Institut Deutsche Adelsforschung
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Politische englische Landschaftsgärten des deutschsprachigen Adels

Analysen zu Gärten des späten 18. Jahrhunderts 

Von einem Besuch des dem Fürsten Esterhazy gehörenden Eisenstädter Gartens berichtete der Hofrat und Mediziner Dr. Schultes aus Landshut im Jahre 1818  einem Bekannten. [1] Er schrieb jedoch nicht nur ihm, sondern ließ diesen Brief auch in einem Periodikum veröffentlichen, daß sich an die Eliten des österreichischen Kaiserstaates wandte. 

Dazu schrieb er, nachdem er einige Gärten als Materie seines Interesses beschrieben hatte: „Wenn, mein alter trauter Freund, das Letzte das Beste seyn soll, so kann ich meinen langen Brief über die Gärten in der Nähe von Wien nicht besser als mit dem Garten des Hrn. Fürsten Eßterhazy in Eisenstadt beschließen, der, an Reichthum und Kostbarkeit der Gewächse, alle übrigen Gärten in Österreich, die kaiserlichen Gärten vielleicht nicht ausgenommen, übertrifft, und, nach dem Garten von Malmaison [...] vielleicht jetzt der erste Garten auf dem festen Lande ist. 

Denken Sie sich zwey Reihen von Glashäusern an einem gegen Süden gekehrten Abhang über einander hingebaut, wovon jede an 340 Schritte lang ist 100 Schritte lange Ananaskasten vor denselben, und Reihen von 50 Schritte langen holländischen Kasten; in diesen Häusern eine Menge von mehr als 70000 Pflanzenindividuen aus den seltenen und schönsten Pflanzenarten; Magnolien von 22 Fuß Höhe, die der erlauchte Fürst aus dem Garten in Mayland um 11.000 fl. Banco kaufte, Mimosen und Metrosideros und Melalucen, die bis an die Decke der ungeheuren Häuser reichen und einen ganzen neu holländischen Wald zu bilden scheinen; Camellinen von der schönsten Größe und von allen Farben zu 70 und mehr Stücken, und eine Orangerie von mehr als 200jährigen Orangenbäumen, die selbst unter den übrigen weit kostbareren exotischen Schätzen noch das Auge des Beobachters auf sich ziehen; denken Sie sich die Pflanzenpracht und die Seltenheiten des Pflanzenreiches der entferntesten Welttheile hier in Riesenexemplaren versammelt und in einer Üppigkeit des Wuchses, wie sie nur immer in ihrem heimischen Boden da stehen können; bedenken Sie endlich, daß dieser Garten erst im Jahre 1810-1811 so zu sagen aus Nichts hervorging durch das gebiethende Wort des Fürsten, und Sie werden sich nur eine schwache Idee von jenen Gefühlen machen können, die den Botaniker hier ergreifen, wenn er diesen Häusern gegenüber alles dieses sieht und hört, und kaum seinen Sinnen trauen zu dürfen glauben kann. 

Wahrlich so etwas ist eines Fürsten, ist eines Fürsten Eßterhazy würdig. So ist es schön, und edel und groß, wenn Fürsten mit Königen und Kaisern wetteifern, und sie übertreffen; denn dieser Wettkampf ist zum Wohl- der Wissenschaft und folglich auch zum Wohle der Menschheit. Möge der erhabene Geist des Stifters dieses Tempels der Flora noch auf seinen spätesten Enkeln ruhen – dann wird ihr Nahme eben so unsterblich seyn, wie der ihres großen Ahnherrn, der dieses Eden schuf, und die späte Nachwelt wird ihr Andenken, gleich jenem der übrigen Wohlthäter der Menschheit, dankbar segnen. 

Es wird sie nicht befremden, wenn ich Ihnen sage, daß dieser Garten jährlich an 30000 fl. W.W. kostet, und noch weniger wird es Ihnen auffallen können, daß Fürst Eßterhazy diese Summe jährlich nur für diesen Garten allein verwendet, wenn Sie die Größe der Seele dieses Fürsten und seiner Gesinnungen kennten [...] Nur eines wird man vielleicht an diesem zweyten Malmaison noch wünschen können, nähmlich dieses, daß, in sofern der fürstliche Garten zu Eisenstadt eine so ungeheure Menge neuer, oder seltener und weniger bekannter älterer Pflanzenarten enthält, ein vollständiger und wissenschaftlich gearbeiteter Katalog [...] bearbeitet würde [...] Dann würde nichts mehr für diesen Garten zu wünschen übrig bleiben, als die reinsten und uneigennützigsten Wünsche für seine Erhaltung, und für das Wohl des fürstlichen Hauses, das an diesem Garten eines der kostbarsten Fideicommisse besitzt, das je ein fürstliches Haus in der österreichischen Monarchie besessen hat.“ [2]

Auch wenn aus diesen begeisterten Zeilen des Hofrats vor allem das botanische Interesse spricht, das mit den Erlebnissen im Garten zu Eisenstadt verbunden war, so sprach aus ihnen doch auch die manifestierte Erkenntnis, daß sich die hier künstlich geschaffene Welt in Beherrschte und Herrscher teilte und daß diese Welt von den Beherrschten – hier dem Hofrat – akzeptiert worden ist. 

