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Adeline Komteß v.Schimmelmann (1854-1913) aus AhrensburgFormen und Folgen ihrer sozial-peformativen Etikettierung als Renegatin und Standesgrenzglied des AdelsWann sind Grenzen erreicht, die zu einem Ausschluß aus dem Adelsstande führten? Pauschal läßt sich diese Frage keinesfalls beantworten, nur an Einzelfällen läßt sich wohl erkennen, welche Werte durch entsprechend abweichendes Verhalten dazu führen konnten, daß man Sanktionen gewärtigen mußte. Eine der Maßregeln für Devianz war unter anderem die Einweisung von Familienangehörigen des Adels in sogenannte „Irrenanstalten“. Ob sich dahinter eine Strategie verbarg, so wie es bei mißliebigen („ungeratenen“) Adels-Söhnen geschah, die im 19. Jahrhundert „nach Amerika geschickt wurden“? [1] Ob adäquat für deviante Adelstöchter die Unterbringung in Irrenanstalten zu einer im Adel üblichen Strategie gehörte, mittels der der Familienruf [2] gewahrt bleiben sollte, kann bislang nicht belegt werden, da zum Themenkomplex in der Adelsforschung entsprechende Studien und Analysen, die über Einzelfälle hinausgehen, [3] nicht ermittelt werden konnten. Behauptet jedenfalls wird dies, so unter anderem in einem neuen Buch mit Literaturkompilationen von Ruth Albrecht über die ahrensburgische Pietistin Adeline Komteß v.Schimmelmann (1854-1913) auf Seite 261; [4] so konnte man über sie in Tageszeitungen des Jahres 1894 lesen: „Kopenhagen, 11. October. Aufſehen erregen Mittheilungen des Blattes ‚Politiken‘ über die Einſperrung der Gräſin Adeline Schimmelmann in eine Anſtalt für Geiſteskranke. Gräfin Adeline S.[chimmelmann] iſt die am 19. Juli 1854 geborene Tochter des Lehnsgrafen Ernſt Schimmelmann, der ſowohl in Dänemark als auch in Holſtein bedeutende Beſitzungen hatte und für ſehr reich galt. Adeline, das vierte ſeiner ſieben Kinder, verbrachte ihre Jugend abwechſelnd in Deutſchland und Dänemark, fühlte ſich indeſſen ſpäter mit dem deutſchen Kaiſerhofe enger verknüpft und lebte als Hofdame der Kaiſerin Auguſta, die ihr mit mütterlicher Liebe gewogen war, in Berlin. Seit dem Tode ihres Vaters 1885 zog die junge Gräfin ſich von den Hoffeſten zurück und widmete ſich im Auftrage der Kaiſerin den zahlreichen Wohlthätigkeitsarbeiten, für die die Kaiſerin ſich intereſſirte. Der Anblick ſo vielen Elends erfüllte ſie mit Schrecken, und ſie gab alles, was ſie beſaß, hin, um die Noth der unglücklichen Stiefkinder der Geſellſchaft zu lindern. Ein Zufall brachte ſie eines Tages in das Fiſcherdorf Göhren auf Rügen; der beſtändige harte Kampf ums Daſein, den die arme Bevölkerung unabläſſig mit Wind und Wellen zu führen genöthigt war, erregte ihre Bewunderung wie ihr Mitleid. Sie beſchloß, ſich hier niederzulaſſen und den Armen nach Kräften zu helfen. In einem Buche ‚Ein Heim im fremden Lande’ von Otto Funcke iſt das von der Gräfin erbaute und unterhaltene Heim für Seeleute, ſowie ihre Samariterwirkſamkeit überhaupt beſchrieben. Selbſtverſtändlich erregte das eigenthümliche Leben der Gräfin großes Aufſehen, und in gewiſſen Kreiſen zog man ſich von ihr zurück, beſonders von ſeiten ihrer Familie begegnete man ihr mit eiſiger Kälte, dagegen blieben ihr der Kaiſer und die Kaiſerin unveränderlich gewogen. Im Sommer wohnte ſie auf Rügen, den Winter dagegen pflegte ſie auf ihrer Villa in Hellebak bei Helſingör zuzubringen. Im Februar dieſes Jahres nun beſuchte ſie eines