|
|||||
Start | Sitemap | Tipps | Anfragen | Publikationen | Neues | Über uns | AGB | Impressum |
|||||
|
|||||
Außenseiter im Adel und adelige AußenseiterZu neuen philosophischen Ansätzen zum Randseiterum in EssayformDie bei Argumentationen und den Versuchen, ein bestimmtes Verhalten oder Charakteristikum von Menschen einzuordnen, oft im Munde geführten „Ausnahmen von der Regel“ traten immer dann auf, wenn es Regeln gab, die eine gewisse Majorität oder zumindest durchsetzungsstarke und meinungsbildende Gemeinschaft von Ähnlichen befolgten und als „normal“ zu etablieren gedachten. Dieser fortwährende Bestimmung des Selbst und des Fremden gehörte zur gewöhnlichen individuellen und kollektiven Identitätsbildung dazu, sie erforderte beständige Identitätsarbeit durch Eingliederung der Ähnlichen und die Ausgliederung derjenigen Ähnlichen, die nach Meinung der Majorität zu unähnlich geworden waren. Dies war auch beim Adel nicht anders, traf auf ihn zu. Grünfeld (1939) hatte sogar postuliert, dass besonders der Adel kollektiv unter einer grundsätzlichen Außenseiterstellung gesehen werden konnte. Er umfaßte in der Formierungsphase der Moderne (um 1800) nach Wienfort (2006) nur 0,1 Prozent (Preußen) bis 7,5 Prozent (Polen) der europäischen Bevölkerungen, [1] stellte mithin eine verschwindend geringe Minorität dar, die aber dennoch alltäglich teils auch in denselben Räumen (Nichtorten oder dritten Orten wie Bahnhöfe, Geschäfte, Einkaufsstraßen, Händler, Straßen, Plätze) und damit vielfältigen Kontakträumen wie die übrige nichtadelige Bevölkerung sicht- und erlebbar war. Aber es gab dann innerhalb des Adels Außenseiter, die nicht dem in bestimmten Zeiten und Räumen geltenden Adelsethos und Adelshabitus entsprachen. Die Gratwanderung der Etikettierung als „Außenseiter“ war schmal, konnte zum negativ, neutral oder positiv besetzt sein. Negativ von Adelssicht aus bewertete Außenseiter waren nichtstandesgemäß handelnde Adelige (beispielsweise beruflich, privat, ehebezüglich, verhaltensbezüglich, politisch, et cetera), positiv vom Adel bewertete Adelige waren herausragende Persönlichkeiten, die adelige Werte in Reinform verkörperten (beispielsweise erfolgreiche Staatsmänner, Helden, todesmutige Offiziere, Gefallene). Daneben kannte aber auch die Mehrheitsgesellschaft positiv und negativ bewertete Adelige, so den Dandy, der teils bewundert, [2] teils pejorativiert worden ist. [3] Die teils doppelte Außenseiterstellung des Adels und einzelner Adeliger wird auch deutlich in einer Adelsanekdote aus dem Jahre 1864; sie lautete: „Vor vielen Jahren ſtudirte in Halle ein Baron v.Viereck, [4] welcher nach Beendigung ſeiner Studien von einem Oheim, der einen hohen Poſten im Miniſterio bekleidete, nach Berlin berufen worden war. Vor ſeiner Abreiſe gab er ſeinen ſämmtlichen Freunden noch einen fidelen Abſchiedsſchmaus und beſtieg nach Beendigung desſelben direkt den Wagen zur Reiſe nach Berlin. – Einige ſeiner Freunde verabredeten ſich, dem Baron einen luſtigen Studentenſtreich zu ſpielen, nahmen ebenfalls raſch einige Reiſewagen, und ſuchten auf Nebenwegen dem Wagen des Barons vorzukommen, was ihnen auch glücklich gelang. – Zu jener Zeit herrſchte noch in Berlin die Sitte, dass der wachthabende Korporal einer Thorwache die Namen der einpaſſirenden Fremden aufzeichnen mußte. Einige Tage nach Abreiſe der Studenten raſſelte eine Reiſekaleſche zum Halleſchen Thore in Berlin herein. Der dienſthabende Korporal frug nach dem Namen des Reiſenden, und erhielt die Antwort: `Baron von Eineck.