Institut Deutsche Adelsforschung
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Snobismus als Aristokratismus

Erschließungen einschlägiger Snob-Literatur durch Stichworte und Volltexte

Der Snobismus ist eine bemerkenswerte Form des Aristokratismus. Unter dem letzten Begriff versteht man nach Conze et al. (2013) drei Vorgänge. Aristokratismus sei demnach erstens nach zeitgenössischem Urteil a) eine „ausgesprochene Vorliebe für aristokratische Vorrechte und Gebräuche“, b) beinhalte fernerhin „auch Wahrnehmungen und Deutungen von `Adel´, `Aristokratie´ und des `Aristokratischen´“ inklusive der möglichen „ästhetische[n] Verwendung und Füllung des Adelsbegriffes“, sowie c) Deutungen, „die unter Verwendung der Begriffe `Adel´ und `Aristokratie´ gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen entwarfen.“ [1] Theoretisch abgesicherter ist dagegen eine neuere Version, die Theorie "Aristokratismus 2.0". Nach Bill (2021) versteht man darunter einen 

  • "retroaktive[...]n Vorgang, bei dem Akteur*innen interkulturelle Transformationen von – in Eigen- und Fremdzuschreibungen – in bestimmten Zeiten und Räumen für typisch adelig und aristokratisch gehaltenen Attributen (Eigenschaften, Namen, Symbole, Werte, Praktiken, Artefakte) vornahmen. Diese Transformationen erfolgten zweischrittig durch a) die Herauslösung partieller Attribute aus traditionellen Adelskontexten, die als Projektionsquellen (Referenzkultur) wahrgenommen wurden und b) den formenreichen Einbau jener partiellen Attribute (z.B. durch Assemblage) in nichtadelige Kontexte (Annahmekultur). Zweck dessen war eine importierte Neubewertung der Aufnahmekultur, die durch Schimpfklatsch abgewertet (z.B. Snobismus, Dekadenz) oder durch Lobklatsch aufgewertet (z.B. Geistesadel, Bauernadel) werden konnte." [2].
Snobismus kann damit als Spielart einer pejorativen und diskriminierenden Aristokratisierung verstanden werden, die das Phänomen einer Hybridisierung des Gegensatzes des „Aristokratischen im Nichtaristokratischen“ [3] beschreibt. Demnach bedeute „Snob“ nach Bab (1914) „(s)ine (nob)ilitate“. Gemeint war damit „der Mann ohne Rang und Stand. Sehr bald aber im besonderen der Mann unbedeutender Herkunft, der trotzdem den glänzenden Schein, die Teilnahme an der Lebensart der Vornehmen suchte.“ [4]. Herder ergänzte in ähnlicher Weise, der Snob sei ein Mann, der einen "Herrn spielen möchte und nicht kann.“ [5] Deutlich negativer formulierte es dagegen Meyer (1909): „Snob (engl.), ungebildeter, vornehmes Wesen nachäffender und dabei anmaßend auftretender Mensch; Snobbism (snobbishness), eine Vornehmtuerei.“ [6]

Auch wenn diese anteilige Pejorativisierung problematisch erscheint, so weist sie abseits jener Bewertung doch auch deutlich auf das Phänomen der Amalgamisierung, Kreolisierung und Vermischung an sich hin, die einer Transformation "des Adeligen" in "das Nichtadelige" innewohnten.

Wie diese Transformationen konkret aussehen konnten, zeigen unter anderem mehrere schon ältere (dennoch aber thematisch bedeutsame) Publikationen von "Snobographen", die hier erstmals jeweils durch ein Sachregister (sukzessive in den Monaten März bis Mai 2021) von uns erschlossen worden sind. Verwiesen wird dabei auf Seitenzahlen in den entsprechenden Druckwerken, die Kleinbuchstaben "m", "o" und "u" stehen für nähere Fundortangaben auf den jeweiligen Seiten und zwar für "mittig", "oben" und "unten". Bei den ausgewerteten Werken handelt es sich um:

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1. Philippe Julian: Snoblexikon, Köln: Kiepenheuer & Witsch 1958, 247 Seiten. Der Band ist eine Satire und Kompilation aus Texten anderer Schriftsteller mit einigen Originalbeiträgen von Julian selbst, scherzhaft zu verstehen als Anleitung zum Snobismus, dennoch aber kulturhistorisch wertvoll durch vielerei Anspielungen auf die Kernmerkmale des Snobs als Soziotypus:

Akademischer Snob, 17-21
Allüren (männliche), 21
Altertum, 21
Ancie Régime, 22
Anglomanie, 22
Antisnob-Snobismus, 22-23
Anwandlungen, 23
Argentinien, 23-24
Aristokratendeutsch (österreichisch), 25
Armer Snob, 25-27
Ästhetischer Tee, 27
Auflösungstendenzen, 27
Auktion, 27-28
Ausflüchte, 28
Ausländer, 29
Automobil, 29-32
Axiom, 32
Balkan, 33-35
Barockengel, 35
Bayreuth, 35-37
Begleitdogge (siehe auch Hunde), 37
Beobachtungen, 37-38
Beziehungen, 38
Blaustrumpf (alleinstehende ältere Frau), 38-39
Boudoir, 40
Bourgeoisie (und Adel), 41-44
Bräuche, 44-45
Brummel (Dandy), 45-46
Bürgerliche Bohème, 46
Café society, 47-49
Chinoiserien, 50
Cocktail-Party, 50-52
Crème (gute Gesellschaft), 53-57
Damen der Gesellschaft, 58-60
Dandy, 60-62
D´Annunzio, 62
Snob (Definitionen), 62-63
Konsum (demonstrativer), 63
Deutschland (auch Adel), 63-67
Dummköpfe, 67
Duzen, 67
Edine kommt, 68
Egeria, 68-69
Eigentumssnob, 69
Einfachheit (elegante Frugalität), 69-70
Empfindlichkeit, 70
Engagement, 70
England, 70-75
Engländer, 76
Entgleisungen, 76
Ernsthafte Beschäftigung (Dilettantismus), 76-77 
Er bringt seine Frau mit, 76
Erotik, 77-78
Erstkommunion, 78
Esoterik, 79-80
Eßsnobismus (Trinksnobismus), 80-82
Ethik, 82
Extravaganzen, 82
Fabergé, 83
Faminin, 83-84
Folklore, 84-85
Frisiersalon, 85-86
Forschkönig, 86
Gärten, 87-89
Gegebenheiten (zweite Gesellschaft), 89
Geld, 89-91
Genau (Bestätigungsfloskel), 91 
Genres, 91-94
Gesetz, 95
Gotha (Buchreihe), 95-99
Grand mode, 99-102
Großer Auftritt, 102
Großvater Snob, 102-103
Hamburger Kaufmannsstolz, 104
Haute couture, 104-106
Heldenvorfahren, 106
Helote, 106-107
Herzoginwitwe, 107-108
High life, 108
Hochstapelei, 108-109
Hoffnungsvoller Jüngling, 109-112
Hotel-Schloß, 112-114
Hunde, 114-116
Ideal, 117
Idee, 117-118
Inferiorität, 118
Innenarchitektur (Interieur, Möbel), 118-121
Italien, 121-123
Jagd, 124-125
Jahrbücher (Gothascher Almanach), 125-126
Jargon, 126
Jeunesse dorée, 126-127
Kammerdiener, 128
Karriere, 128-129
Kenner, 129
Klub-Snob, 129-130
Koestler (Essay-Autor zum Snob), 130-131
Konfession, 131
Konformismus, 131-132
Königliche Hoheiten, 132-133
Konjekturen, 133
Konservativ, 133-134
Kriterien, 134
Kulinarischer Snobismus, 134-136
Kunst und Kultur, 136
La Bruyère, 137-138
Langeweile, 138
La Rochefoucauld, 138-139
Lebenserinnerungen (Schreibanleitung), 139-140
Literatur (literarische Bildung), 140-144
Luxusweibchen, 145
Malerei (Kenntnisse über), 146-151
Mandatsträger, 151-152
Maxim (Klub), 152-153
Maxwell (Miß Elisa), 153-154
Junnker (märkischer), 154
Medizin, 154-155
Memoiren, 155-157
Methode (Nachahmung der Adelssitten), 157
Musikalische Darbietung, 157-159
Mythomanie (Übertreibung der Herkunft), 159
Kafka (metaphysischer Snobismus), 160
Nachsicht, 160
Naivitäten, 160-161
Nigeria (Reicher Lebensstil ibidem), 161
Nuditäten, 161-162
Organisation, 163-164
Oxford, 164-166
Paradoxe, 167-168
Passé, 168
Pedro (Blumensprache), 168
Pferdesport, 168-171
Dilettantismus (Plädoyer für), 171-172
Poetisches junges Mädchen, 172-173
Porzellan, 173-175
Postkartengrüße (Anleitung für), 175-176
Programm, 176-177
Proustiana, 177-179
Queen, 180-181
Ratschläge, 182
Radingote (distinguierender Cutaway), 182
Reflexionen zum Thema (Snobismus), 182-184
Reise nach Rußland, 184
Religions-Snob, 184-185
Requisiten, 185
Revolutionär, 185
Ritz (Hotel als das Versailles der Moderne), 185-186
Sammler, 187-189
Schulsnobismus, 189-192
Scrap-Book (Methode, sozialen Aufstieg festzuhalten), 192
Seelenharmonie, 192-195
Selbstbildnisse, 195
Selbstsicherheit, 195
Sentenzen, 196
Snob (Definition), 7-15
Snob-Appeal, 196-197
Snobleser, 197-199
Spanische Snobs (Cursileria), 199-200
Spazierstock (Tageweise), 200-201
Spiel, 201-202
Splitter und Spotlights (Apercus, Bonmots), 202
Staftviertel (wohnviertel), 202-204
Stallaterne, 204
Star, 204
Stellen Sie sich dich bitte vor, 204-206
Sternheim, 206-207
Swann, 207-208
Thackeray, 209212
Theater, 212-214
Titel, 214
Todesnachricht, 214
Tout Paris, 214-215
Trostmittel, 215
Universalgenie, 216
Unterscheidungen, 216
Un-Tiefenpsychologie des Snobs, 217-218
Unverschämtheiten, 218-219
Urworte, 219
Vatikan, 220-222
Vereinigte Staaten, 222-225
Vorfahren, 225-226
Vornamen, 226
Wahl, 226
Weltmann, 227
Weltschmerz, 227-229
Wettlauf der Verbraucher (Produktzyklus), 229
Wichtige Frage, 229
Würde, 299
Yacht, 230-232
Zeit- und ortsbedingter Snobismus (Adelssucht), 233-234

