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Urbane Gentilhommerie, Patriziat und Stadteliten im nordischen RaumNeue Erkenntnisse zur nichtruralen Nobilität in Städten an Nord- und OstseeDie Forschungslage zu deutschen Stadteliten ist vergleichsweise gut und wegen der Vielzahl der Studien recht unübersichtlich; Publikationen beziehen sich inhaltlich auf räumlich städtisch begrenzte Spezialfallanalysen mit personellen, familiären wie dinglichen [1] bis hin zu vergleichenden nationalen [2] wie internationalen Untersuchungen. [3] Für alle diese Forschungsrichtungen ist indes nun auch ein weiterer Sammel-Band erschienen, der einzelne Aspekte dieser Orientierungen aufnimmt, weiterführt, bündelt oder vertieft. Es handelt sich dabei um das voluminöse, schwergewichtige (1,9 kg) und großformatige (21,0 x 29,7 cm) Werk Adel in der Stadt. Archäologie im Kontext mittelalterlicher urbaner Eliten, herausgegeben als Band XII der Schriftenreihe Lübecker Kolloquium zur Stadtarchäologie im Hanseraum von Dirk Rieger. Der Band erschien im Verlag Marie Leidorf entweder in Rahden in Westfalen oder aber in Lübeck [4] im Jahre 2024 unter der Standardbuchnummer 978-3-86757-450-1, kann im virtuellen wie analogen Buchhandel um den Preis von 64,80 Euro erworben werden. Die vielen Beiträge des Bandes stammen aus einem breiten geographischen Bereich, der von Großbritannien (York) über die südliche Nordseeküste bis hin zur nordwestlichen Ostseeküste (Turku) reicht, mithin den internationalen Blick schärft. Aber auch Studien zum deutschen Stadtadel fehlen nicht, bilden vielmehr den Schwerpunkt mit Untersuchungen zu den Städten Berlin-Cölln, Brandenburg an der Havel, Braunschweig, Bremen, Göttingen, Köln, Lüneburg, Münster, Rostock, Soest, Stralsund; ferner sind auch ehemals vielfach deutsch geprägte ausländische Städte wie Danzig, Kolberg und Stettin in den Blick genommen worden. Dabei ergibt sich die Problematik, die auch schon in der Spannung zwischen Titel und Untertitel des Bandes offenbar wird (Seite 12): Stadtadel und urbane Eliten waren nicht immer miteinander identisch. Städtische Eliten mußten nicht zwangsläufig aus Adelsfamilien stammen, wurden aber oft als solche performativ erzeugt, sie waren a very difficult issue (Seite 403), wie sich eine der Beiträgerinnen im Band treffend ausdrückte. Die Art der Adels-Erzeugung spielt aber leider in der ansonsten guten Einführung ins Thema (Seite 12-17) keine Rolle, obwohl gerade die Stadtadelsfrage dafür überaus geeignet gewesen wäre. Ganz im traditionellen Fahrwasser der Forschung schwimmend wird stattdessen hier behauptet, Adel sei eine geburtsständisch definierte, sozial und ökonomisch heterogene Oberschicht (Seite 12). Dabei wird verkannt, daß die Geburtstandsidee nur ein Diskurs war und keine soziale Tatsache, was allein daran zu erkennen ist, daß es in den Städten diverse Konflikte um die Frage gab, ob es sich denn bei Stadteliten um Adel handeln würde oder nicht. Diese Konflikte sprechen vielmehr für eine gegenteilige These, nämlich die Situativerzeugung von Adel durch beständig wiederholte Performanzen mit Menschen, Symbolen, Räumen, Dingen (unter anderem Grablegen, Epitaphien, Adelshöfe), Tieren et cetera. [5] Der Trugschluß, man könne adelig werden (Seite 16) und es dann für immer bleiben [6] ist daher vom Forschungsstand bereits als überholt zu betrachten (und nur noch für Traditionalisten ohne kognitive Dissonanzerzeugung gangbar). Daß im Vorwort immer noch eine veraltete Adelssichtweise beibehalten wird, ist umso erstaunlicher, weil gerade die Archäologie prädestiniert dafür ist, den für die Adelserzeugung immens wichtigen materiellen Adelsaktanten ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen. [7] Es werden auch erfreulicherweise in einigen der im Band abgedruckten Beiträge sowohl Dinge, die Adel erzeugten (Seite 19) als auch