß die Welfen monarchistisch-welfische Vereinigungen in der Weimarer Zeit und in der Zeit der frühen Bonner Republik finanziell unterstützten (Seite 252-257).

Das Werk, welches lobenswerterweise viel Archivmaterial benützt hat, unter anderem mit Genehmigung der Welfen selbst, ist wegen seiner Perspektive wertvoll, da in die meist geräuschlose Verwaltung im Hintergrund der Familie und ihrer Repräsentation Einblick genommen wird. Die Beleuchtung der hinter der Fassade der öffentlich wahrnehmbaren Personen und Bauten stehenden ökonomische Infrastruktur kann hier als gelungen bezeichnet werden, einzelne unsachliche Spitzen schmälern den Wert des Werkes nur partiell. Bedauerlich ist es indes, daß der Verfasser die Familie der Welfen im 20. Jahrhundert als eine „feste Sozialformation“ versteht, mithin performative Aspekte der neusten Adelsforschung nicht benützen möchte. Dazu ließe sich mit Latour (2010) sagen: „Sobald man aufhört, Gruppen zu bilden und umzubilden, gibt es keine Gruppen mehr“, weil „soziale Aggregate nicht Gegenstand einer ostensiven Definition“ sein können, „sondern nur einer performativen Definition“. [9]

Problematisch ist zudem das Fehlen jeder Bemerkung im Vorwort (Seite 9-23) zu Theorie(n?) und Methode(n?) der Analyse; beides ist – für gewöhnlich – integraler und unverzichtbarer Bestandteil dieser Art von Untersuchungen. Man weiß nun weder, von welcher Grundlage der Autor ausgeht noch nach welcher wissenschaftlich anerkannten Methode er eigentlich vorgegangen ist. Dabei erscheinen die nacheinander abgeschrittenen Vermögens-Räume – Weitergabe, Erhaltung, Funktionen – durchaus sinnvoll und nachvollziehbar, so daß ganz ohne Not auf die an sich notwendigen Rahmungen verzichtet worden ist. Denn eine der durchaus innovativen Ergebnisse ist, daß die Beteiligung am Unternehmertum seit dem Drittreich zur wesentlichen Grundlage der Existenz der Familie geworden war (Seite 263), womit dieses Engagement zwar nicht im Widerspruch zur Forschung steht, [10] die dem Adel durchaus wirtschaftliche Fähigkeiten attestiert hat, die aber in ein bemerkliches Spannungsverhältnis mit einem der historischen Adelsideale – dem Erwerb und dem Erhalt von Grundbesitz als besonderer Verknüpfung zwischen Familie und je konkretem regionalem Land [11] – trat.

Daß Vermögen und Prestige erhalten werden konnten, war aber, so das Resumée des Verfassers, auch das Verdienst von einesteils betriebswirtschaftlichen Ausbildungen der Nachkommen für die Eigenverwaltung des Besitzes, anderenteils eines strikten Konnubiums mit verwandten Familien in ähnlicher historischer Adelsstellung (Seite 263). Daß in der vorliegend betrachteten Studie allein Menschen als handelnde Entitäten betrachtet worden snd, ist zudem der eher traditionellen Perspektive geschuldet, die der Verfasser eingenommen hatte; Vermögen aber, vor allem das visible Vermögen, war jedenfalls ebenso ein mächtiger Aktant in der fortwährenden Erzeugung von (Hoch-) Adel wie die Menschen, die mit ihm umgingen; hier besteht noch weiterer Forschungsbedarf, der die Darstellung scheinbarer Übermächtigkeit von Humanaktanten zurechtzurücken in der Lage wäre. [12]

Diese Rezension stammt von Dr. Dr. Claus Heinrich Bill (Jänner 2025) und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung. Zu den Annotationen: 

1 = Nomen Nescio: Der Welfenschatz unterm Hammer. Ein kleines politisches Nachspiel, in: Viersener Zeitung (Viersen), Ausgabennummer 39 vom 16. Februar 1931, Seite 8.

2 = Dazu siehe Luc Boltanski / Arnaud Esquerre: Enrichissement. Une critique de la marchandise, Paris: Gallimard 2017, 663 Seiten.

