Das Schlossmuseum Bothmer in Klütz in Nordwestmecklenburg
Ein Museum barocker Gentilhommerie-Baulust im 18. Jahrhundert
Die mecklenburg-vorpommersche Schlösserverwaltung, in den 1990er
Jahren begründet, [1] hat in den 2000er Jahren nach umfangreichen
Restaurierungsarbeiten mehrere Schlösser als Museen für den Besuchendenverkehr
geöffnet, [2] so unter anderem Schloß Mirow ab 2014 [3] und
Schloß Bothmer bei Klütz 2015. [4] Bothmer, auf sumpfigem Grund
errichtet und daher stets vom Absacken in den Baugrund gefährdet gewesen,
[5] wurde unter anderem erstmals mit Betonfundamenten unterbaut, aber innen
wurden auch die Wandvertäfelungen restauriert und ein Rundgang eingerichtet.
Erbaut in den Jahren 1726 bis 1732, [6] hatte der Auftraggeber, Johann
Caspar Graf v.Bothmer (1656-1732), [7] sein Bauwerk nie persönlich
gesehen; er hielt sich ohnehin weitgehend in London als Minister der Deutschen
Kanzlei auf, wo er auch verstarb. [8] Betreffend seinen Übergang vom
Leben zum Tod merkten die zeitgenössischen Zeitungen an, daß
er zu Beginn des Monats Januar 1732 „in seinem Haus am Sankt James-Park
gefährlich krank“ darnieder lag. [9]
Mitte desselben Monats hieß es bereits, hier unter Verkennung
seines Adelsranges: „Der Baron v.Bothmar, erster Minister des Königs
für die Hannoverschen Angelegenheiten, befindet sich weiter sehr schlecht
und da der Herr bereits über 80 Jahre alt ist,“ wäre an seiner
gesundheitlichen Wiederherstellung zu zweifeln.“ [10] Bald darauf dann
trat der Tod am 6. Februar 1732 ein; abweichend davon meldete man jedoch
teils mit anderem Datum, Graf v.Bothmar sei nach „langwierigem Siechtum
und im Altertum von 84 Jahren“ verblichen; er habe zudem die letzten 20
Jahre seines Lebens in England verbracht. [11]
Wenig später wurden dann Details sowohl zum Abtransport seiner
sterblichen Überreste als auch zu seinem Vermögen bekannt: „Die
Leiche des Grafen Bothmer“, berichtete dazu ein Anonymus (1732), „ist einbalsamiert
worden und nach Mecklenburg, seinem Vaterland, [12] transportiert worden.
Man sagt, das der Nachlaß dieses Herrn mehr als 350.000 Pfund Sterling
betrage“, er hinterließ sowohl englische wie ausländische Fonds
und allein sein Silber sei 15.000 Pfund Sterling wert gewesen. [13]
Ein Teil des Silbers wurde später, im Juli 1732, an einen Silberschmied
verkauft. [14] Zu diesem Zeitpunkt hatte Bothmer, der ebenso ein „homo
politicus“ wie ein „homo faber“ war, eine internationale europäische
Politiker-Karriere hinter sich, war gesellschaftlich vom Landdrostensohn
aus Braunschweig-Lüneburg-Celle zum Diplomaten und schließlich
einflußreichen Minister aufgestiegen. Mit seinem Vater zusammen reichsseitig
1696 baronisiert und später, im Jahre 1713, gegraft, [15] war Bothmer,
vorwiegend als Diplomat in Europa tätig, hatte an der Börse spekuliert,
ausgedehnten Grundbesitz erworben, war damit wohlhabend geworden und suchte
seinen Reichtum und seinen Rang auch durch einen Herrenhausbau auszudrücken,
den er in Mecklenburg als sozialer Aufsteiger zu verwirklichen suchte.
[16]
Drinkuth (2016) unterstellt Bothmer, er hab dieses Country-House
als persönliches „steineres Andenken“ erbauen lassen, seine Brüder
aus dem Grafenstand gedrängt, sich selbst als Bauherren glorifiziert
und „ein Stück Unsterblichkeit“ individueller Art erreichen wollen.
