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Neue Ansätze zur katholischen AdelsforschungEine konfessionsadelsbezügliche Neubesprechung aus dem OldenbourgverlagDas hier zu besprechende Buch, herausgegeben von Markus Raasch,
heißt "Adeligkeit, Katholizismus, Mythos. Neue Perspektiven auf die
Adelsgeschichte der Moderne" und ist in vier Blöcke („Aufbrüche“,
„Genderkonzeptionen“, „Politisch-gesellschaftliches Handeln“ und „Mythen“)
thematisch deutlich gegliedert.
Ebenso trug dazu bei, dass vor allem die bürgerlichen Funktionäre ihre eigene Position gegen die traditionelle Standeselite abgrenzten und definierten, auch wenn diese sich von ihrer traditionellen Position entfernte und sich einer Funktions-und Leistungselite annäherte (35-57). Christine Hoth thematisiert in ihrem Beitrag „Metterich, Humboldt und die Sattelzeit. Adel als Wahrnehmungsgeschichte“ Aspekte der adeligen Wahrnehmungsgeschichte. Am Beispiel zweier adeliger Persönlichkeiten, zum einen Klemens Wenzel Lothar Graf von Metternich-Winneburg zu Beilstein als Vertreter einer hochadligen rheinischen Familie und im österreichischen Staatsdienst tätig, zum anderen Wilhelm Freiherr von Humboldt aus einer nobilitierten preußischen Familie und im Dienst des preußischen Staates befindlich, kann die Autorin aufzeigen, dass unterschiedliche Wahrnehmungen der politischen und gesellschaftlichen Ordnung zu einer letztlich ähnlichen Einstellung führen können. Humboldt plädiert für eine einheitliche Grundbildung, die alle Stände umfasst und schließlich in einer Verbindung der Stände enden soll. Metternich hingegen hält am monarchischen Prinzip fest und setzt sich für die Wiederherstellung der alten Ordnung ein. Doch bei Betrachtung der Wahrnehmung des Adels zeigt sich, dass beide zwischen der Verteidigung des ständischen Systems und einer vorhandenen Kritik an dieser Gesellschaftsform zerrissen sind (58-77). Dem bisher wenig erforschten Bereich „Adel und Industriekapitalismus.
Das Beispiel katholischer Unternehmer im 19. Jahrhundert“ widmet sich Tina
Eberlein. Obwohl das industrielle Tätigkeitsfeld eher dem Bürgertum
zugeschrieben wird, gibt es auch einige adelige Industrieunternehmer, wobei
sich der Großteil des Adels dieser Tätigkeit tatsächlich
entzog. Dieser Beitrag betrachtet die konfessionelle Prägung in Verbindung
zum industriellen Handeln. Dazu werden drei katholische und ein protestantischer
Adeliger herangezogen. Gemeinsam war allen der familiäre Landbesitz
und das darauf beruhende Engagement in der Industrie. Mobilität und
risikofreudige Investitionen, z.B. im Ausland, galten als bürgerliche
Charaktereigenschaften. Im Adel zählten vor allem der Gedanke an die
Nachkommen und somit die Sicherung der eigenen Familie. Am Beispiel der
hier betrachteten vier Adeligen gibt es Hinweise darauf, dass der evangelische
Adel weit weniger risikoscheu und investitionsfeindlich war, als dies beim
katholischen Adel festzustellen ist (78-107).
In seinem Beitrag „Ich habe in seinem Schlafzimmer oft seine Hände
geküsst. Adel und Männlichkeit am Beispiel des Katholizismus“
betrachtet Markus Raasch eine Forschungsrichtung, die bisher stets hinter
der der adeligen Frau nachstehen musste. Dabei nutzte er Quellenmaterial
zu 92 katholischen Männern, die zwischen 1871 und 1890 Mitglied der
Zentrumspartei waren und untersuchte die Thematik auf verschiedenen Bereichen.
