Institut Deutsche Adelsforschung
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Zur Systematisierung adeliger Ostsee-Herrensitze

Adelshäuser in ihrer geschichtlichen Bauentwicklung und als Raumaktanten

Im fortgeschrittenen ersten Weltkrieg schrieb ein anonymer Kriegsberichterstatter in der Morgenausgabe des Hamburgischen Correspondenten, erschienen in Hamburg an der Elbe am 13. November 1915 unter der Nummer 580 auf Seite 2 einen Artikel namens „Auf den Spuren der Bug-Armee“ in der er versucht, die bestimmenden Wesensmerkmale polnischer Adelsitze aus der Perspektive eines Fremden zu schildern. Dazu notierte er nach einem nicht exakt lokalisierbaren Besuch in der Umgegend von Brest-Litowsk:

„Ein Gegenstück […], glückliche Oasen inmitten der gewaltsam bewerkstelligten Wüstenei bilden einzelne polnische Adelshöfe, an denen das Verderben aus irgend einem Grunde rücksichtsvoll vorübergegangen ist. Meist liegen sie in unmittelbarer Nähe eines niedergesprengten und ausgeräucherten Dorfes. Die älteren Schlösser auf diesen Landsitzen sind in einem naiv gestümperten, aber biederen und würdig gemeinten Empirestil erbaut, regelmäßig mit der polnischen, von vier Säulen getragenen, allzu hohen und schmalen Giebelhalle vor dem Portal. Das äußerlich vornehme, innen sehr einfach ausgestattete Kavalierhaus und die nahen Ställe und Wirtschaftsgebäude sind alle gleichfalls ein bißchen antik überstilisiert. Nach französischem Muster ist das Herrenhaus mit Plan und Vorbedacht so in den Park hineingesetzt oder der Grundriß des Parks so auf den des Hauses abgestimmt, daß sich auf jeder der vier Seiten dem Blick ein anderes, in sich abgeschlossenes Bild darbietet. Zum Beispiel: Vorn das stattliche, von Wappenfiguren bewachte Tor als Eingang in den steifen Ehrenhof, Vorfahrt um ein Rondell, indessen Mitte eine Statue oder ein Springbrunnen oder ein Teppichbeet.

Auf der Rückseite die angenehme Reihenfolge kunstvoller Blumen-, Obst- und Gemüsegärten, umrahmt und gegeneinander abgegrenzt durch dichte, dunkle Alleen, auf schönen seitlichen Rasengründen Tennisplatz und Reitbahn. Links hinaus die gezähmte Wildnis eines kleinen Gehölzes. Rechts zwischen mächtigen Baumreihen die länglichen Spiegel wohlabgestufter Teich- oder Kanalanlagen und überall erscheinen in den Ausschnitten des Laubwerks fern die Gefilde der ländlichen Wirtschaft und der freien Natur. Gleichsam aus den Fenstern des Parks blickt der Gutsherr über die Weiden, Aecker und Wälder hin, für die er arbeitet, und die ihn ernähren. In der Zurückgezogenheit seiner herrschaftlichen Wohnung schließt er sich gegen das eigentliche Arbeitsfeld ab, hält es sich vom Leibe, verliert es aber nie aus den Augen. Ein jüngeres Geschlecht will sich von dem französischen Schema losmachen.

Es bevorzugt die Kultur des englischen Landguts und nicht besonders dessen Wohnbequemlichkeiten in allen Punkten zu erreichen. In der kamingeheizten Halle liegen viele Jahrgänge des Country Life umher. Ein Blick verrät uns,wie sorgfältig, aber auch unselbständig Herr und Herrin den hochentwickelten englischen Komfort im Polenlande einzubürgern bemüht waren. Zwischen heimatlichen und exotischen Jagdtrophäen hängen an den Wänden die bekannten englischen Sport- und Jagdbilder, daneben Photographien des Schloßherrn und seiner Freunde, wie sie gewissermaßen eine englische Fuchsjagd aufführen; englisches Kostüm, englische Sitten und Bräuche, in Polen so fromm und folgsam nachgeahmt wie überall sonst in der ganzen Welt.

Die Bibliothek enthält überwiegend französische Romane, polnische Dichter und Historiker und englische Prachtwerke, nur wenig deutsche und noch weniger russische Bücher. Dinge von Wert und Kostbarkeit sind meistens, bevor der Eigentümer sich entfernte, in aller Eile weggeräumt und versteckt worden. In verschlossenen Kellern, in abseits gelegenen unscheinbaren Pfarrhäusern finden sich, gesucht oder ungesucht, persische Teppiche, Treppenläufer, chinesische Vasen, Kopenhagener, Wiener und Meißener Porzellan, Tafelgeschirr, Hauswäsche, Tischdamast. Die Barbaren, die hier Quartier fanden, haben allmählich heraus, wo sie nachsehen müssen, und fördern das Verborgene mit geübter Schnelligkeit zu Tage. Sie richten sich häuslich ein, so gut es ohne Hausfrau geht. Aber freilich: auch der beste Kommandant des Hauptquartiers mit einem Troß wohlgedrillter Burschen ersetzt nicht die Herrin, die das Ressort der inneren Angelegenheiten zu lenken versteht. Darin macht sich ganz heilsam die Not der Zeit geltend. Man kommt nicht dazu, sich wie im Frieden oder im Manöver zu fühlen, auch in üppigen Schlössern nicht. Man führt eben einen Stegreifhaushalt, bei weitem nicht so sauber, so gesund, so ansteckungsfrei wie im geregelten Gang des privaten Betriebes. Was nützen alle komfortablen Einrichtungen, wenn der Wind durch mangelhaft geflickte Fensterscheiben bläst, wenn die überanstrengte Wasserleitung ewig streikt und die Beleuchtungs- und Heizungsapparate den fremden Technikern nur widerwillig und nachlässig gehorchen. Auf Schritt und Tritt tröstet man sich: es ist eben Krieg.