Es war vor allem die Größe, die fremde Besucher beeindruckte, und man darf vermuten, daß die Herstellung von Öffentlichkeit aus Repräsentationsgründen für den Fürsten beabsichtigt war. Jedenfalls geht aus der gleichen Quelle hervor, daß der Eisenstädter Park öffentlich war, daher die Wirkung auf bestimmte Adressatenkreise zum Kalkül des Besitzers und Gestalters gehörte. Kann aber dem Garten deswegen auch schon eine politische Absicht unterstellt werden?

Ähnlichen Fragen geht nun ein Sammelband nach, der aus einer wissenschaftlichen Tagung entstanden ist, die sich einerseits mit der Grundlegung einer Theorie der politischen Gartenkunst befaßt, andererseits auch danach trachtet, diese These in einem Vergleich der Gärten in Wörlitz, Schwetzingen und Sanssouci überregional zu vergleichen. In einem grundlegenden Einleitungskapitel der Herausgebenden wird leider zwar nicht definiert, was genau unter politischer Gartenkunst zu verstehen sei, immerhin finden sich hier aber die Leitfragen dieses Erkenntnisinteresses. 

Diese lauten: Welche politische Semantik sollte als Botschaft von Gesamtanlagen oder Einzelteilen einer Anlage von Landschaftsarchitekturen an welche Adressatenkreise ausgesandt werden? Daraus ableiten läßt sich immerhin die ausstehende Definition des Begriffs der politischen Gartenkunst. Auf Seite 13 – am Ende des einleitenden Beitrags – wird dann immerhin gesagt, was die Theorie der politischen Gartenkunst `will´. [3] Dies kommt einer Definition des Konzeptes nahe. Dort heißt es, sie `wolle´ die in die Architektur der Landschaft installierten „Semantiken, Weltbilder und Inszenierungen, egal ob aufgeklärt-ästhetisch oder politisch-repräsentativ, mit der alltäglichen politischen Kultur, mit der Herrschaftspraxis in Beziehung setzen.“

Sie umfaßt damit den Gegenstandsbereich der landschaftlichen Bauakte, die unter dem Gesichtspunkt analysiert werden sollen, sie mit dem Zweck der Offenlegung eingeschriebener politischer Botschaften und Handlungen zu erfassen. Was aber unter `Politik` hier zu verstehen ist, wird von den Verfassenden der Beiträge des Bandes leider ebenfalls nicht definiert. 

Vosskuhl bietet aus der Perspektive der politischen Philosophie verschiedene Definitionen von Politik an: „Politik meint in einem vorläufigen Sinne den Kampf um die Macht in Gesellschaft und Staat. Macht wird dabei als Chance begriffen, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen (M. Weber). Als formalisierte Form dieses Kampfes ist P. die Kunst gesellschaftliche Tendenzen in rechtliche Formen umzusetzen (H. Heller)“. [4]

Dies trifft indes wohl kaum auf Gärten zu, denn sie können als Artefakte ohne eigene Agency keine rechtlichen Normen etablieren, sie können sie – vielleicht und im besten Falle nur – spiegeln. Macht allerdings scheint in der Theorie der politischen Gartenkunst doch eine Rolle zu spielen, zumindest der Anspruch auf Macht, der allerdings im Falle des Hofrats auch anerkannt worden ist. Es war wohl die Verfügbarkeit von großen Geldmengen und die Verschwendung des Fürsten (die Aufführung ökonomischen Kapitals in der Öffentlichkeit), die zur Anreicherung symbolischen Kapitals führte. 

Und dieses Kapital, so ließe sich denken, vermehrte Macht durch eine von Betrachtenden vom Gartenreich auf die Staatslenkung übertragene Zuschreibung von Verfügungsgewalt (das wird implizit und nebenbei, aber leider nicht zentral, auf Seite 37 von einem Beiträger angedeutet). Das läßt sich zumindest vermuten. Der theoretisch etwas holprige, zweifellos aber nicht uninteressante Ansatz der politischen Gartenkunst scheint gleichwohl einiges Potenzial zu besitzen. Dies zeigen die sieben Aufsätze, die verschiedene Adressatenkreise fokussieren und Vermutungen darüber anstellen, wie diese wirkten.