´ Kaum war eine Viertelſtunde verfloſſen, ſo langte abermals ein Reiſewagen an, und der darin Sitzende erklärte, er heiße `Baron von Zweieck´, welches ſchon ein Kopfſchütteln des etwas ſauertöpfiſchen Korporals veranlaßte. – Nach Verlauf einer abermaligen Viertelſtunde ließ ſich wiederum ein Wagen blicken, und der Inhaber desſelben nannte ſich: `Baron von Dreieck.´ Mit einem donnernden Fluch erklärte der Korporal, alle guten Dinge ſeien drei; aber jetzt möge ihm kein eckiger Baron mehr kommen, ſonſt habe der Spaß ein Ende. – Kaum war wieder eine kleine Zeit verfloſſen und ein vierter Wagen hielt am Thore. Der Korporal begehrte den Namen, und erhielt zur Antwort: `Baron von Viereck.´– Das war dem Sohne des Mars zu viel. Mit einem Ruck hatte er den Baron zum Wagen heraus und übergab denſelben der Wache. Man kann ſich das Erſtaunen des überraſchten, nichts ahnenden Barons denken, während deſſen der Korporal ſtets fluchend und drohend auf- und abſchritt. – Alles Proteſtiren half nichts, Baron von Viereck wurde in Gewahrſam gebracht, bis einige Zeilen an ſeinen Oheim dieſen endlich herbeiſchafften und hiermit auch ſeine Erlöſung. Lange Zeit blieb dem Baron verborgen, wer ihm dieſen Streich geſpielt, bis die muthwilligen Freunde es ſpäter ſelbſt verriethen.“ [5] Der Korporal als Vertreter einer Mehrheitsgesellschaft trat hier ehrmindernd wider einen Vertreter einer allgemein hochgeehrten Minorität auf, ließ diesen verhaften, verletzte damit Höflichkeit und das informelle Ehrerbietungsgebot von Nichtadeligen gegen Adelige, wie sie Knigge (1788) einst treffend in „Über den Umgang mit Menschen“ beschrieben hatte. [6] Die Minderheit die „Eckbarone“ drohte in seinen Augen zu einer gefährlichen Minderheit zu werden, die die Stützen des Staates beeinträchtigen konnte. Dies veranlaßte den Hüter des Staates zum Einschreiten, um Regeln durchzusetzen und – scheinbar – diejenigen zurecht zu weisen, die diese Regeln nicht ernst genug genommen hatten. So waren die „Eckbarone“ doppelt randständig; einmal als Adelsvertreter an sich, dann aber auch speziell der Baron v.Viereck, der – wenn auch gänzlich unbeabsichtigt und auch nur als Folge eines ihm gespielten Streiches – den Staat herausgefordert hatte. Theoretisch ist indes der Außenseiter als Soziotyp bereits vielfach und unter unterschiedlichen Vorzeichen und Begriffen verhandelt worden; hinzuweisen wäre hier exemplarisch auf Stonequists Aufsatz zum „Randseiter“ bei Wilhelm Bernsdorf (Herausgebender): Wörterbuch der Soziologie, Band III, Stuttgart 2. Auflage 1977, Seite 653-655. [7] Auf diese Sozialfigur verweist nun aber auch ein neues Buch, verfaßt von dem Philosophen Ralf Konersmann, erschienen unter dem Titel „Außenseiter. Ein Essay“ beim Verlag S. Fischer in Frankfurt am Main zu Ende April des Jahres 2025. Das Werk umfaßt 160 Seiten und ist um den Preis von 28,00 Euro als hardcovergebundenes Werk im analogen wie virtuellen Buchhandel unter der ISBN „978-3-10-397629-8“ erwerbbar. Der flüssig zu lesende Text nimmt die Rezipierenden mit auf eine vor allem philosophisch geprägte Reise und verknüpft Altbekanntes oder auch Neues mit dem Thema des Außenseitertums. Das Werk