Der Einfluss der Herrschaft und der Vaterschaft, die letztlich in die Erziehung
mündete, kann dargestellt werden. Ebenso die eigene geschlechterspezifische
Erziehung und die Funktion als Ehemann erfahren eine Betrachtung (134-152).
Chronologisch weiterführend thematisiert Christine Schwarz den nationalsozialistischen Zeitraum in ihrem Beitrag „Wider den Nationalsozialismus. Sozio-strukturelle Betrachtungen zu katholischen Adeligen“. Eine Darstellung, die den Zusammenhang von Adeligsein und der Konfession betrachtet, ist bisher nicht verfügbar. Deshalb legt die Autorin, anders als in den bisher vorhandenen Forschungsansätzen, ihren Schwerpunkt nicht auf die widerständischen Aktivitäten der vier als Beispiel genannten katholischen Adeligen, sondern auf deren sozio-kulturelle Charakteristika wie deren Wohlstand, Erziehung mit Schwerpunkt auf der Religion, Kultur und politische Meinung sowie die erhaltene Ausbildung. Ebenso werden geistliche Vorbilder, das familiäre und berufliche Umfeld und die klerikale Vereinsbindung betrachtet. Die untersuchten Adeligen zeigten ein hohes Bildungsniveau, eine starke ländliche Prägung, die mit einer ausgeprägten Frömmigkeit einher geht. Ein politisches Engagement im katholischen Sinne kann ebenso nachgewiesen werden wie die Mitgliedschaft in Adelsvereinen. Die Frage, „warum eine Vielzahl der katholischen Adeligen sich dem Widerstand angeschlossen haben?“ kann der Beitrag selbstverständlich nicht beantworten, er kann aber zweifelsfrei dafür sensibilisieren, in diesem Zusammenhang die Frage nach sozio-kulturellen Aspekten nicht zu unterschätzen (208-234). Auch der folgende Beitrag „Adeligkeit und Widerstand. Das Beispiel des Katholiken Claus Schenk Graf von Stauffenberg“ von Nico Raab nähert sich diesem interessanten Thema auf eine ganz neue Art und Weise. Dabei untersucht der Autor nicht das Attentat als solches, sondern den Zusammenhang von Nutzbarmachung seines Bourdieuschen "Adelskapitals" und des Widerstandes. Das vorhandene ökonomische Kapital in Form von Immobilien kann in keinen Zusammenhang gebracht werden. Sein soziales Kapital hingegen weiß Stauffenberg geschickt in den Kampf gegen die Nationalsozialisten zu stellen. Auch das kulturelle Kapital Stauffenbergs trägt dazu bei, zum Beispiel seine Bildungsideale, seine tiefe Gläubigkeit ebenso wie sein Verständnis vom Dienst am Vaterland. Doch darf bei dieser Betrachtung nicht vergessen werden, dass Stauffenberg weder sein soziales noch sein kulturelles Kapital allein seinem Adeligsein zu verdanken habe. Hier muss ein differenzierter Blick bewahrt bleiben. Nichtsdestotrotz hatte die adelige Herkunft Stauffenbergs einen signifikanten Einfluss im Widerstand gegen die Nationalsozialisten, derer er sich bewusst war und die er gezielt einzusetzen wusste (235-261). Den Abschluss dieses Blocks macht der Beitrag „Eine Klasse, die von Rechts wegen keine mehr sein sollte. Der Adel in der frühen Bundesrepublik“ von Barbara Jahn. Die Autorin zeigt Strategien auf, die es dem Adel — trotz der als starke Zäsur empfunden Flucht, Vertreibung und Enteignung im Jahr 1945 — ermöglichte, sich mit der neuen Situation und dem Verlust des eigenen Standes zu arrangieren und erfolgreich „oben zu bleiben“. Ein Charakteristikum des historischen Adels war seine Heterogenität. Um in der frühen Bundesrepublik einen neuen Rang zu definieren, war die Aufgabe dessen und die damit verbundene