Institut Deutsche Adelsforschung
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Bassewitzische Herrensitze und Güter in Mecklenburg

Dokumentation von Herrenhäusern zwischen dem Mittelalter und dem 20. Jahrhundert

Zur Geschichte Bassewitz‘scher Herrensitze in Mecklenburg

Die Briefkasten-Rubrik in deutschen Tageszeitungen war ein weit verbreitetes Frage-Antwortspiel zwischen Redaktion und Lesendenschaft: Lesende fragten, Redaktionen antworteten. Unter dem Stichwort „Zwei Wettende“ wurde im Hamburger Fremdenblatt in Jahrgang LXXIV in der Nummer 35 vom 11. Februar 1902 auf Seite 19 eine Notiz eingerückt, die einen Streit darüber betraf, welcher Graf v.Bassewitz welche Güter besitzen würde. Es stand dort jedenfalls zu lesen: „Ein Leser theilt uns mit: Es ist nicht ‚ein Graf Bassewitz‘, dem die Güter gehörig sind (ca. an 40 Güter), sondern es sind ca. 6 Grafen Bassewitz, denen die Güter gehören, bald Diesen, bald Jenen. Sämmtliche Graf Bassewitz'schen Güter sind ‚Fideicommiß-Güter‘ und bald gehören sie Diesen, bald Jenen; wie es durch Todesfall eben in der Erbfolge nach dem Fideicommißrecht festgestellt ist. Ich habe nicht die statistische Nachweisung zur Hand, daß ich die einzelnen Namen und dessen ihm ‚zur Zeit‘ gehörige Güter, speciell namhaft machen kann; nur eines will ich noch bemerken, daß die Grafen Bassewitz die Reichbegütertsten in Mecklenburg sind.“

Die teils wohl für Zeitgenoss:innen verwirrenden Besitzverhältnisse haben indes eine späte Aufklärung gefunden. Andreas Parlow legte zu Beginn des Jahres 2024 eine neu publizierte Monographie vor, die den Titel „Einige Nachrichten über die wendische und gräfliche Familie von Bassewitz und ihre Güter“ trägt.  Erschienen als hardcovergebundenes und mit 576 Seiten recht umfängliches Werk im MFP-Verlag – dem Verlag des „Vereins für mecklenburgische Familien- und Personengeschichte“ in Warnkenhagen – mit der ISBN 978-3-946273-20-2 ist es zum Preis um 25,00 Euro beim Verlag über das Internet bestellbar. Der Titel, der auch in Fraktur auf den Buchdeckel gesetzt wurde, erinnert vom Titel her stark an Adolf Graf v.Bassewitzens Werk „Aus dem Leben des Reichsgrafen Henning Friedrich von Bassewitz mit einigen Nachrichten über die Familie Bassewitz wendischer Linie“, erschienen ohne Ort 1859 mit 240 Seiten und 2 Blatt, scheint daher in dessen Tradition zu stehen. Denn der Verfasser orientiert sich, ebenso wie die Vorgängerpublikation, ausschließlich an der wendischen „Linie“, so daß er unreflektiert hier dem Mannesstammprinzip folgt und die Familie v.Bassewitz als ein auf längere Dauer gestelltes Konstrukt und für ein familiäres Mehrgenerationen-„Haus“ hält.

Er spricht daher auch von dem „Ursprung der Familie“, als würde es eine lange ununterbrochen gedachte „natürliche“ Linie der personellen Abfolgen gegeben haben. Dies, aber auch andere Wiederaufnahmen von Bezeichnungen, die Adelige ehedem selbst benutzten, beispielsweise der Begriff der „Scholle“ für Land und Grundbesitz, machen das Werk teils zu einer adelsapologetischen Schrift, [1] die fast genauso auch von einem Angehörigen der Erinnerungsgemeinschaft des historischen Adels hätte geschrieben werden können. Dieser Eindruck bestätigt sich ferner auch durch die große Materialsammlung, die der Verfasser aus vielen Unterlagen, Dokumenten und Quellen – auch ungedruckten Archivakten vor allem aus dem Mecklenburgischen Landeshauptarchiv in der Schweriner Schackallee nahe am Landtags-Schloß – extrahiert hat, die sich nach der magisch-mythologischen „Ersterwähnung“, aber auch durch die Einstreuung von Anekdoten [2] auszeichnet; alles dies sind typische Bestandteile einer adelseigenen Erzeugung von Erinnerung durch beständiges Heben von Daten aus dem kulturellen Gedächtnis der Magazine und Tresore ins kommunikative Gedächtnis der Gegenwart. [3] Somit hat die Familie v.Bassewitz, ohne ihr anscheinend großartiges Zutun, eine neue Familiengeschichte erhalten, erfährt nebenbei eine neue diskursive Tradierung ihres Daseins, [4] eine stark verkettete Wiederaufführung situativer Adelserzeugung. [5] Die grundsätzlich eher apologetische Haltung kommt auch in Deferenz zeigenden Sätzen der Heldenverehrung zum Ausdruck, [6] etwa wenn von einem bestimmten Bassewitz geschrieben wird, dieser habe „sein Leben voller Energie und Schaffenskraft“ verbracht, er sei „sehr geachtet“ gewesen und „versuchte in peinlichster Pflichterfüllung, es allen recht zu machen“ (Seite 211).