[17] Zugleich aber gibt Drinkuth (2016) auch zu, daß Bothmer die
um Klütz gelegenen Ländereien und den Bau per Fideikommiß
und Majorat seinen Nachkommen sichern wollte, mithin nicht allein sich
selbst ein „Denkmal“ setzen wollte. [18] Insofern verstand sich Bothmer
eben nicht nur als alleiniger Heros, sondern betrachtete sich vielmehr
als Glied einer längeren Kette von Ahnen und Nachkommen, als typischer
Vertreter einer „sozialen Zeit“ der Gentilhommerie, die entschleunigter
als die „soziale Zeit“ anderer Stände in der Vormoderne ablief. [19]
In seinem Grundstreben nach Geltung entsprach er zudem lediglich den allgemeinen
sechs adeligen Mentalitätskernen, wie sie von Reif (2016) ermittelt
worden sind; dazu zählte erstens die Pflege des Erbcharismas mit dem
Prinzip der Perpetuierung der sozialen Ungleichheit, zweitens die Betonung
von Familie und Alter mit sozialer Vernetzung mit Vettern, Basen, Ahnen,
drittens der Vorranganspruch der Höherwertigkeit und der Kampf um
Distinktion, viertens die Schollenbindung im Grundbesitz, fünftens
der spezifische Herrschaftsanspruch aus Herrschen und Dienen als Reziprozität
– herrschen über Rangniedrigere und dienen den Ranghöheren –
sowie sechstens eine fluide Anpassungsfähigkeit mit Re-Inventionsstrategien
und einem Selbstdeutungswandel, den Bothmer vom bloßen Dienstadeligen
ohne Grundbindung zum Diplomaten und barocken Grundbesitzer vollzog. [20]
Dennoch ist unverkennbar, daß Bothmers Baupläne für
Mecklenburg ungewöhnlich waren. Denn das Herrenhaus war nicht wie
gewöhnlich und vergleichbare barocke Bauten geplant (wie beispielsweise
in Mirow ab 1709), sondern weit ausladender (der Baukomplex umfaßte
quer rund 200 Meter), bestehend aus einem Haupthaus und etlichen Nebengebäuden,
verbunden mit „Cornichen“ oder „Ründungen“, so daß der Eindruck
eines typisch englischen Country-Houses entstand. [21] Die so geschaffene
Anlage war daher nicht nur ein interkulturelles Zeugnis der Baukunst, ganz
abgesehen davon, daß die Bandelwerk-Stukkaturen mit den immer wiederkehrenden
flachen Rosetten-Motiven von südeuropäischen Künstlern ausgeführt
worden waren, sondern auch ein Zeichen der Anglophilie Bothmers. Das nun
mit vielen Fachexperten restaurierte „Schloß“ bietet Rundgänge
an, individuell oder auch per Führung in Gruppen, und auch wenn keine
Möbel mehr vorhanden sind, [22] so ist der Besuch doch beeindruckend,
nicht nur durch die durchweg hölzernen und sowohl visuell als auch
auditiv und olfaktorisch wahrnehmbaren Wandverkleidungen (darunter ein
bedeutendes Marketerienkabinett mit Intarsien), sondern auch durch verschiedene
Medien; dazu zählen Animationsfilme, eine nachgebaute Portechaise,
Infotafeln und kostenfreie Audioguides.
Ferner wird auch die Perspektive der Domestikenschaft nicht ausgeblendet,
es werden Aborte ebenso gezeigt wie die schmalen Dienertreppen und Zugänge
zu den herrschaftlichen Räumen, so daß die gemeinsamen ebenso
wie getrennten Sphären deutlich werden, in denen Adelige und Nichtadelige
in einem Hause lebten. Auch ohne Mobilien, oder vielleicht gerade deswegen,
weil sich die Aufmerksamkeit auf Wände, Fenster, geschwungene Fenstersitzbänke,
Decken und Böden richten muß, ist der Rundgang empfehlenswert,
ein Besuch des Baus lohnend. Der Schlösserverwaltung ist mir ihrer
Restaurierung ein Meisterstück gelungen – und was früher als
adelige „Verschwendung“ galt, war nun, nach der Restaurierung, Kulturdenkmal
und begehbares Museumsexponat geworden, nicht zuletzt auch Denkmal vergangenen
adeligen Lebens und Lebensstils.
