Institut Deutsche Adelsforschung
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Stadtritter am Beispiel der Rheinstadt Köln

Rittertum und städtisches Gemeinwesen im Verhältnis zueinander

Der rheinische Heimatforscher Leonard Ennen, der sich unter anderem viel mit der mittelalterlichen Historie der Stadt Köln befaßt hatte, präsentierte im Jahre 1858 in einer Kölnischen Zeitung eine Zeitenwende, die die Stadtpolitik betraf und die führenden Familien; er notierte: „Die Herrschaft der rittermäßigen Geschlechter nahte in Köln ihrem Ende. Im vierzehnten Jahrhundert kamen in dieser Stadt neue Anschauungen zur Geltung; neue Ansprüche erlangten Anerkennung, neue Verhältnisse gewannen Eingang und Bestand. Dem kölner Ritterthum gegenüber hatte sich in den gewerbreichen Zünften ein bürgerliches Element entwickelt, welches den Geschlechtern ihre Alleinherrschaft streitig zu machen geeignet war. Mit zäher Beharrlichkeit setzten die Genossenschaften des thätigen, lebenskräftigen Bürgerthums alles daran, den Stolz und die Macht der Aristokratie zu brechen. Den Werkzeichen der Zünfte sollte dasselbe Ansehen errungen werden, dessen sich bis dahin Schild und Helm der Geschlechter erfreut hatten. Der dritte Stand war entschlossen, die seitherige Bevormundung abzuwerfen und sich neben dem regierenden Patriciat eine völlig gleiche Berechtigung zu erkämpfen, der unfreie Ursprung der Handwerker sollte nicht weiter eine unübersteigliche Scheidewand der zwischen den Geschlechtern und der Gemeinde bilden […]  Bis tief in das vierzehnte Jahrhundert hinein lag das ganze Regiment der Stadt Köln in den Händen zweier mächtiger Corporationen, der Schöffen-Bruderschaft und der Richerzeche. Sie waren es, in denen die alte freie Gemeinde noch fortlebte, die den Stolz der Semperfreien in sich trugen, die durch Geburt und Reichthum zur Leitung der Gemeinde-Angelegenheiten berufen schienen. Sie waren die geschlossenen Kreise, in denen der Widerstand gegen die Ansprüche der Bischöfe seinen Halt fand. Vielfach waren die Mitglieder der Schöffen-Bruderschaft auch bei der Richerzeche eingeschrieben; alle ohne Ausnahme zählten zu den rittermäßigen Geschlechtern. In der Wahrung und Förderung ihres Standes-Interesses fanden beide Genossenschaften ihre gemeinsamen Berührungspuncte. Beide reichten einander die Hand, um die aufstrebende Macht der Handwerker und Gewerbetreibenden niederzuhalten. In den eigentlichen Regierungs-Geschäften war die Schöffen-Bruderschaft durch das Schöffen-Collegium und die Richerzeche durch den Rath vertreten. Rath und Schöffen-Colleg ordneten die Gemeinde-Angelegenheiten in gemeinschaftlicher Sitzung auf dem Bürgerhause. Hier pflegte die Richerzeche auch zur Berathung ihrer eigenen Gilde-Angelegenheiten zusammen zu treten. Hier verwaltete sie ihre Herrlichkeit, Rechte, Gerichte, Renten, Gülten und ‚sonstiges Zubehör‘. Die Richerzeche, mit den verdienten Amtleuten an der Spitze, stellte unabhängig vom Schöffen-Collegium öffentliche Urkunden aus, so oft es sich um ihre besonderen Angelegenheiten oder um die Errichtung einer neuen Zunft handelte.

Wenn nicht alle Anzeichen täuschen, so hatte die Richerzeche das sogenannte Bürgerhaus aus eigenen Mitteln zum Zweck der Besprechung und Verhandlung ihrer Gilde-Interessen gebaut. Man hatte sich daran gewöhnt, die Richerzeche als die vollberechtigte Repräsentantin des ganzen Gemeinwesens, als die Trägerin jedes städtischen Interesses anzusehen. So mußte es kommen, dass das Zunfthaus der Geschlechter als der eigentliche Sitz der städtischen Regierung und Verwaltung betrachtet wurde. Da, wo die Richerzeche sich so recht in ihrem Eigenthum fühlte, konnte sie einer andern Corporation das Uebergewicht nicht auf lange Dauer gönnen. Der Rath, dessen Einfluß in öffentlichen Angelegenheiten anfänglich ein bescheidenes Maß nicht überschritt, wußte sich neben dem Schöffen-Colleg allmählich zu voller Gleichberechtigung emporzuheben. Mit der Stellung eines bloßen Beirathes wollte er sich nicht länger begnügen. Es gelang ihm, das Stimmrecht, welches bis dahin ausschließlich vom Schöffen-Colleg geübt wurde, auch für sich zu erringen. Bald ging sein Streben weiter. Er setzte alles daran, das Schöffen-Collegium gänzlich aus der Regierungs-Gewalt zu verdrängen. Dieses Ziel wurde erreicht, als im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts der enge mit dem weiten Rath als die eigentliche regierende Behörde an die Spitze der städtischen Verwaltung trat. Das erste uns noch erhaltene Zeugniß einer solchen durchgreifenden Änderung in der städtischen Fassung gibt das Eidbuch vom Jahre 1321. Neben dem engen Rathe, der aus fünfzehn Mitgliedern der adeligen Geschlechter bestand, finden wir hier noch den weiten Rath, aus zweiundachtzig Bürgern bestehend, als Theilhaber am Stadt-Regiment. Diese Einrichtung dati[e]rt aber noch über 1321 hinauf. Sie findet sich schon in dem vor diesem Jahre als Grundlage der städtischen Verfassung beschworenen Eidbriefe. Dieses Document war unterzeichnet von den Mitgliedern des engen Rathes: Joh. Overstolz von der Bach, Phil. Quattermart, Werner von der Schuren, Rutger von Lyskirchen, Gobel Hardefust in der Rheingasse, Cuno der Gyr, Heinrich Gryn, Dietrich Hirze, Heinrich Jude, Gottschalk Overstolz, Thielmann Cleingedank, Hilger Hirzelin, Heinrich vom Spiegel auf dem Schatzauel, Wattelin Mennegin und Heinrich vom Horne, dann von den Bürgermeistern Franko der Gyr von Kovelshoven und Johann Quattermart. Das Eidbuch von 1321 wurde von zehn zu zehn Jahren mit einzelnen Abänderungen und Erweiterungen erneu[er]t. Das Eidbuch des Jahres 1341 charakterisi[e]rt die Elemente des weiten Rathes dahin, dass es seine 82 Mitglieder als ehrbare ‚Kirchspielsleute‘ aufführt. Das einzige auf uns gekommene Namenverzeichniß des weiten Rathes ist vom Jahre 1350. Durchgehend sind es Patriciernamen, die uns in diesem Actenstücke begegnen. Man sieht, dass auch bei den Kirchspielswahlen die Geschlechter entscheidenden Einfluß übten.“ [1]