Luxushalber werden die Schlösser auch nicht von den hohen Stäben ausgesucht. Bei dem monatelangen Wanderleben in der Fremde genießt zwar jeder es dankbar, wenn ihn das Glück auf einige kurze Wochen in eine halbwegs behagliche und anheimelnde Umgebung versetzt. Man würdigt gern die häuslich veranlagten Kameraden, die es verstehen, mit einfachen Mitteln – sei es auch nur durch ein paar Blumen oder durch eine zierliche Form des Anrichtens – den schönen Schein der Wohnlichkeit hervorzurufen [...] Worauf es im Ernst bei einem guten Stabsquartier ankommt, das ist das Beieinander genügend vieler, großer und heller Räumlichkeiten, die es gestatten, Offizierswohnungen und Geschäftszimmer möglichst unter einem Dache oder doch in enger Nachbarschaft zu vereinigen. Jedes hohe Kommando benötigt eine Menge Kanzleien für all seine verschiedenen Dienstzweige, im Krieg sowohl wie im Frieden […] Auf schlechter Straße marschiert um Mitternacht eine Kolonne am Stabsquartier vorüber. Mancher blickt nach den erleuchteten Fenstern des Schlosses: Die haben es gut! Es hat jeder seine Plage.“

Die selten überlieferte Sichtweise des Fremden auf polnische Adelshöfe in einer scheinbar stehengebliebenen Zeit war indes nicht nur eine Methode, deren Charakteristika herauszuarbeiten, sondern auch ein Zeugnis der Interkulturalität der Herrensitze des Adels im europäischen Raum. Es gab Bezugnahmen und Transformationen des französischen Stils und der englischen Landschaftsgärten, den Exotismus der asiatischen Vasen und britischen Jagd; alles dies und weiteres läßt sich auch in Herrensitzen finden, die nicht in Polen standen, sondern beispielsweise in Norddeutschland oder im Baltikum. Der Aufgabe, die hier im Beispieltext aus dem Jahre 1915 eher poetisch geschilderten Streiflichter zu Darstellungen über die Gemeinsamkeiten der Herrensitzbauten, ihren Ursprung und ihren wesentlichen Merkmalen in mehr systematischer Weise darzustellen, haben sich eine ganze Reihe von Schriften gestellt. So ist zu verweisen nicht nur auf Lorcks „Landschlösser und Gutshäuser in Ost- und Westpreußen“, sondern auch auf Ludwig Hüttls „Schlösser. Wie sie wurden, wie sie aussahen und wie man in ihnen lebte“ sowie Walter Hotz‘ „Kleine Kunstgeschichte der deutschen Schlösser“. [1] Allerdings haben die angesprochenen Werke den Nachteil, daß sie entweder regional begrenzt angelegt wurden oder aber sich allein mit Schlössern als Residenzen regierender Fürsten befaßt haben, auch in sich wenig umfangreich waren.

Nun indes hat der Schweriner Helmsverlag ein bislang dreibändiges Mammutwerk herausgegeben, das aus Texten der Kunsthistorikerin Sabine Bock (*1954) besteht und mit insgesamt 1.259 Photographien, unter anderem von Thomas Helms (*1949) angereichert worden ist. Das Werk trägt den Titel „Herrenhäuser. Entwicklung eines Bautyps im Ostseeraum“ und die einzelnen Bände sind die drei Ersterscheinungen einer noch zu vervollständigenden Reihe, was an den Titeln erkenntlich ist. Band I trägt den Titel „Die Vorgeschichte“, Band II (in zwei Teilbänden) die Bezeichnung „Die Anfänge“. [2]

Neben einem stattlichen Gewicht der drei hardcovergebundenen Bände auf schwerem Kunstdruckpapier umfaßt das Buchtrio – erschienen im Format  27,5 mal 24,5 Zentimeter – 291, 407 und 380 Seiten und ist für zusammen 226,00 Euro im stationären oder auch virtuellen Buchhandel erwerbbar. Was diese bloßen Zahlen nur ansatzweise verraten, ist die Fülle an Daten und Informationen, die in diesen drei Bänden enthalten ist. Man sie zu Recht als das Lebenswerk der Autorin als Denkmalschützerin und Architektin bezeichnen, in der ihr gesammeltes Fachwissen kulminiert – und man darf auf die Fortsetzung schon jetzt gespannt sein.
Band I behandelt dabei inhaltlich zunächst den Bautypus des spätmittelalterlichen Rittersitzes als einer Vorstufe der eigentlichen Herrenhäuser, letztere Bauten werden anschließend im Band II in den Teilbänden 1 und 2 thematisiert; eine dort dann im Hauptband II und Teilband 1 auf Seite 11 entworfene Systematik unterscheidet in der Obergruppe der frühneuzeitlichen Herrenhäuser – ab etwa dem Jahr 1500 – die folgenden fünf Hausformen: a) das ländliche Feste Haus, b) das ländliche Frühherrenhauses, c) das ländliche hölzern-lehmige Herrschaftsfachwerkhaus, d) das hölzerne Herrschaftsblockhaus und e) den städtischen Adelshof. [3]
 
Diese Haustypen werden außerdem von außen bis innen detailliert beschrieben und in Wort und Bild detailliert vorgestellt. Dies betrifft nicht nur makrohistorisch die Charakterisierung der jeweiligen Erbauungsepoche (mit der Erörterung der Folgen für die Herrenhausbauten) oder die Lage der Güter in den Dörfern sowie im Verhältnis beispielsweise zu Wirtschaftsgebäuden, sondern setzt diese Erörterungen auch im Inneren fort. Raumprogramme, Etagenanordnungen, einzelne Räume und deren Funktionen, Möblierungen, Raumausstattungen von den Decken über die Wände bis zu den Öfen und Kaminen, Aborten und Speisekammern, der Vorratshaltung, Wasserversorgung, Wasserentsorgung, deren jeweilige Formen und Entwicklungen mit vielen Details mehr werden sinnreich in Wort wie Bild erläutert, verglichen, klassifiziert, eingeordnet. Dasselbe gilt mikrohistorisch auch für die Baumaterialien, aus denen die Häuser bestehen, deren Herkunft und Verarbeitung, Erscheinungsformen und regionale Verarbeitung.

Die kaum benennbare und noch weniger bezifferbare Fülle von Informationen, Zusammenfassungen und klugen ebenso wie einleuchtenden Einsichten stehen daher in dieser Quantität und Qualität weit über den eingangs erwähnten Werken zur Bautypologie von aristokratischen Häusern. Hierzu diene als Beispiel aus dem Bereich der Bautypen der Unterschied zwischen den Haustypen „Festes Haus“ und „Frühherrenhaus“. Der Unterschied liege darin, daß „feste Häuser“ außenliegende Treppentürme und vertikale Baugesten besessen hätten, während die „Frühherrenhäuser“ innenliegende Treppen mit horizontaler Baugeste verkörpert hätten.

