Institut Deutsche Adelsforschung
Gegründet 1993
Online seit 1998

Start | Sitemap | Tipps | Anfragen | Publikationen | Neues | Über uns | AGB | Impressum

Adelsarmut in Preußen um und nach 1800

Ständische Herausforderung in der Formierungsphase der Moderne

Für die Einen war der Ordensadel daran schuld, daß Adelige verarmten, [1] für die Anderen war es die Beibehaltung der Fideikommisse, [2] die den einen Sohn bevorzugte, die anderen Familienangehörigen aber der Armut preisgab, Dritte wieder sahen in der Übernahme „geringer“ Bedienungen die Ursache von Adels- armut; [3] Adelsarme wurden daraufhin „Halbadel“ [4] oder „Adelsproletariat“ [5] genannt. Doch in jedem Fall und oft genug herrschte zwischen beiden hier in Rede stehenden Entitäten – „Adel“ und Armut“ – eine als unangenehm wahrgenommene Spannung, begegneten sich hier doch zwei Begriffe und Vorstellungen, die sich in landläufiger Meinung oft genug abstießen und auszuschließen schienen: „Wo dem Adel der Glanz des Goldes fehlt,“ so notierte dazu Stöckert (1885), „da schwinden so nach und nach die aristokratischen Standesvortheile, die ohne diesen Glanz leicht einen lächerlichen Anstrich bekommen. Armut und Adel, das reimt sich eben nicht gut zusammen.“ [6] Armen Adel könne und dürfe es daher nicht geben, könnte man aus Stöckerts Worten schließen.

Doch darf hier nicht diese normierende Vorstellung – der Adels-Stereotypbestandteil  der Wohlhabenheit und des materiellen Reichtums oder ökonomischen Kapitalüberflusses [7] – mit der empirisch ermittelbaren Wirklichkeit verwechselt werden. Insofern sind Berichte kritisch zu sehen, die Adelsreichtum lediglich aus politischen Gründen und im Schimpfklatschstil [8] thematisiert hatten, wie dies im folgenden österreichischen Zeitungsbericht aus dem Jahre 1926 geschehen war: 

„Standesgemäß. In einem Prozeß, den ein verarmter Adeliger gegen seine Familie um eine Apanage führte, meinte einer der Advokaten, in der Monarchie, da mußte man den Mitgliedern adeliger Familien die Mittel bewilligen, um standesgemäß leben zu können, aber in der Republik ... In der Republik fallen eben die falschen Rücksichten, da stirbt die kranke Scham. In der Republik soll jeder dahinschlendern, so gut und so schlecht er es kann. Die Republik hat die Standesunterschiede aufgehoben, die Besitzunterschiede aber bestehen gelassen. Irgendein Privileg muß doch auch der begüterte Adelige haben; dem man alle seine sonstigen Vorrechte entzogen hat. Man hat den Wappenvögeln die schönsten Federn geraubt, sie sind alle kahl geworden, aber ihre Schnäbel sind noch nicht nivelliert. 

Mit den Schnäbeln wird nämlich gegessen, mit den Federn wird nur imponiert. Der Begriff standesgemäß scheint eine leere Worthülse geworden zu sein. Was sollen die vielen armen Grafen nun ohne Apanage tun? Sie sind einmal nicht zum Ackergaul erzogen, die Wirtschaft kann mit ihnen keine Furchen ziehen; sie möchten sich anpassen, sie möchten gern Frieden mit der schlichten Arbeit schließen. Aber auch zu einem solchen Frieden braucht man Geld, doch wem die Apanage entzogen wird, dem fehlt es eben. In der seligen Monarchie, da lag das Ruhekissen für die meisten Adeligen schon bei der Geburt bereit: Sie durften Beamte, Offiziere, Höflinge, Schranzen, Diplomaten werden, und sie konnten bequem und sorglos leben, teilweise vom Brieftaschengeld ihrer Verwandten, teilweise vom Aktentaschengeld des Staates. Standesgemäß? Die Aristokratie negiert die Pflichten der Noblesse, weil sie der Republik nichts schuldig zu sein glaubt. Und wenn man nichts schuldig ist, dann bezahlt man auch nichts. Darum ist das Klagebegehren wegen Apanage abzuweisen infolge Ortsunzuständigkeit der Republik in der Weit der armen Grafen.“ [9]

Der Bericht legt nahe, zu vermuten, daß alle Adeligen vor 1918 und damit vor der Revolution durch Zahlungen aus Familienkassen versorgt worden wären, ohne daß sie hätten „arbeiten“ müssen. Das Problem der Spannung zwischen „Adel“ und Armut“ hätte des demnach also gar nicht gegeben.

Daß dies viel zu pauschal gedacht war, offenbart sich, wenn man entsprechende Studien heranzieht, die Spuren der jeweiligen Akteur*innen am Ort des Geschehens, in Archiven und in deren Akten, aufsucht. Dann nämlich läßt sich das erwähnte und vorgestellte politische Narrativ nicht aufrechterhalten. Adel und Armut paßten vielmehr zusammen, vor allem um 1800 und vielmehr noch danach.

Zu diesem Thema nun hat Chelion Begass M.A. (*1983) [10] jüngst eine Dissertation vorgelegt, die 2020 im Berliner Verlag Duncker & Humblot erschienen ist, und die zwar nicht die erste Adelsarmutsstudie ist, von ihrem Umfang und ihrer Qualität her jedoch als Meilenstein bezeichnet werden kann. [11] Sie kann zudem als Beitrag zur „historischen Soziologie“ [12] verstanden werden, hat doch die Verfasserin, entsprechend ihrer Studienfächer im Magistrastudium, hier soziologische und historische Theorien und Blickwinkel gemischt, was dem Thema nur zuträglich sein konnte. Dies liegt nahe, sind doch „Adel“ ebenso wie „Armut“ relationale und soziale Kategorien, die nur im Vergleich mit denen, die nichtadelig und wirtschaftltich besser gestellt waren, ermittel- und beschreibbar sind.

Entsprechend der bidisziplinären Sichtweise berücksichtigt Begass Mikro-, Meso- und Makroebene, interessiert sich in vier großen Kapiteln für ihre Thematik. Dazu nimmt sie sich zuerst die sozioökonomischen Transformationsprozesse der preußischen Gentilhommerie vor, die durch die Heraufkunft der Moderne und ihrer Entwicklungen entstanden (Seite 35-144); dazu zählten, will man Bauer (2010) heranziehen, die Megatrends Aufklärung, Säkularisierung, Differenzierung, Industrialisierung, Konstitutionalismus, Emanzipation und Nationswerdung. [13] Diese Zeit der Formierungsphase der Moderne – in unterschiedlichen historiographischen Zugriffen bislang auch Sattelzeit, nachständische Gesellschaft, Übergangsgesellschaft, neuständische Gesellschaft, entsicherte Ständegesellschaft, oder das Laboratorium vor der Moderne genannt (Seite 20) – hat Begass als Untersuchungszeit gewählt, da sich dort wesentliche Transformationsprozesse im Adel abspielten, er unter Konkurrenzdruck geriet, Armut in der Gentilhommerie ein strukturelles (später sogar ein politisches) Problem wurde.

Begass widmet sich sodann den Erscheinungsformen adeliger Armut, vor allem den Fragen der Armutswahrnehmung (Semantik), [14] -definition, den -risikogruppen (z.B. der Adelsaltersarmut) und möglichen Armutsepisoden im Lebenslauf (Seite 145-224). Der letzte große Abschnitt schließlich widmet sich den verschiedenen „standesgemäßen“ ebenso wie „nicht“- oder „unstandesgemäßen“ Bewältigungsformen der persönlichen Adelskrisen von Adeligen, den Unterstützungskassen, Damenheimen, dem Lohnarbeiterstatus, auch der Adelskriminalität als Form der Bewältigung des Überlebens als Adelsperson (Seite 225-370). 

Auch hier ist der soziologische Zugriff deutlich erkennbar, bereichert die geschichtswissenschaftliche Studie aus doppelter Perspektive. Förderlich wirkt sich dies vor allem bei der Gegenüberstellung historischer Armutssichten und sozialwissenschaftlicher Blicke auf Armut aus. Zwar benützt Begass das historische Armutsmodell von Schulz (Seite 361-362), das dreigeteilt die auch im Adel auffindbaren Kategorien der arbeitenden, der arbeitsunfähigen und der marginalisierten Armen (als Klasse an sich, nicht als Klasse für sich; Seite 165: „keine gemeinsame Armenidentität“) kennt; sie betont aber, daß dieses Modell zu statisch sei, da es davon ausgehe, daß Armutszustände langfristige Situationen (Seite 362) seien. Daher verwendet Begass ergänzend Modelle, die auf „Pendlerkarrieren“ sozialer Mobilität achten (Seite 364), auf Abstiegs- und Aufstiegssituationen und -wege. Zuletzt dann beschließt die Verfasserin ihre Untersuchung mit einem Blick auf die Bedeutung und den Stellenwert armen Adels im Modernisierungsprozeß der deutschen Gesellschaft.