Was Ennen (1858) hier in der Zeit der Romantik – mit ihrer ausgesprochen starken Hinneigung zur Historie des Mittelalters – schilderte, war der schleichende Wechsel der Regierendenschaft und ihrer Institutionen in Köln, die unter anderem, wie in anderen Städten auch, von miteinander konkurrierenden Gruppenbildungen (unter anderem der Bruderschaft der „Richerzeche“ [2]) ausgeübt worden sind. Ennen (1858) sprach eingangs des Zitats unter anderem aber auch speziell vom „kölner Ritterthum“, einer in der Adelsforschung eher noch selten besprochenen Gruppenbildung, die sich, wenn sie städtische Regierende in den Blick nahm, wenn auch nicht ausschließlich, so dennoch vor allem mit dem späteren (frühneuzeitlichen) Patriziat befaßt hat. [3] Doch auch das kölnische Ulredenkmal, erinnernd an die Schlacht an der Ulrepforte im Jahre 1268, zeigt personelle Teile der starken Stadtritterschaft von Köln im Relief repräsentiert. [4] Dieses Denkmal ist – mitsamt der dargestellten Sozialgruppenbildung – nunmehr auch Gegenstand einer beeindruckenden Dissertation („Die Stadt der Ritter und die siegreiche Gemeinde“) an der Universität zu Köln geworden, die bereits im Jahre 2021 abgeschlossen worden ist, indes erst drei Jahre später gedruckt werden konnte. Es handelt sich um das voluminöse und 571 Seiten starke Buch von Markus Jansen (*1988) mit dem Buchhandels-Titel „Die Stadt der Ritter. Kriegerische Habitusformen der Elite der spätmittelalterlichen Stadt Köln“. Erschienen ist das Buch als Band XI der Reihe „Stadt und Gesellschaft“ im Böhlau-Verlag zu Wien und Köln, damals noch als Brill-Imprint im Jahre 2024. [5] Die Arbeit, welche um 75,00 Euro im analogen wie virtuellen Buchhandel erhältlich ist, kreist um die Frage, wie Ritter in Köln, in der Stadt, aufgetreten sind. Assoziiert man Ritter meist allein mit einem ländlichen Burgenbesitz, so bricht das vorliegende Werk dieses Klischee und diese Orientierung der Sichtweise auf ritterliches Leben deutlich auf, worin auch sein Alleinstellungsmerkmal mit Neuigkeitswert besteht. Hervorzuheben sind einleitend besonders die tiefgreifenden Überlegungen zur Frage des Forschungsstandes (Seite 14-17), des verwendeten myrioramatischen Quellenkorpus’ (Seite 17-27), aber auch der theoretischen Sichtweise (Seite 27-36). Gerade angesichts einiger akademischer Qualifikationsarbeiten, die eines diese drei selbstverständlichen Bestandteile auslassen, ist es sehr lobenswert, hier an vielen Stellen ausführliche Reflektionen anzutreffen. Dennoch ist der Abschnitt über die verwendete „Theorie der sozialen Konventionen“ mangelhaft. Erstens wird nicht erläutert, was denn nun genau „soziale Konventionen“ wären, zweitens wird die Geeignetheit der Theorie gegenüber anderen Ansätzen nicht erläutert und auch nicht besprochen, wieso ausgerechnet die letztlich erwählte Theorie für den Untersuchungsgegenstand passend gewesen ist.

In der Fußnote 120 auf Seite 30 erfährt man lediglich, daß die „Theorie der sozialen Konventionen“ in drei Werken niedergelegt worden wäre. Eines dieser Werke sei Margaret Gilberts Buch „On social Facts“, erschienen in Oxford beim Verlag „Princeton University Press“ im Jahre 1992. Dort würde dann auf den Seiten 315-407 die „Theorie der sozialen Konventionen“ vorgestellt. Im Register auf der Gilbertseite 519 ist die Theorie nicht benannt, der Begriff „social convention“ findet sich immerhin auf der Gilbertseite 517 mit zahlreichen Unterverweisen, allerdings ohne den Bezug „theory“. Man findet indes auf der angeführten ersten Gilbertseite 315 einleitend eine Definition, wonach eine Konvention – neben Sitten, Normen, etablierten Sozialregeln, Gebräuchen, Traditionen – eine Art (ungeschriebener) Alltagsüblichkeit sei. Eine weitere im Stadtritterbuch verwendete Theorie wird dagegen hinreichend erläutert und auch begründet; es handelt sich um die Habitus- und Feld-Theorie Pierre Bourdieus (Seite 30-36). [6] Damit knüpft der Verfasser an eine reichhaltige Rezeption Bourdieus in der Adelsforschung an, [7] seine Ausführungen sind hinreichend tiefgehend und überzeugend, indem er damit „gruppenspezifische Verhaltens- und Reaktionsmuster“ analysieren möchte und dazu verschiedene „Felder“ (nach Seite 33 seien diese Felder „alle jene materiell, sozial oder narrativ konstruierten Aktionsräume, in denen ein bestimmter Habitus konturiert und zum Ausdruck gebracht werden konnte“) in den Blick nimmt. Zur Methode, mit der diese Theorieansätze verfolgt werden sollen, findet sich dann jedoch – überraschender- ebenso wie bedauerlicherweise – kein eigenes Kapitel, so dass unklar ist, ob hier (vielleicht?) nach der klassischen „historischen Methode“ [8] der Geschichtswissenschaft (oder nach irgend einer anderen Methode?) verfahren worden ist. Dieses methodische Klandestinierungsverfahren schränkt leider die Transperanz der Vorgehensweise ein, sie bleibt mithin invisibel. [9]

