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Neuinterpretationen zu den bayerischen Grafen von Bogen im HochmittelalterZur Geschichte der rautenwappenstiftenden FamilieEin Teil bayerischer Identität ist das weiß-blaue Rautenmuster, das nicht nur im Landeswappen präsent ist, sondern auch im Alltag häufig sichtbar gehalten wird. Es geht zurück auf das Wappen der (zuletzt „erloschenen“) Grafen von Bogen im Hochmittelalter: „Die Grafen von Bogen beherrſchten im Baierwalde ein Gebiet, welches an Umkreis das manches jetzigen deutſchen Bundesfürſten übertrifft. Es reichte am linken Ufer der Donau von Wörth bis Hildegardsberg hinab und erſtreckte ſich nordwärts bis an die Böhmergrenze. Darin lagen viele Städte, Flecken, Klöſter und Burgen. Außerdem beſaßen die mächtigen Dynaſten am rechten Donauufer die Aemter Natternberg und Plattling, in Böhmen die großen Herrſchaften Schuttenhafen und Winterberg, in Oeſtreich die Grafſchaft Wiltberg im Boigreiche, dann beträchtliche Güter in Steiermark und Kärnthen. Was in den genannten Bezirken nicht unmittelbar zu ihrem Territorium gehörte, füllten die zahlreichen Schutzrechte aus; dieſe übten die Grafen über das Hochſtift Regensburg, dann über die Klöſter Obermünſter und St. Jakob in Regensburg, Ober- und Niederaltaich, Wiedberg, Mallersdorf, Prüfenieg. Im 12. Jahrhunderte ſtanden die Grafen an Macht und Anſehen faſt den Herzogen von Baiern gleich. Wir ſehen ſie in dieſem Zeitraume auch ganz wie Fürſten ſich benehmen. Sie hielten fürſtlichen Hofſtaat; und die alten Urkunden nennen uns Edelleute in Menge, welche bei ihnen das Amt der Truchſeſſen, Marſchälle, Mundſchenken, Küchenmeiſter etc. verwalteten. Auf den Reichstagen erſchienen die Grafen von Bogen als Lehenträger der Kaiſer und Vaſallen der Herzöge von Baiern. Dieſen, ihren Landesfürſten, leiſteten ſie die Heerfolge, aber freilich nur, wenn es ihnen beliebte. Nicht ſelten ſogar kehrten ſie ihre Waffen gegen die Herzöge, welche alle Kraft aufbieten mußten, um ſich der Angriffe dieſer übermächtigen Vaſallen zu erwehren. Im Innern ihres Gebietes ſpielten die Grafen ganz die unabhängigen Herren, geboten über Leben und Tod ihrer Unterthanen, wie ſie wollten, forderten Steuern und Abgaben, erhoben Zölle, riefen zu den Waffen, kurz übten alle Hoheitsrechte, allein das Münzrecht ausgenommen. – Baieriſche Genealogen bezeichnen die Bogener als Abkömmlinge der berühmten Grafen von Abensberg, welche ihrerſeits den Grafen von Scheyern, den Ahnen des königlichen Hauſes von Baiern, entſtammen ſollen. Hartwig war der Name des erſten geſchichtlich gekannten Grafen von Bogen. Er ſtarb 1074, 84 Jahre alt. [1] Seine Nachfolger traten durch Heirath in nahe Anverwandtſchaft mit den Königen von Ungarn, den Herzögen und Königen von Böhmen, den Herzögen von Sachſen, Kärnthen, den Markgrafen von Oeſtreich. Die in den geiſtlichen Stand traten, finden wir als Erzbiſchöfe von Mainz, Bamberg, Eichſtädt oder als Aebte angeſehener Klöſter. – Die erſten Grafen von Bogen erſcheinen in der Geſchichte als tapfere Ritter, gute Hausväter, milde Landesherren, Wohlthäter der Kirche, pflichtgetreue Schirmvögte. Namentlich leuchtet der Kriegsheld Aswin hervor, der ſich den Beinamen ‚Schrecken der Böhmen‘ erwarb. Er beſiegte die Gzechen, als ſie den Nordwald mit Raub und Mordbrand heimſuchten, in drei Feldſchlachten und trieb ſie über die Grenzen zurück. Am Alphaltersberge, wo das letzte Treffen geſchehen, hieb er mit ſeinem Schwerte in eine hochragende Tanne das Zeichen des Kreuzes, und der Baum hieß fortan ‚Graf Oswin‘s Tanne‘. Die Enkel machte die Gunſt des Glückes