Erzählt wird mithin durch vier Sichtweisen die Geschichte eines Adels, dessen vor allem ökonomischer Mangel im Zentrum der Untersuchung steht. [15] Ausgehend von der Annahme, daß Adel immer noch „Führungsschicht“ (Seite 26, 362) gewesen sei, müßte das Ergebnis überraschen. Aus Sicht der neueren Adelsforschung ist das Ergebnis indes nicht überraschend, da die Bezeichnung der Nobilität als „Führungschicht“ für das 19. Jahrhundert in dieser dogmatischen Form zumindest doch seit einiger Zeit fragwürdig geworden ist. Zu groß waren die Differenzen in den Regionen zwischen Magnaten und polnischem Kleinadel, adeligen Industriellen (z.B. Glashüttenbetreibenden wie den bayerischen freiherrlichen Poschingers [16]) und Handwerkern, Tagelöhnern, Dienstmägden oder Prostituierten aus dem Adel. [17]

Es ist zwar legitim, auch weiterhin von Adel als einer „Führungsschicht“ zu sprechen, wenn man dabei nur diejenigen betrachtet, die tatsächlich führend in Politik oder Diplomatie tätig waren; Begass verweist jedoch darauf, man könnte sich nun „von den bisherigen `Meisterzählungen´ lösen. Sie   interessiert sich daher auch  vielmehr für die Grenzfiguren des Adels. [18] Dies haben indes auch bereits andere Forschende getan, und so ist die heutige deutschsprachige Adelsforschung diverser, als dies Begass formuliert hat. [19] Unbestritten ist jedoch, daß ihre Studie dieser Diversifizierung und der Fokussierung auf adelsdeviante Themen beitritt und es erfreulich ist, daß die Forschungsrichtung der Adelsdevianz immer mehr an Aufmerksamkeit gewinnt. Ebenso positiv hervorzuheben ist es, daß Begass – im Geiste der Singerschen Vorgängerstudie [20] – besonders die Armut und Armutsbewältigungsversuche adeliger Frauen berücksichtigt (grundlegend dazu Seite 184-188) hat.
Kernpunkt ihrer Untersuchung ist dabei der Konflikt, der sich aus Standesrepräsentationspflichten des Adels einerseits und Berufsverboten andererseits speiste. Dieses latente Spannungsverhältnis lotet Begass detailliert aus.

Widersprüchlich verhält sie sich jedoch bei der Frage, wie Adel zu definieren sei. Hier plädiert sie einerseits für die statische Sichtweise des „beeing nobility“, die sich in der Feststellung erschöpft, Adel sei ein rechtlich fixierter Stand. [21] Andererseits fordert sie an gewissen ausgewiesenen Stellen (Seite 337) und in ihrem Resumée geradezu postmodern, soziologisch und praxistheoretisch orientiert, [22] man solle doch künftighin die rechtlichen Kategorien „Stand“ aufgeben und besser darauf sehen, wie Gesellschaft aus der Alltagspraxis entstehe, denn Gesellschaft erwachse aus „dem alltäglichen Miteinander, nicht allein aus rechtlichen Zuteilungen“ (Seite 395). Hier setzt sie sich also ganz explizit für ein Konzept ein, daß andernorts als „un/doing nobility“ formuliert worden ist. [23]

Bezüglich der angekündigten Methode (Überschrift Seite 27: „Methode und Quellen“) ist überraschend, daß diese nicht benannt und nur erwähnt wird, es handele sich um einen Mix aus historischen und soziologischen Fragestellungen; einen Namen oder eine Beschreibung einer Methode, geschweige denn die Diskussion ihrer Geeignetheit und eine Reflexion über sie, bleibt die Verfasserin leider schuldig. Entnehmen kann man dem sehr knappen Text zur „Methode“ (lediglich 19 Zeilen!) nur, daß eine Fallbeispieluntersuchung stattgefunden habe, die mit einer Diskursuntersuchung angereichert worden ist (Seite 27). [24]

In Hinsicht auf die Quellen wartet die Verfasserin jedoch mit mehreren für die Adelsforschung weitgehend ungenutzten Gruppen auf; [25] hierzu zählen neben den Bittschriften aus dem Bestand des Geheimen Zivilkabinetts im Dahlemer Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, in dem 1.600 Anträge von Adeligen aufbewahrt werden (Seite 30), auch Anträge und Akten aus dem polnischen Staatsarchiv Stettin, u.a. aus dem pommerschen Gevattergeld-Fonds (Seite 321). Auch die Auswertung des sehr umfangreichen Meliorationszinsenpensionfonds, der zwischen 1771 und den 1920er Jahren existierte, bot ihr eine Fülle von Adelsquellen als Almosen- und Armenfonds (Seite 294), der auch für künftige Forschungen von hohem Interesse sein dürfte. 

Gleiches, wenn auch in abgeschwächtem Maße,  gilt für die Heranziehung des von der Berliner Armen-Direktion herausgegebenen „Alphabetischen Verzeichnisses der im Laufe des Jahres 1820 vertheilten Unterstützungen an dürftige Personen aus Kommunal- und andern zu Armen-Unterstützungen bestimmten Fonds, insofern die letztern zur Kenntniss der Armen-Direction gekommen sind“ (Berlin 1821), die Begass (Seite 328) ausgewertet hat. Hier, im Bereich der Quellenerschließung und archivalischen Heuristik, hat sich Begass deutliche Verdienste erworben und künftigen Studien den Weg geebnet. Denn diese Quellen enthalten oft detaillierte Daten aus dem wirtschaftlichen Leben von verarmten Adeligen, die in anderen Quellen nur schwerlich auffindbar sein dürften.
In ihrer Studie kommen auch Beispielquellen zur teils ausführlichen Darstellung, die bemerkenswert sind, so der Adelsverzicht eines Bruders des Freiherrn vom und zum Stein (Seite 352) oder die „unstandesgemäße“ Lebensart der Grafen Schellard (Seite 341-349), die vom preußischen König per erfolgreichem Bestechungsversuch zum Adelsverzicht gedrängt worden sind, um in der bürgerlichen Anonymisierung vom Radar der öffentlichen Meinung zu verschwinden, die sich gemeinhin gern, beispielsweise späterhin in der Massenpresse, auf Statusinkonsistenzen und Adelsdevianzen stürzte. [26]

Diese Quellenarten werden zudem, ganz im Gegenteil zu den nur dürftigen Angaben zur Methode, vorbildlich, kritisch und reflektiert in ihrer Beschaffenheit und Geeignetheit für die Studie diskutiert (Seite 28-34). Eine kleine Schwäche der Arbeit ist es jedoch, daß nicht herausgearbeitet wurde, daß die Gefahr besteht, mit den herangezogenen Personen keine Adelspersonen zu behandeln. [27] Auch der Forschungsstand (referiert bei Begass auf Seite 21-24) ist nicht in allen Teilbereichen der Dissertation zwischen der Verteidigung der Arbeit im Wintersemester 2017/18 und der Beendigung des Drucks im Frühjahr 2019 (nach Vorwortangabe auf Seite 8) nachgetragen worden. Veraltet ist er qualitativ wie quantitativ daher bedauerlicherweise, auch mit den daraus gewonnenen veralteten Erkenntnissen, im Bereich der Adelsentsetzungen sowohl für Preußen als auch für Österreich (Begass: Seite 329-339). [28]