Die breit aufgestellte Quellenlage – Beschreibungen, Karten, Reiseberichte, Inventare, Akten, Bilder von Epitaphien, Kanzeln, Baudetails, Grundrisse, Fensterformen, dann wieder Erörterungen zur politischen Lage, ausländische und interkulturelle Einflüsse beispielsweise bei Portalen, Giebeln, Gärten und Toren – machen das Dreibandwerk zu einem Standardwerk für Herrenhäuser, das sich damit nicht nur an ein breites Publikum wendet. Denn sowohl Adelsforschende als auch Historiker, insbesondere auch Denkmalpflegende und Gutshausretter finden hier das lebenslang akkumulierte Wissen der Autorin gebündelt, so daß das Werk nicht zuletzt auch zur Restaurierung eigener Häuser verwendet werden kann, zur Einordnung fraglicher Baubestandteile oder Bauformen, die bei Neuübernahmen zu vielen offenen Fragen führen können. Hier wird den Interessierten aber ein überaus hilfreicher und gut gegliederter Dreierband an die Hand gegeben, der es ermöglicht, selbst Bestimmungen über den möglichen Zeitpunkt der Erbauung, das Material oder die ehemalige Funktion eines Bauteils eines Herrensitzes zu treffen.

Auch für den derzeit laufenden – leider immer noch sehr kostspieligen [4] – berufsbegleitenden Jahrgang XXI des Master-Studiengang „Schutz Europäischer Kulturgüter“ (2023-2025) der Viadrina in Frankfurt an der Oder wird den Studierenden reiches Anschauungsmaterial für diese spezielle Bauform adeligen Lebens geboten. Daher kann das Werk vorbehaltlos für Forschung und Lehre empfohlen werden und wird seine segensreiche Wirkung hoffentlich auch bei der ganz praktischen Restaurierung historischer Adelsitze in Gegenwart und Zukunft entfalten können. So läßt sich ermittlen, daß die Häuser des Adels in sehr unterschiedlichen Stilen modernisiert und neuer Nutzung zugeführt worden sind und auch immer noch werden. Beliebt sind beispielsweise Ferienwohnungen zur zeitweisen Nachempfindung des Landlebens in ehemaligen Herrenhäusern, die vor allem von Städtebewohnenden nachgefragt werden, so – jeweils in Mecklenburg – im Shabby Style in Kobrow bei Laage, im Romantic Style in Thurow bei Schwerin oder im Rural Style in Rensow bei Prebberede. [5]

Monita sind wenig zu bemerken; sie stellen im Grunde genommen Marginalien dar, sollen hier jedoch, der Vollständigkeit halber, gleichwohl bemerkt werden. Gewöhnungsbedürftig ist die textliche Organisation der Zweisprachigkeit im Dreibandwerk, da, um die entsprechenden Abbildungen jeweils nah am Text zu halten, die deutsche Fassung oben, die englische Fassung unten, jeweils auf einer Seite, gesetzt worden ist. Dies verleitet zum weiterlesen auf derselben Seite, bevor man zum Lesen im wiederum deutschen Text auf der kommenden Seite erneut ansetzen muß; umgekehrt besteht die Herausforderung auch für die englischsprachigen Lesenden, da ihr Lesefluß durch die deutschsprachigen Texte unterbrochen wird.

Der Gewinn dieser verlegerischen Vorgehensweise, einen weiteren Personenkreis zu erreichen , sich nicht allein auf ein deutschsprachiges Publikum zu fokussieren, auch angesichts der vielsprachigen skandinavisch-baltischen Rezipierenden, ist allerdings mit diesem abwechselnden Prinzip der doppelten Sprachgestaltung gegeben und daher verschmerzbar. Das Dreibandwerk hat schließlich die Augen dafür geöffnet, daß es sich bei Herrenhäusern des Adels nicht um ein ausschließlich deutsches Phänomen handelt, sondern der Bautyp sehr ähnliche Formen im gesamten Ostseeanrainerraum herausgebildet hat.

Interessant wäre es, nebenbei bemerkt, in diesem Zusammenhang auch einmal in künftigen Forschungen zu eruieren, inwieweit weitere Räume ähnliche oder differenzierte Bauformen hervorgebracht haben, den gegebenen Befund beispielsweise mit den Baugesten der Adelsitze in  Niedersachsen, in den Niederlanden oder in Polen zu vergleichen. [6]
Zu den weiteren Besonderheiten des Dreibandwerks zählen differenzierte Gewichtungen der Darstellungen von Bauteilen im Inneren der Herrenhäuser, so eine leider nur sehr randständige und nischenhafte Erwähnung der innenliegenden Dienertreppen [7] auf nur wenigen Zeilen im Teilband 1 des Hauptbandes II auf Seite 345, während aber textile oder papierene Wandbehänge gleichsam auf mehreren Seiten (in Teilband 1 des Hauptbandes II auf den Seiten 370 bis 387) ausgebreitet werden. Freilich kann man hier selbst mit zusätzlichem Rechercheaufwand andere Literatur finden, da das Dreibandwerk ohnehin nur versucht, Systematisierungen zu liefern, auch frei Desiderata anspricht, da insgesamt in vielen Bereichen der Baugeschichte von Adelssitzen noch viele Umstände unerforscht geblieben sind; siehe dazu beispielhaft die Erörterungen über „ungeklärte Fälle“ bei „türkischen“ und „indianisch-güldenen“ Tapeten, [8] so beispielsweise im heute nicht mehr vorhandenen und in Holstein belegenen alten Herrenhaus zu Heiligenstedten bei Itzehoe im Kreise Steinburg (Seite 386 im Teilband 1 des Hauptbandes II). In vielen Fällen wird man sich hier noch eingehender beschäftigen müssen mit Spezialthemen wie den Wandbehängen und dem, was die Kunstgeschichte darüber bereits publiziert hat. Entsprechend bieten derlei Spezialliteraturen wie beispielsweise die von Kathrin Müller [9]  oder auch Birgitt Borkopp-Restle [10] wertvolle Ergänzungen zum eher bauwerkorientierten Dreibandwerk, so auch, was Lebensstil und Berufe, Heirat und Religion des frühneuzeitlichen Adels anlangt, der ausführlich bei Ronald Gregor Asch oder Michael Sikora geschildert worden ist, [11] der seinerseits wiederum nur sehr wenige Seiten dem „festen Haus“ gewidmet hat, so daß sich entsprechende Studien wirkungsvoll ergänzen können, wenn es um die heutige Rekonstruktion von Herrenhäusern geht.

