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Bundesfürstliche Repräsentation in bürgerlichen ÖffentlichkeitenMaßnahmen hochadeliger Public Relations zwischen 1848 und 1918In den Jahren, die zwischen dem deutschen Nachmärz und dem Ende der deutschen Monarchien und damit zwischen den beiden demokratischen deutschen Revolutionen lagen, war die Stellung eines Bundesfürsten des Deutschen Bundes, des Norddeutschen Bundes bzw. endlich auch des Deutschen Kaiserreichs mitunter problematisch. Er mußte sich, mehr als zuvor, den Öffentlichkeiten, den Medien und der Presse stellen und in Kauf nehmen, daß er kritisiert wurde, ja selbst, daß die Monarchie in Gefahr gebracht wurde, wenn der Monarch als Sinnbild und Verkörperung des Staatswillens zur Zielscheibe von Drohungen oder gar leiblichen Angriffen wurde. Diese Vorfälle konnten bisweilen verheimlicht und „unsichtbar“ gemacht werden, um nicht die Legitimität der Fürsten zu gefährden, gelangten aber doch durch findige Journalisten manchmal trotzdem – und daher „sichtbar“ – an die Öffentlichkeit. [1] So meldete 1895 eine Wiener Zeitung folgende Gefährdung des sächsischen Königs Albert (1828-1902), denn an ihn „gelangte Anfangs dieses Monates in Sibyllenort ein unterschriftsloser an ihn adressi[e]rter Brief mit dem Poststempel Dresden Neustadt, welcher, mit thunlichst verstellter Hand geschrieben, neben unehrerbietiger Anrede und unzusammenhängenden, unfläthigen Worten die directe Bedrohung mit Höllenmaschinen, Dynamit, beziehungsweise Dynamitbomben, Pulver und Dolch enthielt. Den Nachforschungen der politischen Polizei in Dresden, welcher kurz zuvor ein an einem Fensterladen des Grundstückes `Volksheim´ über Nacht angeklebter Zettel mit den Worten: `Hoch die Anarchie! Dynamit, Pulver, Revolver, Dolch, diese thun ihre Schuldigkeit!´ in die Hände gefallen war, und die eine Uebereinstimmung der Handschriften in dem oben gedachten Briefe und auf diesem Zettel fand, ist es gelungen, den Briefschreiber in der Person eines 20 Jahre alten, von Dresden gebürtigen, zwar gesunden und erwerbsfähigen, doch arbeitsscheuen Handarbeiters zu ermitteln und zu überführen, der nunmehr seiner Bestrafung entgegensieht. Ist auch zu den in dem Briefe ausgesprochenen Drohungen ein ernster Hintergrund nicht zu finden gewesen [...], so kennzeichnet doch die Dreistigkeit dieses unreifen Burschen, der bisher eifrig socialistische Schriften gelesen und Versammlungen dieser Richtung besucht, mit socialdemokratischen Reden gern um sich geworfen und mit Vorliebe die Tage und Nächte mit Gesinnungsgenossen in Schankwirthschaften sich umhergetrieben hat, anstatt zu arbeiten, so recht die Denkweise eines Theiles unserer gegenwärtigen Arbeiterjugend.“ [2] Waren allein bereits diese Drohungen eines Handarbeiters (und die durch die Zeitung erfolgten pejorativen Einordnungen der Arbeiterschaft aufgrund eines Einzelfalles) symbolisch aufgeladen und (bedingt) systemgefährdend, so konnte es auch zu Ausschreitungen kommen, die das Leben des Monarchen aufs Spiel setzten. Bereits 1874 hatte es einen solchen Versuch gegeben, in dessen Mittelpunkt ebenfalls König Albert stand, der gerade im Jahr zuvor die Regierung Sachsens übernommen hatte. Hierzu hieß es zeitgenössisch (1874): „Der König Albert von Sachsen wurde dieser Tage im großen Garten zu Dresden von einem geisteskranken Schirmmacher angesprochen und durch die Frage behelligt, weshalb er nicht ablasse, ihn zu verfolgen. Der Geisteskranke, welcher von der fixen Idee geplagt ward, daß der König ihn hasse, verfolge und an seiner Selbstständigkeitmachung hinderlich sei, ist am anderen Tage auf Anordnung der Polizei ärztlich explori[e]rt und vorläufig im Dresdener Krankenhause untergebracht worden. Es ist derselbe Mensch, der bereits im März 1853 einmal ebenfalls im großen Garten einer Art Attentat auf den König, damals noch Kronprinz, dadurch sich schuldig gemacht haben soll, daß er eine nur mit Pulver geladene Pistole von weitem mehrmals auf den Prinzen gerichtet hatte. Auch damals trat seine geistige Gestörtheit (Verfolgungswahn) bereits klar zu Tage und wurde er deshalb einige Jahre auf dem Sonnenstein untergebracht. [3] Der Unglückliche, sonst ein sonst solider und fleißiger Mensch, ist der uneheliche Sohn einer Gärtnerstochter und eines adeligen Hauptmannes.