Der Verfasser dieses Beitrages ist Dr. phil. Claus Heinrich Bill,
M.A., M.A., B.A. (2019)
Annotationen:
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[1] = Dazu notierte wenige Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung
Helmut Caspar: Kosten für Sanierung werden geprüft – Landesregierung
erwägt Gründung einer Schlösserstiftung. Kommunen und Kreise
können die erheblichen Mittel für Ausbau und Nutzung der wertvollen
Bauten allein nicht aufbringen, in: Neue Zeit (Berlin), Ausgabe Nr. 22
vom 27. Januar 1994 , Seite 21: „Um die Bauwerke vor Schaden zu bewahren,
sie zu sanieren und zu restaurieren und sie der Würde des Ortes entsprechend
zu nutzen, denkt die Landesregierung daran, nach dem Vorbild anderer Bundesländer
eine Schlösserstiftung zu errichten. […] Das Kultusministerium denkt
an etwa zwölf Objekte für die Stiftung. Im Gespräch sind
unter anderem die Anlagen in Putbus, Hohenzieritz, Klütz (Schloß
Bothmer), Dargun, Rossewitz, Basedow, Gelbensande, Mirow oder das aus Fachwerkbauten
bestehende Jagdschloß in Friedrichsmoor bei Ludwigslust.“
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[2] = Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen
Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): Märchenhaft – Staatliche Schlösser,
Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2018,
28 (ungezählte) Seiten.
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[3] = Friederike Drinkuth: Schloss Mirow – Amtlicher Schlossführer
[sic!], herausgeben von der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und
Gärten Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin, Schwerin 2018, Seite 33.
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[4] = Friederike Drinkuth / Silke Kreibich: Schloss Bothmer – Amtlicher
Schlossführer [sic!], herausgeben von der Verwaltung der Staatlichen
Schlösser und Gärten Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin, Schwerin
2016, 80 Seiten.
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[5] = Dazu notierte Elke Kreischer: Idyllische Heimstatt für viele
alte Menschen – Aus dem Adelssitz Schloß Bothmer in Klütz wurde
ein Alterssitz, in: Neue Zeit – Zentralorgan der christlich-demokratischen
Union Deutschlands (Ost-Berlin), Ausgabe Nr. 273 vom 19. November 1981,
Seite 3 „Kreisarzt Dr. Hans-Henning Dehmel kann sich noch gut erinnern:
`Infolge von Absenkungen klafften in den Mauern zum Teil armdicke Risse,
die Zimmer waren manchmal von 12 bis 15 Personen (über) belegt, und
die Schwestern hatten täglich die `Kleinigkeit´ von 158 Öfen
zu heizen.“
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[6] = Bernd Wurlitzer: Mecklenburg-Vorpommern von der Ostseeküste
mit ihren Hansestädten und den Inseln Rügen und Usedom bis zur
Seenplatte, Köln 1996, Seite 88.
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[7] = Dazu ein Anonymus (1834): „Hans Caspar von Bothmar war 1656 geboren
und stand anfänglich in Diensten des Herzogs von Zelle, 1696 war er
churbraunschweigischer Gesandter am kaiserlichen Hofe, 1697 beim Rüßwicker
Friedens Congreß, und 1698 in Frankreich; er wurde 1705 churbraunschweigscher
Geheimer-Rath, war 1709 Gesandter im Haag und wurde 1714 kurz vor dem Tod
der Königin Anna in dieser Eigenschaft nach England geschickt. Nach
Antritt der Regierung Königs Georg I. wurde er zum dirigi[e]renden
Minister der hannöverschen Angelegenheiten in London ernannt, und
1727 zum hannöverschen Premier-Minister. Er starb zu London am 6.