Die Fragestellung der kölnischen Doktorarbeit ist nicht speziell adelsspezifisch, sondern mehr auf das militärische Moment gelenkt worden; eruiert werden sollte „die soziale Relevanz kriegerischen Agierens und Repräsentierens für städtische Akteursgruppen“ (Seite 13). Dennoch geht es dabei vielfach auch um Fragen der Definition sozialer Statuspositionen, also auch um Bannerherren (Seite 177), das Amt städtischer Burggrafen als Torkontrollsicherungsverwahrer (Seite 243-245), Ritter (Seite 132-169), Stadtadel (Seite 29), Patrizier (Seite 27), Knappen oder „Armige“ (Seite 402-404), auch „Nobiles“ (Seite 404-405); mithin dabei auch teils um soziale Erzeugnisse, die teils mit  „Adel“ konnotiert worden sind. Dabei galt jedoch, insbesondere für den Vergleich von „Ritter“ und „Adel“: „Obgleich beide Begriffe inhaltlich und entwicklungsgeschichtlich eng miteinander verbunden sind, können weder alle Ritter unbesehen als adlig gelten, noch trugen alle Adligen den Rittertitel“ (Seite 404).

Verstanden wird die untersuchte Elite – sie umfaßt 258 Männer aus 69 Familien (Seite 149 und Liste aller Namen auf Seite 454-491) – vor allem als Gruppe. Das ist kein glücklicher Begriff, hat doch Latour (2010) darauf hingewiesen, dass Gruppenbildungen der geeignetere Begriff wäre, da das Wort „Gruppe“ zu viel Assoziationen zur Stabilität und Festigkeit der angedachten Gruppenbildung hervorrufen würde, nach Latour (2010) aber gilt: „Sobald man aufhört, Gruppen zu bilden und umzubilden, gibt es keine Gruppen mehr“. [10] Er betonte auch, „daß soziale Aggregate nicht Gegenstand einer ostensiven Definition sind, […], sondern nur einer performativen Definition“ sein könnten. [11] Dies bedeutete ihm zufolge: „Gruppierungen müssen ständig gebildet oder neu gebildet werden, und während dieser Schöpfung oder Neuschöpfung hinterlassen die Gruppenbildner viele Spuren, die der Analytiker als Daten verwenden kann.“ [12] Jedoch erörtert der Verfasser bisweilen auch die Begrifflichkeit „Gruppierung“ (Seite 28) und „Formation“ (Seite 28), touchiert damit durchaus praxeologische Perspektiven, ohne sie indes bewußt einzunehmen, bleibt vielmehr bei dem Wortgebrauch von „Gruppe“. Den Begriff „Stadtadel“ lehnt der Verfasser ab, da dieser Begriff zu ungenau sei. Denn um zu ermitteln, wer zum Stadtadel gehöre, müsse „für jede Stadt und jede Familie der Grad an ‚adligem Kapital‘ untersucht werden“ (Seite 30). Diese Art der Herangehensweise zur Ermittlung von Adel erscheint indes unglücklich, da dadurch erst von nachgeborenen Forschenden anhand eines (noch dazu recht willkürlich zusammengestellten) Kriterienkataloges festgelegt würde, wer adelig gewesen sei und wer nicht. [13] Man würde dann den gesammelten historischen Aktanten [14] selbst nicht überlassen, wer oder was als adelig galt oder nicht, sondern diese erst posthum bestimmen wollen. Sinnvoller wäre es stattdessen, zu untersuchen, welche aktantlichen Netzwerke praktisch wann, wo und  wie als adelig etikettiert worden sind, erzeugt wurden, verwandelt wurden und untergingen.

Die oben angesprochenen Spuren der Kölner Ritter sammelt und wertet der Verfasser in den folgenden Seiten unter dem Gruppenbegriff jedoch in weitreichendem Maße aus, vor allem schöpfend aus Quellen des Stadtarchivs Köln, das bereits teils (namentlich seit dem Wiederaufbau von 2021) digitalisiert worden ist (Seite 17-27), auch unter der Webseitenadresse „historischesarchivkoeln.de“ allgemein einsichtig ist. Ebenso erscheint die Hinzuziehung und Verarbeitung der Forschungsliteratur erscheint umfangreich, ausgewogen, grundlegend (Verzeichnis auf Seite 509-551). Nach einer Einleitung zum sozialen, historischen und rechtlichen Rahmen der Kölner Elitengeschichte des XIII. bis XVI. Centenariums (Seite 37-94) geht der Verfasser diverse Stationen ab, in denen die Bezeichnungen von kölnischen Rittern aufschienen. Dazu zählten Rittererzählungen, mithin literarische Verarbeitungen und Erinnerungen aus dem kulturellen Gedächtnis [15] Kölns zur Herkunft bestimmter Familien (Seite 95-124), inkludierend lobenswerterweise auch Alternativerzählungen (Seite 124-131), um die Kontingenz von Narrativen zu betonen. Es folgen Ausführungen zu Rittertitel und Ritterbildern, unter anderem als Medien der Selbstdarstellung, beispielsweise auf Grabmälern (Seite 132-188).

