Institut Deutsche Adelsforschung
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Herrensitze der Schwäbischen Alb als Bauzeugen des süddeutschen Adels

Vorstellung einer Neuerscheinung aus dem Silberburgverlag zu Tübingen aus dem Jahre 2024

Ein Doktor Döring reiste um 1910 durch die gebirgige Schwabenalb und es interessierten ihn seinerzeit vor allem die Adelsbauzeugen, die oft auf hohen Bergen standen und erbaut worden sind, schons einerzeit freilich in den untershciedlichsten Erhaltungsgraden vorzufinden waren. Dazu notierte er: „Es ist ein versprengtes Stücklein Preußen, das dicht bei der Stelle, wo Lindau seinen Hafen öffnet und über die Fluten des Schwäbischen Meeres die schweizer Berge herübergrüßen, zwischen bayerischem und württembergischem Gebiete eingekapselt liegt. Es ist der letzte südlichste Vorposten der großen Monarchie. Köstlich ist die Wanderung von Lindau dorthin, gar herrlich der Aufenthalt in dem winzigen Ländle, dessen größte Zier das Schloß Achberg bildet. Uralt ist diese Burgstätte, die auf schroffer Höhe über der Argen aufstrebt, einst ein Schloß des deutschen Ritterordens. Von außen ist der Bau verhältnismäßig schlicht. Seine Reize entfaltet er erst im Innern. Eine große Zahl von Zimmern liegt in den drei Geschossen über einander. Den wesentlichsten Schmuck bilden die herrlichen Stuckdecken, die in den verschiedensten Mustern des Barockstils ausgeführt sind. Mit ihnen stimmen die feine Tönung und Bemalung der Wände, die alten Waffen und Gemälde aufs schönste zusammen. Zumal der Prunksaal ist ein herrlicher Raum.  
                            
Weiter ging die Fahrt zum Schlosse Hohenfels. Das ist eine uralte, köstlich gelegene Stätte mit bedeutenden Bauwerken, die in einem unregelmäßigem Rechteck einen stattlichen Hof umgeben, dabei als interessantesten Teil eine ehemals gotische, im Rokokostil umgebaute Kapelle mit einem anstoßenden stattlichen Rundturme.

So war die Richtung gen Norden nunmehr eingeschlagen, geradewegs auf die Fülle von Burgen und Schlössern zollerischen Besitzes zu, die dort in dichter Menge beisammen sind. Fürs erste ging es gen Krauchenwies unweit Sigmaringen, der Geburtsstätte einer ganzen Anzahl von Mitgliedern der jetzigen fürstlichen Familie. Das Schloß stammt in Urbestandteilen des westlichen Flügels schon aus frühem Mittelalter, das Wesentlichste sonst ist Architektur der Renaissancezeit und späterer Epochen.

Noch ein wenig gegen Nordosten liegt das ‚Schlößle‘ zu Langenenslingen. Ganz nahe dabei die Stätte, auf der einst die Burg Habsberg aufragte. Nach kurzem Besuche beider Orte kam nach der Wanderung am dritten Tage zur Abendzeit die Rast in der Haupt- und Residenzstadt Sigmaringen. Bei trefflichen Most bedachte ich, was ich bis dahin auf dieser Reise gesehen und sann ehemaligen Zeiten nach.
Denn nicht zum ersten Male war ich in Sigmaringen. Wenige Jahre ist es her, daß ich hier einkehrte, um die wunderbare Sammlung zu genießen, die der Kunstsinn des Fürsten hier zusammengebracht, für deren sachgemäße und eindrucksvolle Aufstellung er gesorgt hat. Ich kann jetzt nicht genauer darauf eingehen. Nur mit Entzücken noch gedenke ich der herrlichen Vorräte von Waffen, Gemälden (unter ihnen die köstliche„Madonna mit der Traube“ vom alten Cranach), der andern kunstgewerblichen Dinge von hohem kunstgeschichtlichem und materiellem Werte.