Ansonsten fallen – nur bisweilen – einige mißverständliche Formulierungen im Dreibandwerk auf, die ein längeres Nachdenken über das Gemeinte und den eigentlichen Sinn nötig machen. So gibt es eine sinnentstellende Formulierung im Teilband 1 des Hauptbandes II auf Seite 140 bei der Beschreibung der „Formen der Vervielfachung des Einzelhauses“, [12] wie sie im holsteinischen Ahrensburg, im holsteinischen Nütschau oder im schleswigschen Glücksburg zu sehen sind. Im Werk heißt es dazu, der holsteinische Staatsmann und Statthalter Heinrich Rantzau (1526-1598) habe um 1588 den kölnischen Maler und Kupferstecher Hogenberg damit beauftragt, einen „Stammbau seiner weitverzweigten Familie“ anzufertigen. Hier fragen sich zunächst unwillkürlich unbedarft Lesende, weshalb ausgerechnet ein Maler und Kupferstecher einen solchen Bau errichten sollte und nicht etwa ein Architekt oder Baumeister. Dieser „Stammbau“ der Rantzaus (also anscheinend ein erster Herrensitz in einer ganzen Reihe von Folgebauten im Holsteinischen?), bei dem als reich geltenden Heinrich Rantzau durchaus denkbar [13] – sei von fünfzig Vignetten „gerahmt“ gewesen, so weiter der Text, „auf denen die Häuser der in Schleswig-Holstein und Dänemark begüterten uradeligen Familie in Miniaturdarstellungen abgebildet sind.“ Hier hatte also wohl der Bauherr veranlaßt, daß bildliche Repräsentationen aller seiner familiären Herrensitze schon im Hauptbau, dem „Stammbau“, äußerlich erkennbar, vielleicht in Reliefform, abgebildet wurden, was dann aber allein deswegen keinen rechten Sinn ergibt, weil der Stammbau ja zuerst erbaut worden sein dürfte.

Daß nämlich, was denkbar gewesen wäre, die Vignetten nachträglich am „Stammbau“ angebracht wurden, sagt der Text indes keineswegs aus, so daß die Aussage selbst vorläufig durch fehlende Zeitzuweisungen verwirrt, die nicht eindeutig geklärt werden. Auch der nachfolgende Satz des Textes bringt hierzu keine Aufklärung und man hätte gern eine Abbildung des umlaufenden Frieses gesehen, auf dem an der Außenwand des „Stammbaus“ die Vignetten abgebildet worden sein sollen. Indes hält der Text einen Quellennachweis vor, der sich auf „Henniges / Lindeberg 1590“ bezieht. Im Teilband 2 des Hauptbandes II findet sich dann auf Seite 714 linksspaltig die Auflösung dieses Quellensigels. Es handelt sich dabei um das Werk von Hieronymus Henninges (1563-1597), Peter Lindeberg (1562-1596), Heinrich Meibom (1555-1625) und Christoph Kellinghusen namens

„Genealogiæ Aliqvot Familiarum Nobilivm In Saxonia: Qvae Vel A Comitibvs Vel Baronibvs Ortæ, quosdam Pontificiam, quosdam Episcopalem dignitatem adeptos produxerunt [...]: Qvibvs Accesservnt Insignia Fere Omnivm, Qvi genere nobiles in Ducatibus Slesuigæ, Holsatiæ ac Stormariæ, arces munitas, elegantia castra, prædia, domicilia &c. possederunt, & etjamnum poßident: nec non Imagines nonnullorum à Goltzio, Hogenbergio & aliis artificibus tam cupro quam ligno expressæ & incisæ; Item In Calce Descriptio Monvmenti Ab Henrico Ranzovio prope Segebergam in honorem Friderici II. Regis Daniæ erecti & sic efformati, ut assurgat in Pyramidem, & huic substructum sacellum repræsentet ex quovis latere arcum triumphalem: nec non descriptio obelisci Juxta hoc monumentum collocati ; Item Delineatio Pyramidis Qvadratæ, Qvam memoriæ Regum Daniæ & suorum consecratam collocavit in monte conspicuo prope pagum Nordôe, vicinum oppido Itzehoensi idem Henricvs Ranzovivs“; es erschien gedruckt beim Verlag Wolf(f) in Hamburg 1590 mit 75 Blättern, 4 weiteren ungezählten Blättern und 42 Holzschnitten sowie 49 Kupferstichen.

Hierin findet man dann ohne Seitenzählung durchaus auch die Abbildung verschiedener Herrenhäuser, aber keinen „Stammbau“, sondern vielmehr einen „Stammbaum“, so daß der zunächst irreführende Hinweis hier seine Erklärung findet. Es handelt sich daher beim „Stammbau“ gar nicht um ein besonders prägnantes (steinernes?) Gebäude, von dem aus denkbarerweise die Rantzaus ihre regionale Ausbreitung über Holstein begannen, sondern einen artifiziell gestaltete Nachfahrentafel, an dessen sämtlichen Rändern Abbildungen von Rantzauischen Herrensitzen abgebildet worden sind.