Homogenisierung ein erster Schritt zur Bildung eines deutschen Adels, der vor allem aufgrund des eigenen Standesbewusstseins möglich war. Auch das sogenannte „Wirtschaftswunder“ konnte die teilweise erfahrenen Verluste vor allem des östlichen Adels kompensieren und trug zu einem materiellen Erfolg bei. In der frühen Bundesrepublik herrschte ein ausgeprägter Antitotalitarismus, der neben dem positiven Umgang mit dem Attentatsversuch auf Hitler am 20. Juli 1944 und dem Bonner Konservatismus die Integration des Adels in die deutsche Gesellschaft erleichterte, da sich der Adel hiermit identifizieren konnte. In den 1950er Jahren löste "der Adel" die Frage nach seiner künftigen Aufgabe und damit Legitimation zum Fortbestehen, in dem er die Maxime "Noblesse oblige" übernahm und sich in den Dienst der Allgemeinwohlorientierung stellte. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Betrachtung der
Kontinuität bzw. des Wandels im adeligen Lebensstil. So lässt
sich beispielsweise beobachten, dass größtenteils Wert auf die
Einhaltung des Konnubiums gelegt wird. Doch nicht nur die standesgemäße
adelige Ehe verweist auf Kontinuität, sondern auch die sogar noch
größere Anzahl von Eheschließungen innerhalb der Konfession.
In der Berufswahl gibt es zwar bei gesellschaftlichen Führungspositionen
und Berufen die angestammten Adelsberufe, doch kann hier auch ein Wandel
gezeigt werden hin zu bürgerlichen Berufen wie solchen in Handel oder
Industrie. Festzuhalten ist, dass sich das Adeligsein nunmehr im privaten
Rahmen und weniger in der Öffentlichkeit abspielt, dass es dem Adel
aber trotz aller Wandlungsfähigkeit gelang, eine weitestgehend geschlossene
Sozialeinheit zu bilden (262-287).
Der folgende Beitrag „Der Mythos der Elisabeth von Österreich. Das Beispiel der Romy-Schneider-Filme“ von Annemarie Hackel kann diese Art der Analyse mit den drei Sissi-Filmen von Regisseur Ernst Marischka und dem Film "Ludwig" von Lucchino Visconti im Zeitraum von 1955 bis 1972 weiterführen. Wie im Beitrag zuvor kann auch hier überzeugend dargestellt werden, dass die Filme verschiedene Bilder zeichnen und sich nichtsdestotrotz die Sehnsüchte der jeweiligen Zeit deutlich erkennen (336-356). Der letzte Beitrag „Der Kini und das Kino. Ludwig II. im Film“ von Susanne Barbara Schmid analysiert Sissis Vetter, den bayerischen König Ludwig II. Auch hier können die unterschiedlichen Darstellungen und die dazugehörigen Bedürfnisse der Zeit gut herausgearbeitet werden. In einer Verfilmung steht der König für friedliche Idylle, aber auch für einen politischen Herrscher (Käutner). In der anderen Verfilmung wird ein gegenteiliges Bild kreiert (Visconti). Hier stehen vor allem der Aspekt der sexuellen Selbstbestimmung und die Angst vor Fremdbestimmung im Mittelpunkt (357-394). Dabei gelingt es allen drei Autoren, die untersuchten Filmszenen so anschaulich zu beschreiben, dass das Einfügen von Screenshots, wie es zunächst geplant, jedoch aufgrund des deutschen Urheberrechts nicht möglich war, nicht weiter fehlt. Die bibliographischen Daten lauten = Markus Raasch (Hrsg.): Adeligkeit, Katholizismus, Mythos. Neue Perspektiven auf die Adelsgeschichte der Moderne (Reihe "Elitenwandel in der Moderne" Band XV.), München 2014. De Gruyter Oldenbourg, ISBN-13: 978-3110363838, Preis: 79,95, 404 Seiten. Diese Rezension wurde verfaßt von Nicola Felka (M.A., B.Sc.).
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