Institut Deutsche Adelsforschung
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Ferdinand von Bredows Tagebücher 1933/34 

Edition eines wichtigen Zeitzeugnisses aus Berlin

Der märkische Uradelige Ferdinand von Bredow (1884-1934) war Staatssekretär unter Schleicher am Ende der Weimarer Republik  und stand bisher kaum im Fokus der geschichtswissenschaftlichen Forschung, die mehr Interesse am Reichskanzler gezeigt hatte. Wer jedoch die politische Entwicklung hin zu Hitler verstehen will, muß auch in der zweiten und dritten Riege des führenden Personals der ersten deutschen Demokratie schauen  und kann tiefer blicken. Möglich wird dies nun aus einem interessanten Blickwinkel durch die jüngst erschienene Edition der Tagebuchnotizen und täglichen Aufzeichnungen, die Bredow in einer kritischen Sattelzeit hin zum Nationalsozialismus anfertigte. 

Irene Strenge hat diese Edition umsichtsvoll und kenntnisreich besorgt, das Original stammt aus der Bredowschen Familie. Erschienen ist Strenges paperbackgebundenes Buch jüngst unter dem Titel „Ferdinand von Bredow. Notizen vom 20.2.1933 bis 31.12.1933. Tägliche Aufzeichnungen vom 1.1.1934 bis 28.6.1934“ als Band XXXIX. der Schriftenreihe „Zeitgeschichtliche Forschungen“ im Berliner Verlag Duncker & Humblot (2009) unter der ISBN-Nummer 978-3-428-12960-7. Beziehbar ist es im Buchhandel für den Preis von 38,00 Euro.

 Auch wenn die Lesenden keine sensationellen Neubewertungen der letzten Monate vor der Kanzlerschaft Hitlers erfahren, so ist doch Bredows oft ambivalentes Verhältnis zum Nationalsozialismus bezeichnend für einen Großteil der Haltung des Adels zur Ideologie des Dritten Reiches. Bredow unterschied die „Radikalinskis“ in der NSDAP von den „Gutwilligen“, ließ sich blenden vom nationalen Anspruch der Partei und ihrer Führer, die der immer noch konservativ-kaisertreue Bredow für ausbaufähig hielt. Auch Bredow unterlag dem Mißverständnis, die NSDAP und die NS-Bewegung werde sich schon zähmen lassen, wie es auch Hugenberg dachte. Ein freilich fatales Mißverständnis mit Folgen, nicht nur für das Reich, auch für Bredow selbst: 

Er wurde Opfer des sogenannten „Röhmputsches“ und 1934 ermordet; seine Aufzeichnungen enden zwei Tage vor seinem gewaltsamen Tod durch Erschießen. Insofern sind Bredows innere Gedanken, die ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, eine ehrliche Autopsie der oft schwankenden Haltung, die auch die Sozialgruppe des ehemaligen deutschen Adels und mit ihr die Deutsche Adelsgenossenschaft in diesen Jahren prägte, wie dies auch die Kontroversen im Adelsblatt zeigen. Strenges 259seitige Arbeit an diesem privaten Fund, ergänzt übrigens um einen guten Anmerkungsapparat zur Erläuterung vieler Interna, eine Biographie und ein Personenregister, kann also wesentlich dazu beitragen, die Innenperspektive eines Regierungsbeteiligten und die Denkungsart und Mentalität eines Mitgliedes des inneren Zirkels unter Schleicher aufzuklären.

Diese Rezension stammt von Claus Heinrich Bill (2009)
 


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