Anschließend werden ritterlich auftretende Helden und Heilige als eine Hintergrundfolie städtischer Narrative erörtert, wichtig als Symbole urbanen kölnischen Selbstbewußtseins (Seite 189-240). Welche Akteure im stätischen Kriegswesen aktiv waren, wird in der Folge thematisiert (Seite 241-310); dazu gehören neben Funktionsträgern (Burggrafen, Milizionäre, Schützen, Söldner) auch Funktionsverwendungen in den Kreuzzügen, Preußenfahrten, Hussitenkriegen sowie das Engagement von Kölnern in geistlichen Ritterorden und auf Turnieren in Köln. Die Bau- und Raumaktanten der Ritter, auch wenn sie der Verfasser nicht (wie in der historischen Praxeologie) als handlungsmächtige Aktanten betrachtet, [16] erhalten ebenfalls zwei Kapitel; hier stechen vor allem Rittertürme und Turmhäuser „intra muros“ hervor (Seite 311-361), aber auch (vor allem verlehnte) ländlich umliegende Burgen „extra muros“ (Seite 362-396). Ein letztes Kapitel schließlich widmet sich der wichtigen Frage von „Akzeptanz und Alternativen“ (Seite 397-435). Hier werden Reaktionen sozialer Umgebungen auf das Kölner Rittertum erörtert, aber auch andere Distinktionsformen wie der Junkertitel und die Nobilitierungen ab dem XV. Säkulum in den Blick genommen. Ein reichhaltiger Anhang (Seite 444-494) informiert abschließend, vor Quellenverzeichnis, Literaturverzeichnis (mit vielfältigem Einbezug auch der ausländischen Adelsliteratur), [17] Personenregister und Ortsregister, über kriegerische Auseinandersetzungen in Köln sowie den Burgbesitz kölnischer Familien bis 1550. Abgesehen davon enthält der Band eine ganze Reihe von gelungenen Rahmungen, Einordnungen beziehentlich Zusammenfassungen des Forschungsstandes hinsichtlich etlicher Spezialaspekte, so zum Rittertitel (Seite 132-145), zum Titel „Bannerherr“ (Seite 177) oder zur Frage der Reitersiegel (Seite 175-180), auch zum erwähnten Ulredenkmal (Seite 316-321).

Die eingangs beleuchtete kölnische „Geschlechterzeit“, wie sie um die Wende vom XIV. zum XV. Säkulum zu Ende ging, hat in Einzelaspekten mit dem Werk insgesamt ein eindrückliches Gruppenbildungsportrait erhalten, dicht beschrieben, quellengesättigt, forschungsgestützt. Und auch wenn das kriegerische Moment im Vordergrund steht, geht es in dem Werk doch auch immer wieder um das performative Adelstum, die Erzeugung von Adel. Man kann dem Verfasser daher nur beipflichten in seiner Erkenntnis, daß gedankliche Standesgrenzen zwischen Adel und Nichtadel, wie sie noch bei Lichtenberger (1488) in schlichter Manier aufgeführt worden sind, [18] im spätmittelalterlichen Köln praktisch nicht in dieser reinlichen Trennung anzutreffen waren. Bestätigt werden konnte schließlich auch, daß das Rittertum mit der Stadtregimentswende hin zu den Zünften an Beliebtheit verlor, gleichwohl um 1500 als „maximilianische Ritterrenaissance“ zurückkehrte (Seite 163-166). Mit der Beachtung wichtiger Aktanten der Kölner Ritter hat der Verfasser außerdem eine Musterauswertung vorgelegt, die auch in der historischen Praxeologie hätte stattfinden können; nur die Benennungen und der Status der Aktanten sind in dem Werk noch anders aufgefaßt worden; versammelt wurden die Netzwerke in Praxisformationen gleichwohl. Dazu zählten Erzählungen in Form von Schrift- und Sprechakten ebenso wie soziale Etikettierungen, Bauwerke, Siegel, Wappen, Glasfenster, Grabmäler oder Turniere.

Die Studie zu den kölnischen Stadtrittern ist eine anregende und lesenswerte Lektüre, die den international gut beachteten und vielfach auch kritisch reflektierten Forschungsstand (so Seite 29-30, 37-43, 163-164, 239, 489) wirkungsvoll erweitert und die changierenden Grenzen zwischen „Adel“ und „Nichtadel“, die zu allen Zeiten (besonders im Mittelalter, [19] aber auch noch in der Formierungszeit der Moderne) fließend waren, betont. Das Buch hebt außerdem das über das Kölner Beispiel hinausgehende soziale Phänomen städtischen Rittertums hervor und rückt es als Grenzbereich ins Licht vermehrt auch der Adelsforschung, die damit teils tangiert wird. Bei dem Werk handelt es sich mithin um eine in vielen Bereichen gesättigte soziohistorische, wenngleich hauptsächlich geschichtswissenschaftliche Studie, die gleichwohl nah an Bourdieu angebunden ist, fast praxeologischen Charakter aufweist. Sie berücksichtigt, zumindest auf den ersten Blick, bereits alle maßgeblichen Aktanten (ohne sie mit dem Begriff zu benennen), die sich für die Erzeugung von Rittern in Köln zusammenfanden, beschreibt gut Aufgang und Niedergang der „Gruppenbildung“, besonders auch im einordnenden Vergleich zu außerkölnischen Gepflogenheiten, wenn auch nicht explizit als Praxisformation.

Diese Rezension stammt von Dr. Dr. Claus Heinrich Bill (März 2025). Zu den Annotationen:

1 = L.[eonard] Ennen: Sturz der Geschlechter in Köln, Teil I (Schöffen-Bruderschaft und Richerzeche), in: Kölnische Zeitung (Köln am Rhein), Ausgabennummer 188 vom 9. Juli 1858, Seite 1.