“ [4] Somit war der König mehrfach Attentaten ausgesetzt – und er hatte sich in doppelter Gefahr befunden. Diese doppelte Gefahr bestand nun in zweierlei Aspekten. Erstens hätte der König durch diese Vorgänge – oder an den Folgen dieser Pläne – tatsächlich ums Leben kommen können. Zweitens aber war mit diesem Unfall auch ein möglicher Ansehensverlust in der Öffentlichkeit verbunden. Allerdings hatten die Redakteure und Journalisten, die diese Meldungen herausgaben, sich an dem literarischen Erzählmuster der Heldenreise orientiert. Dabei erhält der Protagonist einer Geschichte einen Ruf in die Welt, bricht zu einer Aufgabe auf, droht an ihr zu scheitern, wird aber im letzten Moment auf wundersame Weise errettet und kann „das Böse“ besiegen, bevor er in Frieden nach Hause und als Held zurückkehrt. [5] Somit war es hier jeweils eine eingehegte Gefahr, über die berichtet wurde, wenn es schon nicht zu vermeiden war, daß die Öffentlichkeit davon Kenntnis erhielt. Denn die Schwächung des Prestiges des Königs konnte durch das jeweilige „gute“ Ende der Episode wieder beseitigt werden; der in Gefahr stehende König ging daraus gestärkt hervor. Klassifizieren läßt sich dieses Vorgehen in der Presse indes nicht nur als klassische Heldenreise, sondern auch als bewältigte Krise, als Beseitigung eines Ritualfehlers im Sinne von Hüsken (2013). [6] Denn ab den 1850er Jahren wurde Öffentlichkeit ein bedeutender Faktor der Legitimität von Monarchen, ausgelöst durch die Funken der französischen und europäischen Revolutionen. Die sächsische Neuzeit- und Kunsthistorikerin Anja Schöbel M.A. (*1987), die sich auch bereits in ihrer Magisterarbeit (2011) mit Repräsentationen des Fürstlichen auf Herrscherportraits befaßt hat, hat dies Thema nun erheblich erweitert und fünf Jahre lang (2012-2017) umfassender bearbeitet; ihre diesbezügliche Dissertation an der Universität Erfurt erschien Ende 2017 im Böhlauverlag. [7] Sie befaßt sich mit Fragen der Inszenierung nicht nur des genannten Königs Albert von Sachsen, sondern auch den gesamten sächsischen, bayerischen, hessischen und gothaischen Bundesfürsten in den Medien, in Königsmeldungen, auf Bildpostkarten, im Film, in (ausgewählten) Zeitungen (Berichte über Reisen der Fürsten) und in Familienblättern. In der von ihr untersuchten Epoche (1848-1918) sieht sie zahlreiche Wandlungsprozesse am Werk; dazu gehöre die Durchsetzung der Massenmedien, die aufkommende Hegemonie des Bildes über den Text, die Moderneformierung mit dem Konstitutionalismus und einem dadurch erhöhten monarchischen Legitimitätsbedarf, größere Mobilität und die abschnittsweise Politisierung des Privaten. Dabei kommt Schöbel ihr Doppelstudium zugute. Als Kunsthistorikerin folgt sie der dichten Beschreibung von Clifford Geertz [8] ebenso wie der Kunstinterpretation von Erwin Panofsky, [9] verbindet diese Bildbetrachtungen von bisher kaum untersuchten Postkarten und Gemälden mit ihren historischen Kenntnissen. Im Sinne einer Multiperspektivität ist es dabei erfreulich, daß Schöbel neben Hofakten auch private Äußerungen der Fürsten herangezogen hat, die enthüllen, wie diese über Öffentlichkeitsarbeit gedacht haben. Hier sind vor allem die bewußten Reflektionen des bayerischen Königs Maximilian II. bemerkenswert, die Schöbel detailliert verwendet und damit den Inszenierungscharakter der bundesfürstlichen Auftritte im öffentlichen Raum dekonstruieren kann. Des Königs private Überlegungen und andere Quellen weiterer Fürsten (aus Memoiren, Tagebüchern und Briefwechseln) schufen sodann auch drei Thesen, mit denen Schöbel ihre Arbeit begonnen hat (Seite 20-22). Sie sagt, die Fürsten seien sich der Wirkung von Public-Relations-Maßnahmen bewußt gewesen und hätten diese aktiv gesteuert, die Monarchie als Staatsform habe zudem bis zuletzt (1918) einen großen Rückhalt in den regionalen Bevölkerungen genossen und die Bundesfürsten hätten an Popularität