Mittels dieses Beispiels kann gleich ein weiterer Mangel des voluminösen Dreibandwerkes angesprochen werden. Es ist dies die leider denkbar schlechtmöglichste Quellennachweisungsform in den Geisteswissenschaften. Sie enthält ausschließlich Nachteile, ist aber leider aus der Kunstgeschichtsdisziplin, aus der die Bände stammen, übernommen worden und dort auch bedauerlicherweise immer noch vielfach üblich. Dabei stört die Quellennachweisung nicht nur wegen der verwendeten Versalien den Lesefluß, sondern unterbricht ihn auch in der leider auffälligsten Form „(AUTORNACHNAME 1999, pp. 14–21)“ mit Versalien und Gedankenstrichen statt Bindestrichen zwischen den Seitenzahlen, zerstückelt ihn ferner auch (im Übrigen ohne Not), weil man erst in einem anderen Band das Literaturverzeichnis hinten erblättern muß, um dann alphabetisch aufsteigend den Nachweis suchen zu müssen, den man wiederum mit dem Nachweis im ersten Band kombinieren muß, um überhaupt zur Quelle zu gelangen; dies stellt eine zusätzliche Fehlerquelle dar, die man leicht hätte vermeiden können. Stattdessen hätte man kleiner gesetzte Fußnoten mit jeweils vollständigen Nachweisen ohne Kürzel verwenden und eine nur vorteilige Form der Quellennachweisung wählen können. Dann wäre sowohl die Leseflußstörung als auch das Auseinanderdriften von Autornamen und Seitenzahl einerseits sowie Werktitel andererseits vermieden worden.

Gleichwohl stören diese Monita den Gesamteindruck des Dreibandwerkes nicht, das in seiner Fülle wohl erst gewürdigt werden kann, wenn es, rückwirkend auf die Restaurierungspraxis der Herrenhäuser seine wohltuende Wirkung in Jahren und Jahrzehnten entfaltet, als gespeichertes Wissen, das sich jederzeit über das Speichermedium Buch wieder abrufen läßt. So webt schließlich auch das Dreibandwerk sicher hilfreich an der Erhaltung und weiteren Ausgestaltung alter Adelshäuser mit, die immer noch von „Gutshausrettern“ neuen Verwendungen zugeführt, vor allem aber erhalten werden. [14] Hier ist nur das mecklenburgische Gutshaus Goldenbow zu nennen, ursprünglich auch aus der Frühneuzeit stammend, das schon eine Bauruine war, aber wieder aufgebaut und belebt worden ist. [15]

Der reichhaltige Anhang im Hauptband I auf den Seiten 245-286 und in Teilband 2 des Hauptbandes II auf den Seiten 668-797 – Personennamen, Ortsnamen, Bildnachweise, Sekundärliteratur – lassen zur Erschließung der reichhaltigen Inhalte keine Wünsche offen und erweisen sich vielfach als hilfreich, weniger vielleicht um Vorkommen zu einzelnen Häusern nachzusehen, die ohnehin stets nur als Beispiele für bestimmte Bauformen herangezogen wurden, sondern vielmehr, was Künstler, Erbauer, Bewohnende und Baumeister anlangt, aber auch die Verweise auf die Literatur. Gerade angesichts der Entwicklung, nach der in der neuen Adelsforschung die disziplinäre Trennung zwischen geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen überwunden und in praxistheoretische Bahnen gelenkt wird, bei denen, so im Konzept und in der neuen Adelstheorie „un/doing nobility“ Raumaktanten wie Herrenhäuser eine bedeutende Rolle für die Adelserzeugung in einer mittleren Dauer spielen, kann der Wert der vorliegenden Dreibandpublikation nicht hoch genug eingeschätzt werden und stellt einen überaus wertvollen Baustein für die relationale sowie poststrukturalistische Adelsforschung bereit, die sich vorwiegend mit der Adelskonstruktion in Aktantennetzwerken befaßt, [16] gerade auch, weil Herrenhäuser darin oft eine prominente Rolle einnahmen. Insgesamt gilt daher, was einmal Brückmann (1863) ein wenig romantisierend und affizierend über sie notiert hatte. Er nahm Herrenhäuser nicht allein als größere Gegenstände oder leblose Objekte wahr, sondern als „sprechende“ Sobjekte, als Entitäten mit latentem Handlungspotential: [17] „So stehen sie da, diese Adelshöfe, als stumme Zeugen der Macht und Herrlichkeit vergangener Jahrhunderte, und das Gras auf den Vorplätzen, der Rost an den ehemals vergoldeten Spitzen der Eisenstangen der Einfriedigungsmauern sprechen lauter und beredter zu uns, als der gelehrteste Ausleger und Deuter alter Chroniken und vergilbter Pergamente.“ [18]

Diese Rezension stammt von Dr. Dr. Claus Heinrich Bill M.A., M.A., M.A., B.A., B.A. und erscheint zugleich in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung in gedruckter Form.

Annotationen:

1 = Carl E. L. von Lorck: Landschlösser und Gutshäuser in Ost- und Westpreußen mit einem beschreibenden Verzeichnis von über 450 Häusern, 295 Rissen und Bildern und einer Karte, (Frankfurt am Main: Weidlich 5. Auflage 1983, 360 Seiten; Ludwig Hüttl: Schlösser. Wie sie wurden, wie sie aussahen und wie man in ihnen lebte, München: Knaur 1. Auflage 1982, 208 Seiten; Walter Hotz: Kleine Kunstgeschichte der deutschen Schlösser, Darmstadt: Primus-Verlag 3. Auflage  2011, XVI und 233 Seiten.

2 = Es werden vermutlich in den kommenden Jahren noch weitere Komplettierungsbände erscheinen, was sich aus einem Flugblatt zur Reihe ersehen läßt; dazu zählen weitere drei Bände mit der Thematik „Die Blütezeit“, ein Band „Der Zenit“, zwei Bände „Eskalation“, ein Band „Das Ende“ und ein Band „Die Reste“, so daß die projektierte Gesamtreihe als Pionier- und Grundlagenwerk elf Bände umfassen dürfte.

3 = Hierzu beispielhaft Georg Pauly: Das Altkieler Bürger- und Adelshaus. Eine Sammlung und Entwicklungsgeschichte seiner Nutz- und Kunstformen, Kiel 1924, 160 Seiten (darin das Kapitel 7.2.2 namens „Das Adelshaus als Wohnsitz in den Städten“; betrifft in Unterkapiteln Architektur und Inneres größerer und kleinerer Kieler Adelshöfe in textlichen und bildlichen Auswahlbeispielen).

4 = Die Studiengebühren betragen insgesamt rund 4.460 Euro und setzten sich 2024 zusammen aus 2.200 Euro Studiengangsgebühren plus 4 x 365 Euro Semestergebühren plus schätzungsweise (diese Kosten werden leider von der Viadrina nicht transparent gemacht) 1.000 Euro Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung für fünf jeweils elftägige Präsenzseminare vor Ort in der Viadrina. Trotz dieser Hochkosten handelt es sich bedauerlicherweise nur um einen Master von 60 ECTS Studienumfang und nicht, wie sonst üblich, im um einen Masterstudiengang mit 120 ECTS.