die mit der Adelserzeugung einhergehende Labilität der Sozialzuschreibung Adel thematisiert (so beispielhaft auf den Seiten 303 und 477, auch auf Seite 445 bei den Häuptlingen von Visby). [8] Doch bleiben diese lichtblickhaft aufscheinenden Ansätze vereinzelt, gehen selten (und wenn, dann nur zaghaft) über die Feststellung eines gewissen Problems heraus, anstatt daraus eine Lösung (wie sie die neue poststrukturalistische und praxistheoretisch orientierte Adelstheorie un/doing nobility böte) zu generieren. Der Band selbst ist reich bebildert mit über 430 Ding-Photos, Karten, Grafiken, Tabellen, Ausgrabungsabkonterfeiungen und Rekonstruktionszeichnungen. Zum Ende hin, in einer Zusammenfassung (Seite 493-501), klingt die statische Adelsauffassung der Einleitung zunächst wesentlich moderater und nicht mehr so dogmatisch; dort werden Städte immerhin als dynamische soziale Interaktionsräume (Seite 493) verstanden, Adel noch als fluide gedacht, auch wenn dann leider erneut behauptet wird, Adel sei seit dem 15. Säkulum eine fest umrissene soziale Kategorie gewesen. Eine grundsätzliche Abkehr vom veralteten Konzept being nobility ist damit leider nicht verbunden gewesen, obschon die Indizien dafür zu Hunderten auf dem Tische lagen (beziehentlich im Bande bildlich wie textlich beschrieben worden sind). Die Situation wird auch nicht besser, wenn man dann von Aristokratie statt von Adel spricht (Seite 493), weil sich dann nichts grundlegend an der statischen Einstellung, was Adel sei, geändert hat. Dabei wird bisweilen im Band ein seltsam ebenso komplizierter wie umgekehrter Weg der Definition gewählt: Zuerst wird festgelegt, was Adel sei oder was als Indikator für Adel gelten solle, [9] dann werden die Dinge oder Akteure zugeordnet, anstatt den natürlicheren Weg zu gehen, der darin bestünde, sich anzuschauen, wann und wie Aktanten selbst in ihren flüchtigen Netzwerken (situativ in Praxisformen und Praxisformationen anerkannten, geduldeten, bezweifelten oder negierten) Adel erzeugten. Dabei ist der Band an überaus eindrücklichen Belegen reich, die immer wieder auf adelskontextualisierte Gegenstände abheben, so Wappen, Artushöfe, Schmuck, Glas, Siegel, auch bürgerliche Burgen (Seite 364). Dies bedeutet, daß sehr viele Dingaktanten vorgestellt werden, die teils zur Adelserzeugung in Netzwerken benützt worden sind, teils ermittelt auch mit kreativen Methoden (so einer Kloakenanalyse auf Seite 283-292). Ein Beitrag sticht in dem Sammelband indes gleichwohl hervor, der in die Richtung eines prozeßhaften doing noble nach Büsser (2020) geht; [10] er beschäftigt sich mit the question of how nobility was performed in the Danish city of Aarhus in the Middle Ages (Seite 455). In diesem von einer dänischen Museologin verfaßten Aufsatz zum Stadtsakraladel wird hervorgehoben, daß dänische Forschende Adel anhand dreier Merkmale identifizieren würden. Dazu zählten a) Inschriften auf Dingen oder Gebäuden, b) die Benützung von Artefakten, die mit dem Adel konnotiert seien und c) Memorialmaterialitäten (Seite 455). Anschließend wird aus der dänischen Forschung ein bedenkenswertes Konzept zusammengestellt: Zu diesem Zweck greift das Papier Benedict Andersons Ideen zu imaginierten Gemeinschaften sowie Barbara H. Rosenweins Ideen zu emotionalen Gemeinschaften auf und betrachtet den Adel als imaginierte Gemeinschaft, die durch eine auf Macht und Erinnerung ausgerichtete Ideologie gekennzeichnet ist. Die Verfasserin des Aufsatzes betrachtet den Adel daher als eine imaginäre Gemeinschaft, die durch eine Ideologie gekennzeichnet ist, die sich auf Macht und Erinnerung konzentriert [...] Folglich werde ich den Adel als eine imaginäre Gemeinschaft charakterisieren, die durch gemeinsame Praktiken rund um die Ausübung von Macht, insbesondere politischer, wirtschaftlicher und militärischer Macht und Erinnerung, verbunden