Allerdings geht der Verfasser an einigen Stellen durchaus auch auf kritische Momente ein, so legt er eine bemerkenswerte Diskussion zwischen der Redaktion des „Gotha“ und dem Familienverband der Bassewitzens hinsichtlich der Frage der Ziehung des „mythischen Limes‘“ des Ersterwähnungsdatums, vor. [7] Hierzu war in den Gotha zunächst nach Angabe der Familie das Jahr 1254 aufgenommen worden. Mißtrauisch geworden, verlangte die Gotha-Redaktion schließlich 1913 dafür einen Nachweis, der von der Familie indes nicht erbracht werden konnte. Gesichert nachweisbar war lediglich eine Urkunde, die aus der Zeit stammte, die rund einhundert Jahre nach dem erwähnten Jahr lag.

Durch die Praxis der kommentarlosen Überschreibung wurde daher die alte Version verschleiert und entinnert. Neues Ersterwähnungsdatum – so auch der neueste Forschungsstand – war nun der 3. Oktober 1341; dieses Datum wurde als neuer „mythischer Limes“ in den Gotha von 1915 abgedruckt. Dabei ist es bis heute geblieben, auch das Adelslexikon des Genealogischen Handbuches des Adels nennt in seinem Band I (erschienen in Limburg an der Lahn im Verlag C. A. Starke im Jahre 1972), auf Seite 241 eben jenes Datum. Recherchen aus der Zeit vor 1913 lohnen sich indes, um die labile Situativität der Limesziehung zu ermitteln. So notierte in der Tat Johann Hübner in seinem Werk „Kurtze Einleitung zum zweyten Theile seiner genealogischen Tabellen“, erschienen in Leipzig beim Verlag Johann Friedrich Gleditsch 1744, auf Seite 176: „Der Stamm-Vater der heutigen Grafen ist Bernhard von Bassewitz gewesen, der An.[no] 1254 gelebet hat. Es hat sich aber dieses Haus mit Hennings zwey Söhnen in zwey Linien getheilet, die beyde noch blühen.“

Abgesehen von dem Prestige, das um dieses Datum und Jahr zur ruhmbereichernden Rezeption durch soziale Mitwelten angeboten werden konnte, [8] präsentiert der Verfasser indes eine große Fülle an Informationen, die hier gesammelt worden sind. Neben den genannten Bemerkungen über den „Ursprung der Familie“ wird auch ein nützlicher Überblick über die „wendische Linie“, deren “Aufstieg“ und „Verfall“, deren Krisen und Chancen geboten, die gräfliche Standeserhöhung von 1726 erörtert, der Wappenursprung des Keilermotivs dargestellt und die Kyritz-Knatter-Sage nacherzählt, wonach sich 1381 die erwähnte Stadt erfolgreich wider eine Bassewitzische Belagerung gewehrt habe.

