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Hodenbergische Briefschaften aus der deutschen Legion in den napoleonischen Kriegen 1803-1815Selbstzeugnisse vierer Offiziere aus dem Adel wurden neu transkribiert und ediertAnläßlich einer Diffamierungskampagne gegen die aufgelöste „Deutsche Legion“ als militärischem Freiwilligenverband gegen Napoleon publizierte die österreichische „Militärische Zeitung“ im Jahre 1855 zur Verteidigung des auf britischer Seite kämpfenden Verbandes: „Die lezten [sic!] Debatten über die Fremdenlegion im englischen Parlamente haben uns belehrt, in welcher Weise geleistete Dienste gewürdiget werden. Das Parlament ist in dieser Anschauung besonders geübt; trozdem [sic!] überraschte das gänzliche Jgnoriren der tapfern deutschen Legion, welche den Briten durch zwölf Jahre die ruhmvollsten Siege erkämpfen half, und deren Männer für Großbritanniens Interesse Alles eingesezt hatten. Wohl mögen sich Jnvektiven wie ‚Mörder‘‚ Kehlabschneider‘, ‚gemeine Miethlinge‘, ‚deutsche Bettler‘ von der Rednerbühne geläufig herabschwäzen lassen; die Geschichte bleibt aber doch immer die unpartheiische Richterin und weiset, troz Ellenborough und Konsorten, dem Verdienste das unbestrittene ewige Recht an. Ihr Mahnruf kann den stolzen Mitgliedern des Parlamentes nicht gelegen kommen, denn es waren ja Deutsche und Fremde, welche die Tage von Talavera, Busaco, Fuentes, Albuera, Ciudad-Rodrigo, Badajoz, Salamanca, Vittoria, Toulouse, Waterloo zum Ruhme Albions mit ihrem Blute besiegelten. Daß England diese Lorbeeren mit ‚deutschen Bettlern‘ theilen muß, ist freilich eine Demüthigung des britischen Egoismus. Indessen möchten wir den Verläumdern das ausgezeichnete Werk ihres Landsmannes ins Gedächtniß rufen: Die ‚Geschichte der königlich deutschen Legion‘ von N. Ludlow Beamish, k. großbr. Major, 2 Bände, in deutscher Uebersezung, 1832 und 1837 in der Hahn‘schen Hofbuchhandlung zu Hannover erschienen. Diese wird sie belehren, daß die Männer der Legion keine ‚bettelhaften Deutschen‘ und kein ‚Abschaum kontinentalen Pöbels‘ gewesen, sondern vielmehr zu den besten Familien ihres Vaterlandes zählten und heute noch den Stolz der hannoveranischen Armee bilden. Durchdrungen von der Wahrheit seiner Angaben, konnte Oberstlieutenant Beamish diesen rohen Angriffen nichts Schlagenderes entgegensezen, als Thatsachen aus der Geschichte der Legion, die mit dem nachfolgenden Briefe an die Redakzion des ‚Globe‘ gerichtet, zweifelsohne die Schreier zum Schweigen bringen dürfte. Der Brief lautet: ‚Mein Herr! Die folgenden Auszüge aus offiziellen Dokumenten und andern unumstößlichen Autoritäten mögen denjenigen, welche mit den neulichen Behauptungen Lord Ellenberoughs übereinstimmen, daß nämlich deutsche Truppen sowohl den englischen als französischen nachständen, und daß eine Schlachtlinie, von der solche Truppen einen Theil bilden, von ‚unzulänglicher Stärke und daher leicht zu durchbrechen‘ sein würde, zur Berichtigung dienen. Ohne El Bodon, Venta des Pozo, Mahalajouda, die Göhrde, L‘Etienne etc. – bei welchen allen Gelegenheiten die Legion sich auszeichnete – zu zitiren, kann ich zum Beweis des Vertrauens, welches Lord Wellington in die Treue und Fähigkeit der deutschen Offiziere sezte, hinzufügen, daß die ausgezeichnetste Division der britischen Armee, die berühmte ‚leichte Division‘, lange von Karl v.Alten befehligt wurde, daß sein Bruder Viktor v.Alten eine