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Gutshäuser als steinerne Zeugen des Adels im BaltikumBegleitpubliktion zu einer Wander-Ausstellung im Jahre 2020Gutshäuser waren gebaute Deferenz, [1] Stein gewordene Zeugen einer stratifikatorischen Gesellschaftsordnung, [2] Ort des Zusammenlebens einer kleinen bis größeren Gutsgemeinschaft, die die Landwirtschaft in der Umgebung betrieb, zugleich aber auch oft architektonische Kleinode, die sich eben durch ihre Bauweise und Ausstattung zu künstlerischen Objekten entwickelten [3] und einen „höheren“ Lebensstil, weniger der Pragmatik als mehr der Ästhetik gewidmet, [4] geformt in Stein, Holz, Lehm, Stoffen und Hölzern, verkörperten. Auch die Arbeiterbewegung anerkannte diesen besonderen Status von Herrenhäusern, wenn auch unter anderen Vorzeichen. [5] Daß sich die Thematik baulicher Zeugen eines elitären Landlebens weiter großem Interesse erfreut, dafür spricht nicht zuletzt eine neue Wanderausstellung „Adeliges Leben im Baltikum“, konzipiert gemeinsam vom Herder-Institut für ostmitteldeutsche Europaforschung (Marburg an der Lahn) und dem Deutschen Kulturforum östliches Europa (Potsdam). [6] Agnese Bergholde-Wolf, ihres Zeichens deutsch-lettische Kunsthistorikerin, hat die Ausstellung zu verantworten, hat den zugehörigen Begleitband mit Texten und aussagekräftigen Photographien angereichert – und unternimmt mit den Lesenden einen Parforceritt durch die Historie baltischer Adelssitze. [7] Dabei portraitiert sie Marksteine und Bauformen der gentilhommesken Geschichte von den ersten Gutshofdarstellungen des 17. Jahrhunderts, wie sie bei Adam Olearius zu finden sind, bis hin zum Schicksal verfallender und auch revitalisierter Schlösser und Herrensitze mit neuen Funktionszuweisungen im 21. Jahrhundert. Auch wenn der kleine Band sicher keine erschöpfende Herrenhausgeschichte liefern kann, allein wegen des Umfangs, so werden doch zahlreiche wichtige Stationen vorgestellt, die diese Bauten als Symbolbauten durchlebt haben. In drei größeren Abschnitten widmet sich das Büchlein der Architektur und Ausstattung im Inneren, dem Leben auf dem Gutshof mit den Arbeitenden, zuletzt der Geschichte der Herrenhäuser nach 1900 mit ihren zahlreichen Umbrüchen. So entsteht im Band, versehen mit großformatigen und eindrücklichen Fotos, ein breites Kaleidoskop baltischer Herrenhauskultur über die Zeitläufte hinweg. Hierbei werden sowohl sehr schlichte Holzbauten als auch auf aufwändig erstelle Barockbauten vorgestellt, angereichert um Grundrisse mit Raumverwendungen, die besonders aus Sicht baulicher Deferenzforschung und dem darin liegenden Spannungsverhältnis zwischen sozialer Distanz einerseits und räumlicher Nähe andererseits bedeutsam sind. [8] Auch Bauern und Bedienstete und deren Leben sowohl in Fremd- als auch in Eigensicht werden fotografisch dokumentiert, somit nicht nur der Fokus auf die adeligen Besitzendenfamilien gelegt, sondern auf die ganze(n) Gutsgemeinschaft(en). Es ist dies ein insgesamt gelungener und thematisch breit aufgestellter Band, der die gleichnamige Ausstellung begleitet, aber auch auch danach bleibend viele Impulse vermittelt, die auf künftige Forschungen befruchtend wirken kann, einmal in Bezug auf Themen, aber auch in Bezug auf mögliche Bild- und Fotoanalysen, in denen Adeligkeit auf unterschiedliche Weise inszeniert worden ist. Diese Rezension stammt von Dr. phil. Claus Heinrich Bill, M.A., M.A., B.A., und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung. Annotationen:
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