Februar 1732, und war 1715 in des heiligen Römischen Reichs Grafenstand
erhoben worden.“ – Zitiert nach Nomen Nescio: Leben und Denkwürdigkeiten
Johann Mathias Reichsgrafen von der Schulenburg, Erbherrn auf Emden und
Delitz, Feldmarschalls in Diensten der Republik Venedig, Band 1, Leipzig
1834, Seite 50-51.
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[8] = Richtigerweise bemerkte ein Anonymus (1975), daß das Herrenhaus
nicht von, sondern für Bothmer erbaut worden sei; so schrieb Nomen
Nescio: Im Objektiv – Sehenswertes unserer Heimat, in: Neue Zeit – Zentralorgan
der christlich-demokratischen Union Deutschlands (Ost-Berlin), Ausgabe
Nr. 145 vom 21. Juni 1975, Seite 7: „Einst für den Grafen Bothmer
erbaut wurde das Barockschloß in Klütz, Kreis Grevesmühlen,
zwischen 1726 und 1732. Das Bauwerk von Johann F. Künnecke ist jetzt
Kreisfeierabendheim. Umgeben von einem Wassergraben und dem weiten Landschaftspark,
läßt die Schloßarchitektur das englische Vorbild erkennen.
Für die Ausstattung der Innenräume wurden, wie oft in jener Zeit,
italienische Künstler herangezogen. Den Schmuck an der Fassade und
in den Räumen schuf der Bildhauer Andrea Maiani.“
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[9] = In S´Gravenhaegse Woensdaegse Courant (Den Haag), Ausgabe
Nr. 2 vom 9. Januar 1732, Seite 2, hieß es: „De Graef van Bothmar
legt aen zyn huys in´t park van St. James, zeer gevaerlyk krank.“
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[10] = Übersetzung aus dem Leydse Maandagse Courant (Leyden),
Ausgabe Nr. 9 vom 18. Januar 1732, Seite 1; im Original: „De Baron van
Bothmar, eerste Minister des Konings tot de Zaaken van Hanover, bevind
zich by continuatie zeer kwaalyk, en vermits dien Heer bereids meer dan
80 Jaaren oud is, heeft men Reeden aan zyn herstelling te twyffelen.“
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[11] = Dies notierte der Amsterdamse Donderdaegse Courant (Amsterdam),
Ausgabe Nr. 20 vom 14. Februar 1732, Seite 1: „Dien zelve dag [8.2.] stierfde
Graef van Bothmar, eerste Minister voor de zaken varn Keurvorstendom Hanover,
na een langdurige ziekte en in den ouderdom van 84 jaren, hebbende in Engeland
over de 20 jaren geresideerd.“
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[12] = Dies entsprach den überprüfbaren Tatsächlichkeiten
nicht, da Bothmer aus Braunschweig-Lüneburg-Celle stammte und nicht
aus Mecklenburg (Georg Schnath: Bothmer, Johann Kaspar Reichsgraf von,
in: Neue Deutsche Biographie, Band 2, Berlin 1955, Seite 488-489). Gleichwohl
ist gerade an dieser „fälschlichen“ Angabe der niederländischen
Journalist*innen und Zeitungsbetreiber*innen erkennbar, daß die über
Bothmer im Umlauf gewesenen positiven Gerüchte als „Lobklatsch“ (so
eine Formulierung von Norbert Elias) ganz im Sinne der erwünschten
Traditionsgenesis des Erbauers von „Schloß“ Bothmer funktionierte.
