Institut Deutsche Adelsforschung
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Mecklenburgischer Adel in der Frühen Neuzeit 1500-1750

Volltext-Edition zu Lebensläufen aus mecklenburgischen Leichenpredigten

Auf diesen Seiten finden Sie kostenfrei den Volltext einer Publikation mit einer thematischen Einleitung und Übersicht aus unserem Hause, die sich mit der Auswertung von Leichenpredigten aus der Landesbibliothek von Mecklenburg-Vorpommern zu Schwerin beschäftigt und vor allem aus kulturgeschichtlichem Blickwinkel verfaßt wurde. Bei Zitaten unserer Texte erbitten wir die entsprechende Quellenangabe.

Berufswahl und -entwicklung

Dieses Kaptile berichtet von der Wahrung des adeliges Berufsethos als Gutsherr, Beamter und Offizier. Wie wir erfahren haben, beeinflußte bereits die Peregrination das spätere Berufsleben. Hier konnte man spätere Dienstherren kennenlernen oder andere Edelleute, die einem an irgendeinem Hof eine Stellung verschaffen konnten. 

Interessanterweise lassen sich in der Berufsausübung verschiedene Gruppen mecklenburgischer Adeliger unterscheiden: der Stadtadel und der Landadel. Ein typischer Landadeliger orientierte sich nach seiner Kavalierstour entweder nach Mecklenburg als seiner Heimat oder aber in die westlich oder nordwestlich gelegenen Länder. Insbesondere das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, die Königreiche Schweden und Dänemark oder das Herzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf nahmen viele Adelige aus Mecklenburg als Beamte oder Offiziere auf, teilweise wanderten ganze Familienzweige nach dort aus (wie bei den v.Linstow oder v.Lowtzow). Seltener wurden Dienste des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation angenommen. Diese berufliche Orientierung nach Westen und Nordwesten schloß höchstens noch das Baltikum ein, Polen und Rußland aber wurden so gut wie überhaupt nicht in Betracht gezogen.

Als Edelmann mußte man unter Umständen schon früh eine große berufliche Verantwortung übernehmen. Cuno Ulrich v.Pentz (*1614) hatte mit 15 Jahren bereits die Administration der väterlichen Güter übernommen. Daneben aber gab es noch manche andere Branchen. Die Erlernung des geistlichen Berufs war allerdings bei den mecklenburgischen Edelleuten äußerst selten und eine Ausnahme: Als Barthold v.Krakewitz (1582-1643) Theologie studieren wollte, wurde er unverhohlen als Außenseiter angesehen. Er wurde nachgehends aber immerhin noch Pastor, Prof. Dr. und Präsident des Geistlichen Konsistoriums, bekleidete aber auch traditionelle Berufe wie den eines Gutsherrn auf Rügen. Seine beiden Heiraten waren bürgerlich und dies war schon wieder sehr ungewöhnlich für den einheimischen Adel. Er mutierte daher im Laufe seines Lebens von einem Land- zu einem Stadtadeligen und seine Kinder setzten diese neue Identität teilweise fort; unter anderem auch mit weiteren bürgerlichen und städtischen Verehelichungen. Eine ebenso seltene Ausnahme war sein Urenkel Albert Joachim v.Krackewitz (1674-1732), zuletzt immerhin geachteter Generalsuperintendent von Pommern und Rügen.

Selten war es auch, wenn Edelleute bei anderen Adeligen Dienste nahmen, die keine fürstlichen Status hatte. So bleibt es eine Ausnahme, wenn Christoph Adam v.Halberstadt (1626-1661) jahrelang als Stallmeister bei einem wohlhabenden schwedischen Grafen in Diensten stand. In der Regel suchte man sich nach der Grand Tour einen Fürsten, bei dem man Militär, Hof- oder Verwaltungsbeamter wurde.

Man sollte meinen, daß dort, wo Adelige ein Berufsleben hatten, auch ein Privatleben Platz gehabt haben muß. Doch wird über das Freizeitverhalten der Edelleute in den Leichenpredigten nur wenig bekannt. Das hängt sicher auch damit zusammen, daß es eine "Freizeit" in dem heutigen Sinne damals nicht gab. Beruf und Familie ließ einem Patriarchen und Hausvater oft keine Zeit zu privaten "Steckenpferden" und wenn, dann blieb die freizeitliche Beschäftigung meist auf adelstypische Tätigkeiten wie die Jagd beschränkt. Dabei war auch sie nicht rein freizeitmäßig, sondern wirtschaftlich-ökonomisch unterlegt durch die Versorgung des eigenen Hauhalts mit Nahrung oder die nötige Regulierung des Wildbestandes. Freizeitkultur konnte nur dort entstehen, wo Menschen eine genügende räumliche und gedankliche Trennung von Arbeit und Hauswesen verwirklichen konnten und wo sie nicht ihre ganze Zeit damit verbrachten, für den unmittelbaren Lebensunterhalt sorgen zu müssen. 

Da dies nur selten der Fall war, findet sich unter den mecklenburgischen Edelleuten jener Zeit kaum einer, der sich die Beschäftigung mit den Wissenschaften zur Liebhaberei erkoren hatte. Freilich waren sie fast durchweg gebildete Menschen, konnten lesen und schreiben, hatten in ihrer Jugend auch studiert, sich dann aber meist ganz dem praktischen Leben gewidmet. Wenn sich der gebildete und stets intellektuell interessierte Erbherr auf Rossewitz und Junker Carl Mathias v.Vieregge (1607-1637), der fünf Sprachen beherrschte, nach Beendigung seines Tageswerkes ausgiebig mit der prosaischen Rechenkunst befaßte und dazu noch poetische Gedichte schrieb, so war dies gewiß eine große Ausnahme. Von ihm erfahren wir außerdem, daß er gern spazieren ging und sich an Kahnfahrten auf dem See erfreute. Dietrich v.Bevernest (†1608) hingegen war ein Anhänger des römischen Dichters Flaccus Horatius und zugleich leidenschaftlicher Sänger seiner Verse, die er auf seinen Reisen und in seiner Freizeit vor sich hin summte.

Immerhin waren diese wenigen genannten Freizeitaktivitäten meist standesgemäß und in der Regel nur dann möglich, wenn man über gewisse Mittel dazu verfügte. Ähnlich war es bei dem ebenfalls aus der Masse des Adels herausragenden Erbherrn auf Ulrichshusen, Dietrich v.Moltzahn (1550-1599). Durch seinen wohlhabenden Vater war er in allen seinen gesitigen Anlagen aufs Beste gefördert worden, hatte fünf Universitäten besucht und später in philosopischen Tafelrunden diskutiert.

Das alles war die Ausnahme. Viele wurden "nur" Subalternoffiziere, viele freilich auch hohe Offiziere, Kriegsunternehmer, Hofbeamte oder Beamte der landesherrlichen Verwaltung, besonders die Verwaltung eines Amtsbezirkes als Amtshauptmann kam hier in Frage und wurde häufig und gern genutzt. Die meisten mecklenburgischen Edelleute aber waren in Anspruch genommen von der Landwirtschaft und der Administration ihrer Güter.


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