Am schönsten erscheint das Schloß, wenn man es unten von der Donau aus anschaut. Auf steilem, rauhem Felsen, sein Fuß ist von Bäumen umrauscht, steigt die malerische Masse des Schlosses empor, durch ihre Gruppierung eindrucksvoll, schlicht dabei und still selbstbewußt. Nähert man sich ihm, so gewinnt das ganze an Gliederung, ohne an Schlichtheit einzubüßen. Ein Teil von hohem malerischem Reiz ist das bogige Hauptportal mit den achteckigen Seitentürmen, von edler Vornehmheit der innere Schloßhof mit seiner neuen Architektur. Denn vieles mußte hier geschaffen werden, nachdem 1893 ein Brand gewütet hatte. Wie lange mag es her sein, daß diese Stätte eine Burg trägt? Wohl dürften jene Recht haben, die hier Ansiedlungen aus römischer und frühester germanischer Vorzeit vermuten. Wann aber jener Sigmar gelebt hat, der hier für sich und sein Geschlecht eine Burg baute, das wird wohl für immer unbekannt bleiben. 1077 geschieht die erste urkundliche Erwähnung der Burg. Damals gehörte sie dem unglücklichen Kaiser Heinrich IV. Danach war sie in mancherlei Händen, bis sie 1594 an Karl I. von Hohenzollern kam. Seit 1849 ist Sigmaringen und sein Schloß preußisch. Von Sigmaringen aus lassen sich die schönsten Ausflüge machen, die in westlicher, nordwestlicher und nördlicher Richtung zu einer Menge von Burgen und Schlössern zollerischen Besitzes führen und dabei zugleich schönste Partien des Schwabenlandes dem entzückten Blick darbieten. Der Burgen sind so viele, daß die meisten von ihnen hier nur flüchtig erwähnt werden können.

Wandert man von Sigmaringen die Donau aufwärts, welch prächtige, interessante Punkte findet man! Da ist zuerst Gebrochen-Guttenstein, dessen Turmrest so trotzig auf senkrecht abstürzendem Felsen aufsteigt. Ganz in der Nähe kommt man durch mehrere in den Felsen gesprengte Tunnels zu dem bedeutenderen Dietfurt. Es wurde schon 799 Eigentum des Klosters Reichenau, seit 1806 gehört es zu Hohenzollern. Ein massiger Turm auf der Ecke eines Felsvorsprunges über dem Donaustrom ist das Hauptmerkmal. In wildem Felsgetrümmer liegt das zweiteilige Falkenstein, von dem man vom Tale aus die Vorburg erblicken kann. Erst oben angelangt, gewahren wir die mächtige Ausdehnung der Ruine. Durch das felsige Tal der funkelnd dahinströmenden Donau, vorüber an den Ruinen Langenfels, Wagenburg, Lengenfeld, Wildenstein und mehreren freundlichen Dörfern kommt man endlich – dicht bei der württembergischen Grenze – zu der seit karolingischen Zeiten angesehenen Benediktinerabtei Beuron, deren Kunstschule heutigen Tags gebührenden Ruhm genießt, und wenn man diesen landschaftlich wundervollen Ort verlassen hat, eine Stunde weiter südwestlich zur Ruine Pfannenstiel. Geschichtlich ist wenig von ihr bekannt. Von ihren Bauten lassen sich stattliche Reste der Ringmauer und ein unvollständig rechteckiger Wohnbau unterscheiden.

Vom Kloster brachte mich in rascher und lustiger Fahrt ein flott hinrollendes Kutschwägelein nach Sigmaringen zurück, und nach einem Rasttage trat ich den zweiten Ausflug an, der durch das Tal der Schmeien, oder, wie sie im Oberlaufe heißt, Schmicha aufwärts führt. Der Anfang des Tales ist reizvoller als das obere Ende, wo es gelegentlich Wege überhaupt nicht gibt, während gleichzeitig eine flache Bodengestaltung vorzuherrschen beginnt. Das Städtchen Ebingen mit dem darüber aufragenden, als Aussichtspunkt prächtigen Schloßfelsen, ist hier der Hauptanziehungspunkt. Auch dieser Ort ist in alter Zeit zollrischer Besitz gewesen. Ein Stück weit gen Westen, gegen Rottweil hin, auf dem zweithöchsten Gipfel der Alb, hat einst die umfangreiche Burg Oberhohenberg gestanden. Fast nichts ist von ihr mehr erhalten als einige Gräben und spärliche Trümmerreste, über die Gras und Strauch sich hinziehen. Und doch ward hier Rudolf von Habsburgs Gemahlin Gertrud geboren, und des Minnesängers Albert liebliche Weisen haben in diesen Mauern getönt.“ [1]
 
Eine ähnliche Reise wie einst Dr. Döring im Jahre 1910 durch die myrioramatische und dicht besetzte ebenso wie bergspitzendominierte Herrensitzregion des Schwäbischen Jura machten indes auch die beiden Buchschaffenden Katharina Hild und Nikola Hild im 21ten Säkulum, die ihre Reiseerfahrungen und Reiseindrücke zwar nicht über Achberg oder Hohenfels, aber über die Herrensitze Hechingen, Weißenstein, Brenz, Wilflingen, Weitenburg, Mochenthal, Ehrenfels, Lindich, Klingenstein, Gammertingen, Krauchenwies, Cotta, Fachsenfeld, Villa Eugenia, Lichtenstein, Lautlingen und Hohenzollern zu Papier brachten. [2]