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2. Wolfgang Drost / Karl Riha (Hg.): Balzac. Beamte, Schulden, elegantes Leben. Zur Sozialphysionomik des Alltagslebens. Eine Auswahl aus den journalistischen Schriften, Frankfurt am Main: Insel-Verlag 1978, 307 Seiten. Balzac liefert eine Anleitung zum eleganten Leben für Personen, die vordem nicht elegant lebten und zu den sozial Aufsteigenden gehörten: Dort auf den Seiten 185-259 der 1830 zuerst erschienene Zeitungsartikel „Traité de la vie élégante“:

Adelige, herabgesunkene (als Ärgernis), 219u
Animal amitiosum, 197-200
Arbeitsleben, 188-193
Arbeitsmenschenwertung als „schätzenswerte Menschen“, 237
Architektur als Sinnbild eleganten Lebens (Bett als Kleid der Persönlichkeit), 239
Aristokratie-Genesis, 197u-198
Aristokratische Dinge (und deren un/rechter Gebrauch), 198, 201o, 208, 210, 211
Dandyismus (Snobismus) als Häresie eleganten Lebens, 241u
Dinge (Herzeigen derselben), 231u
Dinge vor Verschleiß beschützen ist nicht elegant, 231m
Einfachheit der Dinge (elegante Frugalität), 235, 239u
Einfachheitsgebot im Kleiderluxus, 252mu
Elegante unter sich sollten Gleichheit pflegen, 238
Elegantes Leben (Definitionen), 196-197
Elegantes Leben, 195-245
Eleganz als Teilhabe der Anderen am Genuß des eigenen Vermögens, 236
Eleganz als Vollendung äußeren Lebens, 196
Eleganz belebt Existenz, 214u
Eleganz verdeckt bestenfalls eleganten Aufwand, 229
Eleganz-Theorie (der Menschen und ihrer Dinge), 222-223
Eleganzbestandteile (Einheit von Harmonie, Reinlichkeit und Einfachheit), 227
Elegtanologisten (Kundige der Eleganz),  224o
Empfänge (Alltag im eleganten und Ausnahme im Arbeitsleben), 232o
Erworbener Reichtum vs. angeborene Eleganz, 210mu, 219
Etikette als Trennung zwischen Arbeits- und elegantem Leben, 237
Farbigkeit besser als grelle Buntheit (diese ist zu vermeiden), 240, 257
Frauenkleider, 254
Fürsten der Industrie (Aristokratismus), 206
Geizhals (als Negation eleganten Lebens), 221 
Geschmacklosigkeit greller und übertriebener Kleidung, 257m-258o
Grazie (Entwicklung von), 196
Kleider machen Leute, 247-249
Kleiderabnutzungen als Zeichen bestimmter Berufe des Arbeitslebens, 249m
Kleiderluxus mit Edelsteinen sei abzulehnen, 252-253
Kleidung (nicht was zu tragen ist, sondern wie sie zu tragen sind), 252
Kleidung als intraständisches Erkennungszeichen, 257
Kleidung als Kulminationspunkt eleganten Lebens, 249u
Kleidung muß  man zu tragen wissen (Kleidungsfehler), 251-252
Kleidung solle unauffällig sein, 257
Kleidung transformiert Menschen, 223u
Kleidung zeigt noblesse an, 228
Konsum (fortwährender) als Grundlage jeder Eleganz, 234
Körperfehler durch Kleidung verstecken, 258-259
Kostüm- und Kleiungsgesetze, 250
Kunst sorgfältiger Erhaltung aller Dinge, 232u-234, 236
Künstlerleben, 193-195
Kutschfahrt und Fußgänger, 254-257
Leistung vertreibt Geburt (Aristokratismus) in der Moderne, 204
Mode als Symbol für ständische Zugehörigkeit, 211
Modegeschichte (Vestignomie als Kulturspiegel), 247-248
Ordinäres Leben (Arbeitsleben), 220mu
Ornamente (sollten stets hoch angebracht sein), 240
Reinlichkeitsgebot der Kleidung, 259u
Sozialisation wichtig für Grazie (schnell nicht erwerbbar), 241
Spazierstock (rechte und elegante Art, ihn zu benützen), 211 
Talmifashionable Leute (Cretins des eleganten Lebens, Hochstapler), 241o
Vermögen mit Grazie ausgeben (als Kern der Eleganz), 220mo
Wertungen (positiv, negativ) des eleganten Lebens, 196-197
Zivilisation der Menschheit (Arbeits-, Künstler- und elegantes Leben), 187-188

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3. William Makepeace Thackeray: Das Snob-Buch, Leipzig: List 1955, 298 Seiten, in deutscher Übersetzung von Heinrich Conrad; erschienen zuerst unter dem englischen Originaltitel "The Book of snobs" (London: Punch 1848, 180 Seiten). Auch hierbei handelt es sich um eine Satire, in den Jahren 1846/47 als Fortsetzungs-Essay entstanden für die Zeitung "Punch", hier in einem Buch zusammengefaßt, wurde oft aufgelegt ebenso wie in andere Sprachen übersetzt. Eine der ersten deutschen Übersetzungen erschien im Februar 1848 im Morgenblatt für gebildete Stände. Bringt Annäherungen an den Soziotypus des Snobs, aus zeitgenössischer britischer Sicht verfaßt, zwar meist nur in einer Unmenge von Anekdoten über fiktive Charaktere, doch sind daunter auch allgemeine Sätze zum Snobtum enthalten (die man jedoch nur zwischen den Anekdoten eingestreut findet). Die Aufsatzserie machte den Soziotyp Snob indes seinerzeit populär. Inhalte:

Vorbemerkung (Notwendigkeit dies Buch zu schreiben), 5-9

  • Snobs gäbe es in allen Gesellschaftsklassen, 8
  • Auslassen aller R´s beim Sprechen als Snobismus, 8
Scherzhafte Anekdoten über Snobs (Kapitel 1), 11-16
  • Unterschied absoluter und Gelegenheits-Snob, 11 oben
  • Gabel als Zahnstocher nutzen als Tabu, 11
  • Erbsen mit dem Messer essen als Tabu, 12-14
  • Unpassende Kleidung als Tabu, 14
  • Snob widerspricht bewußt gesellschaftlichen Regeln, 15 oben
  • Gesellchaftlich müssen Individuen viel erdulden, 16
Königlicher Snob (Kapitel 2), 17-21
  • Niedriges in niedriger Weise bestaunen sei Snobismus, 18
  • Gentleman-Merkmale (Ideal), 19-20
Adelseinfluß auf die Snobs (Kapitel 3), 22-26
  • Adelsvergötterung aus Servilität, 22
  • Kritik an Adelsbevorzugung im Militär und Regierung, 23
  • Reichtum als Voraussetzung für Nobilitierung, 24
  • Servilismuskritik, 24
  • Klassenabstufungskrankheit, Speichellecker, Kriecher, 24
  • Herrschende Gesellschaft gebiert Snobtum bei Snobs und deren Bewunderern, 24
  • Adelige Distanz gegenüber Nichtadeligen, 25
  • Snobtum sei Schuld der sich inferior betragenden Bewundernden, 25-26
  • Adelskalender als zweite Bibel und Mittel der Anbetung, 27
Hofberichtseinfluß auf die Snobs (Kapitel 4), 27-32
  • Snobs kommunitieren gern über Zeitungen, 27-28
  • Snobs wollen als vornehm gelten, 28
  • Chinesiche Frauenfrußverkleinerung als Snobismus, 29
  • Mediathandreichungen eines Prinzen bei der Jagd, 30
  • Snob sei, wer oben "buckelt" und unten "tritt", 31
  • Majestätsbefindlichkeitsberichte (Kritik daran), 31u
  • Plädoyer zur Abschaffung des Hofberichts, 32
  • Brennender König wird nicht gelöscht wegen Hierarchieproblem, 32u-33o
Bewunderungssucht der Snobs (Kapitel 5), 33-38
  • Speichelleckerei und hündische Seelen als Grunldage des Snobtums, 35
  • Snobs bewunderten den Adel, auch wenn er nichts leiste, 37-38
Einige achtbare Snobs (Kapitel 6-7), 39-50
  • Snobs wohnen in vornehmen Vierteln in London, 40
  • Adelskalender (britische Bibel) als törichte Lügenhaftigkeit, 40, 55 oben
  • Heroische (militärische) Gemäldekompositionen des Adels, 41
  • Verschwendungssucht des Adels bei Häusern, Reisen, Essen, Artefakten, 41-42
  • Kult der Kargheit wegen immobilen Geldes beim Adel, 42
  • Snobistische übertriebene Wertschätzung der eigenen Person, 43
  • Erfundene Abstammungsfolgen von Neugeadelten in Adelskalendern, 45, 50
  • Wappenblasonierungs-Satire mit Meeräsche und Blaumeise, 46
  • Kampf der Standes-Snobs um soziale Anerkennung, 47
  • Kampf der Adels-Etablierten gegen die Parvenüs, 48-49
  • Vornehmheitsfortschritte lassen sich an Sozialkontakten ablesen, 49
  • Snobistische Tagesbeschäftigungen (Exzesse in grünem Tee), 50
Groß-Snobs der City (Kapitel 8), 51-56
  • Bank-Snobs (kapitalkräftige Neureiche, Parvenüs), 52
  • Hang zu aristokratischen Heiraten, 53
  • Verarmter Adel heiratet reiche Bürgerliche (Spott darauf), 54
  • "Ich verachte euch, aber ich brauche Geld!", 54mu
  • Verkauf der Geburt, 55
  • Durch Immobilien gewaschenes Geld wird aristokratisch, 56
Militärische Snobs (Kapitel 9-10), 57-67
  • Offiziersstellenkauf in der Armee (Kritik), 57-58, 61
  • Zum Offiziersdienst brauche es keine Intelligenz, 59
  • Hoher Offiziersrang schütze nicht vor Überheblichkeit (Armeesnob), 60
  • Sportsnobs (und Rennreitersnobs), 62-63
  • Jungoffiziere als Snobs, 64-66
  • Militärische Snobunterarten, 66
Geistliche Snobs (Kapitel 11-12), 68-78
  • Aufforderung dazu, fehlgeleitete Geistliche nicht übermäßig zu kritiseren, 68
  • Kritik an reichen Bischöfen, 69
  • Bild des reichen Geistlichen in der Karikatur, 70
  • Lob des "schwarzröckigen Geschlechts", 71
  • Konfirmationen in königlicher Kapelle aristokratisieren, 73
  • Paradieserkaufung durch Geldgaben an die Kirche seien snobistisch, 75
  • Verliebte Geistliche werden leicht zu Snobs und parfümieren sich, 76-77
  • Namensvermehrung sei Snobtum, 77
  • Kinnbart sei aristokratisch, 77, 104, 178u
Universitäts- und Schul-Snobs (Kapitel 12-15),79-95
  • Universitätssystem sei Snobtum, 80
  • Kritik an Adeligen, die leicht einen akademischen Grad ohne Leistung verliehen bekommen, 81
  • Adelige Studenten haben besseres Essen und bessere Konditionen, 81
  • Kleidungsdifferenzen zeigen studentische Standesunterschiede, 81, 83
  • Gespielte Vornehmheit bei Professoren, 84-85
  • Professoren suchen Adelsbekanntschaften, 86
  • Servilismus und "Kriecherei" gegenüber dem Adel, 86
  • Nachsicht der Professoren mit tadeligen Studenten des Adels, 87
  • Modisch gekeleidete Studenten als "Gecken", 93
  • Sportsnobs sprachen Fachkauderwelsch, 93-94
  • Philosophische Snobs in Debattierklubs, 94
  • Parvenüstudenten ruinieren sich, um einen Lord einzuladen, 94-95
Literarische Snobs (Kapitel 16), 96-101
  • Unter Literaten gäbe es keine Snobs, 96-97
  • Vorzüglichkeit der Adelsromane, 98
Irische Snobs (Kapitel 17), 101-106
  • Unterschiede zwischen britischem und irischem Snobtum, 103
  • Selbstüberhebung und Bewunderungssucht als Snobeigenschaften, 103
  • Talmipracht als Charakteristikum irischen Snobtums, 104-106
Gesellschaftsgebende Snobs (Kapitel 18 und 20), 107-113 und 120-126
  • Snobs tun so, als ob sie im Sommer "aufs Land" fahren würden, 108
  • Snobtum verlangt die übermäßige Beachtung von Umgangsformen, 110m
  • Jour-Snobtum, 109-113
Snobs bei Tisch (Kapitel 19), 114-119
  • Wie opulente Gastmahle bei kleinem Budget gegeben werden können, 115
  • Snobs sind Hochstapelnde, 115u-116o
  • Jagd nash Aristokratenbekanntschaften sei snobistisch, 117o
  • Protzerei, Verschwendung und Geiz seien snobhaft, 117o
  • Snobistisch sei auch frugale Eleganz und Kargheit der Reichen, 117o
  • Sich ein höheres Ansehen geben sei snobistisch, 122o-m
  • Adelige seien dankbar für bescheidenes Essen, 122u-123
  • Glanz ist mit der Adelsstellung verbunden, 123o
  • Snobs seien "Krähen mit Pfauenfedern", 123m
  • Großmannssucht und Heuchelei seien Snob-Eigenschaften, 124o
  • Tischgebendes Snob hätten Angst vor Entlarvung ihres Großtuns, 124
  • Talmiglanz an festlichen Diners des Mittelstandes, 125m
  • Die "elende Anbetung der Vornehmheit" erschwere das Leben, 126o
Festland-Snobs (Kapitel 21-22), 127-139
  • Übertriebene außergewöhnlicher Kleidung, 129o-130m
  • Kauderwelchs aus 5-6 Sprachen sprechende Snobs, 130m
  • Snobs seien stets auf Aristokratenjagd, 130u
  • Snobs wissen nicht außer Heraldik und Genealogie, 130u-131m
  • Ausspruch "Lieber sterben als nicht für vornehm gehalten werden", 132
  • Vorliebe für prächtige Equipagen und Kutschen mit übertriebenem Gepränge, 132
  • Britische Snobs halten sich mit Insularstolz für über den Franzosen stehend, 134-139
  • Snobtum sei Überheblichkeit nach unten und Unterwürfigkeit nach oben, 139u und 281o
Englische Snobs auf dem Festlande (Kapitel 23), 140-145
  • Wissenschaft wird säpter Snoblehre ergründen und systematisieren, 140u-141o
  • Soziotypus des schuldenmachenden Snoblumps, 141m
  • Frauen und Familien von Snoblumpen verarmen rasch, 142-143
  • Betrügen und Schuldenmachen als Snobsport, 143mo
  • Snobs nutzen Bewunderung Dritter finanziell aus, 144o-m
  • Snobs lassen sich gern betrügen, wenn die Betrüger nur von Adel sind, 145
Snobs auf dem Lande (Kapitel 24-31), 146-193
  • Glorifizierung des Landlebens als Paradies und Idylle, 147-149
  • Wichtigkeit der Adelskalender und der Genealogie für Snobs, 149o und 150u
  • Snobistische Dienerlivreen aufwendigster Art (stellvertretender Konsum), 151
  • Adelsklatsch als Snobunterhaltung bei Tisch, 152-153, 182o
  • Nur angelerntes Französisch, 153-154
  • Vorgespieltes musikalisches Kunstverständnis, 154-155
  • Musikalische Übertreibungen bei Klavierinterpretationen, 155-156
  • Sprechen über Diener in deren Beisein (als seien sie ein Gegenstand), 156
  • Ungeniertes Präsentieren nur angelernten Halbwissens, 158-159
  • Klavier als bevorzugtes (großes und teueres) Snobinstrument, 158
  • Ausdruck "kallistenischer Übungen" für Gymnastik, 159
  • Bei Besuch kleiden sich Snobfamilien plötzlich vornehm an, 160-162
  • In einer ländlichen Snobbiliothek befinden sich kaum Bücher, 162-163
  • Bezeichnung von kleinen Wachteln als Wildpret sei snobistisch (elegante Frugalität), 154-155, 183m
  • Snobs mißachten andere Snobs als zu snobistisch, 165-167
  • Jagd auf Wachteln und Fasanen als ruraler Snobsport (auch auf fremden Grunde), 167-168
  • Kritik an überheblichen Distanzgebarens von Aristokraten gegenber Nichtadeligen, 170
  • Schuldenmachen als typische Adelsbeschäftigung, 170mu
  • Erforschende des Snobtums heißen Snobographen, 172o
  • Große Freitreppen an Herrenhäusern dienen nur dem Prestige, nicht der Benützung zum Einlaß, 172u
  • Fiktive Führung durch einen typischen Herrensitz und sein Interieur, 173-175
  • Mitleid mit immobilienreichen, aber zugleich geldarmen Aristokraten, 175, 183o, 193o
  • Glänzendes Leben komme dem adeligen Stande zu, 178m
  • Typische Adelsbeschäftigungen seien Pferde, Wetten, Billard, Trinken, Rauchen, 178m
  • Adelige sprechen eine besondere Sprache im Telegrammstil, 179m-180o
  • Vestimäres Snobtum (und "alberner" Kleiderluxus) bei vornehmen Kavallerie-Regimentern, 180-182
  • Anbiederung an Aristokraten durch hohen Aufwand, 183-184
  • Adelige übertrumpfen sich mit Kutschen und Domestikenschaften in Livreen, 184
  • Homöopathie und Literatur als Dilletanttenbeschäftigung des Adels, 186-187
  • Adelige sprechen über Jagd, Wild, Landwirtschaft und Wahlkampf, 191m
  • Snobs glichen einem Forsch, der sich zum Ochsen aufblasen möchte, 192o
Nachlese über allerlei Snobtümliches (Kapitel 32), 194-200
  • Titel und Adelsverwandtschaft mache bei "Niederen" Eindruck und wecke Vertrauen, 196-197
Ehe und Snobs (Kapitel 33-36), 201-225
  • Gesellschaft sei snobistisch, weil sie arme Heiraten nicht gern sehe, 205
  • Snobtum sehe nur auf reiche Heiratsmöglichkeiten, bevorzuge ansonsten das Junggesellentum, 206
  • Snobs mokeiren sich über Arme, die Snobs sein wollen, 209m
  • Snobs kommen absichtlich zu spät, um aufmerksamkeit zu erregen, 213o
  • Snobs lieben keine Menschen, nur Geld und Ehrgeiz, 225m-u
Klub-Snobs (Kapitel 37-44), 226-276
  • Menschen werden nie aufhören, Distinktion zu betreiben (animal ambitiosum), 226
  • Nur verehelichte Männer ohne Beruf sollten in Klubs gehen, um den Frauen im Haus nicht im Zege zu stehen, 231-233
  • Snobs halten in Klubs langweilige Reden, 235u
  • Politische Snobs geben an mit sozialen Netzwerken, 236-237
  • Adelskalender sei ein Rekord der Fälschung und Eitelkeit, 243m
  • Snobs treiben viel Aufwand, Adelige wenig (elegante Frugalität), 241
  • Adelskalender sei ein goldbetreßter Geschichtslakai, 243
  • Charakteristik von Dandys (Lebemänner) zweiter Klasse, 246-247
  • Snobs könne auch als Snoblinge bezeichnet werden, 253u
  • Wein-Snobs haben erhöhte Ansprüche an einen zivilisierten "Alkoholgenuß", 253-254
  • Trinkgelageprahlerei, 255
  • Essens-Snoblingen sei kein zubereitetes Gericht gut genug, 256-257
  • Prahlerei mit Adelsbekanntschaften sei snobistisch, 264
  • Vor Klubspiegeln sehe man die Eitelkeit der Kleidungseitlen, 269
  • Klublaster Rauchen, Alkohol, Billard, Whistspiel, 271-272
  • Familien leiden unter Klubsnobs, da diese zu viel Zeit in Klubs verbringen würden, 275
Epilog (Kapitel 45), 277-284
  • Standesunterschiede seien Feinde jeder natürlichen Freundschaft, 281u
  • Snobmotto "Oben buckeln und unten treten", 281o
  • Adelsanbetung sei Götzendienst, 282o
  • Dienen und Kriechen sei Grundgedanke des Snoblings, 283u
  • Plädoyer für ein Verbot des Wortes "aristokratisch", 284
Glossar (Anhang), 285-291
Kapitelübersicht (wie hier), 292