Der Hauptteil jedoch (Seite 53-502) ist der Dokumentation von 47 Hauptgütern aus Bassewitzischem Besitz gewidmet. [9] Das Forschungsprogramm des Verfassers sah vor, die Güter nur dann zu beschreiben, wenn sie einmal in Bassewitzischem Besitz gewesen sind; manche der Gütergeschichten reichen daher bis 1945 (Seite 240 und 422), andere wiederum nicht so weit (bis ins Jahr 1897 auf Seite 235). Die Jetztzeit wird indes nicht einbezogen. Gleichwohl ist die Darstellung der Gütergeschichte, übrigens auch mit Einbezug der Pertinenzen, so daß die Zahl von 47 Gütern eigentlich nach oben korrigiert werden müßte, nicht allein ein familiengeschichtliches Werk zur Adelsfamilie. Obschon der „rote Faden“ immer an die Bassewitzens gebunden wird, werden doch auch etliche andere Personen erwähnt, z.B. Einwohner oder Handwerker, auch mit Abbildungen dargestellt. Vom Standpunkt der Sachliteratursortenlehre her ist das Werk daher ein Hybrid aus Bassewitzischer Genealogie, Lokalgeschichte, Herrenhaushistorie und Ortschronik. [10]

Besonderes Interesse hegt der Verfasser außerdem für die textliche wie bildliche Darstellung der Lage einzelner Gebäude und damit Raumaktanten auf den jeweiligen Gütern aus den ritterschaftlichen Brandversicherungsakten; hier werden auch vielfach Tabellen mit den genauen Abmessungen der Gebäude angeführt. Hinzu kommen Portraitfotos und Fotos der Herrenhäuser, letztere sind in der Regel vom Autor selbst auf seinen Bereisungen aktuell photographiert worden. Im Anhang findet man außerdem, nun wieder eher orientiert an einer Familiengeschichtsgattung, Listen der in den napoleonischen Kriegen, den deutschen Einigungskriegen, im ersten und zweiten Weltkrieg gefallenen Bassewitzens (Seiten 502-506), [11] eine Liste von Klosterdamen der Familie mit dem Keilerwappen (Seiten 507-517) sowie ein Bassewitzisches Testament in vollständiger Abschrift aus dem Jahre 1858 mit Bezug auf das Gut Bristow (Seiten 518-530). Ergänzend wurden dem voluminösen Band fernerhin Güterkarten (Seiten 531-540) und neben einem Literaturverzeichnis auch ein überaus hilfreiches Personennamenregister (Seiten 558-569) beigefügt, ebenso ein Ortsregister (Seiten 570-576), so daß damit auch in hinreichendem Maße für die weitere Erschließung des gesammelten reichhaltigen Materials für zukünftige Forschungen von lokalhistorisch interessierten Dritten gesorgt worden ist.

Dem eingangs erwähnten Anonymus aus dem Jahre 1902 wird man dem Eindruck nach – und nach der Lektüre des besprochenen Bandes – wohl darin zustimmen können, „daß die Grafen Bassewitz die Reichbegütertsten in Mecklenburg sind“. Aber zugleich wird man auch sagen können, nun – mit dem Parlowwerk – die seinerzeit gesuchte „Nachweisung zur Hand“ zu haben, mit der man „die einzelnen Namen und dessen ihm ‚zur Zeit‘ gehörige Güter, speciell namhaft machen kann“. Der Band enthält indes, wie gezeigt werden konnte, noch weit viel mehr als nur die bloßen Daten, mehr als nur eine bloße Nachweisung; er kann daher zur Erhellung der Bassewitzischen Gütergeschichte als Nachschlagewerk und ebenso für regional interessierte Forschende empfohlen werden, auch wenn es sich nicht um ein (geschichts-)wissenschaftlich angelegtes Werk handelt. In seinem Endzwecke scheint es daher eher der Erkenntnis über die Verwobenheit zwischen Adels- und Nichtadelsfamilien vor Ort als einer lokalen Lebensgemeinschaft zu dienen als zur Anreicherung des wissenschaftlichen Forschungsstandes. Für die Personengeschichte aber, für die Genealogie, die Familienstammkunde, der sich auch der herausgebende Selbstverlag des Vereins in struktureller Manier verschrieben hat, bietet der Band mannigfache und myrioramatische Ansätze, Inhalte und Informationen, die durch viele Arten der Recherche zusammengetragen wurden, insbesondere auch die Kärrnerarbeit von aufwendigen Archivstudien, aber eben auch durch digitale Arbeitstechniken und den Einbezug digitaler historischer Quellen. [12]

Diese Rezension erscheint zugleich gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung und stammt von Dr. Dr. Claus Heinrich Bill, M.A., M.A., M.A., B.A., B.A. (März 2024).