2 = Dazu siehe weiterführend Manfred Groten: Die Kölner Richerzeche im 12. Jahrhundert. Mit einer Bürgermeisterliste, in: Rheinische Vierteljahrsblätter. Veröffentlichung der Abteilung für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte des Instituts für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn, Bonn 1984, Seite 34-85.

3 = Exemplarisch dazu nur Werner Wilhelm Schnabel: Distanzierte Nähe. Patriziat und Exulantenadel im Nürnberg des 17. Jahrhunderts, in: Wolfgang Wüst (Hg.): Patrizier. Wege zur städtischen Oligarchie und zum Landadel (Süddeutschland im Städtevergleich), Frankfurt am Main 2018, Seite 57-80 (Tagungsband mit Aufsätzen in den zwei Sektionen „Nürnberg. Eldorado der Patrizier“ und „Der Städtevergleich“; enthält auch eine Begriffsdefinition der mittelalterlichen Begriffe „Herren“, „Patrizier“ und „vornehme Geschlechter“). Zum Mittelalter siehe jedoch auch Stefan Frey: Fromme feste Junker. Neuer Stadtadel im spätmittelalterlichen Zürich, Zürich 2017, 216 Seiten (Dissertation an der Universität Zürich 2015). Wenn aber die Themenbereiche „Stadt“ und „Rittertum“ behandelt worden sind, so meist eher nach dem folgenden Muster wie bei Thomas Ertl: Wie viel Stadt braucht ein Ritter? Landleben, Geldgeschäfte und Stadtresidenzen des Adels im spätmittelalterlichen Österreich, in: Gerhard Fouquet / Jan Hirschbiegel / Sven Rabeler (Hg.): Residenzstädte der Vormoderne. Umrisse eines europäischen Phänomens, Ostfildern 2016, Seite 281-302. Vereinzelt wurde indes durchaus aber die angerissene Themenverknüpfung durchgeführt, so bei Gottlob Hermann Biedermann (Hg.): Städtle und Stadt. Dornstetten und Freudenstadt. Spurensuche zur Jahrtausendwende. Ritter und Leute, Kirchen und Bauten. Erinnerung zur Stadtgründung Freudenstadts vor 400 Jahren 1599-1999, Reutlingen: Steinach-Verlag 2000, 344 Seiten; Arend Mindermann: Bettelmönche und Ritter in Stade. Ordensniederlassungen und Adelshöfe in einer mittelalterlichen Stadt, in: Zwischen Elbe und Weser. Heimat und Kultur. Zeitschrift des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Band XV, Stade 1996, Heft Nr. 4, Seite 18-20; Wilhelm Tacke: „Solchen Verstand hat man in einer solchen vornehmen Stadt vor alten Monumenten“. Rest eines Grabsteins für einen Ritter des 14.-15. Jahrhundert, in: Wilhelm Tacke (Hg.): Allerlei Erbauliches und Beschauliches über den St. Petri-Dom und den Bleikeller, Bremen 1996, Seite 159-164; Heinrich Börsting: Geschichte der Stadt Horstmar, ihrer Ritter, Burgmannen, Bürger und Bauern, Münster: Regensbergverlag 1928, VI und 249 Seiten.

4 = W. Scheben: Am 11. Juni, in: Kölner Sonntags-Anzeiger (Köln am Rhein), Ausgabennummer 505 vom 27. Juni 1886, Seite 4 (Artikel mit einer detailreichen Abbildung und Beschreibung des Denkmals inklusive Legende anläßlich der Restaurierung desselben im Jahre 1886 durch Professor Fuchs).

5 = Im März des Jahres 2024 ist der niederländische Verlag Brill selbst vom Verlag de Gruyter in Berlin aufgekauft worden, der Verlag heißt nunmehr „de Gruyter-Brill“. Siehe dazu Mareike Gröneweg: Die Spitzentitel der Verlage. Bei der 76. Frankfurter Buchmesse preisen auch Paderborner Verlage ihre Neuerscheinungen an, in:  Neue Westfälische (Höxtersche Kreiszeitung) vom 17. Oktober 2024, Seite 26, wo es heißt: „Nach dem Zusammenschluss der wissenschaftlichen Verlage Brill und De Gruyter im März zu ‚De Gruyter Brill‘ sind [...] Imprints [...] in diesem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse am Stand von De Gruyter Brill vertreten [...] De Gruyter Brill präsentiere auf der Frankfurter Buchmesse das erste Mal sein neues Branding.“

6 = Siehe dazu Friedhelm Guttandin: Habitus, in: Thorsten Benkel / Andrea D. Bührmann / Daniela Klimke / Rüdiger Lautmann / Urs Stäheli / Christoph Weischer / Hanns Wienold (Herausgebende): Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden: Springer Fachmedien, 7. Auflage 2024, Seite 496; er versteht darunter „das Repertoire kultureller Praktiken (Denk‑, Wahrnehmungs‑, Beurteilungs- und Aktionsschemata), das den Mitgliedern einer sozialen Einheit (Gruppe, Klasse, Gesellschaft, Kultur) jeweils gemeinsam ist.“