Kavalleriebrigade der britischen Armee kommandirte, daß unter den Brigade- und Divisions-Konmmandanten bei Waterloo wir die Namen Kielmansegge, Dörnberg, Arentschild, v.Ompteda, du Plat, v.Vincke, Best, Brückmann, Hartmann, Bodecker, Bennigsen etc. finden, welche sämmtlich auf ihre deutsche Herkunft hinweisen, und daß von den alliirten Truppen, welche auf jenem unvergeßlichen Schlachtfeld fochten und siegten, die königlich deutsche Legion, Hannoveraner, Braunschweiger und Nassauer, ein Korps von nicht weniger als 23.886 Mann – eine Zahl, welche die der Engländer, die an der Schlacht theilgenommen, übersteigt – bildeten. Wir wollen hier einige dieser Zitaten berühren, welche in den Tagen der Gefahr allerdings anders verstanden und gelesen wurden, als jezt, wo Englands Parlament vermeint der deutschen Tapferkeit keine Anerkennung zollen zu sollen. In der Erzählung des Peninsularkrieges vom Marquis von Londondery heißt es bei Gelegenheit der bei Coimbra durch Arthur Wellesley abgehaltenen Revue, Bd. I. S. 325 (in Beamish I. B. S. 95): ‚Am 8. Mai (1809) fand, als die Armee sich endlich versammelt hatte, eine große Revue statt, und entfaltete sich ein höchst imposantes, prächtiges Schauspiel. Man geht nicht zu weit, wenn man behauptet, daß die Welt keine besseren Truppen aufweisen kann, als einige von denjenigen waren, welche an jenem Tage unter den Waffen standen. Zu dieser Klasse gehörten die Garde-Brigade, das 29., das 83. und die vier Linienbataillone der königlich deutschen Legion, und die übrigen Truppen waren, wenn sie auch in einigen minder wichtigen Punkten nicht so vollkommen waren, doch von der Art, daß jeder General stolz sein konnte sie zu befehligen.‘ Nach der Affaire bei Gallezos am 4. Juni 1810 schrieb Wellington an General Crawford: `Ich habe Ihren Brief vom 4. d. erhalten, und bin mit dem Verhalten des Kapitäns Krauchenberg, des Cornets Cordemann und der Husaren-Schwadron sehr zufrieden. Ich bitte, Sie wollen den Oberstlieutenant von Arentschild benachrichtigen, daß ich die erste Gelegenheit ergreifen werde, um Seiner Majestät meine Meinung über das Betragen seines vortrefflichen Regiments während der langen und ermüdenden Periode, in der es mit Ihnen den Vorpostendienst versah, vorzulegen.‘ General Foy in seiner Geschichte des Krieges auf der Halbinsel sagt S. 290 und 291: ‚England hatte auch zwei Dragoner- und drei Husaren-Regimenter, welche zu dem Kings German Legion genannten auswärtigen Korps gehörten. Sie waren, was den Vorpostendienst und die Schlacht betrifft, der britischen Kavallerie überlegen. Die kühnste Charge im spanischen Krieg ward am Tage nach der Schlacht von Arapiles vom Hannoveraner Bock an der Spize der schweren Brigade der deutschen Legion ausgeführt.‘ In einer Depesche des General-Lieutenants Viscount Wellington an Se. k. Hoheit den Kommandeur en Chef vom 23. Juni 1811 lesen wir: ‚Es ist nicht möglich bessere Soldaten zu haben als es die eingebornen Hannoveraner sind, und es würde sehr wünschenswerth sein, die hier bei der Armee auf der Halbinsel dienenden Bataillons der königlich deutschen Legion durch einen Schlag solcher Leute aus den Depots verstärkt zu sehen.‘ Eine andere Depesche vom Juli 1812 sagt: ‚Ich habe niemals eine tapferere Charge als diejenige gesehen, welche auf die feindliche Infanterie von der schweren Brigade der königlich deutschen Legion unter dem Generalmajor von Bock gemacht wurde; dieselbe war durchaus erfolgreich, indem das ganze aus drei Bataillonen der feindlichen ersten Division bestehende Jnfanteriekorps gefangen genommen wurde.