Dabei werden einige in der Forschung vor allem über den Fürsten Franz von Anhalt-Dessau mittlerweile zu Axiomen geronnene Positionen kritisiert. So meint ein Beiträger, der `Toleranzblick´ in Wörlitz – von einem Standpunkt des Parks aus sind sowohl Kirche als auch Synagoge in gleichberechtigter Weise zu sehen, was als Toleranzausdruck gedeutet worden ist – habe in der politischen Übersetzung der religiösen Praxis durchaus enge Grenzen gehabt. Ein weiterer Beiträger zeigt auf, daß Landschaftsparks und barocke Gärten dem gleichen Herrscherideal dienen konnten (Seite 35-81). Der Verfasende greift damit die oft gelesene und verbreitete Meinung an, ein barocker Ordnungsgarten müsse zwangsläufig andere politische Botschaften aussenden als ein englischer Landschaftsgarten. Vielmehr sei nicht nur das barocke Schwetzingen, sondern auch das frei-landschaftliche Wörlitz nach festen Axialsystemen angelegt worden (Seite 50); dies habe er durch die Auswertung von Satelliten-Aufnahmen aus dem All erkannt.

Und auch fürstliches Understatement, die Inszenierung von Bescheidenheit des Fürsten als schlichter Landedelmann, rufe lediglich, so ein weiterer Beiträger, das Hofmannsideal der Sprezzatura hervor, [5] aber auch jenen `Kult der Kargheit´ und der `eleganten Frugalität´, wie ihn einst schon Rezzori und Malinowski als ein typisches adeliges Phänomen beschrieben haben.

Können Gärten also als „hochintellektuelle Propagandamaschine“ der Fürsten, wie es ein anderer Beiträger (Seite 104) schließlich ausdrückt, angesehen werden? Dies ist eine Frage, die künftig beantwortet werden soll. Ausgangspunkt dafür könnte der Band „Politische Gartenkunst? Landschaftsgestaltung und Herrschaftsrepräsentation des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau in vergleichender Perspektive: Wörlitz, Sanssouci und Schwetzingen – Mitteldeutscher Verlag, Halle an der Saale, 2015, 160 Seiten, zu haben um 19,95 Euro), herausgeben von Andreas Pecar und Holger Zaunstöck – mit seinen myrioramatischen Ansätzen durchaus werden, gerade weil er über den regionalen Kreis von Wörlitz hinaus weist. Ein erster Grundstock ist gelegt, so dass dem Band eine Eigenschaft als Impulsgeber zu wünschen ist. 

Der ruhrgebietliche Frühneuzeithistoriker Heinemann hat erst jüngst von den `drei Körpern eines Fürsten´ gesprochen, die er als materiellen, politischen und dynastischen Körper beschrieb. [6] Eventuell kann diese Dreiteilung auch auf Gärten übertragen werden. Dies aber wird erst später zu eruieren sein. Reizvoll könnte solch eine Sichterweiterung auf jeden Fall sein. [7] Deutlich wird aber, dass der eingangs erwähnte Hofratstext politische Bezüge aufweist. 

Der verschwenderisch angelegte Eisenstädter Garten – der `Hortus amoenus´ – diente anscheinend ebenfalls politischer Perpetuierung, die sogar von Schulte selbst und freiwillig aufgerufen wurde, indem er Haus und Fürst wegen seines Gartens erhöht und politisch verortet, mithin den Garten zum `Hortus politicus´ macht. 

Aufgrund des vorliegenden Sammelbandes beispielsweise systematisch Selbstzeugnisse von Adressatengruppen auszuwerten, dürfte daher für die Zukunft ein spannender Ansatz einer Wahrnehmungs- und Rezeptionsforschung politischer Wirkungen von Gärten sein. Dies würde doch den deutlich normativen Anspruch, der sinnbildhaft ausgedrückt werden soll, erheblich erweitern und eine holistischere Sicht auf die vielen Bedeutungen von Gärten aufwerfen. [8]

Diese Rezension stammt von Claus Heinrich Bill M.A. B.A. und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung.

