Institut Deutsche Adelsforschung
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Gefälschte Adelswappen aus dem 19. und 20.Jahrhundert

Möglichkeiten, echte von unechten Wappen und Adelsfamilien zu unterscheiden

Nicht selten erreichen uns Anfragen von interessierten Forschenden, die in den Papieren eines Nachlasses eines verstorbenen Verwandten ein Wappen gefunden haben. Es zeichnet sich aus meist durch eine künstlerisch mehr oder weniger anspruchsvolle Zeichnung eines Adelswappens. Dies erkennt man zum Beispiel durch eine Krone auf dem Helm oder durch eine Blasonierung (Wappenbeschreibung), in der behauptet wird, daß eine Familie XYZ adeliger Abstammung sei.

I. Zur Problematik

Handelt es sich nun bei diesen Wappen, deren adelige Attribute vorhanden sind, tatsächlich um historische Adelswappen? Nein, das ist nicht immer der Fall. Um diese Antwort ausführlicher zu gestalten, bedarf es eines kurzen Blickes in die deutsche Adelsgeschichte. Es ist bis heute noch nicht gelungen, eine Matrikel oder ein Verzeichnis aller der Familien zu erstellen, die in Deutschland bis 1918 zum Adel gehört haben. Die übergroße Anzahl von tatsächlichen und vermeintlichen Adelsfamilien, die beispielsweise durch Einwanderung entstanden ist, ließ eine solche Kontroll-Liste niemals zu.

Deswegen gab es einen großen Graubereich, ein Schattenreich, mit dem geschäftstüchtige Zeichner, Maler, Glasmaler, Graveure, Architekten und Staatsbeamte (sic!) ihren Lebensunterhalt verdienten. Sie boten unwissenden Laien, die zahlungskräftig waren, über ihre sogenannten "Wappenbüros" oder "Kunstanstalten" Wappen zu jeder gewünschten Familie an. Ihnen war es gleichgültig, ob es sich dabei um ein historisches Wappen oder um ein frei erfundenes heraldisches Zeichen handelte. Immer aber behaupteten sie, es handele sich um ein altes Wappen.

Hätten sie ihre Arbeit reell ausgefertigt und ein neues Wappen im Auftrag eines Interessenten entworfen, so wäre gegen ihre Tätigkeit, wenn sie denn auch noch zusätzlich fachlich versiert gewesen wäre, nichts zu sagen. Durch die Unterstellung einer angeblichen und doch nicht vorhandenen Vergangenheit aber war der Tatbestand der Fälschung eingetreten. Im späten 19. und frühen 20.Jahrhundert hatten diese Wappenbüros Hochkonjunktur und lieferten gutgläubigen Interessierten gegen Honorar gefälschte Wappen in Massen, die bis heute in vielen Nachlässen, im Antiquariatshandel oder auf Flohmärkten kursieren und immer noch gehörige Verwirrung schaffen.

II. Entscheidungshilfen zur Identifizierung

Wie aber unterscheidet man nun "echte" von "falschen" Wappen? Von eindeutigen Beweisen kann man nicht sprechen, wenn man versucht, ein "gefälschtes" Adelswappen zu identifizieren. Aber es gibt eine Reihe von Indizien, die stark dafür sprechen, daß es sich bei einem Wappen um eine neuartige Erfindung mit künstlicher Adelstradition handelt:

  • Der Text ist meist handschriftlich verfaßt, gelegentlich auch reich kalligraphisch verziert
  • Häufig finden sich standardisierte Überschriften wie "Stammwappen der Familie ...", "Wappen des edlen Geschlechts ..." und dergleichen mehr
  • Der Text zum Wappen ist manchmal in kreisrunder, bogiger oder ovaler Form angebracht.
  • Die heraldischen Farbregeln wurden nicht beachtet (z.B. darf nie Farbe auf Farbe oder Metall auf Metall stoßen)
  • Die Beschreibungen zur Geschlechtsgeschichte, wenn überhaupt vorhanden, sind lückenhaft, sehr dürftig und vage, Ahnentafeln und Verbindungen über mehrere Generationen mit bestimmten Personenstandsangaben werden nicht genannt. In den Wappenbeschreibungen sind Deutungen auf den (in der "echten" Heraldik nicht nachweisbaren Symbolgehehalt von Wappenbildern) enthalten.
  • Die Quellenangabe fehlt oder ist so unspezifisch und unvollständig, daß eine Überprüfung nicht möglich ist (z.B. "Zu finden im 2.Buche der Europäischen Wappensammlung"; dieses Werk gibt es überhaupt nicht!)
  • Die Familie läßt sich in keinem Adelslexikon oder auch in keinen anderen relevanten Beständen auffinden.
  • Die Familie sei angeblich von Kaiser So-und-So geadelt worden. Hier kann man bereits alle vor 1350 (erste bekannte Nobilitierung v.Frosch) datierten Angaben getrost als erfunden zurückweisen, da es vor diesem Jahr keine deutschen Adelserhebnungen gegeben hat.
  • Auch Wappenverleihungen sind durch einen deutschen Kaiser vor dem 13.Jahrhundert nicht möglich gewesen, da dann erst das Wappenwesen nach Deutschland kam.
  • Die bekanntesten Fälscher waren die folgenden historischen Herren: Max Asten, Hugo Bieler, Karl Fleischmann, Gebhard Gartenschmidt, Berthold Großkopf, Paul Gründel, Raimund Günther, Adolf Hebensperger, Hermann Hermann, Levi Herschbach, Carl Ferdinand Kettnich, Franz Knapp, Carl Krahl, Franz Kuboth, Franz Kunze, Christian Kurz, Karl Eugen Kurz, Carl Michael Lieber, Hans Limbacher, Philipp Wilhelm Marnitz, Thaddäus Mikoda, Carl Wilhelm Muth, Emil Poenicke, Nicolaus Pohl, Josef Pohl, Franz Josef Reich, Carl Friedrich Riemann, Conrad Schüßler, Eugen schwartz, Carl Seeliger, Eduard Seyffert, Thaddeau Spängler, Georg Stark, Leonhard Stark, Jospeh Stein, Ascher Wappenstein, Max Wappenstein, Josef Weber, Gustav Winkler (Liste nach Arndt, Seiten 25-26; bibliographischer Nachweis siehe unten).
Dies sind nur einige wenige Hinweise, durch die man recht sicher vermuten kann, daß es sich bei einem Wappen um eine Fälschung handelt. Absolute Sicherheit bringt jedoch nur eine durch einen Fachmann begutachtete Vorlage, wie sie beispielsweise vom Verein Herold in Berlin durchgeführt wird, der solche Wappenfälschungen seit Jahren sammelt. Fachleute dort können beispielsweise auch erkennen, aus welcher Fälscherwerkstatt ein Wappen kommt.

Wer sich intensiver mit der Thematik beschäftigen möchte, dem sei die Lektüre des folgenden Aufsatzes empfohlen, der auch für die obigen Ausführungen dieser Website benutzt wurde. Er stammt von Jürgen Arndt: Der Wappenschwindel - seine Werkstätten und ihre Inhaber. Ein Blick in die heraldische Subkultur, in: Verein Herold (Hg.): Herold-Jahrbuch, Neue Folge, Band II., Berlin 1997, Seiten 9-31 und enthält ausführliche Auskünfte dazu sowie auch biographische Angaben zu den oben genannten Fälschern sowie viele Beispielabbildungen.

III. Beispiel für eine erfundene Wappenbeschreibung und -abbildung:
 
Familienbeschreibung Woywod

Angebliches Adelswappen Woywod

Wappen: "Woywod", erfunden und erstellt von Hans Limbacher 1914. Quelle: Anfrage zur Herkunft der Familie der "Woywod" von Herrn Matthias Woywod (Weberstraße 6, 17153 Stavenhagen), beim Institut Deutsche Adelsforschung am 26.01.2003. Herr Woywod hatte das schriftstück offensichtlich von einem seiner Vorfahren erhalten.

IV. Weiteres Beispiel aus einer anderen Werkstatt:

  • Wappenkopie. Text: "Zielbauer, ein fränkisches Geschlecht. Die Ertheilung der Familienwappens von Zielbauer fällt in die Zeiten Rudolfs /1577/. Sie führen im vierfachgeteilten Wappenschild: Rechts oben und links unten im goldgelben Felde auf drei grüne Hügel eine blaue Lilie und zwei Eicheln, in dessen Mitte blaues Kreutz steht, welches sinnbildlich die Aufrechterhaltung der Religion des Glaubens und Standhaftigkeit deutet; die übrigen Felder sind zahnförmig halb weiss und roth abgeteilt, welche auf Unzertrennlichkeit und Vereinigung deuten. Der linksstehende offene Ritterhelm deutet auf Hoheit, Würde und Glanz; ober dieser sind zwei Elephanten-Rüssel, an dessen Öffnung drei Straussenfedern herausstehen; und deuten auf unüberwindliche Stärke und Sieg im Kampfe. Roth deutet auf Blut und Feuer. Blau deutet Beständigkeit und Treue; Weiss deutet Unschuld und Tugend, Gelb deutet Stärke und Unüberwindlichkeit."
Angebliches Adelswappen Zielbauer
Eingesandt ans Institut Deutsche Adelsforschung am 5.Februar 2003 von Herrn Bernd Fischer (Meisenweg 8, 68535 Edingen-Neckarhausen, eMail: bernd.fischer@zelana.de).

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