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Mitteldeutscher Niederadel in der ReformationAdel zu Zeiten des bedeutendsten religiösen Liminalitätsprozesses im 16. JahrhundertNiederadel und religiöse Reformation waren zwei bisher wenig beachtete Bereiche der Adelsforschung, die immer wieder gern als „Fürstenreformation“ bezeichnet worden ist. [1] Gleichwohl existierten auch andere Meinungen, die jedoch weitgehend im Diskurs keine Deutungshoheit erlangen konnten. Zu diesen Mindermeinungen gehörte beispielsweise ein Anonymus (1877); er notierte: „Wie im Inner Oesterreich, war in den österreichischen Stammlanden an der Donau der Adel der Bahnbrecher und Träger der Reformation. 1609 hatte der Adel dem Könige Mathias die Resolution abgerungen, welche dem Potestantismus in Nieder- und Ober-Oesterreich die Stelle eine Landeskirche verleihen sollte. Der Streit bewegte sich zunächst um die Durchführung jener Resolution, welche die Regierung und die katholischen Stände immer verzögert hatten. Wie in jeder großen Bewegung, schieden sich auch hier die Parteien. Während die eine extreme Partei den Widerstand bis auf das Aeußerste trieb und fremde Hilfe dafür in Anspruch nahm, blieb eine namhafte Zahl des protestantischen Adels immer zur Vermittlung geneigt und schien entschlossen, sich für die Anerkennung der religiösen und ständischen Freiheit in Alles zu fügen. In Ober-Oesterreich vertraten die extreme Partei vornehmlich die zwei Calviner Georg Erasmus Tschernembl und Gotthard v.Starhemberg. Zu jenen Protestanten, welche zu vermitteln suchten, gehörte unter anderen Hans Ludwig v.Kufstein [...]. Die Kufsteiner sind ein heimisches österreichisches Geschlecht, das seit dem dreizehnten Jahrhunderte genannt wird und im Viertel ober dem Manharts-Berge ansäßig war. Hans Ludwig v.Kufstein, geb. 1587, hatte an den Universitäten in Tübingen und Straßburg studirt, weite Reise gemacht und sich sodann mit Maria Grubner, einer Tochter des reichen, angesehenen Ritters Sebastian Grabner zu Rosenberg und Pottenbrunn, vermählt. Nach des Vaters Tode übernahm er die Herrschaft Puchberg, lebte auch einige Jahre auf diesem schönen Schlosse im Kamp-Thale, nahm aber auch von Zeit zu Zeit an den Verhandlungen der niederösterreichischen Stände Theil. Er zeigte sich dabei von seinem ersten Auftreten an als ein kluger, geschmeidiger, gelehrter Mann. In dem Streite der Stände mit Mathias und Ferdinand 1618 und 1619 stand er in den Reihen der Opposition und blieb seiner Partei bis zur äußersten Grenze getreu.“ [2] Nicht nur sein, auch das Bemühen anderer Adeliger, mündete 1608 in der Gründung des später wieder aufgelösten „Horner Bundes“. [3] Daß aber auch der Niederadel eine treibende Kraft bei der Verbreitung der protestantischen Lehre war, ist eine erst jüngst in der Adelsforschung näher erforschte Thematik. Dazu trägt nun auch ein neuer Sammelband bei, der sich dem niederadeligen Wirken in Franken, in Ostfriesland, in Schwaben, am Rhein, in Sachsen, in Thüringen, in Böhmen und Mähren widmet. [4] Hierin wird ersten Pioniere ebenso wie erst später reformatorisch tätigen Niederadeligen in vielen deutschsprachigen Ländern nachgespürt, werden die Konflikte zwischen Landesherrn und Niederadel,aber auch unter dem Niederadel selbst dargelegt. Deutlich wird dabei auch die im Prinzip als „Black-Box“ zu wertenden Motive und Intentionen bestimmter Niederadeliger zum Glaubenswechsel. Hier dürften persönliche Begegnungen mit charismatischen Reformatoren ebenso wie längerfristige Glaubenskrisen und deren Lösung des neuen Bekenntnisses eine Rolle gespielt haben (Seite 137). Aber auch die Möglichkeit einer Herrschaftsintensivierung brachte Niederadelige auf die Seiten der neuen Lehre (Seite 80, 296-297, 448) – oder auf die Seite der Gegenreformation Seite 464). Der Band, der 14 Aufsätze versammelt, gliedert seine Inhalte in die vier Bereiche der Zusammenfassung des Forschungsstandes, den Dis/kontinuitäten im niederadeligen Glaubensbekenntnis, lokalen und regionalen Ausprägungen sowie reformatorischen Netzwerken. Mehrere Beiträge zeigen, daß auch der Landadel nicht nur reaktiv, sondern aktiv reformatorisch handelte, zwar nicht ohne Risiken, aber auch nicht ohne gestalterischen Handlungsspielraum mit weitreichenden Auswirkungen auf religiöse wie weltliche Herrschaftsstrukturen und -entwicklungen. Diese Rezension stammt von Dr. Claus Heinrich Bill, M.A., M.A., B.A., und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung. Annotationen:
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