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Lern- und Prüfungs-Strategien für das StudiumHinweis auf eine wichtige Opladener NeuerscheinungDurch die Bologna-Reform des europäischen Hochschulwesens wurde die deutsche universitäre Akademiebildung verschlankt, gestaucht und fragmentiert, ein feiner gegliedertes akadamisches Gradsystem eingeführt, die Studieninhalte stärker strukturiert, die Freiräume in der Zusammenstellung und Benotung der Studienleistungen modifiziert. Allerdings hat sich vieles auch nicht geändert: Der mangelnde Praxisanteil im geschichtswissenschaftlichen Studium beispielsweise, aber auch in anderen geisteswissenschaftlichen Fächern, kann dem Eindruck nach durchaus als gleichermaßen unbefriedigend bezeichnet werden. So werden auch heute, ebenso wie früher in den Magisterstudiengängen, beispielsweise die Vermittlung heuristischer Techniken in Archiven, in denen ungedruckte Dokumente wie Behördenschrifttum und ähnliches Material eingesehen und genutzt werden können, eher vernachlässigt. Archivarbeiten, so wohl allgemein die Auffassung, ist nur etwas für die Forschung, d.h. für Historiker*Innen offensichtlich bestenfalls in der Phase der Doktor- und Habilitationsarbeit anzuwenden. Die BA- und MA-Student*Innen werden dafür in der Regel also nicht präpariert, sieht man sich einmal die diversen Curricula etlicher entsprechender Studiengänge an. Derlei Student*Innen bleibt die Archivarbeit oft bis zum Master fremd, obgleich eigentlich die Quellen, neben der Verwendung geeigneter Theorien und Modelle, die wichtigsten Werkzeuge in erkenntnistheoretischer Hinsicht sind. Doch die praktischen Fähigkeiten zum Umgang mit Archiven und archivalischen Dokumenten wird in den Studienplänen nur selten formuliert. In aller Regel geht es um theoretische Kenntnisse des allgemeinen Forschungsstandes und berühmte Namen und ihre Standartwerke. Die Vernachlässigung praktischer Archivarbeit in den Geschichtswissenschaften geht einher mit einem Mangel an praktischen anderen Fähigkeiten, die Student*Innen heute haben müssen. Denn die vielerorts an den deutschen Universitäten ins Leben gerufenen Schreibwerkstätten oder die „Langen Nächte der aufgeschobenen Hausarbeiten“ mit ihren diversen Workshopangeboten zu Entspannungstechniken, kreativem Schreiben, Recherchetechniken, zum Zeit- und Streßmanagement, zum Bibliographieren, teilweise auch zu tutorieller Einzelbetreuung sowie zu Antiprokrastinationsmethoden (et cetera) scheinen einen weithin gefühlten Bedarf an zusätzlicher Ausbildung aufzuzeigen. Vielfach scheint es so, daß die Student*Innen zwar im BA- und MA-Studium vom ersten Semester an viel Stoff lernen müssen, selten aber lernen (dürfen), wie man eigentlich am effektivsten lernt. Es nimmt daher nicht Wunder, wenn mittlerweile diese schmerzlich gefühlte Lücke im Studiumswesen durch eine Flut von Ratgebern, speziell zu Lerntechniken für Studierende, gefüllt wird. Dennoch hat sich die Landschaft dieser Studierendenratgeber sehr gewandelt. Als Klassiker kann Wolf Wagners „Uni-Angst und Uni-Bluff. Wie studieren und sich nicht verlieren?“ von 1977 (mittlerweile in zahlreichen überarbeiteten Auflagen, zuletzt 2012, im Berliner Rotbuchverlag erschienen) angesprochen werden. Wagner wollte vor allem die Aufgeregtheit nehmen, die mit dem Besuch der Universität und dem Studium als neuem Lebensabschnitt für Erstsemster*Innen verbunden war und auch immer noch - daran hat Bologna nichts geändert - ist. Neuere Erkenntnisse der Lernpsychologie oder der Neurowissenschaften sind aber in seinem Werk natürlich nicht enthalten, der Teil zur praktischen Anwendung von Lerntechniken für das Studium wurde ohnehin eher gering gehalten (Wagner ging es mehr um „Enttarnung“). Gefüllt wird diese Lücke aber durch zwei Werke ähnlichen Charakters; erstens den „Survivalguide Bachelor“ (von Gabriele Bensberg und Jürgen Messer, Springerverlag, Heidelberg 