ist. Die Art und Weise, wie Macht und Erinnerung ausgeübt wurden und wie Materialität in diesem Prozess aktiviert wurde, kann jedoch je nach Zeit und Ort unterschiedlich gewesen sein. Der folgende Aufsatz untersucht, was die Topographie, die bebaute Umgebung und die ausgegrabenen Materialien über Machtausübung und Erinnerung des Adels in Aarhus im Mittelalter verraten (eigene Übersetzung von der englischen in die deutsche Sprache, Seite 455). Dieser Ansatz ist nicht schlecht gewählt, geht er doch bereits in eine konstruktivistische Richtung, allerdings ist a) auch die Imagination nur ein Baustein in einer Vielzahl von Aktanten im jeweils fluiden und instabilen Netzwerk zur Adelserzeugung und b) verbindet sich nicht allein die Adelsgemeinschaft durch gemeinsame Praktiken, sondern Adel wird durch die Praktiken erst gemacht beziehentlich hervorgebracht. [11] Erkennbar ist jedoch zweifelsfrei, daß abseits der statischen „being nobility“-Ansätze immer wieder auch poststrukturalistische Momente und Blitzlichter im Sammelband benannt werden, etwa in der Konklusion, wo es heißt: Bedeutung wohnt den Dingen nicht per se inne, sondern entsteht bzw. vollzieht sich mit und innerhalb des Handlungs- bzw. Interaktionsraumes eines zeitlich, räumlich, kulturell und sozial bestimmten Kontextes (Seite 494). Insgesamt freilich kann sich der vorwiegend archäologisch orientierte Sammelband (manches konnte mangels archäologischer Befunde auch nur noch über die Literatur annähernd rekonstruiert werden; siehe dazu Seite 325) aber nicht frei machen vom Altansatz des Gedankens und der Idee des Adels als einer festen (oder als fest imaginierten) Gemeinschaft, obschon gerade für das Mittelalter die fließenden sozialen Grenzen deutliche Hinweise darauf bieten, daß Adel zu allen Zeiten eine instabile Sozialzuschreibung gewesen ist, die immer wieder der Erneuerung bedurfte, wollte sie weiter existieren (Seite 494). Für diese Sichtweise sind auch immer wieder entsprechende kleine Anläufe zu erkennen, so bei der definitorischen Unterscheidung zwischen dem Adel als vorgeblicher fester Gruppe und der Adelskultur, die Nichtadelige als Aristokratisierung betrieben (Seite 12-13). Abgesehen von diesem Manko ist der Sammelband aber reichhaltig mit neuen Erkenntnissen angefüllt, die einzelnen Beiträge sind außerhalb des Fehlens des (schon vorhanden gewesenen, aber nicht genutzten) soziohistorischen Theorierahmens spannend, erkenntnisreich, inhaltsgesättigt, bildlich angereichert, plastisch gemacht worden. Die Fülle der Erkenntnisse, die sich aus den Druckbeiträgen einer ursprünglich im Lübecker Rathaus im Jahre 2022 abgehaltenen Tagung speisten, ist im Sammelband daher lobenswerterweise konserviert worden; die Forschung wird von ihr reichhaltige Impulse empfangen; dies gilt sowohl für die einzelnen besprochenen Städte als auch für die herausgearbeiteten interurbanen Vergleiche. Daß theoretische Defizite in der Sozialgruppenbildungsforschung zu verzeichnen sind, mag damit zu tun haben, daß die Sammelbandbeiträge vermutlich überwiegend nicht von Sozialwissenschaftler:innen verfaßt worden sind. In jedem Falle bieten sie aber überreiches neues Material für das in myrioramatischen Formen immer wieder facettenreich auftretende Phänomen des "un/doing nobility" in den mittelalterlichen Städten des Hanseraums. Diese Rezension stammt von Dr. Dr. Claus Heinrich Bill (Juli 2025) und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung. Zu den Annotationen: 1 = Dazu zählt beispielsweise Simon Palaoro: Politische Identitäten des Ulmer Patriziats. Zwischen dem Ende der reichsstädtischen Epoche und dem Neubeginn im Kurfürstentum Bayern, in: Mark Hengerer / Elmar L. Kuhn (Herausgebende): Adel im Wandel. Oberschwaben von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Band II., Ostfildern 2006, Seite 643-656 (betrifft den Ulmer Stadtadel); Nomen Nescio: Das Schicksal der Ritterstraße, in: Westfälische Zeitung (Bielefeld), Nr. 27 vom 1./2. Februar 1941, Seite 5 (betrifft die Historie mehrerer Stadtadelshöfe in Bielefeld); Friedrich v. Klocke: Patriziat und Stadtadel im alten Soest, Lübeck 1927, 96 Seiten (Band XVIII der Reihe Pfingstblätter des Hansischen Geschichtsvereins). 