Läßt man aber diesen kleinen Bereich außen vor, kommt Begass zu wichtigen neuen Erkenntnissen. Die Adelsschutzpolitik der preußischen Könige, so Begass, erwies sich längerfristig als kontraproduktiv zum intendierten Ziel (Seite 141), denn leichtere Kredite im friderizianischen Zeitalter konsolidierten nicht etwa die Adelsgüter, sondern förderten im Gegenteil eine noch höhere Verschuldung und damit auch eine leichtere Güterfluktuation (Seite 65) und -spekulation. Begass lenkt den Fokus zudem auf die vielen kleineren Rittergüter und Adelsliegenschaften, die bisher von der Forschung vernachlässigt worden sind (Seite 52-60); sie hebt hervor, wie sehr die großen Schlösser und Herrenhäuser mit Aufmerksamkeit bedacht wurden, [29] wie wenig aber über die zahlenmäßig überwiegenden kleinen Gutswirtschaften geforscht worden sei, stellt Gutshäuser in Pommern in Wort und Bild vor, die sich in Größe und Ausstattung  kaum von Bauernhäusern unterschieden (Seite 36-52). [30] Ferner war die Schaffung eines „versorgungsabhängigen Dienstadels“, der land- und güterlos war, eine schwere gesellschaftliche Hypothek, davon zeugen nicht nur die unzureichend zu nennenden Zivilanstellungen für Offiziere, sondern auch die vielen Bittschriften verarmter Adeliger. Eine Lösung der Versorgungsfrage war daher bei Offizieren und in der Armee nur eine vorübergehende, zumal Invalidität, [31] Krankheit, Behinderungen, [32] Alter und auch Kriegsverwüstungsfolgen dazu beitrugen, eine Situation potentiell dauerhafter Vulnerabilität und geringer Resilienz zu schaffen (Seite 144). [33]

Bei alledem blieb jedoch die Frage, ob und wann welche Adelige als „arm“ galten, diskursabhängig, konnte nicht exakt und unumstritten beantwortet werden; „Armut“ war, dies wurde oben bereits angedeutet, keine objektiv feststehende oder feststellbare, sondern eine durch Aushandlung bestimmte sprechaktlich erzeugte Kategorie (Seite 222). Begass macht indes drei Gruppen besonders von Armut betroffener Angehöriger der Gentilhommerie aus; dazu zählt sie a) Kleingrundbesitzer, b) alleinstehende oder verwitwete Frauen und c) den schon erwähnten versorgungsabhängigen Dienstadel  (Seite 223). Begass stellt fernerhin fest, mit welchen Strategien Adelige der Armut begegneten; dazu zählte die möglichst „standesgemäße“ Erziehung der Kinder, um diese nicht ins Prekariat abrutschen zu lassen, die Inskription von Frauen in Damenstifte, die Einreihung der Knaben und Männer in das Militär als Offizier(sanwärter), die Inanspruchnahme von Stiftungsunterstützungen [34] und Familienkassen (sofern vorhanden), schließlich auch Erwerbsarbeit als Erzieherin, Gesellschaftsdame, Handwerker, Lohnbedienter oder Subalternbeamter. [35] Zum Schluß lehnt sie die Thesen der Verbürgerlichung des Adels und die der Aristokratisierung des Bürgertums [36] gleichermaßen ab, plädiert stattdessen vor dem Hintergrund ihrer Einsichten für die These „gegenseitiger Annäherung“ (Seite 381) und damit für eine Hybridi- oder Amalgamisierung. Ob man dieser oder jener Sicht folgen möchte, dürfte indes eine Sache der Motivation und Perspektive der jeweiligen Forschenden sein. Denn während die „Aristokratisierung des Bürgertums“ vor allem eine Sicht auf „das Bürgertum“ präferiert, möchte die „Hybridisierung“ einem gesamtgesellschaftlichen Blick den Vorzug geben.

Insgesamt nun, will man ein kurzgefaßtes Resumée wagen, ist die Studie mit ihrer detailreichen Einblicken in die Adelsarmut zwar nicht die erste ihrer Art, methodisch und vom Forschungsstand her in kleinen Teilen nur schwach aufgestellt, von der Quellenwahl und -nutzung her innovativ und hervorragend gestaltet, vom Untersuchungsgang aber und den Ergebnissen her überzeugend und inspirierend. Auch sie hat gezeigt, daß sich die wissenschaftliche Adelsforschung mehr und mehr dem Devianzthema zuwendet, [37] denn es gilt immer noch, was einst so treffend der Ständepsychologe Fischer (1922) formuliert hatte: „Von besonderem Interesse sind die Grenzvorgänge des Aufstrebens anderer Schichten in die Reihen des Adels (der Emporkömmlinge, der neuen Reichen) und der Eintritt späterer Adelsgenossen nicht nur in das bürgerliche Leben, sondern in die bürgerliche `proletarische´ Standesbewegung (das Problem der `Deklassierten´).“ [38]

Begass hat zu dieser „Standesbewegung“ mit ihrer baden-württembergischen Qualifizierungsschrift einen weiteren wertvollen Beitrag geleistet, der insgesamt – wenn auch mit geringen Abstrichen – als wirkungsvoller Fortschritt der Forschung betrachtet werden kann. Denn zweifellos hat sie einen gewichtigen Beitrag zur Erhellung nicht nur der „Theorie der feinen Leute“ im Sinne Veblens geleistet, [39] sondern diese ebenfalls, wie manch andere Studie, zur „Theorie der un/feinen Leute“ erweitert. Anders gewendet könnte man auch sagen, daß sich Begass nicht mehr einer „Sozialgeschichte von oben“ zugewandt hat, [40] sondern einer „Sozialgeschichte nach unten“, die das Bild „des Adels“ facettenreicher gemacht hat.

Diese Rezension stammt von Dr. phil. Claus Heinrich Bill, M.A., M.A., B.A. und erscheint ebenso gedruckt in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung.

Annotationen:

  • [1] = Nomen Nescio: Abschaffung des Ordensadels, in: Österreichisch-Ungarische Militär-Zeitung Vedette (Wien), Ausgabe Nr.  65 vom 13. August 1884, Seite 516: „Weiter ereignete es sich nicht selten, daß man das Verdienst der Väter zu krönen beabsichtigte, aber nicht bis ins dritte und vierte Geschlecht, weil schon das zweite nicht viel wert war. Das Adelsproletariat  nahm in neuerer Zeit bedenklich überhand und wer die Zeitungen liest, die Tagesneuigkeiten, die Concurse, Curatelverhängungen der Gerichtshalle, wer hier und da das Jungherrenthum in den abenteuerlichsten Liebes- und Geldgeschäften vermittelt sieht, der kann es nur aufrichtig billigen, daß allen diesen Mißbräuchen durch den kaiserlichen Erlaß ein kräftiger Riegel vorgeschoben worden ist.“
  • [2] = Nomen Nescio: Keine neuen Fideicommisse, in: Freie Stimmen (Klagenfurt), Ausgabe Nr. 132 vom 3. November 1896, Seite 2: „Die Fideicommisse enthalten schließlich auch eine schwere Ungerechtigkeit gegen die von der Erbfolge ausgeschlossenen Kinder, sie erheben den einen Sohn über die Nothwendigkeit, sich durch eigene Kraft zu erhalten, während die übrigen Familienmitglieder oft zur Dürftigkeit verurtheilt werden. Dadurch wird zugleich ein anspruchsvolles Junkerthum und ein Adelsproletariat geschaffen.“
  • [3] = Sie waren jedoch wohl eher deren Folge.
  • [4] = Martin Wrede: Ohne Furcht und Tadel für König und Vaterland, Tübingen 2012, Seite 401, ursprünglich jedoch bei Johann Michael von Loën: Der Adel, Ulm 1752, Seite 59-63; siehe dazu ferner aus der Reihe des Bildatlanten zur deutschen Adelsgeschichte die Grafiken Nr. 14, 15,, 49, 71, 142 (hier besonders ein Vergleich adeliger und nichtadeliger Armut), 145, 148, 149, 153, 157, 167 und 190, die sich allesamt mehr und minder mit Adelsarmutsaspekten befassen.
  • [5] = Zum „Schmarotzeradel“ und „adeligen Lumpenproletariat“ siehe Friedrich Engels: Die Rolle der Gewalt in der Geschichte, in: Marx-Engels-Werke, Band 21, Ost-Berlin, 5. Auflage 1975, Seite 449-450.
  • [6] = F. Stöckert: Zwei Mächte, in: Unterhaltungs-Beilage der Leitmeritzer Zeitung (Leitmeritz), Ausgabe Nr.  986 vom 19. September 1885, Seite 3941.
  • [7] = Hierzu siehe detaillierter Claus Heinrich Bill: Gesellschaftliche Adelsvorstellungen und ihre Bedeutung für die soziale Erzeugung der Gentilhommerie im 19. Jahrhundert, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXI., Folge Nr. 101, Sonderburg 2018, Seite 2-52.
  • [8] = Dazu siehe Norbert Elias / John L. Scotson: Etablierte und Außenseiter, Frankfurt am Main 2002, Seite 7-56.
  • [9] = Jobs: Fragmente, in: Die Stunde (Wien), Ausgabe Nr. 1058 vom 17. September 1926, Seite 5.
  • [10] = Sie trat zuvor unter anderem als Mitherausgeberin eines geschichtsdidaktischen Werkes auf; siehe hierzu Dennis Schmidt / Johanna Singer / Roland Wolf (Hg.) Bedrohte Ordnungen. Konzepte, Materialien und Arrangements für den Geschichtsunterricht, Frankfurt am Main 2018, 280 Seiten.
  • [11] = Chelion Begass (geborene Albersmann): Armer Adel in Preußen 1770-1830 (Band 52 der Schriftenreihe „Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte“, Berlin  2020, 18 Abbildungen (darunter drei farbige); 457 Seiten, gebunden, erschient auch als eBook, ISBN:  978-3-428-15652-8, Preis: 99,90 Euro (gebunden) oder 89,90 (eBook im PDF-Format). Angenommen als Dissertation unter Prof. Dr. Ewald Frie an der Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen.
  • [12] = Dazu siehe beispielhaft Wilfried Spohn: Neue Historische Soziologie: Charles Tilly / Theda Skocpol / Michael Mann / Dirk Kaesler (Hg.): Aktuelle Theorien der Soziologie. Von Shmuel N. Eisenstadt bis zur Postmoderne, München 2005, Seite 196–230.
  • [13] = Franz J. Bauer: Das lange 19. Jahrhundert, Stuttgart 3. Auflage 2010, 134 Seiten. 
  • [14] = Hierzu zählte auch die Diskriminierung armer Adeliger durch soziale Umwelten aufgrund des Stereotyps reichen Adels, die sogar in Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit enden konnte. So berichtete Nomen Nescio: Ein Baron als Dienstmann, in: Tages-Post (Linz), Ausgabe Nr. 60 vom 14. März 1885, Seite 2: „Aus Berlin wird geschrieben: Ein Freiherr in der Uniform eines Dienstmannes präsentierte sich heute als Zeuge dem hiesigen Schöffengericht, und diese Erscheinung war ganz dazu geeignet, eine Betrachtung darüber nahezulegen, wie wunderbar der Strudel der großstädtischen Lebens die menschlichen Geschicke durcheinander wirbelt. Der Freiherr v. R., der von seinem Standorte an einer bekannten Ecke aus in der blauen Bluse und der rothen Dienstmannsmütze vor Gericht erschien, kann auf einen vielverzweigten Stammbaum verweisen, ja an seiner Wiege sind ihm die schönsten Lieder von dereinstigem Ruhm und Glanz gesungen worden und dereinst hat ihn die Hauptmanns-Uniform geziert. Und jetzt Dienstmann an der Ecke einer Straße von Berlin! Des Schicksals Wege geht ja manchmal recht wunderbar, es wäre aber gewiß interessant, die Lebensgeschichte dieses Mannes zu erfahren, der sicher recht oft von den Stürmen dieses Lebens gemartert worden sein muß, ehe er zu dem Mittel griff, in dieser stillen, ehrlichen Rolle eines Dienstmannes sich das tägliche Brot zu verdienen. In der Schlafstelle, wo er abends von den  Strapazen des Tages ausruhte, wohnte er mit einem Arbeiter, Friedrich Richard Lange, zusammen, welcher wiederholt sich über die freiherrliche Herkunft seines Stubengenossen lustig machte und die Moralität der Töchter desselben eines Tages in Zweifel zog. Dies verbat sich v.R. mit allem Nachdruck, es kam zum heftigen Wortwechsel und schließlich zum Handgemenge, wobei Lange seinem freiherrlichen Gegner mit kräftiger Faust mehrere Zähne einschlug und drei Rippen zerbrach, so daß derselbe längere Zeit das Bett hüten mußte. Der Gerichtshof verurtheilte den Lange wegen dieses Excesses mit Rücksicht auf die bewiesene Roheit zu 9 Monaten Gefängnis.“
  • [15] = Die Verarmung des Adels an kulturellem, symbolischem und sozialem Kapital spielt indes bei Begass keine Rolle, obschon aller vier Kapitalarten (inklusive der ökonomischen) oft miteinander gekoppelt waren (dies wird auch Begass auf Seite 320 bewußt, ohne daß sie ihre Erkenntnisse mit Bourdieu systematisiert hätte). Zur Koppelung siehe indes Claus Heinrich Bill: Strafrechtlicher Adelsentzug in den deutschen Ländern des langen 19. Jahrhunderts, Sonderburg 2018, Seite 46 und 203 – Die Beschränkung auf wirtschaftliche Mangellagen bei der Gentilhommerie ist aber zu verschmerzen. Zu den Kapitalarten, die auch in der Adelsforschung gern gebraucht werden, siehe Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede – Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main 26. Auflage 2018, 910 Seiten. Zur Anwendung in der Adelsforschung siehe exemplarisch a) Claire Chatelain: Ein adeliges Beamtenpaar vor Gericht – Der Einsatz von Kapitalsorten im Eheverfahren zur Trennung von Tisch und Bett am Ende der Regierungszeit von Ludwig XIV., in: Institut für die Erforschung der Frühen Neuzeit (Hg.): Frühneuzeit-Info, Band 26, 2015, Heft Nr. 1, Seite 95-103, b) Siegfried Grillmeyer: Zur Symbiose von symbolischem und realem Kapital. Das Beispiel Thurn und Taxis zwischen 1800 und 1870, in: Günther Schulz / Markus A. Denzel (Hg.): Deutscher Adel im 19. und 20. Jahrhundert. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 2002 und 2003, Sankt Katharinen 2004, Seite 219-260, c) Peter Wiesflecker: Vampire, Helden und Verschwörer oder familiäre Allianzen als Kapital – Anmerkungen zur Geschichte und Genealogie der Grafen Nádasdy bis ins frühe 18. Jahrhundert, in: Rudolf Kropf (Hg.): Die Familie Nádasdy – Vom 16. bis ins 20. Jahrhundert, Eisenstadt 2015, Seite 55-67.