gegenüber dem Kaiser nicht abgenommen, da sie wichtige regionale Identitäten verkörpert hätten. Schöbel widmet sich dann der Analsye der Steuerung der Außendarstellung von lebensgeschichtlichen Ereignissen (Geburt, Taufe, Heirat), wobei sie in den Medien einen besonderen Gestaltungswillen in Bezug auf die Berichterstattung von Fürstentoden und -begräbnissen ausmachen konnte. Erklärlich ist dies mit dem Umstand, daß das Ableben eines Fürsten stets eine Krise war, weil der monarchische Staat seinen Kulminationspunkt jeweils von der Erbfolge abhängig machen mußte. Auch eine Begräbnisschilderung funktionierte dabei wie eine Heldenreise nach dem Motto: „Der König ist tot, es lebe der König!“. Um die Sicherung der Monarchie zu garantieren, mußte indes der neue König auch den Staffelstab übernehmen. Dies war kein selbstverständliches Procedere, zumal einige Prätendenten und Nachfolger der anstehenden Aufgabe nicht gewachsen waren. So war nach dem Tode König Ludwig II. von Bayern (1845-1886) dessen jüngerer Bruder Otto (1848-1916) König von Bayern geworden, blieb dies auch bis zu seinem Tode, wurde jedoch bereits seit der Thronbesteigung wegen einer „Geisteskrankheit“ von Prinzregent Luitpold vertreten. [10] Derlei Ungeeignetheiten konnten leicht zu einer Staatskrise führen, [11] die medienbezüglich eingehegt werden mußte. Schöbels hauptsächliches Interesse liegt indes leider – abgesehen von der Beachtung von Begräbnissen – nicht auf Gegenphänomenen und Einhegungen der Monarchiegefährdungen, [12] obschon sich gerade daran Bewährungen oder das Scheitern der Öffentlichkeitsarbeit in besonderem Maße ablesen ließen. [13] Allerdings kommt Schöbel auch allein bei ihrem „positivem“ Erkenntnisinteresse zu beachtenswerten Ergebnissen. Demnach sei es den Bundesfürsten gelungen, adäquate Repräsentationen in der Zeit bis 1918 durchzuführen, die sie auch bewußt als Möglichkeiten zur Popularitätssteigerung verstanden hätten. Neben Landesreisen gehörten dazu auch die bildliche Inszenierung für Familienblätter, für Zeitungen, für bewegte und unbewegte Bilder oder für neue Medien wie die Massenbildpostkarte. Auch die Mitnahme von Pressevertretern auf Fürstenreisen oder die fürstenseitige Publikation privater Briefe in Zeitungen gehörten zu diesen Maßnahmen einer seinerzeit sehr fortschrittlichen Image-Building-Arbeit (Seite 320) und eines positiven Impression-Managements. [14] Die dem Buch beigefügten 58 schwarz-weißen und teils ganzseitigen farbigen Abbildungen auf Bildtafeln illustrieren diese Erkenntnisse am praktischen Beispiel. Trotz dieser Sensibilität für die Wirkung öffentlicher Repräsentation im Zeitalter der Moderne konnte indes die Revolution von 1918 nicht verhindert werden. Zu spät eingeleitete Reformen konnte die Rettung der deutschen Monarchien nicht garantieren, [15] obgleich die Beliebtheit der Bundesfürsten oft bis 1918 ungebrochen geblieben sei, so Schöbel. Ihr verdienstvolles Werk [16] lenkt den Blick daher wesentlich auf die absichtsvollen Bemühungen der – oft genug in der historiographischen Wahrnehmung eher im Schatten des Kaisers Wilhelm II. (1859-1941) stehenden – Bundesfürsten um Volksnähe und Anerkennung. Kunsthistorisch werden Schreibitschportraits, Herrscherportraits, Natur- und Atelieraufnahmen, Genre- ebenso wie Familienbilder nach den Grundlagen der Methode der Visual History analysiert und vorgestellt, wobei Schöbel zu einem tiefergehenden Blick einlädt. Insgesamt hat sie einen bislang wenig beleuchteten Aspekt behandelt, der den Bundesfürsten eine gewisse Modernität im Umgang mit der Öffentlichkeitsarbeit attestiert und dies an vielen Beispielen nachweist. [17] Somit ist das Schöbelsche Werk nicht nur ein gewichtiger Beitrag zur Bundesfürstenhistorie, sondern auch zur Presse- und Kunstgeschichte in der Formierungsphase der Moderne, dem gesellschaftlichen wie technisch umwälzenden Laboratorium des `langen´ 19. Jahrhunderts. [18] Diese Rezension stammt von Claus Heinrich Bill M.A. B.A. und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung. Annotationen:
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