Tages ihren Bruder Werner Schimmelmann,5 dem ſie mittheilte, daß ſie auf Rügen zwei elternloſe Knaben zu ſich genommen habe, denen ſie ihr Vermögen zu hinterlaſſen gedenke. Einer derſelben war krank, und Graf Werner erbot ſich, ihr einen Arzt zu ſchaffen. Am nächſten Tage ſtellte der Graf ihr Profeſſor Pontoppidan, Oberarzt der Abtheilung für Geiſteskranke am hieſigen Gemeinde-Hoſpital, vor. Nach einem kurzen Geſpräch verließ Profeſſor Pontoppidan den Gaſthof, und unter dem Vorgeben, in einer Privatwohnung Näheres mit ihr über den kranken Knaben abzumachen, fuhr Graf Werner mit der Gräfin zum Gemeinde-Hoſpital, wo ſie ohne weiteres in die Abtheilung für Geiſteskranke gebracht wurde. ‚Verfolgungswahnſinn gegen ihre Familie‘ gab man auf ihre erſchrockene Frage als Grund an. Nach fünſwöchigem Aufenthalte in dem Hoſpital wurde die Gräfin nach der Irrenanſtalt in Vordingborg gebracht, deren Oberarzt ſie nach achtwöchiger Beobachtung mit der Beſcheinigung, daß ſie durchaus nicht geiſteskrank ſei, entließ. Als man ihrem Bruder mittheilte, daß ſie aus der Anſtalt entlaſſen werden müſſe, ſandte er zwei Perſonen nach Vordingborg, die die Gräfin in eine private Irrenanſtalt nach Kiel überführen ſollten, [6] die Gräfin zog es indeſſen vor, einer Einladung der Großherzogin Eliſabeth von Mecklenburg auf deren Schloß Raben⸗Steinfeldt zu folgen. Von hier aus wandte ſie ſich an Sanitätsrath Dr. Schuchard mit der Aufforderung, ihren geiſtigen Zuſtand zu unterſuchen, und der bekannte Irrenarzt gab ebenfalls die ſchriftliche Erklärung, daß Gräfin Schimmelmann vollkommen geiſtig geſund ſei. Gleichzeitig ließ die Gräfin ihre Dienerſchaft und andere ihr naheſtehende Perſonen beeidigte notarielle Erklärungen abgeben, die alle ohne Ausnahmen zu ihren Gunſten lauten. Während die Gräfin gefangen gehalten wurde, hatte Graf Werner S.[chimmelmann] ſich in Beſitz ihrer Schmuck⸗ und Werthſachen geſetzt, ihre Dienerſchaft durch einen Schutzmann über die Grenze bringen laſſen und die beiden Pflegekinder aus der Villa entfernt und irgendwo in Pflege gegeben. Die Gräfin hat heimlich während ihres Aufenthaltes in den Irrenanſtalten, wo ſie von jedem Verkehr mit der Außenwelt durchaus abgeſchnitten war, ein Tagebuch geführt, das jetzt als Manuſkript gedruckt worden iſt, [7] um bei der bevorſtehenden gerichtlichen Verhandlung als Beweismaterial zu dienen. Die Sache macht um ſo größeres Aufſehen, als es in kurzer Zeit das dritte Mal iſt, daß gegen den als außerordentlich tüchtig anerkannten und geſchätzten Oberarzt Prof. Pontoppidan die Anklage gerichtet wird, geſunde Perſonen auf Verlangen einflußreicher Familien ohne genügende Unterſuchung eingeſperrt zu haben.“ [8] Das angerissene Buch beschäftigt sich nun vor allem mit diesem Psychiatriefall, stellt eine Zusammenstellung von Presseerzeugnissen und Literaturstellen dar, ist mithin, anders, als es der Titel vielleicht vermuten lassen könnte, keine klassische Biographie. Auch wenn die Verfasserin schon mehrfach mit Beiträgen zur Person der Komteß hervorgetreten ist, [9] ist man bei Nichtvertrautheit mit der Thematik zunächst gut beraten, zuerst auf den Seiten 246 bis 254 den Abschnitt „Zur Biographie Adeline Schimmelmanns“ zu lesen, um über den in der Tat ungewöhnlichen Lebensweg von der weithin anerkannten kaiserlichen Hofdame bis hin zur isoliert in einem Hamburger Pflegeheim verstorbenen Verarmten informiert zu werden. [10] Die