2 = Dazu siehe auswahlhaft Thomas Zotz: Der Stadtadel im spätmittelalterlichen Deutschland und seine Erinnerungskultur, in: Werner Rösener (Herausgeber): Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Göttingen 2000, Seite 145-161; Ludwig Ohlendorf: Das niedersächsische Patriziat und sein Ursprung, Hannover 1910, 124 Seiten (Band II/5 der Reihe Forschungen zur Geschichte Niedersachsens; betrifft Stadtadel in Hildesheim, Goslar und Braunschweig); Raoul Hippchen / Heidrun Ochs: Stadtadel, Patriziat, Funktionselite. Struktur und Verflechtung von Führungsgruppen mittelrheinischer Städte. Eine Skizze, in: Horn, Hauke / Müller, Matthias (Herausgebende): Gotische Architektur am Mittelrhein. Regionale Vernetzung und überregionaler Anspruch, Berlin 2020, Seite 307-313; Arend Mindermann: Zur Topographie städtischer Adelshöfe in der mittelalterlichen landesherrlichen Stadtplanung. Versuch einer Typisierung am Beispiel niedersächsischer Städte, in: Arnd Reitemeier (Herausgeber): Aus dem Süden des Nordens. Studien zur niedersächsischen Landesgeschichte für Peter Aufgebauer zum 65. Geburtstag, Bielefeld 2013, Seite 355-388. 3 = Zum Exempel diene hier Reinhard Elze (Herusgeber): Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters, Berlin 1991, 205 Seiten (Band II der Reihe Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient); . 4 = Der Verlag sitzt gemäß Webseite https://www.vml.de/d/impressum.php mit Abruf vom 13. Juli 2025 in Rahden in Westfalen (vorgeblich unter der Adresse Stellerloh 65), im Band selbst ist aber Verlag Marie Leidorf GmbH Lübeck 2024 vermerkt, so daß letztlich unklar ist, welcher Erscheinungsort hier gelten soll oder wo der Verlag wirklich sitzt. 5 = Siehe dazu Claus Heinrich Bill: Neue Adelstheorie Un/doing Nobility 4.0 (Modell Bill 2024), Sonderburg: Selbstverlag des Instituts Deutsche Adelsforschung 2024, 7 Seiten. 6 = So suggeriert es zumindest Simon Schmitz: Adlig werden und es wirklich sein. Etablierung im Adel im 17. und frühen 18. Jahrhundert im Gesamtzusammenhang des Phänomens Neuadel im 16. und 17. Jahrhundert, Heidelberg 2024, X und 1339 Seiten (Dissertation Universität Heidelberg 2024). 7 = Außerdem fehlen leider in dem Einleitungsaufsatz (Seite 12-17) an dessen Ende auf Seite 17 die aufgelösten Literaturnachweise, die sonst, bei allen anderen Aufsätzen, jeweils am Ende (auf den Seiten 25-27, 40-41, 51, 64-66, 82-85, 114-116, 130-132, 148-149, 163-165, 180-182, 196-197, 209-210, 222-224, 238-239, 276-281, 290-292, 304-306, 322-323, 335-336, 352-354,371-373, 387-390, 399-400, 412-414, 425-426, 440-442, 452, 464-465, 472-473, 485-489 und 505-508) abgedruckt worden sind. Damit ist gerade für den allgemeinen Problemaufriß der Zugriff auf die Quellen und die Literatur entweder erheblich erschwert oder sogar verwehrt. 8 = Ein anderes Beispiel ist die im in Rede stehenden Band auf Seite 270-275 behandelte lübeckische Zirkelgesellschaft; hier stritt sich die Forschung über deren Nicht/Adels-Status (sie werden auf Seite 270 auch kreativ als Ritterbürger beschrieben; leider wird dort dann aber leider auch wieder von früherer Durchlässigkeit und späterer Abgeschlossenheit gesprochen); siehe dazu exemplarisch Kirchring, Heinrich: Verzeichnüß von denen adelichen Familien der Zirckel-Gesellschafft in Lübeck. Was es mit denen vor eine Bewandtnüß, wie sie in diese Kayserliche Freye Reichs-Stadt Lübeck gekommen, was sie daselbst gemachet, auch wie sie endlich wieder abgegangen, also das nur etzliche wenig