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4. Erwin Stranik: Der Snob, in: Freie Stimmen (Wien), Ausgabe Nr. 193 vom 23. August 1924, Seite 2-3. Dieser kulturpolitische Text, entnommen einer österreichischen Zeitung, erschien in der ersten österreichischen Republik zur Zeit moderner Tänze und nach Ende der Belle Epoque und versucht die durch die Schlacken des ersten Weltkrieges übriggebliebene Essenz des Snobismus zu benennen, kritisiert aber teils auch die zugehörigen Rollentragenden einer neuen Generation:

4a. Vornehmheit ohne eigentliche Voraussetzungen:

[Seite 2] "Der Snob. Er ist plötzlich auch auf dem Kontinent zahlreich geworden. So sonderbar es erscheinen mag. Ohne Hintergrund, ohne Abstammung, ohne Kultur. Böse Menschen behaupten sogar: ohne Geld. Er nahm die Allüren seines englischen Vetters an, übertrieb sie (`Zwar weiß ich viel, doch möcht ich alles wissen!´) und glaubt jetzt an sich und seine Berufung. Der englische Snob ist der Mann, der nichts tut, aber über alles spricht. Der Globetrotter der Kultur, der beredteste Ausdruck der Zivilisation. Snob zu sein ist ein Privileg der Reichen. Meistens sind es Söhne des englischen Adels. Beginnen mit 28 Jahren, viele überwinden den Snobbismus mit 48, manche überhaupt nie."

4b. Vermeidung prosaischer Volkssportarten:

"Der Snob hat sein eigenes Auto, das er gern selber lenkt, ist bei jedem Rennen, sei es nun Pferde-, Strassen-, Motorrad- oder Autorennen, besucht alle Kunstausstellungen am Tage ihrer Eröffnung und läßt sich bei jeder Premiere eines neuen Theaterstückes sehen. Anderen Sport, wie Fußball, Rudern und ähnliche Kraftäußerungen, verfolgt er bloß durch die Zeitung. Hingehen und selber zuschauen kann er nicht, da er den Geruch der Masse nicht verträgt. Aber wenn er sehr viel Kapital hat, spendiert er eventuell zu einer Olympiade eine goldene Medaille. Und überreicht sie oder läßt sie durch die schöne Frau, die er soeben anbetet, überreichen. Aber das sind Ausnahmsfälle."