7 = Bourdieu fand auch schon Verwendung bei Monique de Saint Martin: Der Adel. Soziologie eines Standes (Band VIII der Reihe „Édition discours“), Konstanz 2003, 284 Seiten (kapitalsoziologische Analyse der Erinnerungsgemeinschaft des vormaligen französischen Adels zu Beginn des XXI. Säkulums seitens der Bourdieuschülerin); Verena Breitbach: Von Stil, Manieren und Etikette. Zur Rolle des Adels in Frankreich und in Deutschland, in: Dokumente. Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog, Band LXVII, Bonn 2011, Heft Nr. 1, Seite 65-68; Claire Chatelain: Ein adeliges Beamtenpaar vor Gericht. Der Einsatz von Kapitalsorten im Eheverfahren zur Trennung von Tisch und Bett am Ende der Regierungszeit von Ludwig XIV., in: Institut für die Erforschung der Frühen Neuzeit (Hg.): Frühneuzeit-Info, Band 26, 2015, Heft Nr. 1, Seite 95-103 (betrifft Adelsdevianz, abweichendes Verhalten, Separationen und Scheidungen im Adel im Lichte Bourdieus als Aufsatz innerhalb des Themenheftes „Streitpaar. Verfahren in Ehesachen“); Lenger, Alexander / Priebe, Stefan: Demonstrativer Konsum und die Theorie der feinen Leute. Geschmack, Distinktion und Habitus bei Thorstein Veblen und Pierre Bourdieu, in: Alexander Lenger / Christian Schneickert / Florian Schumacher (Hg.): Pierre Bourdieus Konzeption des Habitus. Grundlagen, Zugänge, Forschungsperspektiven, Wiesbaden 2013, Seite 91-108; Pecar, Andreas: Das symbolische Kapital der Ahnen. Genealogische Inszenierungen Herzog Ulrichs von Mecklenburg in Güstrow, in: Kornelia von Berswordt-Wallrabe / Kristina Hegener / Regina Erbentraut (Hg.): Schloß Güstrow. Prestige und Kunst 1556-1636, Schwerin 2006, Seite 38-43 und 218-219 (betrifft in einem Ausstellungskatalog über den Einzelfall hinaus die soziologische Perspektive auf Adelsvorfahren als Bourdieusche Kapitalart); Kohara, Kazuma: Sociology of Nobility. A Comparison of Bourdieu and Veblen with Signal Theory, in: Japan Sociological Society (Hg.): Japanese Sociological Review, Band 52 (2001), Heft Nr. 2, Seite 196-213; Kischel, Anja: Soziale Mobilität in Theodor Fontanes Gesellschaftsromanen, Frankfurt am Main 2009 (Band LXX der Reihe „Bochumer Schriften zur deutschen Literatur“; enthält eine Studie, die sozialen Aufstieg thematisiert und fünf Fontanesche Romane mit der Habitustheorie Bourdieus betrachtet, darin auch auf Seite 155-185 ein Kapitel über soziale Ausgangspositionen des Adelsfiguren und auf Seite 269-295 ein Kapitel über die Realisierungsformen sozialer Mobilitätswünsche und die soziale Endposition der Adelsfiguren); Buchhester, Dörthe: Die Familie der Fürstin. Die herzoglichen Häuser der Pommern und Sachsen im 16. Jahrhundert. Erziehung, Bücher, Briefe, Frankfurt am Main 2015, 341 Seiten (Band XV der Reihe „Medieval to early modern culture“; zugleich Dissertation Universität Greifswald 2012; betrifft geschlechtsspezifische Erziehung als Fürstentöchter und Fürstensöhne, fürstliche Lesekultur, Fürstenbibliotheken, Briefe und Netzwerkpflege, Anwendung der Theorie der „Ökonomie der Praxis“ mit den soziologischen Kapitalarten nach Bourdieu); Füssel, Marian: Die feinen Unterschiede in der Ständegesellschaft. Der praxeologische Ansatz Pierre Bourdieus, in: Marian Füssel / Thomas Weller (Hg.): Soziale Ungleichheit und ständische Gesellschaft. Theorien und Debatten in der Frühneuzeitforschung, Frankfurt am Main 2011, Seite 24-47; Schmitz, Simon: Adlig werden und es wirklich sein. Etablierung im Adel im 17. und frühen 18. Jahrhundert im Gesamtzusammenhang des Phänomens Neuadel im 16. und 17. Jahrhundert, Heidelberg 2024, X und 1339 Seiten (Dissertation Universität Heidelberg 2024 unter dem ehemaligen Arbeitstitel „Aufsteigen und Obenbleiben. Etablierungsstrategien neunobilitierter reichsadeliger Familien im 16. und 17. Jahrhundert“; orientiert sich an der Bourdieuschen Theorie der vier ökonomischen, sozialen, symbolischen und kulturellen Kapitalsorten, formuliert davon abgeleitet „Etablierungskapitalien“ für Neuadelige); Pecar, Andreas: Prestige zwischen Zuschreibung und Besitz – Allgemeine Überlegungen am Beispiel des höfischen Adels in der frühen Neuzeit, in: Birgit Christiansen / Ulrich Thaler (Hg.): Ansehenssache. Formen von Prestige in Kulturen des Altertums, München 2012, Seite 61-79 (These, daß allein die Gunst des Landesherrn und des Mitadels für Prestigezuschreibungen beim Adel nötig gewesen seien; betrachtet Architektur als Versuch des Hofadels zur Erlangung symbolischen Bourdieuschen Kapitals); Eberlein, Tina: Adel und Industriekapitalismus. Das Beispiel katholischer Unternehmer im 19. Jahrhundert, in: Markus Raasch (Hg.): Adeligkeit, Katholizismus, Mythos. Neue Perspektiven auf die Adelsgeschichte der Moderne, München 2014, Seite 78-107 (Bourdieusche Kapitalarten und der Adel, Adelsmentalität, kulturelle Praxis der Schollenbindung, Unternehmensformen, Risikobereitschaft Adeliger); Grillmeyer, Siegfried: Zur Symbiose von symbolischem und realem Kapital. Das Beispiel Thurn und Taxis zwischen 1800 und 1870, in: Günther Schulz / Markus A. Denzel (Herausgebende): Deutscher Adel im 19. und 20. Jahrhundert. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 2002 und 2003, Sankt Katharinen 2004, Seite 219-260 (einer der ersten deutschen Studien, die sich im Zusammenhang mit der Adelsforschung noch für die Verwendung des Bourdieuschen Modells der Ökonomie der Praxis mit verschiedenen Kapitalarten rechtfertigen mußte); Raab, Nico: Adeligkeit und Widerstand. Das Beispiel des Katholiken Claus Schenk Graf von Stauffenberg, in: Markus Raasch (Hg.): Adeligkeit, Katholizismus, Mythos. Neue Perspektiven auf die Adelsgeschichte der Moderne, München 2014, Seite 235-261 (Erörterung der Frage, wie die Bourdieusche Kapitalarten, Kommunikationsweisen und außen- und innenpolitische Ideale der Attentäter wirkten); André Ralph Köller: Agonalität und Kooperation. Führungsgruppen im Nordwesten des Reiches 1250-1550, Göttingen 2015, 727 Seiten; Solterbeck, Sven: Blaues Blut und rote Zahlen. Westfälischer Adel im Konkurs 1700-1815, Münster 2018, 455 Seiten; Wiesflecker, Peter: Vampire, Helden und Verschwörer oder familiäre Allianzen als Kapital. Anmerkungen zur Geschichte und Genealogie der Grafen Nádasdy bis ins frühe 18. Jahrhundert, in: Rudolf Kropf (Hg.): Die Familie Nádasdy – Vom 16. bis ins 20. Jahrhundert, Eisenstadt 2015, Seite 55-67 (betrifft soziales Kapital nach Bourdieu anhand eines familiären Einzelfalls).