3 = Siehe dazu exemplarisch Nomen Nescio: Strafkammerverhandlung vom 14. Februar, in: Bonner Volkszeitung (Bonn), Nr. 48 vom 15. Februar 1902, Seite 1 (betrifft alltagswissentliche Verknüpfung von Adel und Reichtum in einem Schreiben des Nachkommen eines Mannes, der den Adel aus Gründen der Armut abgelegte hatte; er besäße trotz des Adelsverzichts „zwar von Alters her den Adel, aber schon mein Vater machte seit den Freiheitskriegen von 1848, wo es Gleichheit für Alle gab, keinen Gebrauch mehr davon. Ich ebenso wenig. Zum Adel gehört Reichthum! Den habe ich leider nicht. Gleichwohl wird der Adelsbrief uns ein schönes Andenken bleiben!“); Maurice Halbwachs: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, Frankfurt am Main 6. Auflage 2019, Seiten (Nachdruck des kulturwissenschaftlichen Klassikers aus der Erstauflage von 1965; betrifft im 5. Kapitel „Das kollektive Familiengedächtnis ab Seite 103 Familienerinnerungen, Familiengefühle, Familiengeschichte, Vornamengebung und im 7. Kapitel „Die gesellschaftlichen Klassen und ihre Traditionen“ ab Seite 297 Adelswertesystem, Adelsfamilentraditionen, Geschlechtsadel und Amtsadel, adelige Erinnerungskultur und Memoria, gesellschaftliche Einschätzung des Reichtums).
 
4 = Dazu beispielhaft Gudula Walterskirchen: Armut und Reichtum im österreichischen Adel im 20. Jahrhundert, in: Ernst Bruckmüller (Hg.): Armut und Reichtum in der Geschichte Österreichs, Wien / München 2012, Seite 193-214. Zur Armut siehe fernerhin auch die Studien von Johanna Mirjam Singer: Arme adlige Frauen im Deutschen Kaiserreich, Tübingen 2016, 452 Seiten (Dissertation Universität Tübingen 2015; untersucht Statusinkonsistenzen bei preußischen und württembergischen Damen des Adels als Hybrid zwischen Armuts-, Gender- und Adelsforschung, betrifft ferner Generatoren sozialer Ungleichheit, Bittgesuche, Armutsursachen, Bekämpfungsstrategien von Armut im Adel, Verein Nobilitas, Berufstätigkeiten des weiblichen Adels, Damenstifte, Unterstützungsfonds); Joseph Morsel: Adel in Armut. Armut im Adel? Beobachtungen zur Situation des Adels im Spätmittelalter, in: Otto Gerhard Oexle (Hg.): Armut im Mittelalter, Ostfildern 2004, Seite 127-164.
 
5 = Wie bei Torsten Riotte: Dynastie und Reichtum. Was wissen wir über das Vermögen des (ehemals) regierenden Hochadels im 19. und 20. Jahrhundert?, in: Eva Maria Gajek / Anne Kurr / Lu Seegers (Hg.): Reichtum in Deutschland. Akteure, Netzwerke und Lebenswelten im 20. Jahrhundert, Göttingen 2019, Seite 35-56; Robert Velten: Eine soziologische Analyse der Genese der europäischen Philosophie des Reichtums, Münster 2014, 492 Seiten (Band V der Reihe „Wissenschaftliche Schriften der WWU Münster, Reihe XI“; betrifft soziale Adelsposition in der Antike, Reichtumsprobleme der Aristokratie, Habitus und vorsokratische aristokratische Propaganda, Sophistik als Alternative zur aristokratischen Philosophie, Askese, Bündnis zwischen Geburtsadel und Bildungsadel wider den Reichtum, Reichtumsideen der Neuzeit, Reichtumstheorien nach Rousseau nebst Marx und Veblen; betrifft an vielen Stellen auch den antiken wie neuzeitlichen Adel).

6 = Hierzu beispielhaft Tim Hofmann: Sollten wir Harrys „Reserve“ lesen?, in: Freie Presse (Chemnitz), Ausgabe vom 16. Jänner 2023, Seite 6 (antinobilistischer Artikel, der das Konzept von Adel „pervers“ nennt, kritisiert Reichtum des Adels, eine Beschäftigung mit Adelsfragen „raubt kostbare Lebenszeit“); Nomen Nescio: Schlossfestspiele. Weitere Demo geplant, in: Allgemeine Laber Zeitung. Heimatausgabe des Straubinger Tagblatts (Straubing), Ausgabe vom 19. Juli 2023, Seite 24 (betrifft die Kritik einer anonymen enteignungsfreudigen Protestgruppierung namens „Aufbruch Regensburg“ als alltagswissentlich tradierte nichtadelige Vorstellung, „dass, obwohl Adel in Deutschland vermeintlich nicht mehr existiert, Gloria von Thurn und Taxis immer noch über immensen Reichtum verfügt“).