4c. Bildung:

"Der Snob liest auch Bücher, sogar sehr viele. Nicht gern, denn er darf sie nicht unbefangen lesen, sondern muß sich eine kritische Meinung darüber bilden. Diese Meinung selber darf sich von der, die über das Buch im `Litterary Supplement´ der `Times´ erscheinen wird, nicht wesentlich unterscheiden. Und jedermann kann sich vorstellen, wie schwer es ist, die Meinung irgendeines bedeutenden und von der ganzen Frauenwelt als einzig richtig geschätzten Kritikers im voraus zu erraten. Das erfordert geradezu Studium. Und liebevollstes Eingehen auf den Geschmack und die Schwächen des Betreffenden."

4d. Betonung der Form nach außen:

"Der Snob hat es auch aus einem anderen Grunde nicht leicht: er ist kein einzelner. Es gibt Hunderte von Menschen, die genau so sind wie er, dieselben Allüren haben, Hunderte von Snobs. Die Konkurrenz ist groß. Darum muß der Snob immer mit größter Akkuratesse und sorgfältigster Vorsicht zu Werke gehen. Die kleinste Schwäche, die sich an ihm zeigt, könnte ungeheure Gewinstchancen für sein Gegenüber bringen. Immer auf der Hut zu sein, sich ständig zu beobachten, jede Äußerung, ja jedes Räuspern zu kontrollieren und vor allem — sich nie natürlich gehen zu lassen ist erste Pflicht des Snobs, der wirklich einer sein will."

4e. Pose als Mittel der Darstellung:

"Wie kein anderes Luxusgeschäft des Lebens, verbindet sich aus diesem Grunde der Snobbismus mit der Pose. Der Snob lebt und stirbt für sie und mit ihr. Die Pose macht erst den Menschen. Sich ins richtige Licht stellen zu konnen (im wörtlichsten Sinne genommen) ist bereits eine Kunst, die geübt werden muß. Darum hat der Snob auch ein Bade- und Ankleidezimmer wie eine Frau. Neben einem Dutzend Parfüms und zehn Puderschachteln einen großen Spiegel, der die ganze Figur sehen läßt. Man muß jeden Schritt studieren, die Begrüßung, den Abschied, das Erstaunen, das Gleichgiltig-darüber-hinweg-Sehen, die Freude, die Verwunderung, das Unangenehm-Berührtsein, man muß all dies studieren und doch darf es nachher nicht vorbereitet aussehen, ganz im Gegenteil: möglichste Natürlichkeit, möglichste Unbefangenheit, Frische und Originalität des Ausdrucks sind oberste Pflicht."

4f. Spiegel als Artefakt der Eigenkorrektur:

"Überhaupt liebt der Snob den Spiegel sehr. Wenn du ihn in Gesellschaft triffst, wirst du bemerken, daß er gern den Platz einem Spiegel gegenüber wählt, nicht nur, wenn es gilt, Tee oder Lunch einzunehmen, sondern auch, wenn man zusammengekommen ist, um dem kunstvollen Vortrag eines neuen Musikstückes zuzuhören oder um sich von einem Dichter seine neuesten Werke vorlesen zu lassen. Alle fünf bis zehn Minuten gleitet der Blick des Snobs rasch, mit äußerster Behendigkeit des Auges vom Vortragstische, den man sich sonst mit äußerstem Interesse zugewendet hat, fort, um durch eine kurze, prüfende Schau die vollkommene Tadellosigkeit festzustellen. Ist sie noch vorhanden, dann wird kein Lächeln der Befriedigung über das beherrschte Gesicht gleiten, steinern bleibt der Gast wie zuvor. Findet sich aber irgendeine Nachlässigkeit, eine unhübsche Stellung, so vollzieht sich die Restaurierung möglichst unauffällig, möglichst harmlos. Und man muß schon ein sehr feiner Beobachter sein, wenn man einen richtigen Snob dabei überraschen will, wie er seine Position verändert."

4g. Verbreitung von Theorien:

"Der Snob ist somit der Mann der Pose, sowohl der rein körperlichen, wie vor allem auch der geistigen. Er ist der Poseur an sich, jedoch nicht ohne jede Berechtigung. Der tieferdenkende Deutsche nennt Leute, die sich mit Dingen befassen, die eigentlich sachlich ganz anders zu erfassen sind, als sie die Gelehrten erfassen, die darüber Bücher schreiben (Kunstgeschichte, Musikgeschichte), mit durchwegs geistvollen Namen. Der Snob ist nicht viel anders wie diese Herren. Nur, daß er nicht schreibt, sondern spricht, und daß er nicht im Studierzimmer jahrelang über seine theoretischen Meinungen nachgrübelt, sondern sie sozusagen im Handumdrehen stets in schöner Fassung vorrätig haben muß. Man darf daher den echten Snob nicht nur negativ werten. Er ist gewiß nur ein Kulturbegleiter, aber oft ein sehr geistreicher. Und für die Kunst können auch snobbistische Anregungen mitunter wertvoll sein. Ein Snob verwendet ja sein ganzes Leben dazu, wenn auch nicht zu schreiben, so doch sich zu bilden. Und vielseitig zu bilden, auch in wissenschaftlicher Materie."

4h. Kontinentaler Snobismus durch überhebliche Jugend:

"Nun haben wir ihn auch auf dem Kontinent. Bei uns ist der Snobbismus noch eine jugendliche Einführung. Vielleicht darf man sie deshalb nicht so streng beurteilen. Aber wer kann dafür, wenn sie lächerlich wirken, diese jungen Kerlchen, die sich wie Snobs gebärden wollen? Vor allem ist der Snob unserer Zone jung. Jung, ohne Generationen vor sich, jung ohne ererbte Bildung. Ja, noch mehr: er selber ist nicht gescheit, er dünkt es sich bloß. Der englische Snob redet mit, weil er nach eindringlicher Vorbereitung mitreden kann, der kontinentale Snob redet aus Dummheit mit. Unser Snob ist geistlos, herzlos. Er ist ein Schein-Snob, wie alles, was die Jugend heute unternimmt, auf Schein basiert. In den Tagen der Geldinflation hielt sie sich für ein Finanzgenie — Schein, in den Tagen der Rede über die kulturelle Mission eines Staates hält sie sich für kulturfördernd und -tragend. Ein Irrtum — ein bedauernswerter Irrtum! Jeder Kommis hat die Fähigkeit, ein Kulturmensch zu sein. Ich selber kenne einen Kellner, der seinen Schopenhauer und Nietzsche zu Hause hat und über Philosophie spricht wie ein Professor. Das ist der wertvolle Mensch. 

Leute aber, die nur reden und glauben, durch rasches Urteil und leichte Gedankenassoziation, die vielleicht im Augenblicke [Seite 3] verblüfft, bei näherem Zusehen sich aber als völlig wertlos erweist, zu imponieren, solche Menschen sind weder Kulturtäiger noch Snobs. Arme Narren, die an einer fixen Wahnidee leiden. Darum verfiel auch unsere Herrenmode aus dem Eleganten in das Weibisch-Übertriebene, darum wurde aus Männlichkeit der Komplex von Parfüm, Shimmyschritt und Arroganz. Vielleicht stehen uns wieder ernste Jahre bevor. Die Ereignisse der letzten Zeit lassen vermuten, daß viele noble Passionen sich wieder in die Bahnen einfacher Bürgerlichkeit zurücklenken werden müssen. Ein Umstand, der vom Standpunkt einer gesunden Geistesentwicklung aus nur zu begrüßen ist, vor allem schon deshalb, weil durch schwerer geleistete Arbeit der Sinn für das Wesentliche bedeutend geschärft wird, während er jetzt allzu gern im Unwesentlichen, vollkommen Bedeutungslosen verhaftet blieb."

4i) Merkmale eines echten Snobs:

"Der echte Snob beschäftigt sich nur mit Großem, er ist stets ein Mensch, der dem Format nachgeht; der Talmi-Snob ergießt seine Aphorismen über die Ereignisse einer dunklen Vorstadtgasse. Der Snob ist ein großer Typ und ein äußerst interessanter dazu. Aber er ist eine Möglichkeit nur für Menschen, die Zucht kennen und die die große Geste beherrschen aus innerem Drange heraus. Ein kleiner Snob wirkt immer lächerlich, immer."

