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Oberlausitzischer Adel im landesgeschichtlichen ForschungsfokusNeue Perspektiven, Quellenfindhilfsmittel und DesiderateIm Jahre 1852, in der Formierungsphase der Moderne, auch der Heraufkunft der Moderne, wie es einmal Garber (2012) ausgedrückt hat, [1] war es nicht immer einfach für Adelige, vor „entkonkretisierten“ [2] Bedingungen im Adelsleitbild zu bestehen, an dem Adelige oft gemessen wurden, sei es von Standesgenoss*innen oder auch der öffentlichen Meinung nach der französischen Revolution von 1789. Man könnte daher die folgende Meldung vom nämlichen Jahre als Versuch des „Obenbleibens“ [3] werten. Dazu hieß es in einer sächsischen Zeitung: "Bekanntmachung. Von den Unterzeichneten, als Kollatoren der nachstehend gedachten Stiftungen, wird bekannt gemacht, daß von dem Oberlausitzischen Kommunal-Landtage im November d. J. folgende Stipendien zu verleihen sind: 1) aus der Stiftung der Frau Landesältesten von Gersdorf gebornen von Hohberg, a) ein Stipendium für Schüler auf dem hiesigen Gymnasio, b) zwei Stipendien für Studierende auf den Universitäten Halle oder Leipzig. Zum Genuß beider Stipendien sind vorzugsweise Jünglinge aus dem von Gersdorfschen Geschlechte, nächst diesen aus anderen oberlausitzischen adeligen Familien, nach ihnen aber auch bürgerlichen Standes, berechtigt; 2) aus der Johann Gottlob Erdmann von Nostitzschen Stiftung, ein Universitäts-Stipendium für Studierende auf den Universitäten Halle oder Leipzig. Zum Genuß des[s]elben sind vorzugsweise Jünglinge aus der Verwandtschaft des Stifters, dann aus dem von Nostitz´schen Geschlecht im Allgemeinen, demnächst aber auch aus anderen oberlausitzischen adeligen Familien, berechtigt [...]." [4] Die Vielzahl der Stiftungen einerseits, andererseits aber auch die
gestufte Zulassung von Bewerbenden und potentiellen Stipendiaten zeigt
den Willen des Adels und der Adelsfamilien, sich ihren bevorrechtigten
Stand zu erhalten,5 aber auch, sich modernen Mitteln des „Obenbleibens“
zu bedienen, d.h. professionelle Ausbildungen auf Universitäten zu
erlangen und nicht nur auf Kavalierstouren „weltgewandte Eindrücke“
(ohne akademischen Abschluß) zu sammeln, wie es noch in der Vormoderne
üblich gewesen war. [6]
Gemeinsamkeiten und Unterschiede wurden indes jüngst in einem Sammelband „Zwischen mächtigen Fürsten – Der Adel der Oberlausitz in vergleichender Perspektive vom 16. bis 19. Jahrhundert“ publiziert, [9] für den unter anderem ein Historiker aus dem in der Adelsforschung sehr aktiv tätigen Niederjahnaer „Zentrum für Kultur//Geschichte“ (sic!, mit zwei Schrägstrichen im Namen) verantwortlich zeichnet. Der Band huldigt dem in letzter Zeit stark angewachsenen Trend zur regionalen Adelsforschung, die namentlich für den Raum der neuen Bundesländer gilt, obschon in den letzten zwanzig Jahren Historiker*innen gerade auch zu den alten Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen eine überaus reichhaltige adelsgeschichtliche Literatur vorgelegt haben. [10] Daß diese Spezialisierung gerechtfertigt ist, liegt nicht nur an der DDR-Neigung, Adel gern – und bis auf wenige Ausnahmen [11] – pauschalisierend als für den Fortschritt negative Sozialgruppe zu konnotieren. [12] Es liegt auch an den je spezifischen Bedingungen, die den oberlausitzischen Adel in einem Elitenwandel und ständigen Behauptungswillen auszeichnen. Es sind, neben einer Einführung ins Thema, fünf Sektionen, in die