5 = Dazu siehe Silke Voß: Romantische Räume im Kerzenschein und brutale Baukatastrophen, in: Nordkurier und Vorpommernkurier vom 8. Dezember 2023, Seite 20 in der Rubrik „Blick in die Region“; Rita Brückner: Wer hart arbeitet, darf auch feiern. Gutshaus-Engel laden zum Konzert nach Thurow anlässlich des zehnjährigen Jubiläums, in: Schweriner Volkszeitung und Anzeiger für Sternberg, Brühl, Warin vom 20. Februar 2024, Seite 7 in der Rubrik „Lokales“.

6 = Hierzu könnten dann dienen die Werke von Christa Schnakenberg-Sobe: Versteckte Herrensitze, in: Niedersachsen. Zeitschrift für Kultur, Geschichte, Heimat und Natur seit 1895, Band LXXXIV, Berlin 1984, Seite 3; Hans Adolf Schultz: Burgen, Schlösser und Herrensitze im Raum Gifhorn-Wolfsburg, Gifhorn 7. Auflage 1990, 95 Seiten (Band I der Reihe „Schriftenreihe zur Heimatkunde der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg“); Peter Arnold / Henner-Ekkehard Kerl: 111 Schlösser und Herrensitze in Niedersachsen, Hannover 2. Auflage 1990, 228 Seiten; Claus Bieger,: Schlösser und Herrensitze, in: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege (Hg.): Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen. Veröffentlichung des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band XIV, Hameln 1994, Heft Nr. 4, Seite 217-218; Anja Engbrost: Schlösser und Herrensitze im Braunschweiger Land, in: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege (Hg.): Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen. Veröffentlichung des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Hameln 1999, Seite 32-34; Theodor Penners: Burgen, Schlösser und Herrensitze unserer Heimat im Land um Ems und Hase. Einführung zur Eröffnungsfeier [der Ausstellung] in Meppen am 11. November 1981, Meppen 1981, ? Seiten; Thoben, Paul: Emsländische Burgenfahrt. Burgen, Schlösser, Rittersitze und Herrensitze im Emsland, in: Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte (Hg.): Emsländische Geschichte, Band IX, Meppen 2001, Seite 134-150; Baldus, Josef: Altosnabrücker Herrensitze, Kirchen und Klöster. Heimatkundliche Wanderungen durch das Osnabrücker und benachbarte Tecklenburger Land, Osnabrück 1925, VIII und 168 Seiten; Wagner, Eckard: Schlösser und Herrensitze im Emsland, in: Kulturführer des Landkreises Emsland (Baudenkmale), Meppen 1993, Seite 35-47; Thye, Bernd: Burgen, die im Wasser träumen. Die Herrensitze im Grönegau, in: Geschäftsstelle Landesveranstaltungen des Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport (Hg.): Niedersachsenbuch. Tag der Niedersachsen, Band XXV, Hannover 2006, Seite 87-98; Vonend, Dietmar: Gemeinsame Spurensuche mit Denkmalpflegern. Parks und Herrensitze im Weserbergland, in: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege (Hg.): Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen. Veröffentlichung des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band XXVI, Hameln 2016, Heft Nr. 3, Seite 162-163; Initiativgruppe „Spurensuche“ der Schaumburger Landschaft (Hg.): Schaumburger Burgen und Herrensitze, Bückeburg 2018, 20 Seiten (Band ohne Zählung der Reihe „Spuensuche im Schaumburger Land“); Adolf Ronnenberg: Adelshöfe in Kurhannover, Hannover 2013, 4 Seiten.