  • [16] = Dazu siehe weiterführend Eva Chrambach: Kammzug und Pfauenauge. Geschichte der Jugendstilglashütte des Ferdinand von Poschinger in Buchenau, Grafenau 1999, 40 Seiten (Ausstellungskatalog) sowie als Sammelband Manfred Rasch / Peter K. Weber (Hg.): Europäischer Adel als Unternehmer im Industriezeitalter , Essen 2017, 303 Seiten. 
  • [17] = Dazu siehe exemplarisch Vollrath von Lepel: Verkommener Adel – Namensheiraten, adelige Zuhälter, adelige Geisteskranke. Eine Studie für Nicht-Adelige, Zürich 1910, 31 Seiten; dazu auch die Rezension bei Nomen Nescio: Entgleiste Aristokraten, in:Neues Wiener Journal (Wien), Ausgabe Nr. 6037 vom 13. August 1910, Seite 3.
  • [18] = Dazu siehe Christoph Conrad (Hg.): Grenzfiguren (Themenheft der Zeitschrift „Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für historische Sozialwissenschaft“), Göttingen 2013, S. 283-408.
  • [19] = Hinzuweisen wäre hier auf allerlei Studien zur Adelsdevianz, exemplarisch seien hier nur, neben etlichen  Studien zur Adelsarmut, genannt: a) Claus Heinrich Bill: Bewertungsabläufe bei Adelsdevianz, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 1 – Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg 2017, Seite 32-33, b) Heike Mund: Adelswelten – Eine Klasse für sich; Teil 4/4: Aussteiger und Rebellen [Manuskript der gleichnamigen Radiosendung von 2011, gesendet u.a. im Sender WDR 5 in der Sendereihe „Tiefenblick“ am 24. Januar 2016], Köln 2016, 13 Seiten (betrifft Renegaten, Marginal Man, Randseiter, Deviante), c) Barbara Hauck: Ludwigs Lust. Unstandesgemäße Liebschaften im Hause Hessen-Darmstadt, Frankfurt am Main 2010, 160 Seiten, d) Claus Heinrich Bill: Soziotopographie von `social displaced persons´ im Adel“ sowie die Eufunktionen von Adelsdevianz, in: Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang 21, Sonderburg 2018, Folge Nr. 100, Seite 14-49, e) Ellen Widder: Skandalgeschichten oder Forschungdesiderate? – Illegitime Verbindungen im Spätmittelalter aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive, in: Andreas Tacke (Hg.): „Wir wollen der Liebe Raum geben“ – Konkubinate geistlicher und weltlicher Fürsten um 1500, Göttingen 2006, Seite 38-92, f) Christoph Koch: Vom Junker zum Bürger. Hellmut von Gerlach – Demokrat und Pazifist in Kaiserreich und Republik, München 2009, 430 Seiten, g) Sylvia Alphéus / Lothar Jegensdorf: Fürst Paul von Thurn und Taxis – Ein eigensinniges Leben, München 2017, 352 Seiten, h) Hans Roth: Zwei Haunsberger, die ihrem Adel keine Ehre machten – Die Vettern Hans Christoph und Christoph Hartneid. Ein Zeitbild aus dem frühen 17. Jahrhundert, in: Das Salzfass, Band 35, Tittmoning 2001, Ausgabe Nr. 2, Seite 89-117, i) Ralf Otte: Die „abenteuerlichen“ Heiraten zwischen Adligen und ihren Haushälterinnen im westfälischen Gebiet vom 15. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, in: Verein für Geschichte an der Universität Paderborn (Hg.): Paderborner historische Mitteilungen, Band 27, Paderborn 2014, Seite 4-33, j) Eleonore Schönborn: Ein Gefreiter von Adel – Die Desertion des Hugo (Graf) Schönborn, in: Juliane Alton / Thomas Geldmacher / Magnus Koch / Hannes Metzler (Hg.): „Verliehen für die Flucht vor den Fahnen“ – Das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz in Wien, Göttingen 2016, Seite 206-210, k) Ulrike Grunewald: Luise von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1800-1831). Lebensräume einer unangepassten Herzogin, Köln 2013, 288 Seiten, l) Jochen-Ulrich Peters: Ein Adliger als Revolutionär. Alexander Herzens frühe Prosa im literarischen und kulturellen Kontext der „natural´ naja škola“, in: Zeitschrift für Slawistik, Band 57, Berlin 2012, Seite 462-481, m) Johanna Rickman: Love, lust, and license in early modern England – Illicit sex and the nobility, Aldershot 2008, 236 Seiten, n) Marcus Scriven: Splendour and squalor – The disgrace and disintegration of three aristocratic dynasties, London 2009, 397 Seiten, o) Oliver Auge: „So solt er im namen gottes mit mir hinfahren, ich were doch verderbt zu einem kriegsmann“ – Durch Kampf und Turnier körperlich versehrte Adelige im Spannungsfeld von Ehrpostulat und eigener Leistungsfähigkeit, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte (MedGG) – Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Band 28, Stuttgart 2009, Seite 21-46, p) Sonntag, Jana: „Blödigkeit des Gesichts“ und „Imbecillitas ingenii“ – Zur Erziehung von Fürstensöhnen mit körperlichen oder geistigen Schwächen, in: Cordula Nolte (Hg.): Phänomene der „Behinderung“ im Alltag. Bausteine zu einer Disability History der Vormoderne, Affalterbach 2013, Seite 149-162, q) Hannes P. Naschenweng: Behindert im 18. Jahrhundert – Der taubstumme Sigismund Graf Attems, in: Historischer Verein für Steiermark (Hg.): Blätter für Heimatkunde, Band 74, 2000, Ausgabe Nr. 3, Seite 90-95, r) Claus Heinrich Bill: Separierungen in der Deutschen Adelsgenossenschaft. Zur Typologie von freiwilligen und erzwungenen Austritten Adeliger zwischen 1874 und 1945 (Teil 1 von 3), in: Nobilitas. Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Folge Nr. 63, Jahrgang XIII., Sonderburg 2010, Seite 195-208 (Teil 2/3 in Folge Nr. 64, Jahrgang XIII., Sonderburg 2010, Seite 222-260; Teil 3/3 in Folge Nr. 65, Jahrgang XIV., Sonderburg 2011, Seite 2-33, s) Claus Heinrich Bill: Quotlibetische Miscellaneen zur Standesforschung, Sonderburg 2007, 44 Seiten, t) Claus Heinrich Bill: Verbürgerlichungsprozesse im Adel, in: Nobilitas. Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Folge Nr. 23, Jahrgang V., Sonderburg 2002, Seite 1156-1165, u) Claus Heinrich Bill: Scheinadel durch Annahmen an Kindesstatt. Betrachtungen zum adelsrechtlichen Phänomen der Adelsadoptionen 1919 bis 1945 (Teil 1), in: Nobilitas. Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Folge Nr. 46, Jahrgang X., Sonderburg 2007, Seite 58-104 , v) Claus Heinrich Bill: Königlich Preußische Standesmodifikationen von 1701 bis 1919 (Teil 1), in: Nobilitas. Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Folge Nr. 53, Jahrgang XI., Sonderburg 2008, Seite 170-208, w) Claus Heinrich Bill: Selbstentleibungen im deutschen vormodernen Adel. Nobilitärer Suizid zur Wiederherstellung von Ehre?, in: Nobilitas. Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Folge Nr. 79, Jahrgang XVI., Sonderburg Als 2013, Seite 13-32, x) Claus Heinrich Bill: Handarbeit und Adel als Konfliktfeld soziokultureller Praxis in der Frühen Neuzeit (Teil 2/2), in: Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Folge Nr.82, Jahrgang XVII., Sonderburg 2014, Seite 2-11, y) Claus Heinrich Bill: Funktion von Grenzfiguren in der Geschichte. Zur Bedeutung von Alterität in der deutschen Historie (Teil 1/2), in: Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Folge Nr.83, Jahrgang XVII., Sonderburg 2014, Seite 51-52, z) Claus Heinrich Bill: Historische Adelsaberkennungen im interkulturellen Kontext als Beitrag zum Verständnis absteigender Standesmobilität, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XX., Folge Nr. 99, Sonderburg 2017, Seite 26-38 – und so weiter.
  • [20] = Johanna M. Singer: Arme adlige Frauen im Deutschen Kaiserreich, Tübingen 2016, 452 Seiten.
  • [21] = So heißt es bei Begass auf Seite 381: „Das Gesetz markierte eine Grenze zwischen den Ständen, mithin zwischen Adel und Bürgertum“.
  • [22] = Dazu siehe Robert Schmidt: Praxistheorie, in: Robert Gugutzer / Gabriele Klein / Michael Meuser (Hg.): Handbuch Körpersoziologie, Band 1 (Grundbegriffe und theoretische Perspektiven, Wiesbaden 2017, Seite 335-344.
  • [23] = Dazu siehe Claus Heinrich Bill: Konzept des Adelsbegriffs „Un/doing Nobility“, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 4 – Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg 2018, Seite 40-41.