Annotationen:
 
1 = Dazu siehe das Lemma „Apologie (Apologetik)“ bei Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart: Kröner 5. Auflage 2007, Seite 37. – Zur „Scholle“ außerdem die vormärzliche Rezension eine Anonymus zur dreibändigen Erzählung „Paul“ von A. von Sternberg (Leipzig: Hahn 1845) in Heinrich Brockhaus (Hg.): Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig: F. A. Brockhaus), Ausgabe Nummer 196 vom 15. Juli 1846, Seite 783, wo über Adel und Kirche zwar durchaus kritisch geschrieben wird, aber eine mögliche Abschaffung des Adels keineswegs gefordert wird, so daß letztlich, wenn auch nur noch mit schwachen Argumentationen der Pfadabhängigkeit, der Adel in seiner Existenz verteidigt wird: „Beide stützen sich bekanntlich auf geschichtliches Dasein, und wie gewöhnlich wird aus dieser Thatsache auch hier das Recht der Fortdauer hergeleitet. Adel und Kirche mögen immerhin fortbestehen und sie werden das auch bei allen möglichen Umgestaltungen. Allein die Behauptung: weil Etwas schon lange bestanden hat, muß es auch fortbestehen, ist so allgemein und schwankend, daß sie im Grunde gar nichts sagt. Ein tausendjähriger Irrthum hat nicht das Recht auf eine einzige Stunde der Fortdauer. Wir lassen ihn vielleicht nur gelten, weil er sich so fest in unser Leben hineingesogen hat, daß plötzliche Ausrottung uns selbst schwer verwunden würde, oder weil die Schwäche der Pietät das Überlieferte, das Gewohnte nicht antasten mag. Was nun jenen Stand betrifft, der ursprünglich an Scholle und Schwert verwiesen war, so hat es eine Zeit gegeben, wo er fast außer der Gesellschaft stand und davon noch heute der exclusive genannt wird. Er hat erkannt, daß solche Stellung. solche Bezeichnung nicht ein Makel allein sind, sondern auch seine ganze Existenz unterwühlen. Er lenkt ein, und die Gegenwart hat die achtungswürdigsten Persönlichkeiten aufzuzählen. Allein damit ist dem Ganzen nicht geholfen, und Paul sieht in der Rückkehr zur Scholle das Mittel seiner Reorganisation. Der güterbesitzende Adel soll seine Güter wirklich besitzen, d. h. verwalten und in seiner Umgebung als Regierer und Freund dastehen. Es sollen Majorate und für die nachgeborenen Söhne Anstalten gegründet werden, die Cadettenhaus, Akademie für Künste und Wissenschaften, Asyl und Kloster zugleich sind.“ – Ferner zeitgenössisch auch Heinrich v.Wedel: Scholle und Geschlecht. Zur Charakteristik des Adels, in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang XXV, Berlin 1907, Seite 553-555; Nomen Nescio: Adel und Scholle in: Adlige Jugend. Beilage zum Deutschen Adelsblatt (Berlin), Ausgabe Nummer 9 vom 4. Juli 1931, Seite 33 (Vortrags-Berichte über Jungadelstagungen); Matiny: War der Adel schollentreu?, in: Nationalsozialistische Landpost, Folge XXXV (1938), Seite 6; Rechtsanwalt v.Schönberg: Adel und Scholle, in: Deutsches Adelsblatt (Berlin), Ausgabe Nummer 48 vom 25. November 1933, Seite 854-856; Walter Manggold: Der deutsche Adelsroman im 19. Jahrhundert, Quakenbrück 1934, III und 117 Seiten (Dissertation Universität Freiburg im Breisgau; betrifft unter anderem die „erdhafte Verbundenheit“ des Adels auf „seiner Scholle“ auf Seite 32 oben); Erich Teubner: Mönche und Ritter roden ein Land. Ein tausendjähriger Kampf um Raum und Scholle, in: Deutsches Adelsblatt (Berlin: Schlieffenverlag), Ausgabe Nummer 45 vom 3. November 1934, Seite 810-811; Winfried Wagner: Leben auf der alten Scholle. Was machen eigentlich die nach 1990 zurückgekehrten Gutsherren im Osten? Ein Fotoprojekt gibt Einblick in die Familien, ihre Pläne und was aus ihnen wurde, in: Sächsische Zeitung (Dresden), Ausgabe vom 23. Januar 2012, Seite 21; Dr. Graf v.Drechsel: Der schollenverbundene Adel Bayerns, in: Deutsches Adelsblatt (Berlin: Verlag Schlieffen), Ausgabe Nummer 15 vom 7. April 1934, Seite 259-261.