gleicht damit einer Wanderung durch den Park der Randseiter:innen, der „marginal wo/man“, der Randständigen, „Sonderlinge“, den „Alsen“, [8] Devianten, Abweichenden und Peripheren, wie sie schon vielfach in der Forschung behandelt worden sind. [9] Der Verfasser fügt diesen reichhaltigen Forschungen, die er, bis auf wenige Ausnahmen, [10] bewußt nicht reichhaltig rezipiert, nun eine vergnügliche ebenso wie erkenntnisreiche gedankliche Reise hinzu. Besucht und durchschritten werden die das positive Selbstsein eines Außenseiters heraushebenden „Bekenntnisse“ (Seite 38-50) von Rosseau, das Bildnis der antiken „Schule von Athen“ (Seite 61-73), das auch den Buchumschlag ziert; angeführt werden auch das bekannte platonische Höhlengleichnis (Seite 90-96), der Cusanus´sche Laienbegriff (Seite 113-122), Montaignes Gedanken über die Gesprächskunst (Seite 122-126), Voltaires „Candide“ (Seite 130-133) oder die Verwendungen der Begriffe von „Blödigkeit“ (Seite 127-130) und „Muße“ (Seite 103-107). Dies sind innovative Bezüge und Verknüpfungen, nicht zuletzt an Eichendorffs „Taugenichts“ erinnernd, die man vielleicht nicht sofort mit einem Außenseitertum in Verbindung bringen würde und daher ein gelungenes Alleinstellungsmerkmal des Buches darstellen. Darüber hinaus sind einige treffende Aussagen in dem Buch enthalten, die das Wissen über Außenseiter bereichern, da sie bisweilen einer praxistheoretischen Perspektive der historischen Soziologie entsprechen: Außenseiter forderten demnach „das Wir“ (Seite 18) und die „Nostrozentrik“ (Seite 19) heraus, wurden nur durch gegenseitige (soll heißen: allelopoietische) Erzeugung von Gesellschaft und Individuen hervorgebracht (Seite 145), seien nicht ganz exkludiert gewesen, sondern „negativ zugehörig“ (Seite 146), seien durch ihr Anderssein von der Mehrheit besonders visibel (Seite 141), wären nicht allein vom „Wir“ bekämpft oder abgewertet worden, sondern seien teils auch bewundert worden (Seite 19-20). Nachteilig an dem Werk ist indes, dass es zu sehr auf die postmoderne Zeit abgestimmt ist. Diese Orientierung hin auf die Gegenwart reizt zu Urteilen, die eine klare Trennung zwischen „prämodern“ und „modern“ durchführen möchten. Der „Außenseiter“ als Typus, so der Grundton des Werkes, sei eine moderne Erfindung, nicht aufgekommen vor 1800 in England, nicht vor 1900 im deutschsprachigen Raum (Seite 53, 137). Derlei Angaben [11] sind historisch indes aus doppeltem Grunde weder haltbar noch sinnvoll, imaginieren sie doch einen stabilen Zustand der vormodernen Gesellschaften, die angeblich keine Randständigen gekannt haben will. Erstens gab es das Wort bereits vor 1900 im deutschsprachigen Raume, so bereits beispielsweise mindestens seit 1856 und dort bereits im heutigen Sinne, [12] zweitens gab es das Phänomen schon im Mittelalter und in der Antike. [13] Man denke nur an exkludierte Ritter. [14] Zweitens erfolgt im Buch zu sehr eine Fixierung auf das Wort und den Begriff „Außenseiter“, weniger auf das Phänomen an sich, das mit den oben beschriebenen Vokabeln in gänzlich unterschiedlichem Gewande aufschien, aber dieselbe Entität meinte. So war Grünfeld (1939) schon wesentlich weiter, spezifischer, detailreicher, indem er jeweils lösende und knüpfende Verbindungen zwischen Außenseitern und Mehrheitsgruppenbildungen behandelt hat, sowohl mit Merkmalen