Devianz bestand in ihrem Falle jedenfalls darin, nach einem angepaßten Leben mit einer höfischen Frauenkarriere sich ab 1886 auf eine charisamtische Christenbewegung einzulassen, bevor sie 1890 mit dem Tod ihrer Dienstherrin, der preußischen Königin und deutschen Kaiserin Augusta (1811-1890), der Gemahlin Kaiser Wilhelm I (1797-1888), eine rege Missionstätigkeit entfaltete. Hierzu gründete sie unter anderem ein Seemannsheim auf Rügen. Soweit schienen ihre Tätigkeiten noch mit dem adeligen Gebot der Karitativität konform zu gehen. Für Schwächere zu sorgen war christliche Aufgabe der Wohlhabenderen, zu denen sie wegen ihrer Herkunft aus dem Geschlecht der Schimmelmanns zweifelsohne zählte. Die „Beneficentia“, die „adeliche Wolthetigkeit“, [11] sei es für Gutsuntergehörige als Gutsherrin oder in Städten in entsprechenden Organisationen, galt als typisch weiblich-aristorkatisches Beschäftigungsfeld. Hierzu war es jedoch notwendig, daß der Grundstock der Nächstenhilfe stets als Fundament erhalten blieb. Adeline Komteß Schimmelmann aber vermachte angeblich in ihrem Testament ihren drei Pflegejungen, darunter auch solche mit einem zeitweise dissozialen Charakter, ihre Vermögen. Daraufhin, der erwähnte Zeitungsausschnitt präsentierte diese Behauptung, ließ sie ihre eigene Familie unter einem Vorwand in die Irrenanstalt sperren, wo sie zwischen Februar und Juni 1894 lebte, ihrer gräflichen Identität durch die „totale Institution“ beraubt wurde, in einer Zelle lebte, umgebende psychisch Kranke und Sträflingskleidung erdulden mußte, bevor sie wieder entlassen wurde. Danach weitete sie ihre aus dem christlichen Nächstenliebegebot entsprossenen Tätigkeiten weiter aus, missionierte, alleinstehend bleibend, über Vorträge, über ihr (Missions-) Segelschiff, mit dem sie bis nach England und Amerika fuhr, stieß den Betrieb weiterer Seemannsheime an, in denen die Seeleute vom Alkohol abgehalten und zu erbaulicher christlicher Lektüre angehalten werden sollten, gründete 1903 fernerhin das Marineheim in Kiel. [12] Was Adeline Komteß v.Schimmelmann nun als deviant erscheinen ließ, waren vemrutlich ihre für Adelsfrauen ungewöhnlichen Betätigungen der Vortragstätigkeiten, der drei männlichen Pflegekinder, des Unverheiratetseins, des Pietismus’, ihre Vermögensaufgabe, aber auch die Zerstrittenheit mit ihrer Familie. Schließlich dürfte aber auch der Aufenthalt in der Psychiatrie allelopoietisch auf das ihr angeheftete Stigma einer Renegatin gewirkt haben: Der Aufenthalt wurde ihr aufgrund ihrer Tätigkeit zugedacht, etikettierte sie aber zugleich erst als „irre“, mithin als nicht den Normen entsprechend, die sich ihre Familie für sie vorstellte. Der Band versammelt, neben der erwähnten kleinen Biographie, vor allem Auszüge aus der Presse, wertvoll wegen der Übersetzungen von dänischen und schwedischen Artikeln in die deutsche Sprache (englische Artikel wurden in der Originalsprache abschriftlich abgedruckt), dem Schimmelmann’schen Tagebuch aus ihrer Anstaltszeit sowie einigen Urteilen zeitgenössischer Schriftsteller:innen. Als Kenner:innen der Materie haben die Herausgebenden zudem viele Angaben, die sich den unbedarften Lesenden nicht zwangsläufig erschließen, mit Fußnoten erklärt. Die angerissene und behauptete adelsfamiliäre Strategie der Einhausung in eine „Irrenanstalt“ erinnert indes auch an die Strategie von Adelsfamilien, ihre nicht sich als