2 = Zur hohen Bedeutung von Anekdoten für aristokratisches Erzählen und zur adeligen anekdotischen Vergangenheitsbewirtschaftung siehe Radmila Švarícková Slabáková: Moral heroes or suffering persons? Ancestors in family intergenerational stories and the intersection of family and national memories, in: Journal of Family History, Band XLIV, Thousand Oaks in Californien 2019, Heft Nr. 4, Seite 431-448 (betrifft die Art der Erinnerungsbildung in „alten“ Familien und daher verschiedene Wahrnehmungen der Vorfahren; enthält die These, daß familiäre Memoria auf zwei Weisen konstruiert werde, nämlich erstens anekdotenhaft über amüsante Lebenssituationen der Ahnen, aber auch zweitens heroisch über die Erzählung von Ahnenhelden, die gegen Bedrohungen aus der Außenwelt bestanden hätten; stellt eine Theorie mit Bedeutung auch für die Erinnerungspolitiken von Adelsfamilien dar); K. Eginhard(Adolph August Bergner): Anekdoten zur Charakteristik der Vorzeit, Teil 1 (Charakteristik des Adels der Vorzeit in Anekdoten), Zwickau / Ronneberg 1804, 276 Seiten; Gregor v. Rezzori: Idiotenführer durch die deutsche Gesellschaft, Band 1 (Hochadel. Vorstoß in die gesellschaftliche Stratosphäre. Anleitungen zum Umgang mit allerhöchsten, höchsten und hohen Herrschaften), Reinbek 1962, 76 Seiten (betrifft in satirischer Weise textlich und mit Karikaturen ausgeführte Kernmerkmale des Hochadels, Namenswahl, Prinzip der eleganten Frugalität, Sprache, Wortbevorzugungen, Wortvermeidungen, Näseln, Spitznamen von Adeligen unter sich, Genealogiemoden, den Gotha als Taschenbuch, Kronenformen, Bartformen, Anekdoten, Pathos der Distanz, Hinaufheirat, Mesaillancen, Berufswahl, Graf-Bobby-Witze, Serenissimus-Geschichten, aristokratische Ironie); Monique de Saint-Martin: Die Konstruktion der adeligen Identität, in: Berliner Journal für Soziologie, Band 1, Heft Nr. 4, Berlin 1991, Seite 527-539 (betrifft Mechanismen zur Produktion des Glaubens an die Existenz des Adels a) die Wirkung des Namens, b) die Praktik scheinbar uneigennütziger Aktivitäten, und c) das „beständige Erinnern einer Vergangenheit“; Kopfzahl französischen Adels; Beliebtheit anekdotischer Narrative bei der familiären Konstruktion von Adelsbewußtsein, Entinnern als Strategie der Memoria-Auswahl; einzuordnen als früher Vorläufer des Konzeptes „un/doing nobility“); Carl Sternheim: Der Snob. Komödie in drei Aufzügen, Leipzig 1914, 99 Seiten (betrifft im satirisch-expressionistisch orientierten Werk über bürgerliche Parvenüs die Kraft der Anekdote in Adelserzählungen auf Seite 94, bringt eine Wald-Baum-Metapher für die hohe Gruppenkohäsion des Adels auf Seite 96, erläutert den Unterschied zwischen Bürgertum und Adel anhand des bloßen Verstreichens von Zeit auf Seite 45; Peter Purzelbaum (d.i. P.v.Z.): Humor im Adel, kernig und echt, in: Deutsches Adelsblatt (Berlin), Ausgabe Nummer 9 vom 22. Februar 1936, Seite 263-265 (Anekdoten, Witze); Michael Seelig: Alltagsadel. Der ehemalige ostelbische Adel in der Bundesrepublik Deutschland 1945/49-1975, Köln 2015, 591 Seiten (Dissertation Universität Marburg 2013, betrifft Infragestellung adeliger Identität nach 1945 durch Flucht und Vertreibung, Adel als Denkweise mit Innenleitung und Veralltäglichung, Adel als Lebensstil mit soziokultureller Praxis, Bedeutung von Familienchroniken, Genealogien, Anekdoten, Familientagen, Adelskorporationen und Adelsverbänden; darin auch Bemerkungen zum symbolischen Interaktionismus in Verknüpfung mit dem Adel auf Seite 430; betrifft auch die Akteur-Netzwerk-Theorie Bruno Latours auf Seite 386-387; enthält auch eine umfassende Definition des Begriffes „Erinnerungsgemeinschaft“ auf den Seiten 432-433); Nomen Nescio: Adelsgeschichte. Führung durch Geschichte der eigenen Familie, in: Sächsische Zeitung (Meißen), Ausgabe vom 18. Oktober 2023, Seite 16 (Ankündigung einer anekdotenreichen Führung von Rüdiger v.Schönberg durch die Ausstellung „Spurensuche in Sachsen. Die Familie von Schönberg in acht Jahrhunderten“ ohne allgemeinen Adels-, sondern nur mit Familienbezug). Allgemein zu Anekdoten als Erzählform siehe ferner Heinz Schlaffer: Anekdote, in: Klaus Weimar (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Band 1, Berlin: De Gruyter 2007, Seite 87-89.