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5. Wilhelm Weldin: Lob des Snobs, in: Die Stunde (Wien), Ausgabe Nr. 4450 vom 8. Jänner 1938, Seite 7. Ein Text, der die grundsätzliche Existenzberechtigung des Snobs hervorhebt, dabei zeitlos sowohl negative als auch positive Empfindugen zum Soziotyous schriftaktlich re/präsentiert:

5a. Snobs gehörten zu jeder Gesellschaft:

[Seite 7]"Man lobe mir den Snob. Würde er nicht schon existieren, man müßte ihn erfinden. Aber Gottlob gedeiht er natürlich wie Unkraut allüberall, wo der lockere Humus einer Gesellschaft vorhanden ist, die gedankenvoll genug ist, um sich über sich selbst keine Gedanken zu machen. Wo er fehlt, ist etwas im Gefüge der Gesellschaft nicht in Ordnung und er gehört ihm verständnisvoll eingepflanzt, einokuliert, ein Gärungserreger, ohne den sich nichts regt, der unedle Träger eines Veredlungsprozesses."

5b. Snobs seien lästig, aber unabschaffbar:

"Der Apologet des Snobs hat es nicht leicht. Ihm schlägt die ganze ungeheure Welle der Verachtung entgegen, die der Snob auf sich geladen hat. Denn der Snob ist verächtlich, das kann auch sein Verkünder nicht leugnen. Er ist verächtlich wie so viele unumgängliche Dinge des irdischen Lebens: wie Maden, Mehlwürmer, Hyänen, Schuhwichse und Mistkübel. Er ist es in seinem speziellen Fall, weil er nicht aus der höheren Berechtigung eines wahrhaften Bedürfnisses heraus etwas sein will, was er nicht ist, sondern eben nur aus Snobbismus. Indem er so handelt, verachtet er sogar sich selbst und wird dadurch doppelt verächtlich. Toren und andere, die noch an den Menschen glauben, werden den Verkünder des Snobs der Anpreisung eines schändlichen Mittels zum Zweck zeihen. Oder sie werden ihn als Snob verdammen. Nur wer am Menschen so tief verzweifelt ist, daß er über ihn lächeln kann, wird auch den Snob lächelnd erdulden. 

Denn welcher Mensch ist nicht in irgendeinem versteckten Winkel seiner Seele ein verkappter Snob? Und diese heimliche Verkapselung des Snobbismus im Menschen schreitet rapid fort. Der Snob als auskristallisierte Erscheinung ist heute in weiten Regionen der Welt im Aussterben begriffen. Seit Thackeray — wie viele, die es gut mit der Menschheit meinten, ihr nichts Gutes tuend — ihn, der so alt ißt wie die Menschheit, aus der Taufe hob, indem er ihm jenen Namen erschuf, der den Nagel auf den Kopf traf, eben die Bezeichnung `Snob´, trägt der Snob an seinem verwundbarsten Punkt eine weithin leuchtende Zielscheibe des Spottes und jeder Schuß auf ihn ist ein Blattschuß. Bald ist er dezimiert, wo immer man auf ihn Jagd macht und ihn für vogelfrei erklärt - Die
Welt sei gewarnt! Man schaffe eine Reservation für den sterbenden Snob! Wie es keine Gärung ohne Gärungserreger und keine Fruchtbarkeit ohne Fäulnisbakterien gibt, so könnte es sein, daß es eines Tages ohne Snob keine Gesellschaft mehr gibt, die imstande ist, einen Snob hervorzubringen. Vielleicht wird dann noch einmal in einer fernen Zukunft der Snob von Staats wegen eingeführt werden, aber es könnts sein, daß  es dann zu spät ist und ein Snob entsteht, der keiner mehr ist: ein synthetischer Snob, sozusagen. 

Denn wo wäre die Welt ohne den Snob? Der Glanz aller großen Kulturepochen, wie ist er denkbar ohne den Snob in seiner ewigen Verwandlung als beflissener Mitläufer, der, geblendet von dem Zauber alles Strahlenden, aus dem würgenden Gefühl eigener Nichtigkeit heraus, sich flink herandrängt an alles Leuchtende, in der krampfhaften Hoffnung, ein wenig von seinem verschwenderischen Licht für sich erhaschen zu können, durch eine kleine, geschickte Täuschung in der Reflexion der Blendwirkung als dazugehörig zu erscheinen, als etwas Höheres, Besseres, als etwas, mit einem Wort, das er — Tragik des Snobs — nicht ist und nie sein kann."

5c. Schnelle Annahme eines alten Habitus´ sei vergeblich:

"Wie viele Bücher kauft, ja liest er sogar, um eine Bildung vorzuspiegeln, über die er nicht verfügt, und Gedanken, die er nicht hat. Wie drängt er sich in Theater und zu Veranstaltungen, um durch sein Dabeigewesensein darüber hinwegzutäuschen, daß er nicht dazugehört. Wie viele Krankenhäuser, Armenasyle, wissenschaftliche Institute hat er gestiftet, um eine Großzügigkeit zu erweisen, die er nicht besitzt, und eine Position zu erobern, die ihm nicht zukommt. Und wenn es heute noch einen Rest guter Manieren in der Welt gibt: wir verdanken sie nur mehr dem Snob. Der Snob ist nämlich mehr als eine Gattung, er ist eine Naturkraft. Wehe dem Zauberlehrling, der sich hochmütig vermißt, in ihr natürliches Gefälle einzugreifen! Unterbindet er es, bald kommt eine gefährliche Dürre in die Welt und an Stelle der versiegenden Wasserkräfte überschwemmt sie eine endlose, trübe Sintflut von Roheit, Ordinärheit, Langeweile und härenem Puritanismus. Die Bestie im Menschen, ihres schillernden Spielzeuges beraubt, des tanzenden Balles gesellschaftlicher Eitelkeiten, mit dem die Kultur sie betäubt und überlistet hat, [er]findet sich andere, viel weniger harmlose Spiele, die ihren Urinstihkten gar wesentlich näher liegen."

5d. Verhältnis des Snobs zum Adel:

"Aber noch lebt der Snob und er ist zählebig; Er, der `Sine nobilitate´, der sich pfiffig `s.nob.´ schrieb, derart die gebräuchliche Abkürzung für nobilis korrekt usurpierend, ist geradezu eine Voraussetzung der nobilitas und diese eine Voraussetzung für ihn. Und an diesem Punkt ragt der Snob als Institution paradoxer Weise sogar bis in die Sphäre des Ethischen. Wenn es ohne ihn keine `Aristoi´ im platonischen Sinne geben kann, weil es ohne die soziale Schwerkraft nach oben kein Unten gibt, das daß Oben erst voraussetzt, wird er zur platonischen Idee oder zumindest zu ihrem Stiefelabstreifer. Denn im realen Raum der Welt ist wohl ein platonischer Staat vorstellbar, nicht aber ein Staat von Platonikern. Wie ist aber selbst jener, denkbar, ohne die Vielzahl aller derer, die keine Platoniker sind, aber wenigstens solche scheinen wollen? Also ohne Snobs? Man mache eich endgültig von der Vorstellung frei, daß die Kulturstufe eines Volkes verläßlich nach der Zahl seiner Genies bewertet werden kann. Viel maßgeblicher ißt die Zahl seiner Snobs. Denn das Leuchten der ganz großen Geister dringt immer nur aus unendlicher Ferne zu den Menschen, wie das kalte Licht eines Sternes und es bleibt unsichtbar für die vielen und oft nur durch das Medium von Gehirnen voll wahrnehmbar, die die Kapazität und verfeinerte Konstruktion von Teleskopen haben. 

5e. Snoblesse oblige:

Epochale Kultur aber muß in die Breite gehen, bis in Haus und Hausrat, bis in die Fingerspitzen, sie muß sich ausdehnen wie ein Gas, bis in die Haut, bis in die Poren dringen. Wie kann sie das aber ohne ihren beflissenen Bazillenträger, ihre emsige, unersetzliche Biene, die den feinen Goldstaub ihrer Blüte absichtslos, nur die eigenen Zwecke verfolgend, verbreitet, ihren indirekten Befruchter, also – den Snob? Und wie viel nötiger ist er erst als Fäulniserreger, der flink die ätzende Säure der Zersetzung verspritzt, sobald die Blüte innerlich faul ist und reif, Platz zu machen für das Werdende! Snoblesse oblige — bloße Ordinärheit aber verpflichtet zu nichts. Das allein ist schon eine Rechtfertigung des Snobs. Meine Beweisführung ist sophistisch? Sie halten den Snob trotz allem für verdammen swert? Oh, wie snobbistisoh!"