familienwertekonform verhaltenswahrgenommenen Familienangehörigen entmündigen und unter Kuratel stellen zu lassen, beispielsweise bei Vermögens-“Verschwendung“. [13] Über den Einzelfall hinaus kann die Publikation mithin als ein weiterer wertvoller Baustein zur Adelsdevianzforschung und als eine Aufforderung verstanden werden, die Forschung zu diesen Bereichen adeliger Familienstrategien näher und vor allem systematisch zu erforschen; dazu gehört sicherlich dann auch die soziologische Perspektive von Standesgrengzgliedern, Stigma, Stigmaerwehrung und von Etablierten und Außenseitern, [14] dies freilich nur dann, insofern sich die getroffenen familiären Maßnahmen tatsächlich als eine alltagsübliche Maßregel mit Verbreitungswert im Adel erweisen würden. Diese Rezension erscheint auch gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung und stammt von Dr. Dr. Claus Heinrich Bill (September 2025). Zu den Annotationen: 1 = Beispielhaft dazu siehe Nomen Nescio: Enterbte Millionärssöhne, in: Wiener Zeitung (Wien), Ausgabe Nummer 7446 vom 20. Juli 1914, Seite 2; dort sprach der anonyme Verfasser des Artikels von „Tausenden von gescheiterten Existenzen, die aus Europa, nicht zuletzt aus Deutschland, von vermögenden Vätern nach Amerika verschickt wurden“. 2 = Dazu siehe bei Mark Eisenegger / Kurt Imhof: Funktionale, soziale und expressive Reputation. Grundzüge einer Reputationstheorie, in: Ulrike Röttger (Hg.): Theorien der Public Relations. Grundlagen und Perspektiven der PR-Forschung, Seite 243-264 (kann auch auf traditionelle Reputation als Adelsspezifikum vor 1945 angewendet werden). 3 = Dazu siehe immerhin Bernd Kasten: Prinz Schnaps. Schwarze Schafe im mecklenburgischen Fürstenhaus, Rostock: Hinstorffverlag 2009, 128 Seiten (betrifft als deviant wahrgenommene Eigenschaften wie Alkoholismus, eheliche Untreue, Verschwendung, Bürgerheirat im Hochadel, Schutzstaffelbetätigung). Zu anderen Adelsfrauen, die in Irrenanstalten lebten, siehe Nomen Nescio: Julie Ebergenyi, in: Teplitz-Schönauer Anzeiger (Teplitz-Schönau), Ausgabe № 38 vom 20. September 1873, Seite 702. 4 = Ruth Albrecht / Martin Rosenkranz (Herausgebende): Die eingesperrte Evangelistin. Adeline Gräfin Schimmelmann zwischen Erweckung und Psychiatrie, Leipzig: Verlag der Evangelischen Verlagsanstalt 2025, 278 Seiten, erschienen im Format 19 cm x 12 cm und als Band XVIII der Schriftenreihe „Edition Pietismustexte“ unter der ISBN „978-3-374-07781-6“, erhältlich zum Preis von 24,00 Euro im virtuellen wie analogen Buchhandel. 5 = Gemeint war Werner Graf v.Schimmelmann (1865-1941). 6 = Gemeint war wohl die private „Heilanstalt Hornheim“ im Süden von Kiel in Gaarden-Kronsburg; hierzu siehe weiterführend Peter Haman: Peter Willers Jessens ehemaliges Asyl Hornheim in Kiel. Ein Beitrag zur Psychatriegeschichte Schleswig-Holsteins, in: Deutsche Gesellschaft für Krankenhausgeschichte (Hg.): Historia hospitalium. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Krankenhausgeschichte, Band XIII, Berlin: De Gruyter Oldenbourg 1980, Seite 69-95. Auffallend ist indes, daß 1855 aus dem Adel immerhin Hermine Georgine v.Krogh (50 Jahre alt) und Louise v.Qualen (44 Jahre alt) Insassinnen des „Asyls Hornheim“ waren (gemäß Arbeitskreis Volkszahlregister“ unter der URL „https://www.akvz.de/index.html“ bei Ortseingabe „Hornheim“ gemäß Abruf vom 27. September 2025). 