äußerlich beobachtbaren Verhaltens als auch invisibler innerer Einstellung, noch zudem in allen möglichen Variationen. [15] Gleichwohl kann das neue Essay zum „Außenseiter“ vor allem manche neue philosophische Anschlußstellen liefern, nicht zuletzt aus dem reichen gedanklichen Fundus des Verfassers, der ein im Ruhestand befindlicher Philosophielehrender ist. Darüber hinaus aktualisiert das Werk aber auch die Thematik für die Adelsforschung, was nicht allein für die eingangs zitierte Viereck-Anekdote galt, sondern eben auch für allerlei noch zu erforschende „social displaced persons“ der Gentilhommerie. [16] Diese Rezension stammt von Dr. Dr. Claus Heinrich Bill (April 2025) und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung. Zu den Annotationen: 1 = Monika Wienfort: Der Adel in der Moderne, Göttingen: Vandenhoeck & Rurpecht 2006, Seite 11. 2 = Hierzu siehe exemplarisch Nomen Nescio: Der letzte Dandy, in: Die Presse (Wien), Jahrgang XV, Ausgabennummer 354 vom 28. December 1862, Seite 1 (in der Rubrik „Feuilleton“). 3 = Hierzu siehe exemplarisch Nomen Nescio: Stutzer von ehemals, Dandys, Gecken und müßige Pflastertreter der Gegenwart, in: Der Wanderer im Gebiete der Kunst und Wissenschaft, Industrie und Gewerbe, Theater und Geselligkeit (Wien), Jahrgang XXVIII, Ausgabennummer 268 vom 10. November 1841, Seite 1078-1079. 4 = Zur real existierenden historischen Adelsfamilie aus mecklenburgischem Uradel, urkundlich erwähnt seit 1346 (bayerischer Freiherrenstand ab 1692), siehe Stiftung Deutsches Adelsarchiv (Herausgeberin): Adelslexikon des Genealogischen Handbuches des Adels, Band XV, Limburg an der Lahn 2004, Seite 241-242. 5 = Nomen Nescio: Baron von Viereck, in: Feldkircher Anzeiger (Feldkirchen), Ausgabennummer 48 vom 29. November 1864, Seite 188. 6 = A.[dolph] Freyherr von Knigge: Über den Umgang mit Menschen, Band II, Hannover: Schmidtsche Buchhandlung 1788, Seite 1-41 (darin das Kapitel „Über den Umgang mit den Großen der Erde, Fürsten, Vornehmen und Reichen“). 7 = Aber auch auf Wolfgang G. Müller: Detektiv, Flaneur, Dandy. Drei mythische Figuren der Stadtkultur des 19. Jahrhunderts und ihre Aktualität, Marburg an der Lahn 2013, 54 Seiten (Band VIII der Reihe „Uni im Café“ der Neuen Literarischen Gesellschaft Marburg betrifft die Aristokratisierung bürgerlicher Lebenskultur). 8 = Gemeint sind hier Wahrnehmungen von Adeligen, die nicht standesgemäßes Verhalten zeigten und in der Presse der sie umgebenden Mehrheitsgesellschaft oft mit dem Wort „als“ gekennzeichnet worden sind; siehe dazu Claus Heinrich Bill: „Eine gräfliche Schönheit als Ladenmädel “ Inkonsistenz adeliger Rollen in der Formierungsphase der Moderne (1/3), in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXIV, Folge Nr. 115, Sonderburg 2021, Seite 39-52; Claus Heinrich Bill: „Eine gräfliche Schönheit als Ladenmädel “ Inkonsistenz adeliger Rollen in der Formierungsphase der Moderne (2/3), in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXIV, Folge Nr. 116, Sonderburg 2021, Seite 2-52; Claus Heinrich Bill: „Eine gräfliche Schönheit als Ladenmädel“ Inkonsistenz adeliger Rollen in der Formierungsphase der Moderne (3/3), in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXIV, Folge Nr. 117, Sonderburg 2021, Seite 2-21. 