2.Auflage 2014, 268 Seiten zum Preis: 19,99 Euro) und zweitens das hier zu besprechende Werk „Alles wird gut. Ein Lern- und Prüfungscoach“ (von Andreas Böss-Ostendorf, Holger Senft und Lillian Mousli, Verlag Barbara Budrich, Opladen und Toronto 1.Auflage 2014, 227 Seiten zum Preis von 14,99 Euro). „Alles wird gut“ ist dabei nicht nur als leere Wortformel zu verstehen, sondern als Anweisung vor allem für die Praxis, für die Lern- und Prüfungsstrategien vermittelt werden, die der neuesten Forschung entsprechen und nicht nur für angehende Geisteswissenschaftler*Innen gedacht sind, sondern auch in ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern angewendet werden können. Hier werden die Grundlagen des Lernvorganges und der Gedächtnisleistung, Eigenheiten der Vergessenskurven und Strategien gegen sie vermittelt. Das Buch versucht die Angst zu nehmen vor Prüfungen, die Studierende vor allem haben, wenn sie keine Planung und zu viel Respekt besitzen. „Alles wird gut“ trägt daher im positiven Sinne zur Entzauberung des bei Wagner schon vor Jahrzehnten formulierten „schlauen Gesichts“ bei und bildet Methoden ab, die erfolgreiches und spaßvolles (!) Lernen ermöglichen. In diesem Werk wird Lernen eben nicht nur als Außendruckmaßnahme von externer Seite (der Universität) verstanden, sondern als Chance zum Wissenserwerb und zur Kenntniserweiterung (schließlich haben sich Studierende wohl in den meisten Fällen freiwillig zum Studium entschieden, eine Erkenntnis, die wohl im Laufe des Studiums etlichen Studierenden im akademischen Alltag verloren zu gehen scheint). Daher geht es in dem Werk von Böss-Ostendorf, Senft und Mousli
vor allem um die Bewußtmachung von Lernmechanismen des menschlichen
Gehirns, um das Lerndreieck zwischen Dozent*innnen, Studierenden und Thema
(oder Stoff), um selbstgesteuertes und planmäßiges Lernen, um
Strategien für Klausuren und mündliche Prüfungen, im Kern
aber um die, wie man sie nennen könnte, „Hexade des Lernens“. Diese
sechsschrittige Haupt-Strategie umfaßt die Punkte „Lernentschluß
fassen“ (eine simple Verbalisierung eines Ziels als positive Affirmation,
aber scheinbar wirkungsvoll), „Überblicken“, „Stukturieren“, „Bearbeiten“,
„Wiederholen“ und „Präsentieren“. Die Verfasser*Innen vermitteln dabei
planmäßig die nötigen Prüfungsvorbereitungen, gehen
aber auch dezidiert auf Antiangststrategien ein, die sich allerdings wohl
mit zunehmender Prüfungsroutine abmildern, ist doch die Furcht vor
Klausuren und mündlichen Prüfungen scheinbar allgegenwärtig.
In einer erfrischenden und doch immer sachlichen Art werden hier von den
Autor*Innen Erkenntnisse der Lernforschung ebenso dargestellt wie praktische
Hilfen nach dem Durchfallen bei Klausuren und mündlichen Prüfungen
gegeben.
Insofern ist das besprochene Werk ein wertvoller Beitrag zur Studienratgeberliteratur, der nicht beliebige alte Lerntechniken (wie die Loci-Methode) bringt, sondern ein eigenständiges Profil aufweist, welches neueste Erkenntnisse auch der benachbarten Wissenschaften (wie der Neurodidaktik) integriert hat und auch nicht vergißt, die menschliche Seite von Prüfungen und des studentischen Lebens zu berücksichtigen. Wer dahin gegen Anleitungen und Techniken beim Vorgehen zur Erstellung von wissenschaftlichen Haus- und Abschlußarbeiten sucht, ist gut beraten, auch das Werk „Die Bachelorarbeit an Universität und Fachhochschule: Ein Lehr- und Lernbuch zur Gestaltung wissenschaftlicher Arbeiten“ (von Klaus Samac, Monika Prenner und Herbert Schwetz, Facultasverlag, Wien 2.Auflage 2009, 142 Seiten zum Preis von 11,90 Euro) heranzuziehen; denn dieses widmet sich spezifisch nur dieser dritten akademischen Prüfungsform. Diese Rezension stammt von Claus Heinrich Bill (B.A.)und erscheint im Druck auch textgleich in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung. |
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