Denn die fehlende Memoria in Mecklenburg wurde durch den Bau künstlich
begründet, nahm hier ihren „terminus a quo“ (Ausgangspunkt), bis sie
durch Perpetuierung und weitere familiäre Vergangenheit angereichert,
schließlich im 19. Jahrhundert und 21. Jahrhundert zu einer bleibenden
Anlagerung von Geschichtssedimenten gelangte; dieser Traditionsbildung
konnte auch die Zeit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der
profanisierenden Entwidmung und Entinnerung des Herrenhauses in der DDR,
in der eine ökonomisch-praktische Orientierung die Prestigeorientierung
verdrängen sollte, letztlich nichts anhaben. Beispielhaft für
die Entinnerungsstrategie siehe Massow (1978): „Durch einen Park mit riesigen
exotischen Bäumen, vorbei an gepflegten Blumenrabatten und seltenem
Strauchwerk führt täglich der morgendliche Spaziergang alter
Menschen in der kleinen Stadt Klütz, die im westlichsten Teil des
Ostseebezirkes gelegen ist. Es sind die jetzigen Schloßbesitzer des
großen repräsentativen Spätbarockbauwerkes der ehemaligen
Grafen von Bothmer, die an ihre Prunkbauten einen sechs Hektar großen
Park anlegen ließen. Seit fast 30 Jahren werden die Gebäude
und Anlagen von den 180 Insassen des Feierabend- und Pflegeheimes genutzt.
Feinfühlend, ruhig und geduldig gehen die 60 Mitarbeiter des Heimes
auf die Bedürfnisse der zwischen 65 und 95 Jahre alten Schloßbewohner
ein. Viele von ihnen sind auf die Hilfe jüngerer Menschen angewiesen.
Ein Seitenflügel des Schlosses wurde für sie mit großem
finanziellem und materiellem Aufwand als Pflegestation ausgebaut. Dort,
wo sich beispielsweise ehemals der Reitstall befand, findet man jetzt kleine
praktische, mit freundlichen hellen Möbeln ausgestattete und mit Blumen
geschmückte Räume, in denen die alten Menschen Tag und Nacht
von Schwestern betreut werden. Kleine Sitzecken in den Gängen sind
mit Fernsehgeräten ausgestattet. 20 Jahre wohnt Frau Elisabeth Krause
bereits im Schloß. Sie war schwer gehbehindert, als für sie
das ehemalige Besitztum der Grafen von Bothmer Heimstätte wurde. Heute
ist dank der guten medizinischen Betreuung lediglich ein Stock ihr Begleiter,
und sie freut sich jeden Abend auf den nächsten Morgen und findet
in kleinen Hilfeleistungen für andere Heimbewohner eine sinnvolle
Betätigung. `Die Gemeinschaft und die fürsorgliche Art der Ärzte,
Schwestern, Pfleger, Physiotherapeuten und vieler anderer und auch der
Heimbewohner haben mir sehr geholfen´, meint sie. Viel hat sich im
Klützer Schloß während der letzten Jahre verändert.
Eine eingebaute Zentralheizung sorgt für Wärme. Im Ehepaarhaus,
wie ein Gebäudeteil benannt wird, haben Bauarbeiter riesige, teilweise
dunkle Zimmer in einheimelnde kleine Wohnungen verwandelt, von denen man
einen weiten Blick auf den herrlich gepflegten Park hat. Etwa eine halbe
Million Mark stellt der Staat jährlich dem Feierabend- und Pflegeheim
zur Verfügung. Noch in diesem Jahr können sie in einem zum Ratskeller
gestalteten Speiseraum ihr Essen einnehmen. Danach werden weitere der insgesamt
150 Räume des Schlosses zu Pflegezimmern ausgebaut. Der große
ehemalige Ahnensaal mit seiner wertvollen Stuckdecke wird in den nächsten
Jahren restauriert werden und den Schloßbewohnern und Einwohnern
der Stadt Klütz als Kulturzentrum dienen.“ Zitiert nach Ulla Massow:
Lebensabend in barockem Prachtbau – Auf Schloß Klütz wird alles
getan, damit sich die Veteranen der Arbeit wohl und geborgen fühlen,
in: Neues Deutschland – Organ des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei
Deutschlands (Ost-Berlin), Ausgabe Nr. 177 vom 29. Juli 1978, Seite 9.
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[13] = Der Leydse Maandagse Courant (Leyden), Ausgabe Nr. 21 vom 15.