9 = Siehe dazu beispielsweise Norbert Elias / John L. Scotson: The established and the outsiders. A sociological enquiry into community problems, London: Frank Cass & Co 1965, XI und 199 Seiten. 10 = Dazu zählt aus soziologischer Perspektive die klassische Studie von Howard S. Becker: Outsiders. Studies in the sociology of deviance, New York: Free Press 1973, VIII und 215 Seiten. 11 = Es erinnert diese Orientierung sehr an den Duktus des Werkes von Stephan Porombka (Felix Krulls Erben. Die Geschichte der Hochstapelei im 20. Jahrhundert, Berlin: Bostelmann & Siebenhaar 2001, 208 Seiten), das leider ebenfalls einen überbetonten Gegenwartsbezug enthält und „Hochstapler“ (auch sie im Übrigen Außenseiter sowohl des Adelstums als auch des Nichtadelstums) ebenso für eine Erscheinung der Formierungsphase der Moderne hält. 12 = G. P. R. James: Freiheit und Sclaverei. Ein amerikanischer Roman. Aus dem Englischen übertragen von Ernst Susemihl. Band II, Leipzig: Kollmann 1856, Seite 11; dort heißt es: „Unser Weg führte durch den Wald und hier und da lag ein cultivirtes Feld dazwischen. Endlich sahen wir Lichter durch die Bäume funkeln, welche uns andeuteten, daß wir uns dem Versammlungsorte näherten. Es war ein Wald von hohen Bäumen, den man schon längst vom Unterholze befreit hatte, oder der von Natur ohne solche Belästigung aufgewachsen war. Zuerst kamen wir zu einer Anzahl Zelte und Hütten, welche denen gehörten, die man, mit einem technischen Ausdrucke, die Außenseiter nannte; und ich kann nicht sagen, daß die Scenen, welche die verschiedenen Laternen zeigten, mir den Begriff der Nüchternheit oder der Sittlichkeit dieser vortrefflichen Klasse einflößten, welches auch ihre religiösen Ansichten sein mochten.“ – Dementsprechend trifft es auch nicht zu, obschon der Gedanke an sich reizvoll ist, daß der Außenseiter zuerst in einem Verbund von Leistungs- und Konkurrenzdenken entstanden sei, weil darauf rekurriert wird, der Begriff sei zuerst bei „Außenseitern“ im Pferderennsport aufgetaucht (Seite 53-56). Freilich ist zuzugeben, dass Außenseiter und Mehrheitsgruppenbildung alternative Entwürfe zu Werten zeigten, insofern standen sie tatsächlich in einem (wenn auch asymetrischen, jedoch stets interdependenten) Konkurrenzverhältnis, bei dem es den „Etablierten“ in der Regel durch große Gruppenkohäsion gelang, die „Außenseiter“ zu beschimpfklatschen, oftmals so lange, bis die „Außenseiter“ selbst diesen Schimpfklatsch als Inferiotitätsgefühl annahmen. Siehe dazu Claus Heinrich Bill: Etablierte und Außenseiter*innen, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Herausgeberin): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 1. Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg 2017, Seite 6-7 (betrifft die Anwendung der Figurationstheorie von Norbert Elias auf den Adel aus dem Jahre 2002). 13 = Frank Meier-Hamidi: Gaukler, Dirnen, Rattenfänger. Außenseiter im Mittelalter, Ostfildern: Thorbecke 2005, 207 Seiten; Norbert Fischer / Marion Kobelt-Groch (Herausgebende): Außenseiter zwischen Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Hans-Jürgen Goertz zum 60. Geburtstag, Leiden / New York / Köln: Brill 1997, VIII und 312 Seiten (Band LXI der Schriftenreihe „Studies in medieval and reformation thought“); Thomas Just / Susanne Claudine Pils (Herausgebende): Die Entstehung der Unbarmherzigkeit. Randgruppen und Außenseiter in Wien vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Kleinausstellung des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Wien: Verlag der Magistratsabteilung 8 des Wiener Stadt- und Landesarchivs 1997, 18 Seiten (Band L der Schriftenreihe „Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe B“). 