Institut Deutsche Adelsforschung
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Mecklenburgischer Adel in der Frühen Neuzeit 1500-1750

Volltext-Edition zu Lebensläufen aus mecklenburgischen Leichenpredigten

Auf diesen Seiten finden Sie kostenfrei den Volltext einer Publikation mit einer thematischen Einleitung und Übersicht aus unserem Hause, die sich mit der Auswertung von Leichenpredigten aus der Landesbibliothek von Mecklenburg-Vorpommern zu Schwerin beschäftigt und vor allem aus kulturgeschichtlichem Blickwinkel verfaßt wurde. Bei Zitaten unserer Texte erbitten wir die entsprechende Quellenangabe.

Heirat und Familie

Der folgende Teil berichtet über die standesgemäße Gattenwahl und eheliches Selbstverständnis der mecklenburgischen Adeligen in der Frühen Neuzeit. Patrizische Edelleute aus den Städten heirateten lieber in das bürgerliche Patriziat ihrer Stadt ein als in den Landadel, Landedelleute bemühten sich, daß sie junge Töchter aus derselben gesellschaftlichen Sphäre ehelichten. Da die Frau im späteren Familienleben die Funktion der ersten häuslichen Erziehung der Kinder übernahm, war es von äußerster Wichtigkeit, die Braut nach den Merkmalen auszusuchen, die ihre Herkunft anzeigte. Einer bürgerlichen Braut, die erst durch die Heirat adelig geworden war, war es sicher nicht in dem Maße möglich, die Werte des Adels zu vermitteln als einem Fräulein, daß bereits von Kindesbeinen an in den "adelichen Tugenden" unterwiesen worden war.

Die Brautwerbung war daher oftmals weniger eine Sache der eigenen Verliebtheit, sondern eine von den Eltern oder anderen Anverwandten empfohlene sachliche Verbindung. Sehr oft ließ sich ein junges Landedelfräulein nur - wie es so oft in den Leichenpredigten hieß - "nach eingeholtem Rat" ihrer Mutter auf eine Heirat ein. Dies mußte oft allein deshalb geschehen, weil die Jungfrauen noch sehr kindhaft waren und kaum erfassen konnten, welche Aufgaben sie nach der Verheiratung erwarteten. So arrangierten im Jahre 1606 selbstverständlich die Eltern die Heirat der 18jährigen Elisabeth v.Walsleben (1590-1665) mit dem mecklenburgischen Gutsherrn Ulrich v.Negendanck ebenso wie 1723 die der erst 17jährigen Katharina Elisabeth v.Bülow (1706-1724) mit ihrem Vetter Barthold Dietrich v.Negendanck.

Bei der geringeren Lebenserwartung der Frauen war es aber nur natürlich, daß die Verheiratung oft sehr früh vonstatten ging. Sobald die Mädchen die Pupertät hinter sich hatten, sahen die Eltern bereits auf eine gute Partie, gelegentlich sogar noch früher. Eleonora v.Plessen (1671-1691) war von ihrem Vater schon mit 13 Jahren verlobt worden. Wegen ihrer großen Jugend aber fand die Hochzeit mit ihrem Gemahl v.Koppelow erst 1690 statt. Wenn auch eine Ausnahme, so standen die frühen Heiratsalter der anderen jungen Edellfrauen diesem Alter kaum nach. 

Durchschnittlich traten die adeligen Mädchen im Untersuchungszeitraum in Mecklenburg im Alter von 22 Jahren in den Ehestand.  Erklärlich wird dies dadurch, daß die Gebärfähigkeit eine wertvolle biologische Anlage war, die über den Bestand der Familie entschied.  Wer eine schon ältere Frau heiratete, hatte schlechtere Chancen, seine Linie zu erhalten. Deshalb wurden stets gern die jüngeren Mädchen gefreit. Anna Leveke v.der Lühe (†1699) und Margaretha v.Preen (1601-1674) gehörten zu den Ausnahmen, die schon mit 14 Lebensjahren vermählt wurden. 15jährig war Anna Margaretha v.Warnstedt (1642-1690), als sie in den heiligen Stand der Ehe trat. Ungewähnlich war es aber auch, das reifere Frauen heirateten und dann noch Kinder bekamen. Anna v.Preen (1522-1595) war bei ihrer Vermählung nicht nur schon 46 Jahre alt, sondern bekam von ihrem Gatten v.Stoislaff noch ein Kind, das freilich eine Totgeburt war.

Bei der Auswahl des Bräutigams spielten die Eltern die maßgebliche Rolle. Möglichst wurde ein Gutsherr oder ein Offizier gewählt, immer aber ein Edelmann. Wie sie selbst stammten die Eheherren aus derselben gesellschaftlichen und ständischen Schicht, konnten aber durchaus auch aus dem westlichen deutschen Adel stammen. "Ausländische" deutsche Gemahle erhielten allerdings nur die Minderzahl der Jungfrauen, Armgard v.Hahn (1628-1684) bekam einen Marschall v.Bieberstein zum Mann, Ilsabe Maria v.Schmeling (1619-1666) einen Müller v.der Lühne, Anna Ilsche v.Bülow (1675-1701) einen Löw v. und zu Steinfurth oder Dorothea v.Moltzahn (1597-1649) einen v.der Marwitz. Ansonsten wurde überwiegend in den mecklenburgischen Uradel geheiratet: Negendanck, Oertzen, Bülow, Pentz, Bassewitz und Vieregge  sind die am häufigsten auftauchenden Namen bei den männlichen Ehegatten. 