nachgeblieben. Allen noch Hinterstelligen zur Nachricht, daß weil sie nach gerade auch abgehen und geringer werden, sie noch einige Wissenschafft davon haben mögen, Lübeck 1689, III und 142 Seiten; Gustav Petersen: Das lübeckische Patriziat, in: Lübeckische Blätter, Lübeck 1827, Seite 81-88, 89-102, 105-115, 117-119, 121-126 und 129-132; Ernst Deecke: Historische Nachrichten von dem lübeckischen Patriziat, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Band X, Schwerin 1845, Seite 50-96 (beinhaltet die These, nach der das Patriziat sich aus Bürgern und eingewanderten irrenden Rittern zusammengesetzt habe; betrifft auch die Junkercompanie, Junkergilde, Zirkelbröderschop oder Zirkelbrüderschaft, der von Kaiser Ferdinand III. im Jahre 1641 bestätigt wurde, daß sie, laut beigebrachter glaubwürdiger Documente, von mehreren Jahrhunderten her adelige Freiheit und Gerechtsame genossen, und, wie ihre Vorfahren, sowohl sie selbst, als ihre Nachkommen inskünftige in Turnier- und Ritterspielen, hohen geistlichen Stiftern und ritterlichen Orden ohne Jemandes Widerrede, wie alle andern des heil. Röm. Reichs rittermäßige Personen, fähig, tauglich und geschickt sein und verbleiben sollten; beinhaltet zudem auf Seite 60 die These: Zur Zirkelgesellschaft nämlich qualificirte der Adel des Geschlechts]; Sonja Dünnebeil: Zur Bedeutung der Zirkel-Gesellschaft im 15. Jahrhundert, in: Harm von Seggern / Gerhard Fouquet (Hg.): Beiträge zur Sozialgeschichte Lübecker Oberschichten im Spätmittelalter, Kiel 2005, Seite 17-39 (enthält die These, daß es sich bei der Zirkelgesellschaft um eine stadtbürgerlich-patrizische Adelsadaption, nicht aber um eine adelige Gesellschaft gehandelt habe). 9 = Dazu zählt unter anderem das Konzept der sogenannten Barometerobjekte als Anzeiger für Adel (gemäß Seite 494-496 und Seite 502 mit einer Liste von 24 Barometerobjektkategorien). Der Begriff Barometer ist indes nicht sehr spezifisch für das, was er eigentlich beschreiben soll, da ein Barometer den Luftdruck mißt (Adel sei also Druck auf das Bürgertum? Oder was soll damit ausgesagt werden?). Wenn es denn einer Metapher bedurft hätte, wäre daher vielleicht die Metapher der Zeigerpflanzen (z.B. die Brennessel für fruchtbaren Boden) passender gewesen (im übertragenen Sinne würde sodann Artefakt X auf den Adel zeigen beziehentlich verweisen). Überdies ist das Konzept der Barometerobjekte unvollständig und unpräzise. Erstens bestimmte sich Adel nicht durch einzelne Dinge (dies wäre zu kurz gedacht und würde der Komplexität sozialer Erzeugungen nicht gerecht werden), die den Adel angeblich anzeigten, sondern nur durch Netzwerke, in denen diese Dinge unter anderem und somit nur auch vorkamen. Zweitens ist der Begriff Objekt ungeeignet, da es sich bei Dingen um Sobjekte handelte. Siehe dazu Larissa Ullmann: Das Sobjekt. Mögliche Beziehungen zwischen Mensch und Maschine aus einem phänomenologischen Blickwinkel, in: Alexander Friedrich / Petra Gehring / Christoph Hubig / Andreas Kaminski / Alfred Nordmann (Hg.): Jahrbuch Technikphilosophie, Band VIII (Kunst und Werk), Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2022, Seite 195-213. Im Sammelband wird indes auch an anderer Stelle der Versuch unternommen, feste Adelsmerkmale ausfindig zu machen; hierbei versucht ein Autor Teile von Adelserzeugungsnetzwerken aus den Kerneigenschaften und Merkmalen für das süddeutsche Patriziat abzuleiten (Seite 357 und 364). 10 = Nathalie Büsser: Adel in einem Land ohne Adel. Soziale Dominanz, Fürstendienst und Verwandtschaft in der schweizerischen Eidgenossenschaft (15.-18. Jahrhundert), Zürich 2020, 379 Seiten (Dissertation Universität Zürich 2020). 11 = Siehe dazu Lucas Haasis / Constantin Rieske (Hg.): Historische Praxeologie. Dimensionen vergangenen Handelns, Paderborn 2015, Seiten. |
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