7 = Nicht benutzt wurde dazu hat Hollatz ausweislich seines hybridisierten Quellen- und Literaturverzeichnisses auf Seite 278 „Marburg“ und „Maus“ fehlt „Martin“) das Werk von Rudolf Martin: Jahrbuch des Vermögens und des Einkommens der Millionäre in der Provinz Hannover, Berlin: Martin 1913, 38 Seiten.

8 = Der Verfasser bezeichnet in seinem Werk auf Seite 206 diese Mixtur aus bestmöglicher Renditesuche einerseits und der Aufrechterhaltung der „spesa onorata“ als „ehrenvollen Ausgaben“ als einen Gegensatz, ohne zu bedenken, daß diese Form der Bewirtschaftung für bestimmte Adelsideale die Norm darstellte. Siehe dazu Evelyn Welch: Public Magnificence and Private Display. Giovanni Pontanos „De splendore“(1498) and the Domestic Arts, in: Journal of Design History, Jahrgang 15, Nr. 4 (Approaches to Renaissance Consumption), Oxford 2002, Seite 211-221 (Analyse der erwähnten Schrift im Rahmen des Sonderheftes „Annäherungen an den Renaissancekonsum“ als Grundlegung der Legitimation der als Tugend verstandenen „spesa onorata“, der ehrenvollen „Verschwendung“, der „glänzenden“ Ausgaben bzw. des Geldausgebens zur Erhaltung häuslichen Glanzes und der Distinktion beim Adel aus der Zeit der Renaissance mit große Strahlkraft auf die Eliten in ganz Europa; betrifft auch die Unterscheidung zwischen häuslich-privaten Aufwand an kostspieligen Möbeln, Tafelgeschirr, Schmuck und Kleidung einerseits und dem öffentlichen Prachtaufwand der Architektur andererseits, ursprünglich angedacht von Pontano nur als Handlungsoption für die Eliten im Königreich Neapel); Renata Ago / Konrad Honsel: Luxus, in: Friedrich Jaeger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit, Band VII, Stuttgart: Metzler 2008, Spalte 1046-1052 (betrifft den Gebrauch von Lebewesen und Gegenständen, die im öffentlichen Ansehen das Sozialprestige steigern können und mit denen sich unter anderem Adelige umgaben, beispielsweise Kleidung, Lebensmittel, Möbel, Dienerschaften; betrifft fernerhin Kleiderordnungen und Luxusgesetze, die „Spesa onorata“ als die Pflicht zum adeligen „ehrenvollen Aufwand“ und die Adelstugenden Geschliffenheit und Großzügigkeit); Heinrich Würtzer (Herausgebender): Briefe eines schlesischen Grafen an einen kurländischen Edelmann den Adel betreffend, Altona 1795, 192 Seiten (im zensurliberaleren Altona von Konrad Graf von Burghaus publizierte Schrift und angesichts der Folgen der französischen Revolution und der Erschütterung des Adels als Stand verfaßte allgemeine Reformgedanken zum Adel betreffend Adelssupension, Adelsaufwand, Statuskonsumzwang durch soziale Umgebungen, verarmten Adel, Adelsarmutabhilfe, Adel und Vermögen, Repräsentationsaufwand, „spesa onorata“); Sven Solterbeck: Blaues Blut und rote Zahlen. Westfälischer Adel im Konkurs 1700-1815, Münster 2018, 455 Seiten (Band 653 der Reihe „Internationale Hochschulschriften“; zugleich Dissertation Universität Münster 2018; betrifft Adel und Kredit, Konkurs und Norm, Statuskonsum, Ehre als Kommunikationsmittel und mehrfaktorieller Prozeß zwischen Behauptung und sozialer Anerkennung, Karrierewege, Erhalt und Verlust symbolischen Kapitels, Konnubien und Zahlungsmoral, erörtert anhand mehrere Adelsfamilien und anhand der Theorie des Gabentauschs von Marcel Mauss, des Konzeptes der Normenkonkurrenz und der soziologischen Kapitalarten von Pierre Bourdieu); Paul Beckus: Geldausgeben als Inszenierung – Das Finanzgebaren der anhaltischen Fürsten im späten 18. Jahrhundert als Repräsentationsstrategie, in: Rüdiger Fikentscher (Hg.): Tausch- und Geldkulturen in Europa, Halle an der Saale 2019, Seite 163-177 [betrifft an einem Fallbeispiel Prestigekosten und demonstrativen Statuskonsum des Hochadels nach Thorstein Bundle Veblen); Renata Ago: Statuskonsum, in: Friedrich Jaeger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit, Band XII., Stuttgart: J. B. Metzler 2010, Spalte 941-944 (betrifft den Geltungskonsum und die pejorativ etikettierte gentilhommeske „Verschwendung“ von Ressourcen). Die Aufrechterhaltung der „spesa onorata“ auch in postmonarchischen Zeiten – nach 1918 – wertet Hollatz indes als „ein Leben wie zum Trotz“ (Seite 258), unterstellt den Humanaktanten der Welfen somit „beharrliche u.[nd] hartnäckige Widersetzlichkeit“ (zitiert gemäß Pierer‘s Universal-Lexikon, Band XVII, Altenburg 1863, Seite 871). Andere klischeehafte (und daher unnötig bewertende) Formulierungen finden sich auch auf Seite 261 (Hermelinmäntel auf Schultern, Goldketten um den Hals).