7 = Nomen Nescio: Aus dem Tagebuch der Gräfin Adeline Schimmelmann Hofdame der Kaiserin Augusta, Rostock: Hinstorff 1896. Hinzu kämen später Adeline Komteß v.Schimmelmann: Streiflichter aus meinem Leben am deutschen Hofe, unter baltischen Fischern und Berliner Sozialisten und im Gefängnis, Elberfeld: Selbstverlag 1901, 120 Seiten. Die Publikation ähnelt der Grenzgängerliteratur von Wilhelm Vogt (Herausgebender): Sechzig Jahre. Ein Leben an Bauern- und Fürstenhöfen, unter Säufern, Kindern und Verbrechern von Albert Freiherr v.Seld, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2. Auflage 1926, 334 Seiten. 8 = Nomen Nescio: Kopenhagen, in: Harburger Anzeigen und Nachrichten (Harburg), Band LI, Nummer 24 vom Dienstag den 16. Oktober 1894, Seite 2. 9 = Albrecht, Ruth / Rosenkranz, Martin: Repräsentantin des Adels und extravagante Evangelistin. Adeline Gräfin von Schimmelmann im Spiegel der internationalen Presse nach 1900, in: Historische Kommission zur Erforschung des Pietismus (Hg.): Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus, Band XLIII, Göttingen 2017, Seite 249-287 10 = Die Kölnische Zeitung (Köln), Nr. Seite, notierte zu ihrem Ableben: Kiel, 25. Nov. Eine ganz ungewöhnliche Frau, die Gräfin Adeline Schimmelmann, eine Schleswig-Holsteinerin, ist im 60. Lebensjahr gestorben. Seit 27 Jahren wirkte sie in der Seemannsmission und schuf im In- und Ausland Seemanns- und Fischerheime. Ihr Vater, Graf Schimmelmann, der in Dänemark und Schweden Grundbesitz hatte, beteiligte sich als Johanniterritter am Feldzug 1870/71 und kehrte schwerkrank nach Berlin zurück. Die Tochter half bei der Pflege der Verwundeten in Berlin mit und trat in Beziehung zum Hofe. Die Kaiserin Augusta gewann sie lieb und machte sie zu ihrer Hofdame. Mehr als ein Jahrzehnt stand sie der ersten deutschen Kaiserin nahe. 1886 schied sie aus dem Hofdienst und siedelte nach Rügen über. Im stillen Göhren reifte in ihr der Plan, eine große soziale Fürsorge für Seeleute und Fischer, die sie auf Rügen kennenlernte, ins Werk zu setzen. Sie erwarb auf dem Eiland Greifswalder die eine Schenke, in der Seeleute gern verkehrten und errichtete an der Südküste Rügens mehrere Lesezimmer, die an Samstagen und Sonntagen Rügens Fischer vereinigten. Acht Jahre wirkte die Gräfin dort. Allmählich erweiterte sie ihr Arbeitsfeld, erwarb die Jacht Duen eines dänischen Prinzen und befuhr zunächst die Ostsee. Sie besuchte deutsche und fremdländische Hafenstädte, schuf überall Seemannsheime und sammelte Seeleute um sich. In Kiel errichtete sie ein Heim für Unteroffiziere der Marine, bot den Besuchern gute Zeitschriften und Bücher und sorgte für Gesangunterricht und andere Unterhaltung. Ihre Tätigkeit dehnte sich immer weiter aus. Gräfin Schimmelmann besuchte England und Nordamerika. In ihrem Londoner Seemannshaus gingen in einem Jahr 10.000 Seeleute ein und aus. Auch für die ins Ausland gehenden Truppentransporte sorgte die Gräfin; an die Soldaten verteilte sie Beutel mit Nähutensilien. Jetzt hat die Unermüdliche in der Gruft des Schimmelmannschen Schlosses in Ahrensburg ihre letzte Ruhestatt gefunden.“ Die letzte Angabe wird in dem besprochenen Buche indes nicht bestätigt, vielmehr wurde die Verblichene, auch im Tode noch, separiert und auf dem gewöhnlichen Ahrensburger Friedhof bestattet (gemäß Seite 254). 