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6.Ottomar Beta: Snob, Noodle und Caddy, in: Die Presse (Wien), Ausgabe Nr. 214 vom 5. August 1887, Seite 2-3. Der Text bringt zwar keine Definition des Snobs, aber zählt viele Merkmale auf, die Beta zufolge zum Snob in der Gründerzeit und der Zeit des Börsenbooms gehören würden:

[Seite 2]"Im Ganzen also sind sie die Ornamente der Gesellschaft und nur wo ihre Begriffsstutzigkeit in der Geschäftswelt sich störend geltend macht, sind sie eine Nuisance. — Der Snob, der Caddy und der Noodle, alle Drei sind in ihrer Art Gecken, doch ist mir von allen Gecken, die es gibt, der Snob am wenigsten verhaßt. Er bringt Fluß in die Masse und genießt des Lebens Unverstand meist — nun meist mit gegohrenen Getränken. Das heißt, der Snob ist kein Trinker, nicht gerade das; aber er liebt die Freuden der Geselligkeit, das Gespräch, gute Aussichten, ein Beefsteak und den Pommery. Man könnte eine gewisse Species des Snob den Bon vivant par excellence nennen, da sie, ohne in Cynismus zu versinken, der Schwärmerei entsagt und mit seiner Würde als Mensch und Unterthan ein frivoles Spiel treibt; diese Sorte Snob duellirt sich, ohne sich über die Wirksamkeit des Duells als fleckenvertilgendes Mittel übertriebenen Hoffnungen hinzugeben, und spielt Hazard, ohne selber die Bank halten zu wollen. Aber diese Art [Seite 3] der Snobs ist so rar, wie ehrliche Leute überhaupt, und deßhalb bleibt das Wesen des Durchschnittssnobs das eines Gecken, der nicht eigentlich Alles mitmacht, sondern vielmehr Alles nachmacht, und der sein Vorbild noch übertrifft. Der Snob recrutirt sich deßhalb fast ausschließlich aus glücklichen Börsemännern, erfolgreichen Dramatikern, Romanciers, Zeitungscorrespondenten und solchen Leuten. Und zum Unterschiede vom Bonvivant, vom Snob als höherer Species hat Snobbius communis die bestimmte Absicht, die gesellschaftlichen Schranken nicht zu mildern, sondern nur sie zu überklettern. Die Folge davon ist, daß, während der Caddy den Verkehr hemmt und der Noodle ihn nicht befördert, der Snob derjenige Mann ist, der, wie der Hecht im Karpfenteich, Leben in die Bude bringt und, obwo[h]l meist etwas obscurer Herkunft und ein armer Teufel im Anfang, dennoch schwer aus den geweihten Bezirken der Gesellschaft fernzuhalten ist. 

Neben dem communen nachäffenden Snob existi[e]rt nämlich noch der tonangebende, dessen Witz und Bravour die Gesellschaft beherrscht. Sehr viele große Gründer sind derartige Snobs und sehr viele Heroen der Literatur. Bei Literaten kann man den Namen sagen, aber wir wollen Niemandem wehe thun; genüge es, anzudeuten, daß Dickens und Thackeray Snobs der höheren Art gewesen sind. Bulwer war keiner; man hätte ihn sogar als einen Gentleman ansprechen können, wenn er weniger geschrieben hätte. So wie es ist, hatte er sogar etwas von einem Caddy an sich. Snobbius communis ist selten, selbst wenn wir den Begriff auf das Aeußerste strecken, ein Gentleman und nur selten der Sohn eines solchen, doch würde es ihn auf das Tödtlichste beleidigen, wenn man ihm das merken ließe. Snobbius communis ist sehr empfindlich, hat sehr viel Ehrgeiz — aber sehr wenig Zartgefühl. Er ist im Stande, uns zu einem Diner einzuladen und nachher nebenbei um das Zehnfache des Betrages anzupumpen, denn er weiß, daß wir uns geni[e]ren werden, ihm dieses uns ehrende Ersuchen abzuschlagen, und er bestellt uns zu einer Landpartie auf den Bahnhof und läßt uns mit der Entschuldigung, der Schuster habe ihn mit den Stiefeln im Stich gelassen, einen halben Vormittag im Restaurant warten. Er wagt viel, wenn er weiß, daß wir in seine Hand gegeben sind; er zweifelt oft an sich selbst und liebt es, sich von seiner Macht zu überzeugen. Zuweilen wagt er es sogar, sentimental zu werden, aber noch öfter ist er brutal. Er ist in seinen Steigungen und Abneigungen rückhaltslos und imponirt nicht selten durch Kraftausdrücke. So lange er arm ist, kleidet er sich über sein Einkommen und lebt darunter. Er gibt sich die Airs eines Prinzen und dini[e]rt in einem Kutscherkeller, er sitzt im Opernhaus bei einer Galavorstellung auf dem ersten Rang und fährt vierter Classe von Berlin nach Hamburg. Er ist wie eine Bühne voll von Versetzstücken und sieht, wenn keine Vorstellung stattfindet, ebenso desolat aus. Aber er ist kein Schwindler und führt außer einer Stumpfnase und krausem Haar meist grelle Farben, mehrere Quadratfuß weißer Wäsche, viel dicke Uhrkette aus Tomback, so lange ihm eine güldene unerschwinglich ist, und läßt sein Taschentuch lang hängen, so lange es ihm Ehre und Credit macht. 

Der Snob vereinigt wie eine Flasche voll Champagner die expansivsten Elemente in seiner Psychologie, Naivetät [sic!] und Raffinement, Beobachtungsgabe und Nachlässigkeit, Verständniß und Trägheit, Vorsicht und Leichtsinn. Er war in der Schule der Penultimus und hat sich im Leben nicht selten zum Primus emporgeschwungen wie die Gladstone und Disraeli. Es gibt kein Land, wo der Snob so zur Entwicklung gelangen konnte wie in England, weil in keinem Lande so viel auf den Schein speculi[e]rt wird, aber auch Deutschland fängt an, sie zu zeitigen, und man findet sie am meisten in Badeorten, an der Börse und in den studentischen Corps.

Der Snob ist selten mit großen äußeren Vorzügen ausgestattet, er gibt sich umsomehr Mühe, diesen Mangel durch Pomade oder durch die Brennzange zu ersetzen, er ist ein Freund der Füchse und der Hauptkeiler derselben; er spielt, wo er kann, den Maitre de plaisir. Er geht des Tags drei Wetten ein und erinnert sich nur der  gewonnenen; er arrangirt Land- und Wasserpartien und bringt neue Moden in Schwung, weßhalb der Schneider ihm die Rechnung zu senden unterläßt; er hah viele Liaisons und heiratet eine reiche Witwe, nachdem er mit zwei Erbinnen durchgegangen ist, die der eher père nachher mit beträchtlichen Opfern ausgelöst hat. Er hilft Paare zusammenbringen und spricht Gutes von Denen so ihm wohlthun, denn er ist dankbar und weiß, eine Hand wäscht die andere; aber er sprengt eine Cameraderie noch lieber, als er sie stiftet, denn er ist selber eine solche in eigener Person und gut für zehn. Seine Talente stellt er nicht unter den Scheffel, hat aber selten eine schöne Stimme; er ist kein Virtuose, außer im Genießen; er ist nicht musikalisch, außer auf dem Ohr; er macht keine Gedichte, außer wenn es Ehrensache ist. Sein Beruf ist schwer zu nennen, er ist vielleicht Theologe, oder Mediciner, oder Jurist, oder Philosoph, oder Gründer und seine Confirmanden, Patienten, Clienten, Scholaren und Actionäre werden gut bei ihm fahren, denn er wird sich an ihre Phantasie wenden und es in trüben Zeitläuften an Trost nicht fehlen lassen. Vorzugsweise aber ist der Snob in den Künsten thätig, in der Literatur und auf der Bühne. Der Snob ist aus Princip kein Erfinder, außer von guten Witzen; die Caddies nennen ihn Cad und er revanchirt sich auf dieselbe Weise, denn der Snob, obwol ihnen enge verwandt und ohne sie nicht denkbar, ist dennoch ihr directester Gegenfüßler. 

Man sieht aus alledem, daß der Begriff Snob ein schwer defini[e]rbarer ist. Der Snob ist kein Schelm, sondern anderthalbe; kein Aristokrat, sondern ein Demokrat mit aristokratischen Manieren; kein Schwindler, außer wenn man ihn beschwindeln will, und kein Abenteurer, außer wenn er der Dummheit begegnet, die ihn nicht gelten lassen würde, wenn er sie nicht in Erstaunen oder ihr den Fuß auf den Nacken setzte. Der Snob hat in Deutschland eine große Zukunft, nur ein zehn Jahre [sic!] so weiter und Berlin wird ein starkes Contingent derselben ins Feld schicken, um die Dummen klug zu machen; nur ist zu hoffen, daß sie gegen Ausländer minder insolent sein werden, als die britischen Snobs, die in dieser Hinsicht ihre Genossen im Kleeblatt noch überbieten. Bedarf es nach dieser Andeutung noch des Zusatzes, daß der Snob meist, wenn nicht stets, ein Londoner, Liverpooler oder Manchestermann ist und am Liberalismus am liebsten alle Tories mit Rattengift vertilgte?"