Februar 1732, Seite 1, hielt dazu fest: „Her Lyk van den Graaf van Bothmar
is gebalzemd, en staat naar het Meklenburgse, syn Vaderland, getransporteerd
worden. Men zegt, dat de Nalaatenschapp van dien overleeden Heer meer dan
350 duyzend Pond Sterl.[ing] beloopt, te weeten omtrent 80.000 P. in de
Engelse en 200 duyzend in de buytenlandse Fondsen; zyn Buffet en Zilver-Servics
word op 15.000 P. St. geschat. De Hertoginne van Kendale, welke by haar
Testament 20.000 P. Sterl. en eenige Juweelen van groote waarde aan dien
Heer gemaakt had, staat het zelve ten voordeele van een ander te veranden.“
Zum Kaufkraftvergleich: „Der Gräfin von Strafford Lust-Haus zu Morlacke
bey Richmond ist durch des Gesindes Un Vorsichtigkeit bis auf den Boden
abgebrannt und solle sich der Schaden auf 9 bis 10.000 Pfund Sterling,
belaufen. Am Freitag Abends wurde Msr. Louis de Vic, ein Frantzose so sich
einen Bruder des Maquis de Vic, eines in Frantzösischen Diensten stehenden
Officiers nennet, nebst Paul Cray den man für einen Irrländer
haltet unerachtet er sich für einen Frantzosen obwolen von Irrländischen
Eltern geborren ausgibet und Cadet unterm Regiment des Lord Clarc in Frankreich
ist, nach Neugate gebracht und zwar weilen sie eine dem Herrn Abraham Elton
zuständigen Kiste erbrochen und daraus einen Diamant-Ring 60. Pf.
Sterl. am Wehrt [...] gestohlen.“ Zitiert nach Wienerisches Diarium (Wien),
Ausgabe Nr. 71 vom 3. Septembris 1732, Seite 4.
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[14] = Der Amsterdamse Saturdaegse Courant (Amsterdam), Ausgabe Nr.
81 vom 5. Juli 1732, Seite 1, meldete diesbezüglich: „Het geheele
zilver servics van wylen den Graef van Bothmar, wierd Donderdag aen een
Zilversmit deezer stad voor 2.000 liv. sterl. verkopt.“
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[15] = Österreichisches Staatsarchiv (Allgemeines Verwaltungsarchiv),
Bestand Adelsarchiv, Reichsadelsakten, Allgemeine Reihe, Akte Nr. 41.37:
Grafenstandserteilung mit „Hoch- und Wohlgeboren”, Bewilligung der Wappenvereinigung
mit den Wappen neu zu erwerbender Güter und Herrschaften sowie Rotwachsfreiheit
für die vier Gebrüder Johann Caspar Freiherr von Bothmer (braunschweig-lüneburgischer
Gesandter bei den General-Staaten Belgiens), Friedrich Johann (Obristwachtmeister
und Obrist eines Dragonerregiments des Kurfürsten und Herzogs von
Braunschweig-Lüneburg), Julius August (braunschweig-lüneburgischer
Obrist), Ludolph Christian (holsteinisch-gottorpscher Dragoner-Oberstwachtmeister),
de dato Wien, 4. November 1713. Siehe dazu auch Landesarchiv Baden-Württemberg,
Abteilung Generallandesarchiv Karlsruhe, Bestand 72 Nr. 693: Kaiserliche
Erhebung der vier Brüder Bothmer in den Grafenstand (aus dem Lehen-
und Adelsarchiv und den kurpfälzischen Standeserhöhungen), 1715-1716.
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[16] = Man wird hier indes nicht von einem Parvenü sprechen können;
siehe dazu das Lemma „Parvenü“ bei Gerd Reinhold (Hg.): Soziologie-Lexikon,
München 4. Auflage 2000, Seite 483 sowie b) bei Karl-Heinz Hillmann:
Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 5. Auflage 2007, Seite 668.
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[17] = Friederike Drinkuth / Silke Kreibich: Schloss Bothmer – Amtlicher
Schlossführer [sic!], herausgeben von der Verwaltung der Staatlichen
Schlösser und Gärten Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin, Schwerin
2016, Seite 53-55.
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[18] = Ibidem, Seite 54-55: „Maßnahmen zur Unsterblichkeit“.