Annotationen: 

  • [1] = Heute ist Eisenstadt die Landeshauptstadt des österreichischen Bundeslandes Burgenland. Siehe zur Garten-Historie auch Elmar Csaplovics / Edith Leisch-Prost (Hg.): `Der Natur und Kunst gewidmet´. Der Esterházysche Landschaftsgarten in Eisenstadt, Wien zweite Auflage 2005, 392 Seiten.
  • [2] = Hofrat Dr. Schultes: Über die Gärten in und um Wien, in: Erneuerte Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat, Nr. 20 vom 11. März 1818, Seite 78-80.
  • [3] = Die Definition dessen, wonach sie `fragt´ und was sie `will´, ist nicht deckungsgleich mit dem, was sie `ist´. Im Übrigen konstruieren die Autoren – es sind keine Personen mit weiblich anmutenden Vornamen darunter, daher diese Schreibweise – eine Anthropomorphisierung der Theorie, da sie ihnen durch ihre Darstellungsweise und textliche Performanz eine eigene Agency und Quasi-Autopoiese unterstellen. Sie lassen dabei außer Acht, dass eine Theorie nicht von sich aus handeln kann, mithin diese auch nie etwas fragen oder wollen kann, sondern dass es die Interpretierenden sind, die diese Theorie aktiv als Handelnde benützen.
  • [4] = Wilhelm Vosskuhl: Politik, in: Ottfried Höffe (Hg.): Lexikon der Ethik, München 7.Auflage 2008, Seite 244-246, hier speziell zitiert nach Seite 244.
  • [5] = Jürgen Trabant (Europäisches Sprachdenken von Platon bis Wittgenstein, München 2006, Seite 92-93), schreibt dazu, Sprezzatura sei gleichbedeutend mit der französischen Nonchalance oder der deutschen Anmut, bedeutend die Verachtung des eigenen Handelns, über das nicht nachgedacht werden muß und das deshalb Grazie ausstrahle. Gleichbedeutend mit dem Vergessensein im Augenblick einer Handlung, der dann jede Affektiertheit fremd ist. Sprezzatura ist daher die `natürlich´ anmutende Tätigkeit eines Menschen, die von anderen und von außen beobachtet und wahrgenommen werden kann und daher sozial fundamentiert ist. Sie kann nur dann auftreten, wenn sie eingeübt wurde und daher ist Sprezzatura beim Hofmann stets auch ein Zeichen von symbolisches Kapital generierender Verschwendung: Er hat genügend Zeit, unökonomische Haltungen und Bewegungen einzuüben. Dies nach Thorstein Bundle Veblen: Theorie der feinen Leute, Köln 1958, Seite 61-64.
  • [6] = Olav Heinemann hat dieses Modell für seine Untersuchung der Genealogien der Albertiner und Wettiner in der frühen Neuzeit entwickelt und in seiner 2015 abgeschlossenen Dissertation vorgestellt. Siehe dazu Olav Heinemann: Das Herkommen des Hauses Sachen. Genealogisch-historiographische Arbeit der Wettiner im 16. Jahrhundert, Seite 303-316 und 371.
  • [7] = Vorzuschlagen wäre dann nach Heinemannscher Adaption das Modell eines `Hortus principis tripartium´, das einen `Hortus  verum vel naturale´, einen `Hortus dynasticum´ und einen `Hortus politicum´ umfaßt (so gebildet nach Heinemanns Modellsprache). Bemerkenswerterweise wird diese Modell bereits sowohl in Wörlitz als auch in dem Sammelband implizit angesprochen. Dafür stehen sowohl die materiellen Ausprägungen, die die Eindrücke von Schultes und anderen Besuchenden reflektieren, als auch ein Beitrag im Sammelband (Seite 25-33) über dynastische Wörlitzer Aspekte im Schloß, im Gotischen Haus und im so genannten Monument.
  • [8] = Allerdings scheint der Ansatz so jung nicht zu sein. Im British Museum befand sich noch 1782 ein Manuskript, das sich bereits 1651 mit dem `Hortus politicus´ befaßte. Siehe dazu A Catalogue of the Manuscripts Preserved in the British Museum, Band II., London MDCCLXXXII., Seite 898. Siehe dazu fernerhin ebenso Georg Gentius: Rosarium politicum sive amoenum sortis humanae theatrum, Amsterdam 1655. Nicht zu verwechseln mit dem nichtpolitischen, sondern moralisch-philosophisch orientierten Werk des politischen Blumengartens (`Florilegium politicum´)  von Christoph Lehman[n], ohne Ort 1630. Ähnlich auch Balthasar Siegmund v.Stosch: Politischer Statsgarten von 13 Statsblumen [sic!], Jena 1676. Ähnlich auch die Übertragung des Gartenbildes auf die Politik in dem Werk eines Anonymus namens Geheimer Brief-Wechsel zwischen den Lebendigen und den Todten, Ausgabe Nr. 7 vom 17. Februar 1789 (ohne Ort), Seite 55 („Europa gleicht wirklich heutigentags einem Garten. In diesem politischen Garten hat ...“).

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