8 = Dazu siehe die Bemerkungen bei Friedrich Jaeger (Herausgebender): Enzyklopädie der Neuzeit, Band V, Stuttgart: J. B. Metzler 2007, Spalte 495-498; Joachim Ritter / Karlfried Gründer (Herausgebende): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band V, Darmstadt 1980, Spalte 1345-1355; Richard van Dülmen (Herausgebender): Fischer Lexikon Geschichte, Frankfurt am Main 1990, Seite 13-32; Stefan Jordan (Herausgebender): Lexikon Geschichtswissenschaft, Stuttgart: Reclam 2002, Seite 211-215. Nach Bruch (2013) ziele Geschichtswissenschaft ab auf „eine in Gegenstand, Theorie und Methodik autonome Wissenschaft“, die eine „kritisch reflektierende  und verstehende Ermittlung sowie Vermittlung des Geschehenen“ beabsichtige. Zitiert nach Rüdiger vom Bruch: Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, in: Stefan Jorfan (Herausgebender): Lexikon Geschichtswissenschaft, Stuttgart: Philipp Reclam Junior 2013, Seite 124. Nach Völkel gehören dazu die vier aufeinander aufbauenden Schritte von Fragen, „Suchen (Heuristik), Beurteilen (Kritik) und Deuten (Interpretieren, Verstehen)“. Zitiert nach Markus Völkel: Methode (historische), in: Stefan Jorfan (Herausgebender): Lexikon Geschichtswissenschaft, Stuttgart: Philipp Reclam Junior 2013, Seite 214. Verstehen meint dabei im Gegensatz zum naturwissenschaftlichen Erklären von Gesetzen nach Muhlack (2013) „eine Erkenntnisweise, die historische Phänomene aus ihrer jeweiligen Besonderheit oder Individualität heraus zu begreifen sucht“. Zitiert nach Ulrich Muhlack: Verstehen, in: Stefan Jordan (Herausgebender): Lexikon Geschichtswissenschaft, Stuttgart: Philipp Reclam Junior 2013, Seite 310.

9 = Eine der theoretischen Festlegungen des Werkes, die auch Wirkungen auf die Methode gehabt haben könnte, könnte möglicherweise darin bestehen, Akteur:innen nicht das eigene Handlungspotential abzusprechen, wenn die „Konventionalität des Handelns“ betrachtet wird (Seite 34-35).

10 = Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2010, Seite 63.

11 = Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2010, Seite 62.

12 = Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2010, Seite 62.

13 = Siehe dazu beispielhaft (für die Moderne) Heinz Reif: Adeligkeit, in: Heinz Reif: Adel, Aristokratie, Elite, Berlin 2016, Seite 324-326; er präsentiert ibidem ein Modell mit sechs adeligen Mentalitätskernen (Erbcharisma, Schollenbindung, Vorranganspruch, Herrschaftanspruch, Familie und Alter, Anpassungsfähigkeit). Andere Kerne (für die Vormoderne) verorten dagegen Gerhard Oexle: Aspekte der Geschichte, in: Wehler (Hg.): Europäischer Adel, Göttingen 1990, Seite 19-56; Dilcher: Der alteuropäische Adel, in: Wehler (Hg.): Europäischer Adel, Göttingen 1990, Seite 87-95.

14 = Gemäß Schulz-Scheffer (2000) waren Aktanten „alle Entitäten, denen es mehr oder weniger erfolgreich gelingt, eine Welt voller anderer Entitäten mit eigener Geschichte, Identität und Wechselbeziehungen zu definieren und aufzubauen‘ […] Diese Tätigkeit wird als ‚Übersetzung“ (translation) bezeichnet. Übersetzungen sind demnach auf einer sehr allgemeinen Ebene alle (Um-)Definitionen der Identität, der Eigenschaften und der Verhaltensweisen irgendwelcher Entitäten, die darauf gerichtet sind, Verbindungen zwischen ihnen zu etablieren, also Netzwerke zu bilden.“ Zitiert nach Ingo Schulz-Schaeffer: Akteur-Netzwerk-Theorie. Zur Koevolution von Gesellschaft, Natur und Technik, in: Johannes Weyer (Hg.): Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung, München: Oldenbourg 2000, Seite 189. Aktanten zeichenten sich mithin dadurch aus, dass sie Handlungspotential oder Agency besaßen. Aktanten konnten daher Menschen (Humanaktanten) sein, aber auch Tiere (Animalaktanten), Kulturlandschaften und Bauwerke (Raumaktanten), Sachen (Dingaktanten) Verhaltensweisen (Habitusaktanten), Symbole (Sinnaktanten) oder auch andere Aktanten. In der Adelsforschung wäre daher jeweils zu ermitteln, in welchen historischen Situationen welche Aktanten wie zusammenwirkten, um Adel zu erzeugen, zu definieren, zu modifizieren, zu prolongieren oder zu eliminieren.

15 = Zum kulturellen Gedächtnis (nach Jan Assmann) siehe Markus Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft, Darmstadt: Verlag der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft 2. Auflage 2004, Seite 128.