Darüber hinaus wird in dem Schloßführer (Seite 55 beim
Punkt „Majorat“) nicht erwähnt, daß bei der Fideikommißstiftung
1723 die nachgeborenen Söhne der Brüder durchaus erbberechtigt
sein sollten; es bestand daher nicht von Anfang an der Wille Bothmers,
alle anderen Nachkommen von der Sukzession auszuschließen. Zitiert
nach Nomen Nescio: Rechtliches Erachten das Erbjungfernrecht in dem Gräflich
v.Bothmerschen Fideicommisse betreffend, in: Gelehrte und gemeinnützige
Beiträge aus allen Theilen der Wissenschaften, Ausgabe Nr. 23 vom
10. Junius 1840, Seite 354. Unverkennbar jedoch ist, daß Bothmer
nach expressiver Reputation strebte. Siehe dazu Eisenegger: Identität,
Image und Reputation, in: Fröhlich (Hg): Handbuch der Public Relations,
Wiesbaden 2015, Seite 247-248; dort heißt es zur „expressiven Reputation“
in der subjektiven „Welt des Schönen“: „Im Zentrum steht die Frage,
welche emotionale Attraktivität und Authentizität vom charakteristischen
Wesen des Akteurs ausgeht.“ Dabei manifestierten sich seitens der sozialen
Umwelten (seitens der beiden Autorinnen des Schloßführers, aber
auch den Besuchenden des Bothmerschen Gebäudekomplexes) „emotionale
Geschmacksurteile […] in einer [...] affektuellen Einstellung dem Reputationsträger
gegenüber und [dies] lässt sich u.a. an Indikatoren zugestandener
bzw. abgesprochener Faszination, Attraktivität, Sympathie, Authentizität
und Einzigartigkeit ablesen.“ Zu erwähnen ist, daß diese Attraktivität
auch im 21. Jahrhundert noch bestand und fortgesetzt wurde, da Bothmer
in der aktuellen Ausstellung ab 2015 als Hauptperson behandelt wurde (seine
neun Bothmerschen Nachfolgenden werden nur in einem Raum behandelt) und
über ihn kein dezidiert negatives Gesamtbild vermittelt wurde. Obschon
es den Rezipierenden einerseits (laut Audioguide) weitgehend selbst überlassen
bleiben solle, wie sie Bothmers Handeln bewerten wollen, wird andererseits
darauf hingewiesen, „wie faszinierend und klug dieser Mann“ sei (Schlossführer,
Seite 8). Es ist Bothmer als Erbauer daher insgesamt von den Ausstellungsinitiator*innen
doch unverkennbar eine expressive Reputation zugeschrieben worden. Diese
Faszination gehe – den beiden Autorinnen zufolge – unter anderem davon
aus, daß Bothmers Wahlspruch, der auch in gekürzter Form den
Besuchenden im Mittelrisalit ebenso wie im Vestibül als Wandspruch
empfange, „Quidquid agis, prudénter agas et respice finem“ („Was
immer du tust, bedenke das Ende“) gewesen sei. Zur Herkunft dieses Wahlspruches
siehe Hermann Oesterley (Hg.): Gesta Romanorum, Berlin 1872, Seite 431.