ſchwindeln und führte ſie zu Uebermuth und Gewaltthat. Sie beſchwerten die Unterthanen mit Abgaben, brandſchatzten die Klöſter, deren Schirmherren ſie waren, und ließen ſelten das Schwert in der Scheide ruhen. Beſonders lebte Albert III., der Wilde, in beſtändiger Fehde mit ſeinen Nachbarn. Gegen die Grafen von Ortenburg, denen Herzog Ludwig von Baiern zur Seite ſtand, rief er die Böhmen zu Hülfe, und es entbrannte ein verderblicher Krieg, der alles Land zwiſchen Donau und Inn in eine Wüſte verwandelte. Den Gräuel zu enden, traf Kaiſer Heinrich VI. zu Regensburg ein und gebot Landfrieden. Er hielt Gericht. Albert, der Anſtifter des Unheils, ward mit der Reichsacht belegt. Er mußte nach Apulien flüchten. Später wieder begnadigt, wallfahrtete er 1197 zum heiligen Grabe, aber kaum von dort zurückgekehrt, griff er aufs Neue die verhaßten Ortenburger an. Da nahm ihm 1198 der Tod das Schwert aus der Hand und bettete den ſo lange ruheloſen Mann in die ſtille Gruft ſeiner Väter. Seine junge, mit allen Reizen und Tugenden ihres Geſchlechts geſchmückte Witwe Ludmilla, die Tochter des Königs Friedrich von Böhmen, ſchritt im J.[ahre] 1204 zur zweiten Ehe mit dem Herzoge Ludwig von Baiern. Es wird erzählt, dass dieſer von Landau an der Iſar oft gen Bogen ritt, um mit der ſchönen Frau zu koſen. Aber züchtig und ehrbar widerſtand ſie ſeinem Ungeſtüm, bis er [ihr die] Ehe verſprach. Dazu brachte ſie ihn alſo. Sie ließ drei Ritter an die Tapeten des Gemachs malen und verbarg, wie ſie eines Tages den Herzog herbeireiten ſah, drei lebende Ritter hinter der Schilderei. Als nun Ludwig um den Sold treuer Minne flehte, wies ſie auf das Bild und ſagte: ‚Gelobt mir die Ehe vor dieſen drei Männern.‘ Willig that es Ludwig; aber kaum war der Schwur über ſeine Lippen, ſo fiel die Tapete nieder und die drei Ritter ſtanden als lebendige Zeugen da. Voll Unmuthes, überliſtet zu ſein, ritt der Herzog augenblicklich von dannen und kehrte ein volles Jahr nicht wieder. Doch die Liebe überwand allgemach den Zorn. Er brachte Ludmillen als ſeine Hausfrau nach Kelheim und zeugte mit ihr Söhne und Töchter. Der letzte Graf von Bogen, Albert IV., ein unruhiger Kopf wie ſein Vater Albert III., ſtarb im J.[ahre] 1242, ohne mit ſeiner Gemahlin, Richizza von Dillingen, Nachkommen erzielt zu haben. Die Grafſchaft Bogen fiel ſeinem Halbbruder von mütterlicher Seite, dem Herzoge Otto von Baiern zu.“2 So wurde in kurzen Sätzen Aufstieg, Abenteuer und Niedergang der Grafen von Bogen umrissen. Auch wenn es sich hierbei um eine romantisierende Schilderung handelte, wurde doch auf die Grafen von Bogen im Laufe der Zeiten und in den Forschungen immer wieder Bezug genommen. Noch im Oktober 2024 fragte sich ein Vortragsredner, „ob die Grafen von Bogen nur ein ‚kleiner Waidler-Adel‘ oder eine mächtige Dynastie im Donauraum“ gewesen seien. Er kam dann zu dem Schluß, daß sie „durch Gebietserweiterungen, Heirat und Mauteinnahmen [...] mehr und mehr zu Besitz und Reichtum“ gekommen seien, „was ihnen auch den Aufstieg unter die damals bedeutenden Adelsgeschlechter beschert“ habe; mithin seien sie letztlich eben doch nicht als „kleiner Waidler-Adel“ einzustufen. [3] Hierzu ist nun jüngst 2024 eine neue Monographie erschienen. Sie trägt den Titel „Die Grafen von Bogen. Besitz, Rechte und Gefolge einer Adelsfamilie im bayerischen Hochmittelalter“, stammt – eingereicht als Inaugural-Dissertation an der bayerischen Ludwig-Maximilian-Universität zu München – von Maximilian Slowioczek, ist in Hardcoverbindung im Regensburger Verlag von Friedrich Pustet unter der internationalen Standardbuchnummer „978-3-7917-3481-1“ erschienen und um den Preis von 39,00 € im analogen wie virtuellen Buchhandel beziehbar. Die 296 Seiten umfassende Schrift wird gründlich bezüglich der Quellenlage aufgearbeitet; Urkunden und Traditionsbücher sind hier in erster Linie zu nennen (Seite 9-13). Der Forschungsstand wird vom Verfasser als überschaubar skizziert (Seite 13-16), auch teils als veraltet (Seite 16). Indes fehlen Literaturpositionen leider im Literaturverzeichnis (Seite 285-294), obschon sie einschlägig gewesen wären. Dazu gehört auf Seite 285 im Literaturverzeichnis die Leerstelle zum Aufsatz von Hans Agsteiner über „Eifrige Kreuzzugsteilnehmer. Die Grafen von Bogen als Kreuzritter. Kreuzzugsideal dieses mächtigen Grafengeschlechts“, in: Allgemeine Laber Zeitung (Geiselhöring), Ausgabe vom 31. Juli 2024, Seite 16. Auch fehlt auf Seite 285-286 der Artikel von Veronika Bartová: Die Herrschaft der Grafen von Bogen im Raum von Schüttenhofen, das Kloster Niederaltaich und Sankt Maurenzen, abgedruckt in den Deggendorfer Geschichtsblättern in deren kombinierten Band XXXII/XXXIII von 2010/11 auf den Seiten 97-127. Ebenso sind Hans Neueders schriftliche Überlegungen zu „Bogenberg, Grafen von Windberg-Bogen und Karl Böhm, in der von Ludwig Husty 2009 herausgegebenen Gedenkschrift für Karl Böhm mit dem Titel „Zwischen Münchshöfen und Windberg“ auf den dortigen Seiten 5-10 im Literaturverzeichnis bei Slowioczek auf dessen Seite 291 nicht enthalten. Verwunderlich ist fernerhin, dass auf Seite 291 der Aufsatz „Der Reitersporn eines Grafen von Bogen“ von Werner Perlinger, publiziert im Jahrbuch des Historischen Vereins Furth im Wald in Band XIII von 2008 auf den dortigen Seiten 12-20 nicht aufgeführt worden ist, obschon der Artikel 2007 auch noch in dem Periodikum der „Oberpfälzer Heimat“ in Band LI auf den Seiten 137-145 erschienen war. Unklar bleibt fernerhin, wieso der Verfasser den Ansatz von Diana Stock-Megies mit dem Titel „Die Grafen von Bogen und Ortenburg, Passauer Bischöfe und Wittelsbacher Herzöge. Mächtige Konkurrenten im Donauraum in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Schwinden der Adelsvielfalt und Ausdehnung des bayerischen Territorialstaates“ von 2006 unbenützt ließ, der im Bande XLVIII des Passauer Jahrbuchs auf Seite 37-56 erschienen ist; er läßt sich im Literaturverzeichnis ebenso ergebnislos suchen wie der Beitrag von Michael Wellenhofer zum Thema „In Mainstorf war ein Hof des Grafen. Ein Rodungshof der Grafen von Bogen. Urkundlich fast 700 Jahre bezeugt“, welcher im Jahre 2000 in der Zeitschrift „Der Bayerwald“ im Bande XCII im Heft Nummer 2 auf Seite 27-31 erschienen war. Daß der 1999 in Windberg erschienene Aufsatz „Die Anfänge der Grafen von Bogen-Windberg. Studientagung zum 850. Todestag des Grafen Albrecht I.“ von Simeon Rupprecht nicht bedacht worden ist, ist ebenfalls bedauerlich. Überdies wurde leider Brigitte Pfeils Ausarbeitung „Walther von der Vogelweide, der Tannhäuser und der Bogener. Zur Bedeutung der bayerischen Grafen von Bogen als Kunstförderer“ von 1998, einst publiziert in der Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur im Bande CXXVII auf den Seiten 26-44, nicht benützt; auch sie ist im Literaturverzeichnis auf Seite 291 beim Buchstaben „P“ zwischen den Autor:innennamen „Perlinger“ und „Pflefka“ nicht zu ermitteln. Bei den schon erwähnten Versäumnissen im Forschungsstand bleibt es indes nicht, da im Literaturverzeichnis auf Seite 289 auch Friedrich Wilhelm Leitners Aufsatz „Zum Kärntner Besitz der Grafen von Bogen“ von 1988, publiziert in „Die Kärntner Landsmannschaft“ im Bande