3 = Dazu siehe Markus Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2. Auflage 2004, Seite 125-133.

4 = Siehe weiterführend zu dieser Thematik Monique de Saint-Martin: Die Konstruktion der adeligen Identität, in: Berliner Journal für Soziologie, Band I, Heft Nummer 4, Berlin 1991, Seite 527-539.

5 = Dazu siehe Claus Heinrich Bill: Konzept des Adelsbegriffs „Un/doing Nobility“, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 4. Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg: Selbstverlag des Instituts Deutsche Adelsforschung 2018, Seite 40-41 (Gegenentwurf zum herkömmlichen statischen Forschungsmodell „being nobility“, beispielsweise nach Monika Wienfort).

6 = Dazu siehe Claus Heinrich Bill: Zur Theorie und Praxis der Deferenz als soziohistorisches nichtadeliges Interaktionsritual gegenüber dem Adel (1/3), in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXIII., Folge Nr. 111, Sonderburg: Selbstverlag des Instituts Deutsche Adelsforschung 2020, Seite 2-52; fortgesetzt in Folge Nr. 112, Sonderburg: Selbstverlag des Instituts Deutsche Adelsforschung 2020, Seite 2-52 (Teil 2/3) und in Folge Nr. 113, Sonderburg: Selbstverlag des Instituts Deutsche Adelsforschung 2020, Seite 2-17 (Teil 3/3; betrifft nichtadelige Ehrerbietung, Adelsrespekt, Hochachtung, vorauseilende ökonomische Deferenz, institutionalisierte ökonomische Deferenz, kalkulierte ökonomische Deferenz, bauliche Deferenz, soziale Räume in Herrenhäusern und Schlössern und so weiter).

7 = Dazu siehe Gregor v.Rezzori: Idiotenführer durch die deutsche Gesellschaft, Band 2 (Adel. Aus guten Kisten und, wenn möglich, noch besseren Ställen. Wertvolle Anleitungen zu Kenntnis und Verständnis der vorbildgebenden, tonangebenden sowie schlichthin angebenden Gesellschaftsschicht), Reinbek 1962, Seite 23, 25 und 46-47; Nomen Nescio: Kultur- und Sittenbilder vom bayerischen Hofleben. Aus den Memoiren des Ritters Karl Heinrich von Lang, in: Allgemeine Zeitung am Abend (München), Nr. 124 vom 16. April 1925, Seite 5 (Auszug aus den Erinnerungen des Reichsheroldenamtsvorstehers über die Arbeit des Amtes, betreffend auch Adelsanmaßungen, als Adelsbeweise eingereichte Schneiderrechnungen, Adelsdiplomkäufe und den Versuch von Adelsfamilien, sich auf mythische Vorfahren zurückführen zu wollen).

8 = Dazu siehe grundlegend Thorstein Veblen: Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 3. Auflage 2015, 381 Seiten; Mark Eisenegger: Identität, Image und Reputation, in: Romy Fröhlich / Peter Szyszka / Günter Bentele (Hg.): Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln, Wiesbaden: Springer VS 2015, Seite 243-264; als theoretische Blaupause für eine mögliche poststrukturalistische Adelsforschung siehe fernerhin auch Frank Hillebrandt: Ereignistheorie für eine Soziologie der Praxis. Das Love and Peace Festival auf Fehmarn und die Formation der Pop-Musik, Wiesbaden / Heidelberg: Springer VS 2023, VIII und 365 Seiten (Band 17625 der Schriftenreihe „Fischer“).