Es geschah dies sowohl in Textform als auch in Bildform, versehen mit historischen Daten in einem flüssigen und gut lesbaren narrativen Stil, der die Herrensitze in aller Kürze – meist nur über eine einzige Textseite – vorstellt. Es fehlen in dem Band zwar Quellennachweise oder Literaturangaben ebenso wie eine Bibliographie, so daß man leider nicht eruieren kann, woher die einzelnen Informationen stammen; allein ist diese Klandestinität und Intransparenz insofern verschmerzlich, als das Buch auch nur einen ersten Einstieg in die Thematik dienen soll. Dabei stellt der Band eine große Bandbreite an Herrensitzen vor, darunter sind so ikonisch gewordene Schlösser wie Lichtenstein, Hohenzollern und Sigmaringen, aber auch schlichtere Bauten wie Lautlingen, das die Besucher:innen oder Betrachter:innen wegen der Herrensitzbesitzendenschaft bis zu den Stauffenbergs und damit bis in die große Geschichte der jüngeren deutschen Vergangenheit entführt.

Der vor allem wegen seines Kleinformats geeignete Führer ermöglicht es Interessierten, einige primäre Impressionen zur Historie der jeweiligen Herrensitze zu erhalten. In den jeweils chronologisch nach der Erbauung aufsteigend sortierten Herrensitzschilderungen wird auch jeweilig ihr Alleinstellungsmerkmal erwähnt, sei es die „Hängenden Gärten“ auf Schloß Neufra (Seite 77), die Sage zum „Hirschgulden“ bei Schloß Balingen (Seite 50) oder der Fast-Abruch des dann doch noch erhaltenen Schlosses Klingenstein (Seite 94).  Fast alle im Buch enthaltenen photographischen Abkonterfeiungen sind zudem Hild‘sche Originalaufnahmen von hervorragender Qualität, allein eine dem Vorwort (Seite 8) gegenübergestellte Photographie eines Erkers von Schloß Lichtenstein (Seite 9) – anscheinend eine Detailaufnahme eines an sich viel größeren Photos (möglicherweise des Photos von Seite 107) – ist unnötigerweise unscharf, da es sich um eine Vergrößerung handelt; dies ist, gerade angesichts der Stellung des Photos gleich am Beginn des Bandes, schmerzlich.

Dafür verlohnen danach die leicht lesbaren Texte, die die reiche Herrensitzlandschaft der Schwäbischen Alb in Beispielen der verschiedensten Ausformungen vorstellt; dabei sind Burgen und Schlösser ebenso wie Landsitze (z.B. das gleichwohl „Schloß“ genannte Cotta des gleichnamigen Tübinger Verlegers) anzutreffen. Teils waren die Besitzenden bürgerlich, teils adelig, teils hochadelig, teils patrizisch. Die auch adelsbeziehentlich reiche Landschaft, in die sich die zu Eliten aufschwingenden und teils auch von sozialen Mitwelten als elitär anerkannten Personen und Familien Raumaktanten der besonderen Art hinein- und beständig umbauten und sie teils, wenn sie nicht in öffentliche Hand übergingen, bis heute erhielten, kann hier, auf kleinem Raum versammelt, in einer halbbildlich-halbliterarischen Tour d‘Horizon besichtigt – und auch für den eigenen Bücherschrank erworben werden. Mann kann daher sowohl Dr. Dörings romantisierende Berichte als auch die Hild‘sche Reiseerinnerungen gewinnbringend zur Hand nehmen; beide Werke vermitteln auf ihre je eigene Art – und stilistisch doch nicht allzu weit voneinander entfernt – den Reiz der Schwabenalb‘schen Kulturlandschaft in ihrer ganzen Fülle, gerade auch im Hinblick auf die überaus reiche  – auch bauliche – Nobilitätsüberlieferung der Gegend.

Diese Rezension erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung und stammt von Dr. Dr. Claus Heinrich Bill (Kiel). Zu den Annotationen:

1 = Dr. O. Doering-Dachau: An der Wiege des Zollerngeschlechts, in: Westfälischer Merkur (Münster in Westfalen), Nr. 200 vom 24. April 1910, Seite 1 der Morgenausgabe.

2 = Katharina Hild / Nikola Hild: Die schönsten Burgen und Schlösser auf der Schwäbischen Alb. Faszinierende Zeugen der Vergangenheit, Tübingen: Silberburg-Verlag von Titus Häussermann 2024, 119 Seiten, Preis von 24,99 Euro unter der ISBN 978-3-8425-2422-4 im analogen wie virtuellen Buchhandel bestellbar, Hardcoverbindung.


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