X auf den Seiten 3-8, nicht zu finden ist. Werner Perlingers Beitrag „9. April 1086. Die Schenkung von ‚Vurte‘ an die Vögte von Regensburg, den späteren Grafen von Bogen. Vortrag, gehalten am 19. Juli 1986“, abgedruckt im Jahrbuch des Historischen Vereins Furth im Wald und Umgebung, Band II (1986) auf den Seiten 5-21, ist ebenfalls nicht verwendet worden. Weiters vermißt man Wilhelm Finks Beitrag „Zur Frage der Ahnen der Grafen von Windberg-Bogen“ von 1960, der im Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing im Band LXIII auf den Seiten 23-37 erschienen war. Ferner wurde der Artikel „Kärntnerische Vorfahren der Grafen von Bogen?“, gleichfalls von Wilhelm Fink, veröffentlicht im Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing im Bande LXII von 1959 auf den Seiten 26-31 zum aktuellen Werk nicht herangezogen. Da in diesem Ausmaße relevante Literatur fehlt, ist es nicht verwunderlich, dass auch Franz Tyrollers Artikel „Bogen, Grafen von“ in der Neuen Deutschen Biographie von 1955 im Band II auf Seite 415 keine Aufnahme fand, auch wenn es sich hierbei, zugegebenermaßen, nur um eine ältere Zusammenschau handelt. Zu bemängeln ist es weiter, dass man vergeblich eine Verwendung von Benedikt Braunmüllers Ausführungen zum Thema „Beiträge zur Geschichte des östlichen Donaugaues und der Grafen von Bogen, erschienen als Monographie in Landshut 1875, im Literaturverzeichnis sucht. Die Reihe der Nichtberücksichtigungen läßt sich bedauerlicherweise weiter fortsetzen, denn es fehlen auch „Die lobsamen Grafen von Bogen“ von Benedikt Braunmüller, die 1874 in den „Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern“ im Bande XVIII auf den Seiten 87-146 erschienen sind. An älterer Literatur, mit der man sich hätte auseinandersetzen können, sind auch Benedikt Braunmüllers „Beiträge zur Geschichte des östlichen Donaugaues und der Grafen von Bogen, von 1873/74, nicht erwähnt worden; sie fehlen gleichsam im Literaturverzeichnis auf Seite 286 des vorgestellten Bandes. Auch das Fehlen von Gottlieb Freiherr von Ankershofens Aufsatz „Zur Geschichte und Genealogie der Grafen von Bogen, der 1852 im Wiener „Notizenblatt. Beilage zum Archiv für Österreichische Geschichte“ in Band II auf den Seiten 211-213 publiziert wurde, konstatieren. Max Lachners „Die Wittelsbacher als Nachfolger der Grafen von Bogen“ im 1999 veröffentlichten Sammelband des Erasmus-Grasser-Gymnasiums zu München namens „Hoch und niedrig. Menschen in Bayern“ auf den Seiten 25-29 läßt sich gleichfalls im Literaturverzeichnis des Verfassenden auf dessen Seite 289 vergeblich suchen. Die fehlenden Positionen lassen demnach einen Forschungsstandsmangel erkennen. Der Verfasser konstatiert nun, daß „nur, wenn im Detail bereits sauber gearbeitet wurde (Seite 278), aus vergleichenden Studien „saubere Schlüsse“ (Seite 278) zu ziehen seien, hält sich daran aber bedauerlicherweise nicht im vollsten Umfang. Direkt zu widersprechen ist dem Verfasser jedoch in dessen Aussage, dass durch künftige Forschungen „ein möglichst akkurates, flächendeckendes Bild der hochmittelalterlichen Adelslandschaft, gezeichnet mit den wissenschaftlichen Standards des 21. Jahrhunderts“ (Seite 278) erreicht werden sollte. Dabei läßt der Verfasser außer Acht, dass es mehrere „Bilder“ geben kann, je nach theoretischer Sichtweise und methodischem Vorgehen und nicht „ein akkurates“ Bild, zumal die Frage offen bleibt, wer darüber bestimmen wollte, was denn dieses „eine akkurate“ Bild sein sollte. Der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Forschung wäre indes die Umsetzung solch einer Forderung