9 = Besonders ausführlich wird Dalwitz auf den Seiten 128-193 geschildert, was damit zu tun haben könnte, daß der Verfasser, eigener Aussage zufolge (in Fußnote 601 auf Seite 193), dort familiäre Wurzeln mit seinen Großeltern besaß; die oberschlesische Großmutter hatte ab 1936 als Schnitterin auf Dalwitz gearbeitet und war dann dort verblieben, hatte geheiratet, Kinder bekommen.

10 = Zur Ortschronik, einer zumeist von Nichtgeschichtswissenschaftler:innen erzeugter Erinnerungsarbeit, einer chronologisch oder thematisch gegliederten Materialsammlung von Quelleneinzelfunden mit Lokalbezug und ohne fachwissenschaftlich theoretisch oder methodisch reflektierte Einordnung, zudem in ihrer Heuristik zudem oft halbklandestin gehaltene Erzählung siehe überdies Mathias Beer (Herausgeber): Das Heimatbuch. Geschichte, Methodik, Wirkung, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Unipress 2010, 341 Seiten.

11 = Bei Parlow fehlen und wurden nicht ausgewertet die an sich einschlägigen Bände a) von Alexis v.Schoenermark (Herausgeber): Helden-Gedenkmappe des deutschen Adels, Stuttgart 1921, XVI und 384 Seiten (Liste gefallener Adeliger des ersten Weltkrieges), und b) von Clemens Range: Tapferer Adel. Eine Dokumentation des Opfergangs in zwei Weltkriegen, Müllheim-Britzingen 2010, 476 Seiten (enthält Beiträge zum Verhältnis von Adel und Soldatentum, zur Vorstellung von verschiedenen Orden und Ehrenzeichen, mit 20 ausgewählten Viten von besonderen Ordensträgern und ein mehr-100-seitiges „Verzeichnis der Tapferen“, in dem 1.598 deutsche und österreichische Soldaten von Adel vorgestellt werden, jeweils mit Bildnissen, militärischen Personal- und Dienstdaten aus der Zeit des 1. und 2. Weltkrieges).

12 = Dazu siehe auch weiterführend Laura Busse / Wilfried Enderle / Rüdiger Hohls / Thomas Meyer / Jens Prellwitz / Annette Schuhmann (Hg.): Clio Guide. Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, Berlin 2. Auflage 2018 (enthält einen seinerzeit aktuellen Überblick über Volltextrecherchen in deutschsprachigen und internationalen Zeitungsarchiven zur Erschließung neuer Massenquellen; bedeutend auch für die Adelsforschung); Simons, Natasha / Richardson, Joanna: New content in digital repositories. The changing research landscape, Oxford 2013, XXV und 222 Seiten (enthält u.a. den Hinweis auf Forschungsmethoden zur Nutzung neu erschlossener Volltextdigitalisate historischer Literatur in den „Digital Humanities“), Arnold, Kerstin: Europas Kulturgut online. Die Europeana, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen / Verband Deutscher Archivarinnen und Archivare (Hg.): Archivar. Zeitschrift für Archivwesen, Jahrgang 68, Düsseldorf / Fulda 2015, Heft Nr. 1 (Februarausgabe), Seite 24-25 (Vorstellung des virtuellen Portals Europeana, das im Unterportal European Newspapers bzw. The European Library tausende von im Volltext erschlossene in Frakturschrift gedruckte europäische Zeitungen für die Recherche bereithält und als Digitalisat zur Verfügung stellt, darunter auch mit hoher Bedeutung für die Recherche nach deutschen Adelsfamilien und -personen bis 1945); Estelle Bunout / Maud Ehrmann / Frédéric Clavert (Hg.): Digitised Newspapers. A New Eldorado for Historians? Reflections on tools, methods and epistemology, Berlin / Boston 2023, VII und 439 Seiten (Band III der Reihe „Studies in digital history and hermeneutics“; bedeutsam als Erörterung der Bedeutung digitalisierter historischer Zeitungen auch für die Adelsforschung);  Christina Antenhofer / Christoph Kühberger / Arno Strohmeyer (Herausgeber): Digital Humanities in den Geschichtswissenschaften, Wien: Böhlau 2024, 670 Seiten (Aufsatzsammlung; Band 6166 der Reihe „UTB Geschichte").


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