7 = Zur lange vernachlässigen Thematik der Domestikenschaft siehe Markus Krajewski: Der Diener. Mediengeschichte einer Figur zwischen König und Klient, Frankfurt am Main 2010, 720 Seiten (Habilitation Universität Weimar 2010; betrifft das Paar Fürsten und Diener, Erkennungsmerkmale, Relationierung der Macht, Signifikationen des Unterlings, Topographie der Subalternen, Orte der Indirekten, Dienen als Kulturtechnik, Diener als Informationszentrale, Ökonomie der Dienstbarkeit, Diener in der Literatur, Herr-Diener-Kommunikation, Briefformen und Schlußformel, Quasi-Objekte im Haus, Verdinglichung der Diener); Markus Krajewski: Die Indirekten. Fürstendiener im Barock, in: Tobias Nanz / Armin Schäfer (Hg.): Kulturtechniken des Barock, Berlin 2013, Seite 21-40 (Plädoyer zur Einführung einer „architektonischen Semiotik der Subalternen“ und für die Ergänzung des Konzeptes der Herrschaftsarchitektur mit einer Dienstbarkeitsarchitektur anhand der „Geheimgänge“ beziehentlich Dienergänge oder Schliefgänge, Tapetentüren und „Geheimgänge“ in Schlössern und Herrensitzen, hier speziell der Wiener Hofburg, da „der Begriff ‚Herr‘ ohne sein Gegenstück ‚Diener‘ keinen rechten Sinn“ ergäbe); Nomen Nescio: Kein Glanz ohne das Fußvolk. Spurensuche nach den Gärtnern, Schmieden und Wäscherinnen, die das angenehme Leben der Oberschicht auf Schloss Gedern erst ermöglichten, in: Kreis-Anzeiger (Gedern), Ausgabe vom 9. September 2020, Seite 18; Monika Suski: Spannende Familienführung durchs Schloss, in: Rheinische Post (Düsseldorf), Nr. 100 vom 30. April 2018, Seite 32 (betrifft angebliche „Geheimgänge“ im Schloß Benrath hinter Tapetentüren für Domestik:innen); Simone Höhl: Tatort Schloss Ebnet. Mit Geheimgang, Spion- und Filmvergangenheit wäre es eine Top-Location, findet der Schlossherr und würde die Leiche spielen, in: Badische Zeitung (Freiburg im Breisgau) vom 11. März 2015, Seite 22 (Beispiel für einen Schloßherrn aus historischem Adel, der die „geheimnisumwitterte“ Legende pflegt, die Tapetentüren und dienerlichen Schliefgänge seien dazu da gewesen, um Mätressen und Liebhaber „heimlich“ „verschwinden“ zu lassen); Nomen Nescio: Kinder sind Schlossgeheimnissen auf der Spur, in: Ipf- und Jagst-Zeitung (Ellwangen), Ausgabe vom 28. Oktober 2011, Seite 3 (betrifft angebliche „Geheimgänge“ im Fürstprobstenschloß Ellwangen); Markus Krajewski: Treppauf, treppab. Der Butler, ein Cursor und Bindeglied der Stände, in: Uwe Wirth (Hg.): Bewegen im Zwischenraum, Band III (Wege der Kulturforschung), Berlin 2012, Seite 217-236 (enthält eine Analyse des Films „Dinner For One“, bringt daneben aber auch Bemerkungen zur Reziprozität von Adel und Nichtadel in räumlicher Nähe zueinander); Nina Birkner: Herr und Knecht in der literarischen Diskussion seit der Aufklärung. Figurationen interdependenter Herrschaft, Berlin 2016, 518 Seiten (Band LXXXIV der Reihe „Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte; betrifft mehrfach auch das Verhältnis zwischen Adel und Dienerschaften); Sebastian Kühn: Küchenpolitik. Annäherungen an subalterne Handlungsweisen in hofadligen Haushalten des 17. und 18. Jahrhunderts, in: L’Homme. Europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft, Band XXVIII, Heft Nr. 2, Göttingen 2017, Seite 69-84; Markus Krajewski: Call me Carl. Domestiken bei Lessing, Goethe und heutzutage, in: Ana Ofak / Philipp von Hilgers (Hg.): Rekursionen. Von Faltungen des Wissens, München 2010, Seite 245-266; Sebastian Kühn: Die Macht der Diener. Hausdienerschaft in hofadligen Haushalten (Preußen und Sachsen, 16.-18. Jahrhundert), in: Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Neue Folge Stadt und Hof, Band VI, Kiel 2017, Seite 159-169; Markus Krajewski: Vom Servant zum Server. Die Herrschaft der Stummen Diener und elektronischen Gehilfen, in: Archplus. Zeitschrift für Architektur und Städtebau, Heft Nr. 205 (Themenheft „Servicearchitekturen“), Berlin 2012, Seite 20-25 (betrifft Tapetentüren in der Wiener Hofburg sowie das Verhältnis Herr-Diener); Rolf Engelsing: Der Arbeitsmarkt der Dienstboten im 17., 18. und 19. Jahrhundert, in: Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarkt, Seite 159-237 (betrifft unter anderem Funktionen und Zahl von Dienern in Adelshaushalten); Sebastian Kühn: Die Gräfin, die Gouvernante und der König. Perspektiven auf Dienstleute als Boten in einem aristokratischen Haushalt des 18. Jahrhunderts, in: Caroline Arni / Regina Schulte / Xenia von Tippelskirch (Hg.): Historische Anthropologie, Band XX, Heft Nr. 1 (2012), Seite 58-75 (These, wonach Diener:innen als handelnde Akteur:innen in höfischem Kontext gelten können und daß sie „grundlegende Vermittlungsleistungen“ wahrnahmen, Beziehungen herstellten, für beständigen Fluß und Austausch von Informationen und Gütern sorgten; Betonung der Spannung zwischen gewünschter Unsichtbarkeit der Dienerschaften einerseits und ihres starken Aushandlungspotentials im Verhältnis zu adeligen Arbeitgebern; Dienende als In-Beetweens, als Boten und Medien; These, daß Dienende „nicht einfach nur als Instrument eine ihnen äußerliche Botschaft überbringen, sondern selbst Teil der Botschaft sind, und diese dadurch beeinflussen und daher die sozialen Beziehungen wesentlich verändern“; Theorievorschlag zweier Botenmodelle mit den Positionen Automat und Stellvertreter; erörtert anhand der französischsprachigen Memoiren der Louise Charlotte Gräfin v.Schwerin aus den 1720er Jahren);  Hermann Kellenbenz: Der Kammerdiener, ein Typus der höfischen Gesellschaft. Seine Rolle als Unternehmer, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Band LXXII, Stuttgart 1985, Seite 476-507.

8 = Hierzu könnte möglicherweise aufklärend wirken das 1670 publizierte Werk von Erasmus Francisci: Neu-polirter Geschicht-Kunst- und Sitten-Spiegel ausländischer Völcker, Nürnberg: Johann Andree Endters MDCLXX, Seite 1347, wo es – neben der Marginalie „Was für Arbeit die Indianer zu Amadabad machen“ – über die Handwerkskunst im nordwestindischen Ahmedabad heißt: „In dem Gebiet deß grossen Mogols/ fürnemlich zu Amadabad/ wird Güldenstuck gemacht/ welches zwar prächtig ins Auge/ aber von kleiner Würde ist/ denn sie gebranchen dazu platt und blinckend Gold/ welches auf Seide liderlich gewirket; wenn es ein wenig getragen wird/ springt das Gold ab. Ist bey weitem nicht so gut/ als Persianisch Güldenstuck [...] Nächst diesem machen sie eine Art von Tafft/halb Seide/ und halb Kattun/ auch wol vom allerfeinsten Kattun, und mit gülden Blumen durchwircket/ scheinet als wenns gestickt oder genehet wäre. Diß ist eine neue Art/ und durffte es unter dem Schach Choram niemand tragen als er/ der König selbst/ und dem ers erlaubete […] Hernach ist eine Art von allerhand Farben gestreifften Atlaß/ mit Gold-und Silberstrichen/ gleich als mit kleinen Schnüren durchzogen […] Eine andre Art Tafft/ auf vorigen  Schlag/ bunt gestreifft/ mit gülden und auch noch viel andre Seiden-Zeuge/ und Kattunen Leinwand daselbst gemacht. “ Denkbar ist es, daß diese Stoffe auch für Tapisserien in holsteinischen Adelssitzen verwendet worden sind; immerhin verfügten sie über prestigemehrenden Seltenheits- und Exotismuscharakter; siehe dazu grundlegend  Thorstein Bundle Veblen: Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 3. Auflage 2015, 381 Seiten (übersetzt aus der englisch-amerikanischen in die deutsche Sprache ins Deutsche von Suzanne Heintz und Peter von Haselberg; Roland Girtler: Feine Leute. Aristokraten und Bürger, Geistliche und Gauner, Künstler und Stars, Wien: Litverlag 4. Auflage 2016, 447 Seiten.