11 = So formuliert als Adelsgebot bei Cyriacus Spangenberg: Ander Teil des Adels-Spiegel. Was Adel mache, befördere, ziere, vermehre, vnd erhalte vnd hinwieder schwäche / verstelle / vnd hindere. Darinnen auch am Adler / vnd sonst durch vielfeltige vnd mancherley Verma[h]nung vnd Warnung / in Sprüchen vnd Exempeln / ein schöner Regentenspiegel allen in der Obrigkeit / in allen löblichen Tugenden / aus Gottes Wort furgestellet wird, Schmalkalden 1594, Seite 110. 12 = Nomen Nescio: Marine und Alkohol, in: Wochenblatt der Johanniter-Ordens-Balley Brandenburg (Berlin), Band XLV, Nummer 39 vom 28. September 1904, Seite 233. 13 = So geschah es exemplarisch mit Prinz Radziwill im Jahre 1891 gemäß dem Westfälischen Volksblatt (Paderborn), Zweites Blatt Nr. 96 vom 11. April 1891, Seite 2, wo es heißt: „Berlin. Nachdem Prinz Georg Radziwill vom Amtsgericht zu Potsdam für einen Verschwender erklärt und entmündigt worden ist, soll, wie dem ‚Tageblatt‘ mitgetheilt wird, demnächst auch die Entmündigung seiner Gemahlin, einer geborenen Gräfin Branicka, ausgesprochen werden. Durch diese Maßregel wollen die Verwandten des prinzlichen Ehepaares dieses selbst vor dem völligen Ruin retten. Die Eltern des Prinzen und der Prinzessin haben, wie die ‚Voss. Ztg.‘ berichtet, bei der vor sieben Jahren erfolgten Eheschließung das prinzliche Paar mit einer Rente doti[e]rt, deren Einkünste auf jährlich vier bis fünf Millionen Mark geschätzt werden. Auch bei dieser Katastrophe, der dritten, vor welcher Prinz Radziwill seit seiner Vermählung stand, spielen Wechselschiebungen und verschleierter Wucher die Hauptrolle; u.[nter] A.[anderem] soll ein in den höheren Kreisen bekannter ausländischer Geschäftsmann vom Prinzen ausgestellte Wechsel über große Summen, man spricht von 250000 M[ar]k., in den Händen haben (Prinz Radziwill ist der ältere Sohn und dereinstige Haupterbe des Generals der Artillerie und langjährigen Generaladjutanten Kaiser Wilhelms I., Fürsten Anton Radztwill, und stand beim Regiment des Gardes du Corps).“ 14 = Siehe dazu Paula Kronheimer: Grenzglieder des Standes, in: Kölner Vierteljahrshefte für Soziologie, Band VI, München 1927, Seite 248-268; Erving Goffman: Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 26. Auflage 2024, 179 Seiten (Band CXL der Schriftenreihe „Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft); Norbert Elias / John L. Scotson: Etablierte und Außenseiter, Frankfurt am Main: Suhrkamp 10. Auflage 2020, 315 Seiten (Band 1882 der Schriftenreihe „Suhrkamp-Taschenbuch“).qué (1861) zufolge mithin wichtige Sprungbretter für die Erfolge und die Entstehung beziehentlich das Populärwerden der deutschen Oper, können als Initialisierung verstanden und bewertet werden, trafen sie doch, wie besehen, auf entsprechende Zündungswilligkeit bei dem Publikum. Die Liminalitätsoper „Alceste“ spielt indes, entsprechend der herausgestellten Bedeutung, auch eine Rolle in einer neuen Veröffentlichung einer schweizerischen Theater- und Musikwissenschaftlerin, die damit, im Jahre 2015 bereits, einen Doktorinnengrad erlangt hatte; die Studie erschien indes erst 2024 beim Züricher Chronosverlag unter dem Titel „Oper, Garten, Lustschloss. Natur im Musiktheater und die Gartenanlage der kurfürstlichen Sommerresidenz Schwetzingen im 18. Jahrhundert“. [4] Ihr Alleinstellungsmerkmal ist es, daß sie Musiktheater und gestaltete kulturelle Natur im 18. Jahrhundert in Beziehung zueinander und aufeinander untersucht. |
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