  • [24] = Man könnte mutmaßen, daß es eventuell um folgende Methoden gehen könnte: a) Achim Landwehr: Historische Diskursanalyse, Frankfurt am Main 2. Auflage 2009, 187 Seiten, b) Linda Hering / Robert Jungmann: Einzelfallanalyse, in: Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, Band 1, Wiesbaden 2019, Seite 619-632. Sicher ist dies aber nicht, denn die verwendete Methode bleibt letztlich bedauerlicherweise unklar.
  • [25] = Weitgehend deswegen, weil die Quellenart der Bittschriften im Zusammenhang mit dem Adel bereits benützt worden sind, doch kennt Begass die Studie von Rehse (2008) ausweislich ihres Literaturverzeichnisses (Seite 431) nicht; siehe dazu Birgt Rehse: Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen. Eine Untersuchung am Beispiel der Kurmark unter Friedrich Wilhelm II. (1786 -1797), Berlin 2008, 676 Seiten.
  • [26] = Glücklicherweise, denn sonst wären solche Wahrnehmungen verborgen geblieben. Allerdings hatte sich die Massenpresse noch nicht bis 1830, sondern erst später entwickelt (ab etwa 1840), insofern konnte diese Quellenart keine Rolle für das Begass`sche Vorhaben spielen. Siehe dazu jedoch weiterführend Ernst Bollinger: Pressegeschichte, Band 2 (Die goldenen Jahre der Massenpresse 1840-1930),  Freiburg in der  Schweiz 1996, 145 Seiten. – Beispiele aus späterer Zeit waren a) Nomen Nescio: Ein Graf als Bettler, in: Kärntner Tagblatt, Ausgabe Nr. 141 vom 24. Juni 1910, Seite 6: „In Mako wurde, wie aus Ofen-Pest gedrahtet  wird, der 32 Jahre alte Graf Hugo Mirbach in Gesellschaft eines Mädchens bettelnd angetroffen. Der bettelnde Graf gab an, dem Mädchen zuliebe von zu Hause fortgezogen zu sein. Seinen Lebensunterhalt wolle er sich durch Betteln verdienen. Der Graf wurde aus Mako abgeschoben.“, b) Nomen Nescio:  Ein Graf als Bettler, in: Morgen-Post (Wien), Ausgabe Nr. 96 vom 9. April 1877, Seite 3: „Sigmund Graf v.Wagensperg, zu Budweis in Böhmen geboren, nach Graz in Steiermark zuständig, 31 Jahre alt, Witwer, wurde vom hiesigen Zentral-Untersuchnngs-Bureau wegen Bettelns mit gebundener Marschroute heimgewiesen.“, c) Nomen Nescio: Ein Baron als Bandit, in: Feldkircher Anzeiger (Feldkirch), Ausgabe Nr. 39 vom 27. September 1898, Seite 2: „In der Ortschaft Canalongo bei Palermo wurde der berüchtigte Baron Jacono verhaftet, der vor einiger Zeit auf der Landstraße einen Frachtfuhrmann angefallen und der Baarschaft von 800 Lire beraubt hatte. Der adelige Bandit, welcher der Schrecken der ganzen Gegend gewesen, war bei seiner Festnahme bis an die Zähne bewaffnet.“, d) Nomen Nescio: Ein Baron als Lohndiener, in: „Agramer Zeitung (Agram), Ausgabe Nr. 41 vom 21. Feber 1910, Seite 5: „Vor einigen Tagen haben wir nach dem `Pester Lloyd´ gemeldet, daß aus dem Kaposvarer Irrenhause der dort unterbrachte Geisteskranke Baron Alexander Zornberg entwichen ist. Nachdem er in Kaposvar einige Diebstähle verübt hatte, kam er nach Krizevac, wo er in einem dortigen Hotel die Stelle eines Lohndieners annahm. Der Baron, der einer preußischen reichsfreiherrlichen Familie entstammt, wurde in das Irrenhaus nach Kaposvar zurückgebracht.“, e) Nomen Nescio: Eine Gräfin als Telephonfräulein, in: Pilsner (Pilsen), Ausgabe Nr. 285 vom  19. October 1903, Seite 2: “Aus Budapest wird uns geschrieben: Es dürfte vielen, die mit dem ungarischen Magnatenhause in telephonische Verbindung getreten sind, unbekannt sein, dass das viel angerufene Fräulein, das dort den telephonischen Verkehr vermittelt, eine Gräfin aus uraltem Adelsgeschlechte ist. Das arme Telephonfräulein ist eine Gräfin Zichy und nahe Verwandte des Grafen Ferdinand Zichy, der von sich behauptete, dass er im Range eines Erzherzogs steht. Eine Verfügung des Präsidenten des Magnatenhauses hat die `Telephonistinmanipulantin´, wie es im amtlichen Stile heißt, `des Magnatenhauses Gräfin Zichy in die zweite Abtheilung der neunten Gehaltsstufe eingetheilt.´“, f) Nomen Nescio: Eine Baronin als Mädchenhändlerin, in: Schlesisches Tagblatt (Teschen), Ausgabe Nr. 236 vom 14. Oktober 1909, Seite 2: „Aus Frankfurt a.M. wird berichtet: Den Ermittlungen der Kriminalpolizei ist es gelungen, ein internationales Mädchenhandelsbureau aufzudecken, das von einer Baronin von Randow geleitet wurde. Die Baronin wurde verhaftet. Es ist erwiesen, daß zahlreiche junge Frankfurter Mädchen, vielfach aus besseren Gesellschaftsklassen, in Pariser öffentliche Häuser verschleppt wurden.“, g) Nomen Nescio: Ein Freiherr als Einbruchsdieb, in: Innsbrucker Tagblatt (Innsbruck), Ausgabe Nr. 213 vom 18. September 1877, Seite 3: „Vom Unter?uchungs-Gerichte in Schweinfurt wird Karl Freiherr v. Seckendorf jun., 24 Jahre alt, ziemlich groß, ?chlank mit blonden Haaren, Schnurrbart großen und hervor?tehenden Augen, wegen Verbrechens des Einbruchsdieb?tahls ?teckbrieflich verfolgt. Seckendorf i?t von Wonfurt, Landgericht Haßfurt, gebürtig und war früher Sergeant in einem Jägerbataillon.“ – Diese Quellen, die hier nur in geringer Auswahl präsentiert wurden, widerlegen jedenfalls die pauschale Begass´sche Aussage, daß Quellen über die Berufe Adeliger, die von bestimmten Akteur*innen als „unstandesgemäß“ wahrgenommen wurden, „naturgemäß äußert rar“ seien (Begass: a.a.O., Seite 318), zumal sie ihre Aussage nicht zeitlich begrenzt hat.
  • [27] = Nur für den Bereich der Adelsentsetzungen bemerkte Begass (Seite 337): „Ob es sich bei jedem Delinquenten tatsächlich um einen Adligen handelte, ist indes ungewiss“. Zweifel sind angebracht bei einer Familie „von“ Blum. So wurde einer der Familienangehörigen, „Blume, August Lucas, aus Hugli in Bengalen“ im Jahre 1795 ohne das Adelszeichen „von“ in eine Matrikel eingetragen, obschon in der Matrikel andere Personen mit Adelszeichen eingetragen worden waren (siehe dazu Peter Düsterdiek: Die Matrikel des Collegium Carolinum und der Technischen Hochschule Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig 1745-1900, Hildesheim 1983, Seite 26, Eintragsnummer 1288). Begass übergeht indes ungeachtet dieses Fehlens des Adelszeichens Blum, weil er später von verschiedenen Akteur*innen als „Hauptmann v.Blum“ bezeichnet wird, als mindestens „mehrwertiges Zeichen“ nach Frank Habermann: Zeichen machen Leute – Semiose und Glück in Gottfried Kellers „Kleider machen Leute“, in: Anja Gerigk (Hg.): Glück paradox – Moderne Literatur und Medienkultur theoretisch gelesen, Bielefeld 2010, Seite 89-114. Überhaupt wird die Problematik des nichtadeligen Namensbestandteils „von“ bei Begass außerhalb des Adelsentsetzungsteils nicht reflektiert; sie nimmt sogar in einzelnen Fällen, in denen eine Adesusurpation im Raume stehen könnte, die Meisterzählung verlorenen Adels ohne Prüfung als historische Realität hin (Seite 329). – Siehe hierzu die Meinung von Alexander v.Dachenhausen (1848-1916) über Aufschöwungstafeln, die beim Damenstift Fischbeck eingereicht werden mußten, wenn eine Dame dort exspektiviert werden wollte. Dachenhausen warnte davor, den Ahnentafeln leichtgläubig Relevanz und Legitimität zu verleihen; er meinte, daß „man ohne sämmtliche Abstammungs- und Adelsbeweise eine solche Ahnentafel nie auf Treu und Glauben als richtig annehmen dürfe. Es könne zu viel und zu leicht dabei geschwindelt werden […] Zur Zeit des Siebenjährigen Krieges seien Abenteurer aus aller Herren Länder zusammengeströmt und unter einem sich selbst beigelegten Adelstitel in die Dienste König Friedrichs getreten. Damals habe sich kein Mensch um die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Adels dieser Offiziere gekümmert. Da nach preußischem Landrecht die unbeanstandete 44jährige Führung des Adelstitels ausreichend gewesen wäre, um einer Familie den Adel nicht mehr absprechen zu können, seien auf diese Weise besonders in Preußen eine Menge neuer Adelsfamilien entstanden, die kein Diplom besäßen und deren Adelsursprung man nicht nachweisen könne.