9 = Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2010, Seite 62 und 63.

10 = Dazu beispielhaft Tina Eberlein: Adel und Industriekapitalismus. Das Beispiel katholischer Unternehmer im 19. Jahrhundert, in: Markus Raasch (Hg.): Adeligkeit, Katholizismus, Mythos. Neue Perspektiven auf die Adelsgeschichte der Moderne, München 2014, Seite 78-107 (Bourdieusche Kapitalarten und der Adel, Adelsmentalität, kulturelle Praxis der Schollenbindung, Unternehmensformen, Risikobereitschaft Adeliger); Dietrich Woeste: Der Adel als Unternehmer im Osemundgewerbe des märkischen Sauerlandes, in: Der Märker. Landeskundliche Zeitschrift für den Bereich der ehemaligen Grafschaft Mark und den märkischen Kreis, Jahrgang XXXIV, Altena 1985, Heft Nr. 1, Seite 3-12 und Heft Nr. 3, Seite 118-124; Uwe Lagatz: Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode (1772-1854). Standesherr und Unternehmer, in: Eva Labouvie (Hg.): Adel in Sachsen-Anhalt. Höfische Kultur zwischen Repräsentation, Unternehmertum und Familie, Köln / Weimar / Wien 2007, Seite 293-313 (Einzelfallbeispiel für adeliges Unternehmertum in der „Sattelzeit“); Manfred Rasch: Adelige als Unternehmer zwischen Industrialisierung und Ende des deutschen Kaiserreichs. Beispiele aus Württemberg und Baden, in: Eckart Conze / Sönke Lorenz (Hg.): Die Herausforderung der Moderne. Adel in Südwestdeutschland im 19. und 20. Jahrhundert, Ostfildern 2010, Seite 83-110 (betrifft adelige Landwirtschaft, landwirtschaftliche Verarbeitungsbetriebe, Dienstleistungen, adelige Berufsumsteiger, Erfinderunternehmer, adelige Großindustrialisierung, Spekulanten und Aktionäre, Fürstentrust, Adelsmetaphern für Unternehmer).

11 = Dazu siehe Rechtsanwalt von Schönberg: Adel und Scholle, in: Deutsches Adelsblatt (Berlin), Ausgabe Nr. 48 vom 25. November 1933, Seite 854-856; Walter Manggold: Der deutsche Adelsroman im 19. Jahrhundert, Quakenbrück 1934, III und 117 Seiten (Dissertation an der Universität Freiburg im Breisgau; betrifft unter anderem die „erdhafte Verbundenheit“ des Adels auf „seiner Scholle“ auf Seite 32); Martin Arnold: Ambition und Raum. Sächsischer Adel in Böhmen (1470-1628), Dresden 2020, 257 Seiten (Dissertation an der Universität Dresden 2022; betrifft Raum als alternatives Bezugs- und Wirkungsfeld adeliger Ambition an der Beispielfamilie v.Bünau, Erwerb von Landbesitz als Ziel adliger Ambition, Adelslandschaft Böhmen, Praktiken der Ambition am Beginn der Frühen Neuzeit, Aufbau von Grundbesitz in Böhmen durch sächsische Niederadelige, rechtliche und praktische Implikationen der Ambition).

12 = Anklänge dazu sind in der Studie vorhanden, so auf Seite 263, wo zugegeben wird, daß „der Reichtum stabilisierend auf die Familie in ihrer gesellschaftlichen Stellung“ gewirkt habe, wobei hier dann allerdings wieder von einem Automatismus ausgegangen wird, der so nicht existierte. Reichtum an sich erzeugte kein Prestige, sondern erst die Zusammenwirkung mit fortwährend neu erzeugten performativen ehrerbietigen Zuschreibungen sozialer Umwelten. Siehe dazu Claus Heinrich Bill: Neue Adelstheorie „Un/doing Nobility 4.0“ (Modell Bill 2024), Sonderburg: Selbstverlag des Instituts Deutsche Adelsforschung 2024, 7 Seiten.


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