abträglich. Allerdings ist inhaltlich nun jedoch grundsätzlich von Interesse, welche Fragestellungen sich beim Verfasser aus der Rezeption der von ihm herangezogenen Forschung ergeben haben. Dazu notierte er, es müsse ein Erkenntnisinteresse formuliert werden, zu dem einerseits genügend Quellen vorlägen und andererseits auch ein Mehrwert für die Forschung möglich sei (Seite 16). Daraus ergab sich, daß durchaus nachvollziehbarer Weise schon häufiger gestellte Fragen nach der Genealogie nicht im Vordergrunde standen, sehr wohl aber ein Interesse an den drei Aspekten von Besitz, Rechten und Gefolgen ebenso möglich wie sinnvoll sei (Seite 17). Indes fehlt in der Einleitung bemerkenswerterweise jede Bemerkung zur theoretischen Sicht und zum methodischen Weg, so dass unklar bleibt, von welcher Warte aus der Verfasser eigentlich agiert und wie er sein Vorgehen bewerkstelligt haben will. Es ist dieser Umstand umso erstaunlicher, als es sich um eine Dissertation handelt, die gemeinhin auf derlei Vorbemerkungen und Reflexionen des eigenen Standpunktes nicht verzichten kann. Dies läßt nur den Schluß zu, dass diese beiden Teile nicht in die Druckfassung integriert worden sind.4 Als Mangel ist dieses Verfahren in diesem wie jenem Falle zu beurteilen, da keine Transparenz über Perspektive und Vorgehen zur Erlangung der erwünschten Erkenntnisse offengelegt wird, mithin nicht nachvollziehbar ist, wie der Verfasser eigentlich gearbeitet hat; auch fehlt ein heuristisches Protokoll, um zu sehen, wie der Verfasser an seine Quellen und die Sekundärliteratur gelangt ist.5 Dennoch ist im Verlauf der Analyse der Quellenbestand mit insgesamt 1809 Fußnoten dicht, immer wieder setzt sich der Verfasser auch mit den (von ihm freilich selektiv ausgewählten) Forschungsergebnissen intensiv auseinander, rekurriert auf diese, betrachtet sie jedoch lobenswerterweise auch kritisch (beispielsweise auf Seite 145, 231, 233, 260). Er argumentiert insgesamt bei seinen Ausführungen mit endgültigen Auffassungen zurückhaltend, hat einige bisher getätigte Forschungsergebnisse nicht bestätigen können; erläutert dazu gut seine Begründungen (so exemplarisch auf Seite 277). Positiv ist fernerhin anzumerken, dass der Verfasser neben historiographischen auch archäologische Erkenntnisse und Forschungen mit einbezieht (beispielsweise auf Seite 94), mithin interdisziplinär Anleihen gesucht und integriert hat. Der Analyseverlauf wird zudem überzeugend und in gelungener Manier über die drei großen Hauptkapitel der genealogischen Grundlagen und des Grafentitels, der Abklärung des geographischen Herrschaftsraumes und der Schilderung des Prozesses von Herrschaftsaufbau und -organisation entfaltet. Dabei werden die Ursprünge der Grafen v.Bogen noch einmal kritisch geprüft, auch gibt es auf den Seiten 20-33 zusätzliche Bemerkungen über weitere Adelsfamilien des Untersuchungsraumes. Der Rekonstruktion von Allodien, Lehen und Vogteien, die im Besitz der Bogener waren, wird breiter Raum gegeben, den diversifizierten Vermögenserhaltungsstrategien wie Kauf, Erheiratung, Erbe, Tausch sowie Waldrodung (eine spezielle bayerische Art der Landgewinnung mit dem Nebeneffekt der Erlangung von Weideland sowie wichtiger Brennholz- und Baumaterialgewinnung) wird erfreulicherweise ausführlich nachgegangen (Seite 253-269). Ministerialität und Hofämtern bei den Bogenern (während sie selbst gemäß Seite 263-265 in keinen Hofämtern bei Höherrangigen nachweisbar waren), Kernräume und Streubesitz, auch außerhalb Bayerns, werden fernerhin vorgestellt. Festgestellt wird dort, daß sich die Bogener vor allem auf