14 = Dazu notierte Strantz (1845): „Wenn ein Ritter seinen Stand durch schlechte Handlungen, durch ein Verbrechen oder irgend eine andere entehrende That brandmarkte, so wurde er durch eine Entsetzung aus der Ritterwürde, durch eine Erniedrigung bestraft. Zu einer Absetzung verurtheilt, wurde er auf Gerüste geführt, wo man vor seinen Augen alle seine Waffen und die verschiedenen Stücke seiner Rüstung, die er entehrt hatte, in Stücke brach und ihm vor die Füße warf. Die Sporen wurden ihm auf einem Misthaufen abgenommen, seinem Pferde ward ebendaselbst der Schweif abgehauen. Auch mußte er sehen, wie sein Schild, auf dem das Wappen ausgelöscht, an dem Schweife des Pferdes hängend, mit der Spitze in die Höhe gekehrt, auf eine schimpfliche Art durch den Koth gezogen ward. Die Umkehrung des Schildes deutete immer auf einen Tod, hier galt es den sittlichen Tod für einen wirklichen Leibestod [...] Bei schweren Verbrechen, z.B. der beleidigten Majestät, ward das Wappen, wie noch in neuerer Zeit, durch den Scharfrichter öffentlich zerbrochen.“ Zitiert nach Karl Friedrich Ferdinand von Strantz: Geschichte des deutschen Adels urkundlich nachgewiesen von seinem Ursprung bis auf die neueste Zeit, Breslau 1845, Seite 155-156. Strantz hat zu seinen Schilderungen vormoderner Adelsentzugspraktiken keine direkte Quelle angegeben. Es ist daher nicht verbürgt, ob sich mittelalterliche Entzugsfälle so abgespielt haben oder ob es sich um ein konservatives Entzugs- und Adelsbild einer spätromantischen Rittertumsverklärung handelt. Vermutlich hat Strantz seinen Text aus anderen Quellen entlehnt, beispielsweise bei Pierer (1844), dessen Text nur sehr geringfügig von der Strantzschen Version abweicht. Siehe dazu Heinrich August Pierer (Hg): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit, Band XXV., Altenburg 21844, Seite 152-153 („Ausstoßung aus der Ritterschaft“). 15 = Ernst Grünfeld: Die Peripheren. Ein Kapitel Soziologie, Amsterdam: Noord-Hollandsche Uitgevers 1939, 102 Seiten; neu publiziert von Friedemann Stengel: Die Peripheren. Ein Kapitel Soziologie von Ernst Grünfeld als Nachdruck der Ausgabe Amsterdam 1939, Halle an der Saale: Universitätsverlag Halle-Wittenberg 2015, 125 Seiten (Band II der Reihe „Schriften 1933-1945 vertriebener Wissenschaftler der Universität Halle-Wittenberg“). 16 = Dazu siehe weiterführend als Forschungsprogramm Claus Heinrich Bill: 25 Jahre Institut Deutsche Adelsforschung 1993-2018, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Herausgeberin): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXI., Folge Nr. 100, Sonderburg 2018, Seite 2-52 (erörtert die Geschichte, die Publikationen, das Symbol und neun geplante künftige Bereiche der außeruniversitären Forschungsstelle seit 1993; enthält versteckt auch einen Aufsatz über eine „Soziotopographie von `social displaced persons ́ im Adel“ sowie die Eufunktionen von Adelsdevianz auf den Seiten 14-49). |
|||||
|
|||||
© Institut Deutsche Adelsforschung - Quellenvermittlung für Wissenschaft, Familienforschung, Ahnenforschung | Seitenanfang |