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7. Oskar Baum: Was täten wir ohne Snobs?, in: Tagesbote (Brünn), Ausgabe Nr. 238 vom 23. Mai 1931, Seite 8. Ein Text, der den Snob eher wie einen Dandy als Vorreiter der Moden und Sitten sieht denn als pejorativen Begriff. 

[Seite 8] "Eine englische Gesellschaft, die sich langweilte, veranstaltete ein Preisspiel: Wer das beste Mittel zur Bekämpfung deg Snobismus zu nennen wüßte. Gekrönte Antworten lauteten: `Das Aufsehen abschaffen´, `Bescheidenen und stillen Menschen die Achtung zuwenden, die jetzt bie Unbescheidenen und Lauten genießen´, `Den Snobismus nicht bemerken´– `Jedes Vermögen konfiszieren, das nicht auf die naheliegendste nutzbringende Weise verwendet wird.´ Tiefe Empörung erweckte die Antwort: Man möge jeden, der durch eine Erfindung, ein Kuustwerk, eine gewonnene Schlacht oder eine freigebige Stiftung berühmt wurbe, zwingen, seinen Namen ändern zu lassen.´ ´Ja, was hat denn der wohlverdiente Ruhm mit Snobismus zu tun?´ fragte man entsetzt. `Wenn es keinen Ruhm gäbe,- antwortete der Mann mit der seltsamen Forderung, `würde niemand auf den Gedanken kommen, einen Geschmack oder eine Überzeugung, die er nicht hat, vorzutäuschen. Dann würde es aber freilich wohl bald wenig große und übergewöhnliche unter den menschlichen Leistungen geben. Aber danach ist ja nicht gefragt. `Seit wir eine Öffenttichkeit haben, sind wir dem Snob untertan´ sagte schon der Urvater der Impresarios, Haydns Manager in London, Salomon. Der Snob hat eine bessere Witterung für das, was zeitgemäß oder, sagen wir: gesellschaftsreif ist, als der ehrlich mit sich und den geistigen Bewegungen ringende Durchschnittsmensch. 

`Wer keine Überzeugung hat, kann jede vertreten,´ sagt Nietzsche, und man darf fortsetzen: Wer keinen eigenen Geschmack hat, kann jeden simulieren. `Wenn nur diejenigen ein Konzert besuchen würden, die einen rechten Genuß von der Musik haben,´ klagte Hans von Bülow. `könnte man keine veranstalten.´ Der Snob leidet für den Schein, dem er dient, er kämpft und arbeitet für ihn und das gibt ihm eine Bestimmung. Woher aber kommt seine Macht? Ihm imponiert in der Regel jede neue Bewegung oder Idee, die er nicht ganz begreift, deren Vorkämpfer aber weithin, ob auch mit Verwunderung ober Ablehnung, bemerkt werden. Er hat kein Gefühl für die Echtheit und den Erfolg der Überzeugung anderer. Wenn das Genie eine neue Epoche eingeleitet hat, wenn der kühne, durchblickenbe Geist den Sinn und Atem der Zeit so sehr in sich trägt, daß er ihr Bedürfnis ansprechen und ihren Willen formen kann, wenn das Bestehende erschüttert ist und das Belächeln und Verspotten der ersten nachstürmenden Jünger sich verliert – dann tritt der Snob in die vorderste Linie. Dann tut er das Gewagteste – von dem nur er weiß, daß es gar nicht mehr gewagt ist – mit unnachahmlicher Gelassenheit. Er ist es, der die neue Welle zur Strömung macht und ihr das Bett schafft. Vielleicht ist es übertrieben, zu behaupten, der Snob sei `der Agent des Genies, ohne den der Umsatz der schöpferischen Ideen in der Menschheit minimal wäre.´ Gewiß aber ist, daß es ohne ihn keine künstlerische, religiöse ober politische Revolution als gesellschaftliche Bewegung gäbe. Die großen geistigen Antriebe der Menschheit entspringen in engem Kreis. Und ohne die Garde der Halbüberzeugten, der Schlagwortführer, der Erfinder von Abzeichen u. Vereinswürden, könnten sie niemals eine Angelegenheit der breiten Masse werden. Ohne Snob gäbe es also nicht nur keine Mode, sondern vielleicht gar keine deutlich sich voneinander abhebenden Zeitalter, die sich ja nicht nur in Ideen und Ereignissen, sondern jedesmal auch im Stil ber Kleider, Zimmermöbel, Speisen und gesellschatlichen Formen auslebten [...]"

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8. Nomen Nescio: Zur Geschichte des Wortes Snob, in: Tagesbote (Brünn), Ausgabe Nr. 414 vom 8. September 1936, Seite 3. Der Text re/produziert eine unter mehreren sinnhaften etymologischen Erklärung für die Aristokratisierung von Bürgerlichen:

"Mit Bezug auf die in unserer Beilage `Für den Sonntag´ am 6. d. veröffentlichte psychologische Studie `Der Snob´ erhalten wir von geschätzter Seite folgende interessante Mitteilung über den Ursprung des geheimnisvollen Wortes: Was ist also der Snob wirklich?, um den Aufsatz in Ihrem Sonntagsblatt fortzusetzen. Oder: Wie kommt er zu seinem treffenden Namen, den jeder kennt und niemand versteht, nicht einmal Meyers Konversations-Lexikon Vll. Aufl (1929), Bd. XI, S. 408. Er ist aber einfach nur ein Mensch ohne Adel, sine nob (ilitates), der in die exklusivsten englischen Klubs aufgenommen, zugelassen wurde, aber sich in den Registern die Abkürzung s.nob, am Rande gefallen lassen mußte. Also: besser als sein Ruf und zugleich eine der ältesten Wortabkürzungen."

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9. Pierre Bourdieu: Zur Soziologie symbolischer Formen, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1974, Seite 66. Der kurze Text enthält die These, daß der Snob als Soziotyp nur in gesellschaftlichen Verfallsepochen zutage treten würde, hier beonders in der Formierungsphase der Moderne in Europa nach 1789.

"Zweifellos ist nicht zufällig der Snob  als eine gesellschaftliche Persönlichkeit, als Erfinder und Imitator von Ausdrucksmitteln auf dem Gebiet der Kleidung , Wohnung und Lebensstil, ein Zeitgenosse der industriellen Revolution und der Auflösung der ständischen Ordnungen. Es hat in der Tat den Anschein, als setzte sich die für den Snobismus typische unaufhörliche Erneuerung von Signalements mehr und mehr in immer verschiedenren Bereichen und weiteren Gruppen in dem Maße durch, wie die objektiven, ökonomischen oder ständischen Unterschiede undeutlicher werden."

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Annotationen:

  • [1] = Ewald Conze / Wencke Meteling/ Jörg Schuster / Jochen Strobel: Aristokratismus und Moderne 1890-1945, in: Ewald Conze / Wencke Meteling/ Jörg Schuster / Jochen Strobel: Aristokratismus und Moderne 1890-1945, Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2013, Seite 12.
  • [2] = Claus Heinrich Bill: Aristokratismus 2.0 – Weiterentwicklung eines Forschungsansatzes der Marburger Schule als Adelstheorie, in: Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Band 24, Folge Nr. 115 (Jänner), Sonderburg 2021, Seite 19.
  • [3] = Abgeleitet von der These des „Gleichzeitigen im Ungleichzeitigen“ als Coincidentia oppositorum (Zusammenfall der Entgegensetzungen im dialektischen Prozeß) nach Georg Klaus / Manfred Buhr: Philosophisches Wörterbuch, Band I., Leipzig 1976, Seite 245); siehe dazu Paul Nolte: Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, in: Stefan Jordan (Hg.): Lexikon Geschichtswissenschaft, Stuttgart 2002, Seite 134-137.
  • [4] = Julius Bab: Snobismus, in: Die Gegenwart (Berlin), Nr. 7 vom 14. Februar 1914, Seite 103.
  • [5] = Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, Seite 237.
  • [6] = Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, Seite 558.
 

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