bayerische Kerngebiete beschränkten, durchaus aber auch Grundbesitz-Filialen in Böhmen, Kärnten und Krain besaßen (Seite 276). Vielfach bleibt zwar der Verfasser in seinem historischen Narrativ auf Vermutungen oder Schlüsse angewiesen, mangels guter Quellenlage; positiv ist aber durchweg, daß er dies stets transparent angibt (so auf Seite 276 beispielsweise), komparatistische Verfahren der Schlußfolgerung heranzieht, so exemplarisch bei der schon erwähnten Frage der Waldrodung (Seite 258-260). Insgesamt kommt der Verfasser mit seiner Studie zum Ergebnis, daß die Bogener Grafen aufgrund ihres umfangreichen Grundbesitzes in der Kernregion im bayerischen Wald eine wirkungsvolle und breite Basis ihrer Herrschaft besaßen. Sie erhoben zudem den Anspruch, zu den höheren Adelsgeschlechtern zu gehören, ihnen gelang aber nicht der Sprung in den Fürstenstand, nicht einmal in fürstliche Konnubien: Sie blieben damit, bis sie, wie oben angeführt, recht früh im Mannesstamme erloschen, eine hochmittelalterlich verwandtschaftlich organisierte Personengemeinschaft, die sich aus Nachgeborenensicht als Familie in einer Zwischenstellung charakterisieren läßt, ähnlich wie die Grafen v.Hals (Seite 278), aber nicht wie die letztendlich machtbeziehentlich erfolgreicheren Wittelsbacher. Dies hat der Verfasser detailreich und mit myrioramatischen Quellenbelegen versehen tiefgehend und abgewogen herausgearbeitet, auch wenn die breit gefächerte Forschungslage noch ein wenig ausführlicher hätte rezipiert werden können. Diese Rezension stammt von Dr. Dr. Claus Heinrich Bill (März 2025) und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung. Zu den Annotationen: 1 = Die aktuelle Forschung kann diesen Befund nicht bestätigen, siehe dazu den nachfolgend besprochenen Band von Slowioczek. Letzterer hält die württembergische Luitgard für die älteste feststellbare Ahnin der Gebrüder Grafen Berthold I. und Albert I. von Bogen (Seite 20). 2 = Nomen Nescio: Der Baierische Wald, in: Illustri[e]rte Zeitung, Jahrgang XVII, Ausgaben-Nummer 438 vom 22. November 1851, Seite 422. 3 = Nomen Nescio „Esch“): Kultur in der Region. „Kein kleiner Waidler-Adel“. Dr. Richard Loibl und die Bogener Grafen, in: Straubinger Tagblatt (Straubing), Ausgabe vom 16. Oktober 2024, Seite 14. Der für nichtbayerische Lesende erklärungsbedürftige bayerische Dialekt-Begriff „Waidler“ bezieht sich auf im Wald lebende Menschen. Siehe dazu Martin Müller / Nadja Imhoff: Käferkämpfe. Borkenkäfer und Landschaftskonflikte im Nationalpark Bayerischer Wald, in: Karsten Berr / Corinna Jenal (Herausgebende): Landschaftskonflikte, Wiesbaden: Springer VS 2019, Seite 316. 4 = Zum möglicherweise verwendeten Forschungsweg siehe Norbert Furrer: Was ist Geschichte? Einführung in die historische Methode, Zürich: Chronos 2. Auflage 2007, 203 Seiten; Markus Völkel: Methode (historische), in: Stefan Jordan (Herausgebender): Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, Stuttgart: Philipp Reclam Junior 2002, Seite 211-215; Chris Lorenz: Konstruktion der Vergangenheit. Eine Einführung in die Geschichtstheorie, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 1997, XV und 480 Seiten (Band XII der Schriftenreihe „Beiträge zur Geschichtskultur“). 5 = Dazu siehe Claus Heinrich Bill: Zur Einführung des heuristischen Protokolls als Standard-Recherche-Nachweis für die Geschichtswissenschaft, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Folge Nr.85, Jahrgang XVIII., Sonderburg: Selbstverlag des Instituts Deutsche Adelsforschung 2015, Seite 2-21. |
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