“ Zitiert nach Renate Oldermann: „Aus einem uhralten hochansehnlichen Geschlecht entsprossen“. Die adligen Töchter im Stift Fischbeck. Herkunft, Selbstverständnis und Glaubenspraxis (Band 4 der Reihe „Schaumburger Beiträge“, herausgegeben von Stefan Brüdermann im Auftrag der Historischen Arbeitsgemeinschaft für Schaumburg), Göttingen  2019, Seite 233. – Ein nachweislich „mehrwertiges Zeichen“ lag auch bei dem Maurergesellen von Starszewski vor, den Begass nur als „einwertiges Zeichen“ und damit als unumstritten „adelig“ betrachtet (siehe dort, Seite 321, Fußnote 372). Tatsächlich aber war Alexander Carl Wilhelm von Starszewski 1840 lediglich zum „Verlust des nicht erwiesenen Adels“ verurteilt worden; siehe dazu Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Dahlem, Bestand I.HA Rep.100 Ministerium des Königlichen Hauses Nr. 3750, Eintragsnummer 238 sowie ibidem, Nr. 3770, Blatt 71-73. – Begass hätte daher an geeigneter Stelle eine Bemerkung darüber, daß sich unter den „von“-Namensträgern auch institutionell nicht anerkannte Nichtadelige hätten befinden können, einflechten können. Denn sonst besteht die Gefahr, „mehrwertige Zeichen“ für „einwertige Zeichen“ zu halten. Siehe zur Thematik unter anderem Claus Heinrich Bill: Die Diskussion um das bürgerliche „von“ 1890-1925, in: Nobilitas. Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang IV, Sonderburg 2001, Seite 926-937.
  • [28] = Hierzu siehe, bereits seit Mai 2018 im Druck vorliegend, Claus Heinrich Bill: Strafrechtlicher Adelsentzug in den deutschen Ländern des langen 19. Jahrhunderts, Sonderburg 2018, 406 Seiten (revidierbar ist mithin die Begass´sche Aussage, die Adelsentsetzungen hätten die Nobilitierungen in Preußen quantitativ überschritten oder in Österreich seien nur „etwas mehr als 500“ Fälle überliefert; tatsächlich lassen sich dort über 1.300 Fälle feststellen; siehe dazu Bill: Strafrechtlicher Adelsentzug, Sonderburg 2018, Seite 124). – Fernerhin fanden bei Begass, obschon sich jeweils explizit mit Adelsarmut befassend, keine Berücksichtigung: a) Michael Rupp: „Wan ir adel ist frihait“ – Das franziskanische Ideal der Armut in der volkssprachlichen Verkündigung bei David von Augsburg, Berthold von Regensburg und Marquard von Lindau, in: Heinz-Dieter Heimann (Hg.): Gelobte Armut, Paderborn 2012, Seite 129-151, b) Zoltán Fónagy: Die ungarische Gesellschaft in der Reformzeit, in: István György Tóth (Hg.): Geschichte Ungarns, Budapest 2005, Seite 443-452 (darin Seite 443-448 ein Kapitel „Reiche und arme Aristokratie 1790-1848“; betrifft Adelsarmut des Kleinadels), c) Gudula Walterskirchen: Armut und Reichtum im österreichischen Adel im 20. Jahrhundert, in: Ernst Bruckmüller (Hg.): Armut und Reichtum in der Geschichte Österreichs, Wien / München 2012, Seite 193-214, d) Marcus Funck: Adelsarmut, in: Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon des Adels, München 2005, Seite 18-19, e) Johannes Rogalla von Bieberstein: Adelsaberkennung einschließlich Niederlegung des Adelstitels, in: Dresdner Residenztreff (Hg.): VII. Kolloquium zur sächsischen Genealogie mit dem Thema „Adelsgenealogien und Adelsverlust in Sachsen“, abgehalten im Stadtarchiv Dresden am 17. April 2010, Dresden 2010, Seite 21-33 (betrifft unter anderem auch Adelsarmut, Missheiraten, Emigration, Formen des Betteladels, Kleinadels oder Halbadels), f) Jürgen Jochimsthaler: Der treulose Adel. Die bürgerliche Lust an adliger Grenzüberschreitung, in: Walther Schmitz / Jens Stüben / Matthias Weber (Hg.): Adel in Schlesien, Band 3 (Adel in Schlesien und Mitteleuropa. Literatur und Kultur von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart), München 2013, Seite 365-383 (betrifft unter anderem Adelsarmut), g) Stephanie Lorenz: Verarmungsverläufe bei adligen Frauen. Bittschriften an den preußischen König in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Berlin 2011, 114 Seiten (Magisterarbeit Universität Trier 2011), h) Michael Bienert: „Der Herrschaft Zauber aber ist das Geld“ – Adel, Armut und Kapital bei Adelbert von Chamisso, in: Robert-Bosch-Stiftung (Hg.): Chamisso – Viele Kulturen und eine Sprache, Stuttgart 2009, Ausgabe Nr. 1, Seite 26-29, i) Karin Baumgartner: „Der verarmte Edelmann wird Mäkler, Speculant, oder gemeiner Bauer“ – Geld, Ökonomie und Adel in den konservativen Texten des Vormärz, in: Jutta Nickel (Hg.): Geld und Ökonomie im Vormärz (19. Jahrbuch des Forum Vormärz-Forschung 2013), Bielefeld 2014, Seite 37-55, j) Nomen Nescio: Meldungen – Vortrag. Verarmter Adel in Preußen, in: Bergedorfer Zeitung, Ausgabe Nr. 92 vom 19. April 2012, Seite 17, k) Kathleen Jandausch: Ein Name, Schild und Geburt. Niederadlige Familienverbände der Neuzeit im südlichen Ostseeraum, Bremen 2011, 392 Seiten (betrifft unter anderem ökonomisch verarmten Adel und Adelskriminalität als Bewältigungsstrategie), l) Gerhard E. Sollbach: Armer Adel auf Haus Herbeck, in: Hagener Heimatbund (Hg.): Hagen-Buch – Impulse zur Stadt-, Heimat- und Kunstgeschichte, Band 6 (2012), Hagen 2011 [sic!], Seite 197-200, m) A. Sperl: Verarmung des Adels im Mittelalter, in: Oberpfalz, Kallmünz 1924, Jahrgang XV, Seite 134, n) C.: Verein der Adelsgenossenschaft gegen Verarmung ihrer Glieder, in: Zeitung für den Deutschen Adel, Jahrgang IV, Leipzig 1843, Seite 81-82, o) Nomen Nescio: Verein der Adels-Genossenschaft gegen Verarmung ihrer Glieder, in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang IV, Berlin 1886, Seite 489, p) Friedrich v. Sydow: Über die Verarmung adeliger Familien, in: Zeitung für den Deutschen Adel, Jahrgang IV, Altenburg 1843, Seite 327-328, 331-332, 335-336, 339-340 und 343-344, q) Stefan Kekulé v.Stradonitz: Armut und Reichtum im deutschen Adel, in: Deutsche Revue, Stuttgart, Ausgabe vom Januar 1911, Seite 35-42 – Diese Lücken im Forschungsstand hätten vermieden werden können, wenn sich Begass der einschlägigen Bibliographien zum deutschen Adel bedient hätte; auch sie fehlen jedoch bedauerlicherweise im Literaturverzeichnis (Seite 409). Siehe dazu a) Claus Heinrich Bill: Bibliographie zum deutschen Adel. Eine Schrifttumsliste 1200-1999, Sonderburg 1999, 503 Seiten, sowie b) Claus Heinrich Bill: Neue Bibliographie zum deutschen Adel. Monographien, Sammelbände und Aufsätze des Erscheinungszeitraums Jänner 2000 bis September 2019 zum Adel in den deutschsprachigen Ländern, Sonderburg 4. Auflage 2019, 451 Seiten. – Obschon Begass außerdem soziologische Sichtweisen anklingen läßt, fehlen doch leider Bezüge zur Abstiegstheorie von Paula Kronheimer: Grenzglieder des Standes, in: Kölner Vierteljahrshefte für Soziologie, Band 6, München 1927, Seite 248-268, sowie zu Piritim Sorokin: Soziale Bewegungsvorgänge, in: Ibidem, Seite 146-152.  – Fernerhin noch ein Zitierfehler: Der vom Forschungsstand heute qualitativ wie quantitativ überholte und daher veraltete Aufsatz des Rezensenten über den Adelsverlust, den Begass benützt hat, erschien nicht, wie bei Begass (Seite 331 und 409) angegeben, im Jahre 2000 und im Jahrgang 17, sondern erst im Jahre 2001 im Jahrgang IV in der Folgennummer 17.
  • [29] = Typisch für diese eingeengte Perspektive wäre Bruno Sobotka: Burgen, Schlösser, Gutshäuser in Mecklenburg-Vorpommern, Stuttgart 2. Auflage 1995, 350 Seiten.
  • [30] = Diese Perspektive wurde früher indes öfters wahrgenommen, unter anderem bei Albert Freiherr von Seld: Sechzig Jahre oder ein Leben an Bauer- und Fürsten-Höfen, unter Säufern, Kindern und Verbrechern, Leipzig 1865, Seite 11; er schrieb zum polnischen Kleinadel: „Wie niedrig dieser Adel oft stand, davon hat ein deutscher Tagelöhner keinen Begriff. Das ganze Eigentum eines solchen Edelmannes bestand häufig in einem Hause ohne Schornstein, das Haus aber bestand aus einem einzigen Raum, in welchem Eltern und Kinder, Ferkel und Hühner, Kälber und Gänse in traulicher Gemeinschaft lebten […] Das einzige, was die Wohnung eines solchen Edelmannes von der des ärmsten Bauern unterschied, das war ein Säbel, der an der Wand hing und den nur der Adel führen durfte.“ – Man könnte überdies auch einmal, um auf das Resilienzkonzept zurückzukommen, für das 16. Jahrhundert Straßenraub als dissoziale Maßnahme zur Resilienz ostelbischer Kleinadeliger gegen ökonomischen Mangel untersuchen. Siehe dazu Ludolf Parisius: Adel, in: Ludolf Parisius (Hg.): Deutsches Volks-Lexikon,  Lieferung Nr. 1, Berlin 1869, Seite 32.