sich die Aufsätze des opulenten Sammelbandes einteilen. Dabei geht es um Recht und Verfassung, Häuser und Gärten, interregionale Adelskarrieren, Glaube und Kirche sowie Forschungsperspektiven. Besonders die letzte Sektion dient der Weiterforschung: Forschungsstand, Aussichten, noch fehlende Forschungsfelder sowie ein Findmittel zu den erhalten gebliebenen Gutsarchiven im Staatsfilialarchiv zu Bautzen sind hier enthalten. Aber auch in den vorherigen Sektionen sind erhebliche Fortschritte in der Forschung gemacht worden. So wird das oberlausitzische Ritterrecht als spezielles Adelsrecht beleuchtet, welches dem aus dem Mittelalter stammenden Willen zur friedlichen Beilegung von Konflikten entsprach (Seite 36-47). Ein anderer Beitrag fokussiert anhand dreier Adelsbiographien, wie sich preußische Nobilitäten in der Oberlausitz als Militärs und Verwaltungsbeamte einfanden – und sich so einen Platz zum „Obenbleiben“ sichern konnten (Seite 58-68). Ferner wird detailliert auf die hohe Bedeutung der beiden Ständehäuser (des Adels) in Bautzen eingegangen, die als Versammlungshäuser der Stände dienten und nicht zuletzt Bauten waren, in denen sich der Adel traf und die er als gemeinsames Kulminationszentrum, vor allem in politischer Hinsicht, unterhielt und benützte (Seite 70-89). Einigen bedeutenden Veränderungen im Herrensitzbau spüren zwei weitere Aufsätze anhand der Beispiele von Gaußig, Reibersdorf, Neschwitz und anderen Bauten nach (Seite 90-129 und 130-157). Hierbei wird auch das einst von DDR-Kunsthistoriker*innen anhand eines vergleichbaren Objektes getroffene Urteil eines „sinnlosen“ Stilmixes [13] behutsam revidiert und nun als „harmonische Zusammensetzung verschiedener Stile“ gewürdigt (Seite 157). Christliche Memorialkultur und materielle Retabelprogramme werden zudem mit ausführlichem Bildmaterial vorgestellt und erörtert, wie überhaupt der gesamte Band reichlich illustriert worden ist. Man findet darin Biographien ebenso wie Untersuchungen des adeligen Kollektivs, beispielsweise bezüglich des ständischen Politikverständnisses, das, so ein Ergebnis der Analyse, in der Lausitz stärker als nationale Interessen gewesen ist (Seite 235). Mithin bietet der Sammelband eine reiche Fülle neuer Perspektiven und auch Anregungen für künftige Vergleiche mit anderen Adelslandschaften, die namentlich die stark von politischem wie gesellschaftlichem Wandel bestimmten Zeiten des 18. wie 19. Jahrhunderts umfassen, jedoch in Ansätzen auch bis ins 20. Jahrhundert und bis zur Bodenreform und Enteignung am Beginn der DDR reichen (Seite 358-359). Zukünftig könnten daraus auch Studien über die Bedeutung der Anerkennung, der Zweifel oder gar der Nichtanerkennung des Adels durch soziale Umwelten und deren Stellenwert bei der Adelsproduktion und -perpetuierung anknüpfen; denn dies ist eine hier noch, wie in vielen anderen adelsforschenden Untersuchungen üblich, vernachlässigte Perspektive. Gleichwohl bietet der Band zahlreiche Facetten der Strategien der Selbsterhaltung des Adels als Sophistokratie, des Kampfes wider seine Entsubstanzialisierung vor entsicherter Ständegesellschaft, so daß dem Band zu wünschen ist, daß er a conto seiner Mannigfaltigkeit in den Ansätzen und Erkenntnissen zahlreiche Rezipierende findet. Diese Rezension stammt von Dr. Claus Heinrich Bill, M.A., B.A., und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung. Annotationen:
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