Institut Deutsche Adelsforschung
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Neue Forschungen zum Adel in Schlesien

Vorstellung eines Doppelbandes über Herrschaft, Selbstdarstellung und Quellen

"Adel in Schlesien" - mit diesem schlichten Titel kommt ein Doppelband im farbigen Schuber einher, der nicht nur sehr gewichtig ist, sondern auch äußerst ansprechend gestaltet und inhaltlich umfangreich. Über 1.400 Seiten umfassen beide Bände! Das scheint nicht nur die Erfüllung eines langgehegten Traumes der Adels- und Elitenforschung zu sein, sondern auch mit Sicherheit ein Durchbruch bei internationaler Forschung, die erst durch den Zerfall des Ostblocks möglich geworden war. Das ganze Projekt, in seinen Größenordnungen kaum vergleichbar mit anderen Vorhaben ähnlicher Art (bestenfalls noch dem Projekt "Elitenwandel in der Moderne" der FU Berlin), wurde großzügig gefördert durch die nationalen Bundesministerien für Kultur sowohl in Polen als auch in der BRD. Geforscht wurde in einem dreijährigen Laufzeitprogramm international in Polen, Tschechien und Deutschland, unter tatkräftiger Heranziehung von namhaften Wissenschaftlern und pekuniären Helfern im großen Stil. 

Freilich: Allein die beeindruckende Quantität der Seiten und enthaltenen Daten wie auch Aufsätze und Listen zählt nicht. Aber nicht nur vom Umfang her, sondern auch vom Inhalt und der Qualität her darf der Doppelband im Schuber einen Rang beanspruchen, der zu einem neuen Standardwerk zum Thema passend erscheint. Wer sich die Forschungslandschaft zum Adel in Schlesien bisher ansieht, der wird nicht selten auf die Verstreutheit der Quellen und Aufsätze aufmerksam geworden sein, auf die Disparität der Vorkommen, auf oft veraltete Fragestellungen, rückwärtsgewandte Untersuchungen und Ähnliches. 

Nachdem aber das Thema des Adels nach 1990 Konjunktor erhielt und nicht nur die neuen Bundesländer der BRD ergriff, sondern auch viel weitreichendere geographische Kreise zog, hat sich auch in Polen ein Umdenken ergeben. Der bis dato traditionell eher abgewertete Adel als Feindbild wurde wissenschaftlicher Forschungsgegenstand interdisziplinärer und internationaler Forscher. Es ist daher von großem Verdienst, daß eine Gemeinschaft von geisteswissenschaftlich ausgerichteten Forschern sich dem Thema sowohl mithilfe deutscher also auch polnischer Quellenausschöpfungen angenommen hat, wie sie im vorliegenden Maße noch nicht in der Forschung zutage getreten waren. Gerade dieser grenzübergreifende intensive Quellennutzung in den Bibliotheken und Archiven  machen die beiden Bände zu einer Fundgrube unermeßlicher Fingerzeige für die Forschung und dies nicht nur, was die Quellenlage und deren Aufklärung anlangt. 

Dadurch, daß die beiden Bände in Deutschland komplett in deutscher Sprache erscheinen und in Polen in polnischer Sprache (man wählte hier wohl zu Recht des Umfanges halber keine doppelsprachige Ausgabe für beide Zielgruppen) herausgab, hat man ein Kompendium zur Hand, das auch den nichtpolnischsprachigen Benutzern die Möglichkeit gibt, den Ausführungen zu folgen. Behandelt werden nun in den beiden Bänden inhaltlich die unterschiedlichsten Aspekte der Adelsgeschichte in Schlesien, wobei mehr als 40 Autoren an 65 Aufsätzen gewirkt haben. 

Der erste Band umfaßt dabei vor allem Artikel zu den Themen Herrschaft, Kultur und Selbstdarstellung des schlesischen Adels vom Mittelalter bis zur Mitte des XIX. Jahrhundert mit Schwerpunkt auf Spätmittelalter und Früher Neuzeit, widmet sich mithin also der Kern- und Hochzeit der Nobilität in der Provinz. 

Hierbei werden kulturwissenschaftliche Fragestellungen angestellt, die sich aber nicht nur auf gruppal- und sozialinterne Merkmale beziehen, sondern auch internationale Fragen in den Blickwinkel nehmen, wie z.B. die Stellung des schlesischen Adels im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation oder die Migration des schlesischen Adels nach Mähren. [1]

Diese Rezension stammt von Claus Heinrich Bill (2011).

Annotation:

  • [1] = Jan Harasimowicz / Matthias Weber (Herausgeber): Adel in Schlesien, Band 1: Herrschaft, Kultur, Selbstdarstellung (Band XXXVI. der Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa), 587 Seiten. Sowie Joachim Bahlcke & Wojciech Mrozowicz (Herausgeber): Adel in Schlesien, Band 2, Forschungsperspektiven, Quellenkunde, Bibliographie (Band XXXVII. der Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa), 841 Seiten. Beide Bücher erschienen im Oldenbourgverlag, München 2010, broschurgebunden, zusammen erhältlich zum Preis von 128,00 Euro.

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