  • [31] = So bei dem invaliden Leutnant v.Puttkamer, Gutsbesitzer auf Crampe in Hinterpommern; siehe dazu das Schreiben desselben an das pommersche Oberpräsidium, de dato Crampe, den „Nb.“ (November?) 1831, in: Staatsarchiv Stettin, Bestand Oberpräsidium, Akte mit der Signatur 65/73/0/19.5/4907 (Unterstützungs-Gesuche des Gutsbesitzers von Puttkamer auf Crampe), Bleistiftpaginierung Nr. 74.
  • [32] = Dazu siehe als Beispiel Nomen Nescio: Oeffentliche Bitte, in: Salzburger Chronik (Salzburg), Ausgabe Nr. 181 vom 10. August 1901, Seite 9: „Ein verarmter Adeliger, von Beruf Kirchenmaler und Vergolder, dem der rechte Fuß amputiert werden musste, der außerdem lungenkrank und arbeitsunfähig ist, bittet auf diesem Wege edle Menschenfreunde um eine kleine Unterstützung. Spenden übernimmt die Redaction des Blattes, welcher Name und Wohnort bekannt sind.“
  • [33] = Begass hat diese Kategorien der Verletzlichkeit und Widerstandsfähigkeit im sozialen Bereich wegweisend aus der Sozialen Arbeit in die Adelsforschung übernommen (Begass a.a.O., Seite 52). Sie bezieht sich dabei, ohne jedoch nähere theoretische Ausführungen zum Konzept zu machen, auf den Sammelband von Martin Endreß / Andrea Maurer (Hg.): Resilienz im Sozialen. Theoretische und empirische Analysen, Wiesbaden 2015, 316 Seiten, ebenso auf den Band von Hans-Joachim Bürkner: Vulnerabilität und Resilienz. Forschungsstand und sozialwissenschaftliche Untersuchungsperspektiven, in: Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (Hg.): Working Paper Nr. 43, Hannover 2010, Seite 5-48. – Aus dem oben erwähnten Endreßband, der sich zwar vor allem auf Diskriminierung bezieht, wären indes sicherlich noch vertiefenswert a) Gabriela B. Christmann / Karsten Balgar / Nicole Mahlkow: Zur sozialwissenschaftlichen Konzeption von Vulnerabilität und Resilienz. Konzeptionelle Überlegungen und empirische Betrachtungen am Beispiel von Städten, in: Martin Endreß / Andrea Maurer (Hg.): Resilienz im Sozialen. Theoretische und empirische Analysen, Wiesbaden 2015, Seite 123-149, sowie b) Markus Promberger / Lars Meier / Frank Sowa / Marie Boost: Chancen des Resilienzbegriffs für eine soziologische Armutsforschung, in: Ibidem, Seite 265-294. – In letzter Zeit kam es häufiger zu Bezugnahmen aus der Adelsforschung auf das Resilienzkonzept; siehe dazu a) Claus Heinrich Bill: Bewältigungsformen von Lebensproblemen im historischen Adel (nach dem Modell Doehlemann), in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 5 – Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg 2018, Seite 50-51, ferner b) Claus Heinrich Bill: Lebensbewältigung in der Gentilhommerie (nach dem Modell Böhnisch 2016), in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 6 – Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg 2019, Seite 48-49, sowie c) Urte Stobbe: Adel (in) der Literatur – Semantiken des Adligen bei Eichendorff, Droste und Fontane, Hannover 2019, Seite 35-41. – Zur Geeignetheit verschiedener Resilienzkonzepte für die Adelsforschung siehe außerdem Claus Heinrich Bill: Resilienter Adel bei Eichendorff, Fontane und Droste-Hülshoff in der Schwellenzeit der Formierung der Moderne, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXII, Folge Nr. 109, Sonderburg 2019, Seite 37-50.  – Auch eine Form der Resilienz war, konnte man die ökonomischen Mangellagen schon nicht beseitigen, die Einstellungsänderung per Aristokratisierung und Sakralisierung der Armut, so geschehen bei Nomen Nescio: Professor Josef Wichner. Ein vaterländischer Volksschriftsteller der Gegenwart, in: Vorarlberger Volksblatt (Bregenz), Ausgabe Nr. 94 vom 29. April 1904, Seite 2, wo es heißt: „Wichner nun, der unter sehr ärmlichen Verhältnissen aufwuchs und auch auch in späteren Jahren die Bitterkeiten der Armut zur Genüge kostete, ist deshalb doch kein Feind derselben geworden; er spricht in seinen Schriften vom `Adel der Armut´ und preist in denselben `das Glück der heiligen Armut´. Also auch Armut kann glücklich sein nach der Lehre Wichners und es ist ein verfehltes Beginnen, den irdischen Besitz in den Mittelpunkt unseres Tuns und Lassens zu rücken.“
  • [34] = So begründete „Fräulein Eleonora Charlotte v Pachaly allhier“ (in Breslau) „zur Vertheilung der Interessen am Tage Charlotte in gleichen Theilen an 5 arme Personen von Adel und an 5 arme Personen bürgerlichen Standes und weiblichen Geschlechts“ am 22 July 1780 eine Stifutng mit einem Grundkapitalstock von 8.800 Talern; siehe dazu sie „Summarische Uebersicht aller von der hiesigen Kaufmannschaft verwalteten und mitverwalteten Stiftungen 1823 nach Mittheilung der Herren Kaufmanns Aeltesten Geh. Commerzienrath Eichborn, Commerzienrath Landeck und Commerzienrath v.Wallenberg, in: Johann Jacob Heinrich Ebers: Das Armenwesen der Stadt Breslau nach seiner früheren und gegenwärtigen Verfassung dargestellt nebst einem Versuch über den Zustand der Sittlichkeit der Stadt in alter und neuer Zeit, Breslau 1828, Seiten 435.
  • [35] = Werner Mosse (Adel und Bürgertum im Europa des 19. Jahrhunderts. Eine vergleichende Betrachtung, in: Jürgen Kocka [Hg.]: Bürgertum im 19. Jahrhundert, Band 3: Verbürglichung, Recht und Politik, Göttingen 1995, Seite 21) meinte indes noch, Beamtenstellen und Militärstellen hätten ein soziales Adelsabsinken vermieden und eine adelige Lebensweise garantiert; die neuen Erkenntnisse von Begass widersprechen dieser älteren und wenig differenzierten Meinung.
  • [36] = Zu diesem vor allem am Ende des 20. Jahrhunderts aktuellen Diskurs siehe exemplarisch Dieter Lohmeier: Der Edelmann als Bürger. Über die Verbürgerlichung der Adelskultur im dänischen Gesamtstaat, in: Dieter Lohmeier / Christian Degn (Hg.): Staatsdienst und Menschlichkeit. Studien zur Adelskultur des späten 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein und Dänemark, Neumünster 1980, Seite 127-140 (neuerdings aber auch noch Joachim H. Knoll: Der Dandy. Ein kulturhistorisches Phänomen im 19. und 20. Jahrhundert, Berlin 2013, 298 Seiten), sowie Gerald N. Izenberg: Die Aristokratisierung der bürgerlichen Kultur im 19.Jahrhundert, in: Peter Uwe Hohendahl / Paul Michael Lützeler (Hg.): Legitimationskrisen des deutschen Adels 1200-1900, Stuttgart 1979, Seite 233-244. Spätere Studien lehnen diese beiden Thesen weitgehend ab, so beispielsweise Gunilla Budde: Blüterzeit des Bürgertums – Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Darmstadt 2009  (behandelt auf den Seiten 92-96 im Kapitel „Zwischen Abschottung und Feudalisierung“).
  • [37] = Dazu siehe unter anderem Rüdiger Peuckert: Abweichendes Verhalten und soziale Kontrolle, in: Hermann Korte / Bernhard Schäfers (Hg.): Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie, Wiesbaden 9. Auflage 2016, Seite 127-151.
  • [38] = Aloys Fischer: Psychologie der Gesellschaft, in: Gustav Kafka (Hg.): Handbuch der vergleichenden Psychologie, Band II., München 1922, Seite 402.
  • [39] = Dazu siehe Thorstein Bundle Veblen: Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt am Main 3. Auflage 2015, 381 Seiten (amerikanische Erstausgabe 1899 unter dem Titel „The Theory of the leisure class. An economic study in the evolution of institutions“). 
  • [40] = Wie noch Heinz Reif: Adel, Aristokratie, Elite.: Sozialgeschichte von Oben, Berlin / Boston 2016, VIII und 341 Seiten.
 

©  Institut Deutsche Adelsforschung - Quellenvermittlung für Wissenschaft, Familienforschung, Ahnenforschung | Seitenanfang