Daß sich indes der Klützer Bau erhalten hat und heute Bothmer
ehrenvoll als Erbauer genannt wird, war durchaus keine unabdingbar eintretende
Folge eines bothmerschen Endbedenkens, der Entschluß zum Bau des
Country-Houses keine auf Jahrhunderte vorausschauende Tat. Denn „das Ende“
bestimmter Handlungen einer vergangenen Gegenwart lassen sich, da sie grundsätzlich
in der ungeschehenen Zukunft lagen, nicht vollständig bedenken; zu
viele Unsicherheiten spielten hier eine Rolle und erst aus der Rückschau
kann etwas als „vorausschauend“ deklariert werden. Insofern ist die Behauptung,
daß der „unwiderstehliche Reiz der beeindruckenden Schloßanlage
[…] seit fast 300 Jahren an ihren Auftraggeber: Hans Caspar Graf von Bothmer“
erinnere, eine selbsterfüllende Prophezeiung. Nicht allein Bothmer
wollte seien Ländereien und Bauten in Klütz an seine Familie
vererben, auch die beiden Autorinnen setzen die Traditionsbildung fort
und empfehlen sie ebenso ihren Besuchenden. Insofern sind sie mitverantwortlich
für die Erinnerungskultur, die stets nur von gegenwärtigen Träger*innen
aktualisiert werden kann. Zum gedanklichen Mitbau außenstehender
Multiplikator*innen an (auch gentilhommesken) Images siehe indes Bruno
Latour: Eine neue Soziologie der Gesellschaft – Einführung in die
Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main 2010, Seite 61. Bei den Autorinnen
des Schloßführers gilt daher ebenso wie für die Nobilität
als Gruppenbildung, daß sie erst durch aktive Memoria-Arbeit im Bewußtsein
von Rezipierenden immer wieder neu erschaffen worden ist und erschaffen
wird. Es gilt daher auch: „Quod non est in actis non est in mundo“ (was
nicht in den Akten steht, ist nicht in der Welt). Zitiert nach Meyers Großes
Konversations-Lexikon, Band 16, Leipzig 1908, Seite 531. Obschon aus der
Juristensprache stammend, kann der Spruch in eingeschränktem Maße
auch auf den Adel angewendet werden; dem voraus geht in der Gruppenbildung
jedoch noch der Glaube sozialer Umwelten des Nichtadels an „das Edle“ im
Adel, treffend formuliert bei Heinrich Heine: „Ja, mich dünkt zuweilen,
der Teufel, der Adel und die Jesuiten existi[e]ren nur so lange, als man
an sie glaubt. Vom Teufel könnten wir es wohl ganz bestimmt behaupten;
denn nur die Gläubigen haben ihn bisher gesehen. Auch in Betreff des
Adels werden wir im Laufe einiger Zeit die Erfahrung machen, daß
die bonne société aufhören wird, die bonne société
zu sein, sobald der gute Bürgersmann nicht mehr die Güte hat,
sie für die bonne société zu halten.“ Zitiert nach Heinrich
Heine: Reisebilder, Philadelphia 5. Auflage 1865, Seite 242. Die beiden
Kunsthistorikerinnen und Kuratorinnen der Klützer Ausstellung (die
in den Jahren 2010 bis 2015 erarbeitet wurde), Dr. phil. Friederike Drinkuth
und Silke Kreibich M.A., haben ihre Auffassung zu Bothmer im Haus selbst
auf den Auskunftstafeln als auch im Schloßführer daher zu verschriftlichten
Sprechakten im Bothmerschen und Heineschen Sinne gerinnen lassen.
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[19] = Dazu siehe Claus Heinrich Bill: Soziale Zeit des Adels, in:
Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte
2 – Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für
die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg 2017, Seite
8-9.
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[20] = Heinz Reif: Adeligkeit, in: Heinz Reif: Adel, Aristokratie,
Elite, Berlin 2016, Seite 324-326.
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[21] = Ähnliches gab es von der Funktion indes auch bereits früher
in anderen Gegenden, im Hochbarock, nur waren hier die „Ründungen“
nicht rund, sondern als rechteckige Verbindungsgebäude konzipiert
worden. Siehe dazu die in die Breite gezogene Anlage in Schlobitten II
von 1696 bei Carl v.Lorck: Ostpreußische Gutshäuser – Bauform
und Kulturgehalt, Kitzingen am Main 1953, Seite 31.
-
[22] = Die vielen Bewohnenden nahmen ihre Möbel jeweils mit, zudem
war im „Schloß“, wie in Mirow, in der DDR- und ersten Nachwendezeit
ein „Feierabendheim“ (Seniorenheim) unterbracht worden, um den repäsentativen
Bau vollständig zu entsymbolisieren. Zum Möbelverlust siehe auch
die Bemerkungen bei Friederike Drinkuth / Silke Kreibich: Schloss Bothmer
– Amtlicher Schlossführer [sic!], Schwerin 2016, Seite 61.
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