16 = Er gesteht ihnen gemäß Seite 341 lediglich zu, „sichtbarer Ausdruck gesellschaftlicher Position“ und „Indikatoren eines kriegerischen Habitus“ zu sein.

17 = Hier fehlt auf Seite 545 zwischen „Stead“ und „Stehkämper“ die bibliographisch nicht aufgelöste Literaturposition von „van Steensel“, die auf Seite 177 in der Fußnote 220 erwähnt wird. Es handelt sich dabei vermutlich um Arie van Steensel: Edelen in Zeeland. Macht, rijkdom en status in een laatmiddeleeuwse samenleving, Hilversum 2010, 492 Seiten (Band VIII der Reihe „Adelsgeschiedenis“; betrifft Macht, Reichtum und Status des niederländischen Adels in der Provinz Zeeland). Tatsächlich ist die Literaturposition dann aber unter „Van Steensel“ im Literaturverzeichnis auf Seite 548 ermittelbar (der Transfer zwischen „van Steensel“ und „Van Steensel“ kann nur durch externe Recherche nachvollzogen werden oder über die elektronische Version des Werkes, indem man nur nach „Steensel“ sucht). Dasselbe Problem herrscht bei „von der Dunk“ vor, der unter „Von der Dunk“ (Seite 549) aufgenommen worden ist. Andererseits wurden Namen mit einem bloßen „von“ aber auch nicht unter „V“, sondern unter anderen Buchstaben einsortiert, so bei „Oidtman, Ernst von“ auf Seite 536 unter „O“ und bei „Mallinckrodt, Max von“ auf Seite 532 unter „M“. Welche Systematik dieser Versplitterung von „Von“- und „Van“-Namen zugrundeliegt, wird leider eingangs der Verzeichnisse nicht erläutert (Seite 495, 497, 501, 509), muß daher von den Lesenden durch Versuch und Irrtum selbst erschlossen werden. Fernerhin wird eine Position „Ennen, Herrenhöfe“ aus der Fußnote 173 auf Seite 350 weder im Druckquellenverzeichnis auf Seite 502 zwischen „Eder“ und „Estenis“ noch im Literaturverzeichnis auf Seite 517 zwischen „Enenkle“ und Enzel“ aufgelöst. Der Titel ist externer Recherche zufolge auch nicht in der Nordrhein-Westfälischen Bibliographie unter der Webseitenadresse „nwbib.de“, im Kölner Universitätsbibliothekskatalog unter der Webseitenadresse „katalog.ub.uni-koeln.de/portal/home.html?l=de“ und im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek unter der Webseitenadresse „dnb.de/DE/Home/home_node.html“, jeweils mit Datum vom 22. April 2025, eruierbar. Zumindest unvollständig mutet fernerhin der Eintrag im Literaturverzeichnis „Müller, Jan-Dirk, Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft Literatur und Hofgesellschaft im Maximilian I. (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur, Bd. 2), München 1982“ auf Seite 535 an. Hier könnte man vermuten, dass der Titel vielleicht „im Zeitalter Maximilian I.“ lauten könnte. Tatsächlich heißt der Titel richtig jedoch „Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I.“; es handelt sich um eine Heidelberger Habilitationsschrift aus dem Jahre 1976.

18 = Johannes Lichtenberger: Prognosticatio zu theutsch, Heidelberg: Heinrich Knoblochtzer ohne Jahr (um 1488), 46 Blatt (darin ohne Seitenangabe die bildliche Darstellung der ideal gedachten spätmittelalterlichen Ständeordnung als Vorlage für die spätere Ständepyramidenidee, abgebildet im Holzschnitt des Jacob Meydenbach mit christusgesegnetem klerikalem Lehrstand, kriegeradeligem Wehrstand und bäuerischem Nährstand sowie dem imperativen Gottessohn-Ausspruch „Tu supplex ora, tu protege, tuque labora“ beziehentlich „Du bete demütig, du verteidige, und du arbeite“); Nomen Nescio: Die künftige teutsche Verfassung, in: Rheinischer Merkur (Koblenz), Nr. 105 vom 20. August 1814, Seite 1-3 [darin wird der Adel auf Seite 2 als Ideal wie folgt beschrieben: „Es ſind aber die drey Säulen, auf welche alle ſtändiſche Verfaſſung gegründet iſt, Lehrſtand, Wehrſtand und Nährſtand, dieſelben, welche weiſe, wenn auch nicht vollkommen in der Reichsſtandſchaft der alten Verfaſſung, durch die geiſtlichen Fürſten, die Weltlichen ſammt der Reichsritterſchaft und die Reichsſtädte dargeſtellt wurden. Auf dieſer dreyfachen Grundlage, die ſo alt iſt wie die Geſchichte, und in ihren Uranfängen und in tiefſter Wurzel ſchon alſo getheilt erſcheint, wird auch der neue Staatsvertrag errichtet werden … Es folgt der Wehrſtand und ſein Haupt der Adel, deſſen weſentliche Beſtimmung das Alterthum darin geſetzt, das Schwerdt zu führen zum Schirm des Landes, zu richten und zu ſchlichten mit den ſcharfen Stahle, zu pflegen den Muth in tapferer Bruſt und im ſtarken Körper jegliches kriegeriſche Geſchick, zu bewahren die Treue und das Wort, und mitten in der Kraft zu hegen zarte Milde und adelichen Sinn, und in Allem zu ſeyn des Volkes Vorſtand und der ſtarke Arm der Fürſten ſchlagend und ſeegnend wie die Gelegenheit es mit ſich bringt“).

19 = Kurt Andermann / Peter Johanek (Hg.): Zwischen Nicht-Adel und Adel, Stuttgart 2001, 456 Seiten (Band LIII der Reihe „Vorträge und Forschungen der Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte“, betrifft Adelserzeugung, Übergang von bislang Nichtadeligen in den Adel).


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