‘“ [1] Die Gegendarstellung setzte sich noch einige Zeilen und Zeugnisse weiter fort, deutlich war an ihr aber die versuchte Ehrenrettung der deutschen Legion. Und während es etliche historiographische Werke zur Legion gibt,2 so fehlte doch bislang noch eine reichhaltige und alltagsnahe Binnenperspektive aus Adelssicht. Diese Perspektive wird nun mit der Edition von vielen Briefen der drei Gebrüder v.Hodenberg aus den Jahren 1804 bis 1815 geboten.3 Es sind überraschende Einsichten aus dem „inner circle“ der Legion, die hier preisgegeben werden, transkribiert aus den handschriftlichen Originalen, die in drei Konvoluten des niedersächsischen Staatsarchivs zu Hannover lagen. Neben einer einleitenden archivalischen Überlieferungsgeschichte und einer behutsamen wie gewissenhaften Kommentierung der Texte in Fußnoten besteht der Wert der Briefe in persönlichen Bemerkungen zu Kameraden und Vorgesetzten, eigenem Befinden, geschildert jeweils in Briefen an die Eltern. Die in Selbstzeugnissen typischen Befindlichkeiten werden hier zudem, von Rezipierenden und Forschenden oft gesucht und nur selten gefunden, ausgebreitet und publik gemacht, offen bekannt. Die Schriftwechsel, eigentlich indes nur die Schreiben der drei Söhne an die Eltern, nicht aber deren Rückantworten, was indes leicht zu verschmerzen ist – beginnen erstaunlicherweise an der schleswig-holsteinischen Westküste, im Ort Husum vor dem nordfriesischen Wattenmeer, „diesem amüsanten Städtchen“ (Seite 36); hier lagen die Gebrüder im seinerzeit noch dänischen Ausland (Seite 34), in Wartestellung, um in die Legion aufgenommen zu werden und auf britischer Seite wider Napoleon zu kämpfen. Aber auch interkulturelle Beobachtungen lassen sich zuhauf in den Briefen auffinden, etwa, wenn über die irritierenden Gebräuche oder die fremden Sprachen der jeweiligen militärischen Einsatzorte, so in Portugal, textliche Sittenbilder entworfen wurden, freilich auch solche pejorativer Art (Seite 287). Gleichwohl sind die (jeweils in anderer Schriftart der besseren Unterscheidung halber) annotierten Briefabschriften ein einmaliges Zeugnis adelig-militärischer Erinnerungskultur und Erfahrungsgeschichte, die den „trockenen“ Zahlen und Fakten das persönliche Erleben und Empfinden der Hodenberg-Gebrüder an die Seite stellt, dabei versehen mit solch einer immensen Fülle von Daten zu den weiteren Offizieren der Legion. In mehrerlei Hinsicht also ist der Band, verlegt bei Solivagus in Kiel, eine wirkungsvolle Ergänzung zur bisher bekannten Geschichte der Legion,4 wirft aber auch auf Ausdrucks- und Empfindungsweisen norddeutscher Adeliger – die Eltern wohnten in Grethem in der Allermarsch zwischen Hannover und Walsrode und dort wuchsen auch die Gebrüder auf – neue und lohnende Einblicke, so daß der Band nicht nur zur geschichtswissenschaftlichen Forschung für Interessenten an der Historie der deutsch-britischen Legion herangezogen werden kann, sondern auch für Forschende zur deutschen und niedersächsischen Nobilitätsgeschichte von Interesse ist. Dieser Aufsatz stammt von Dr. phil. Claus Heinrich Bill, M.A., M.A., M.A., B.A., und erscheint zugleich in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung in gedruckter Form. Annotationen:
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