9 = Kathrin Müller: Musterhaft naturgetreu. Tiere in Seiden, Zeichnungen und Tapisserien des 14. und 15. Jahrhunderts, Berlin: Gebrüder Mann Verlag 2020 mit 367 Seiten.

10 = Birgitt Borkopp-Restle und Jonas Leysieffer: Mobile Räume. Mobile Bilder. Tapisserien als Medien der politischen Kommunikation, in: Peter J. Schneemann [Hg.]: Reading room. Re-Lektüren des Innenraums, Berlin: De Gruyter 2019, Seite 160-167 (Band XXI der Reihe „Neue Frankfurter Forschungen zur Kunst“).

11 = Ronald Gregor Asch: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Eine Einführung, Köln / Weimar / Wien: Böhlauverlag 2008 mit X und 323 Seiten; Michael Sikora: Der Adel in der Frühen Neuzeit, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2009 mit VII und 148 Seiten; dort auf den Seiten 124-131 nur wenige Erörterungen zur Thematik „Das Haus als Symbol adliger Macht und Mittelpunkt adliger Existenz“.

12 = Weshalb die Verfasserin hier nicht einfach und simpel den Begriff der „Mehrfachhäuser“ benützt, bleibt unklar, nachdem sie eine ganze Reihe von weiteren Begriffen wegen ihrer fehlenden Eignung im Text, ibidem auf  Seite 140, ablehnt.

13 = Zu seiner Biographie siehe unter anderem Eckardt Opitz: Johann und Heinrich Rantzau, in: Eckardt Opitz (Hg.): Die unser Schatz und Reichtum sind. 60 Porträts aus Schleswig-Holstein, Hamburg: Verlag Christians 1990, Seite 15-21.

14 = Hierzu siehe Anja Bölck: Gutshausretter im Denkmalnetz MV vereint. Gründungsveranstaltung am Sonnabend. Ziel ist Schulterschluss im Kampf um die Wahrung des kulturellen Erbes, in: Norddeutsche Neueste Nachrichten vom 22. Jänner 2024, Seite 5 (Rubrik „Mecklenburg-Vorpommern“), wo es heißt: „Ein großes Problem beim Denkmalschutz seien laut Michael Hoffmann Kommunalpolitiker. Viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen würden sich ungern mit dem Thema beschäftigen oder hätten nur das neue Baugebiet im Blick. Weil es so nicht weitergehen kann, wollen sich Denkmalinteressierte, Gutshausbesitzer, der Verein Arbeitsgemeinschaft Gutsanlagen, der Verein Interessengemeinschaft Bauernhaus, der Mühlenverein M[ecklenburg-]V[orpommern] und weitere Initiativen aus dem ganzen Land verbinden. Am Sonnabend kamen sie in Demmin zusammen und gründeten nach dem Vorbild von Bayern und Sachsen das Denkmalnetz M[eckelbnurg-]V[orpommern] […] Unter Denkmalfreunden heißt es, MV besitze in Europa die höchste Dichte an Schlössern, Herren- und Gutshäusern. Laut dem Historiker und Autor Wolf Karge sind in M[ecklenburg-]V[orpommern] etwa 500 von etwa 2200 existierenden Schlössern, Herren- und Gutshäusern saniert oder befinden sich in einem guten Zustand“.

15 = Tilo Röpcke: Krimi-Atmosphäre im Gutshaus. Im alten Herrenhaus in Goldenbow stellte der Hamburger Klaus Spieldenner Kulturliebhabern sein neuestes Buch „Elbtraum“ vor, in:  Schweriner Volkszeitung und Hagenower Kreisblatt vom 13. August 2019, Seite 10; Hubertus Neuschäffer: Mecklenburgs Schlösser und Herrenhäuser, Husum: Husum-Druck- und Verlags-Gesellschaft 1990, Seite 86-87.

16 = Siehe dazu Frank Hillebrandt: Ereignistheorie für eine Soziologie der Praxis. Das Love and Peace Festival auf Fehmarn und die Formation der Pop-Musik, Wiesbaden / Heidelberg: Springer VS 2023, VIII und 365 Seiten; Hilmar Schäfer (Hg.): Praxistheorie. Ein soziologisches Forschungsprogramm, Bielefeld: Transcript 2016, 382 Seiten; Claus Heinrich Bill: Einführung in das neue konstruktivistische Adelskonzept „Un/doing nobility“ mit aktueller Forschungssynopse, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXII, Folge Nr. 108, Sonderburg 2019, Seite 13-42 (Grundsatzaufsatz zur Begründung eines in der soziologischen Praxistheorie wurzelnden dynamischen statt statischen Adelsbegriffes); Claus Heinrich Bill: Nickel Lists problematischer Aristokratismus, in: Robert Bohn / Jürgen Weber (Hg.): Wortmeldungen zur Zeit- und Regionalgeschichte. Festschrift für Uwe Danker, Husum: Druck- und Verlagsgesellschaft 2022, S. 33-40 (Anwendung des Konzeptes aus einem interaktionistischen und mikrosoziologischen Blickwinkel anhand eines hochstaplerischen Räuber-Beispiels aus dem 17. Jahrhundert); Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie (aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Gustav Roßler), Frankfurt am Main: Suhrkamp 5. Auflage 2019, 488 Seiten (Band MCMLXVII der Reihe „Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft“).

17 = Zu den Sobjekten, stehend zwischen den klassischen Dichotomiepunkten Objekt und Subjekt, siehe Larissa Ullmann: Das Sobjekt. Mögliche Beziehungen zwischen Mensch und Maschine aus einem phänomenologischen Blickwinkel, in: Alexander Friedrich / Petra Gehring / Christoph Hubig / Andreas Kaminski / Alfred Nordmann (Hg.): Jahrbuch Technikphilosophie, Band VIII (Kunst und Werk), Baden-Baden: Nomos 2022, Seite 195-213.

18 = O. H. Brückmann: Altes und Neues aus dem Münsterland und seinen Grenzbezirken. Ein Beitrag zur Kunde Westfalens, Paderborn: Schöningh 1863, Seite 30.


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