Angesprochen wurde bereits die Wichtigkeit der Frau bei der Erhaltung der Familienstammes. Entsprechend den hygienischen Bedingungen und den übrigen Einwirkungen wie einer hohen Kindersterblichkeit, Kriegen und Unglücksfällen war die Kinderzahl recht hoch. Ein Kind war die Ausnahme, meist blieb es dabei nur, wenn die Frau noch jung im Kindbett verstarb. 
Die meisten Kinder der hier untersuchten Damen hatte Dorothea Maria v.Lützow, die im 17.Jahrhundert 15 Kindern das Leben schenkte. Anna v.Preen (1532-1595), die ihren Gatten v.Bülow 22jährig geheiratet hatte, gebar ihm 12 Kinder. Zehn Kinder hatte Anna Margaretha v.Warnstedt verheiratete v.Petersdorff (1642-1690) oder Abel v.Plessen vermählte v.Bernstorff (1662-1700). 
Gelegentlich kamen auch Kinder aus zwei Ehen zusammen. So besaß Anna v.Rotermundt (1580-1641) aus ihrer Heirat mit einem v.Stralendorff zwei Kinder, aus der zweiten Ehe mit einem v.Moltke noch einmal vier Kinder. Auch Abel v.Oertzen (1603-1651) konnte auf diese Weise zehn Kinder bekommen. Zwei waren ihr aus der Ehe mit einem v.Rave beschieden worden, schließlich noch acht aus der zweiten Ehe mit einem v.Dannenberg.

In einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung, in der dem Mann das öffentliche Wirken und die Ausübung der Administration der Güter oblag, gehörte der Frau der Bereich der Erziehung. Ein Rollenwechsel kam nicht in Frage, eigene Berufe der Frauen gab es selten, den Haushalt führende Männer aber sehr wohl. Lange aber währte dieser Zustand meistens nie, sondern in der Regel ehelichten die Männer bald wieder eine Frau, die solche Aufgaben übernehmen konnte.

Indes gab es zumindest temporär auch andere berufliche Tätigkeitsbereiche bei adeligen Frauen. Ihre großen organisatorischen Fähigkeiten stellten sie nicht selten unter Beweis, wenn der Vater früh verstorben war, sie die Vormundschaft für die Kinder hatten sowie die Güter so lange verwalteten, bis die Söhne erwachsen genug waren, die Administration selbst zu übernehmen. Ein Beispiel hierfür war Maria Elisabeth v.Zülow (1623-1701), die ganze neun Jahre lang die Verwaltung des Gutes Groß-Stieten übernahm.

Die Lebens- und Berufswege der jungen Frauen, die dem Kindesalter entwachsen waren, beschränkten sich sonst auf wenige Tätigkeitsbereiche. Man konnte Konventualin werden, gelegentlich auch Äbtissin, Priorin, Priörin oder Domina in einem Kloster. In der Regel aber wurde ein Mann geheiratet und die Frau versorgte dann die Familie. Allerdings gab es auch beruflich recht selbständige Stellen bei Hof, die als Übergangsbeschäftigung angesehen wurden: als Kammerjungfer diente man einige Jahre bei einer Fürstin, bis man sich vermählte. Nicht selten lernte man den zukünftigen Gatten eben an jenem Hof erst kennen. Das hatte den Vorteil, daß er fast immer standesgemäß war, da nur Adelige für die Hofämter angenommen wurden.

Auch prägte der Umgang die noch beeinflußbaren Mädchen in ihrem Standesauffassungen und übte so anfänglich noch eine erzieherische Funktion aus; ähnlich wie die Pagen- oder Edelknabenzeit bei den Jungen. Die junge Dorothea v.Hahn (1599-1680) wurde von ihren Eltern unter diesem Aspekt der Erziehung als Kammerjungfer zu einer mecklenburgischen Fürstin gebracht. Andere Damen kamen später an den Hof: Dorothea v.Moltzahn (1597-1649), später verheiratete v.der Marwitz, war seit ihren 20.Lebensjahr Kammerjungfer bei verschiedenen deutschen Fürstinnen. Mit 17 Jahren kam Oelgardt v.Pentz (1594-1654), später verheiratete v.Passow, als Jungfer an den Hof der dänischen Königin. 

Alle diese genannten Damen heirateten später tatsächlich einen Gatten, den sie erst durch ihre berufliche Tätigkeit kennengelernt hatten. Zum Teil erwuchsen aus der Kammerjungfer-Tätigkeit auch längere Berufszeiten und ein eigenes Berufsleben: Margaretha Catharina v.Dannenberg (1607-1651), später vermählte v.Wackerbarth, war beispielsweise ganze zehn Jahre in Sonderburg am Hof tätig. Im Allgemeinen aber waren die drei bekannten "K" die Hauptdomäne der Edelfrauen: Küche, Kirche, Kinder.


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