Institut Deutsche Adelsforschung
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Rechtliche Möglichkeiten zum Erwerb des Adels bis 1918

Wie man in Deutschland den Adel in der Vergangenheit erwerben und verlieren konnte

Wie schon in unserem Artikel zum gerichtlichen Adelsverlust in Preußen betont (siehe Nobilitas, Folge 17, Seiten 826) ist der Prozeß des sozialen Absinkens und der Standesmodifikation von oben nach unten im preußischen monarchischen Staat bis ins Jahr 1918 noch weitgehend ein unbeackertes wissenschaftliches Feld. Dies schließt auch die verschiedenen Wege ein, wie man Adel erwarben und verlieren konnte, setzt also bereits bei den formaljuristischen Möglichkeiten an.

Es wäre daher nicht ungeeignet, wenn man zur Definiton künftiger typologischer Kategorien in diesem Bereich zunächst eine begriffliche Beschreibung und Einteilung dieser Möglichkeiten entwirft. Da dies bisher für Preußen nicht geschehen ist,3 will der Verfasser an dieser Stelle den Versuch wagen, eine solche - zunächst als Diskussionsgrundlage - zu erstellen.

Betrachtet man sich zunächst überregional und damit auch außerpreußisch die Möglichkeiten der Adelserwerbung, so fallen eine hier nicht einmal mit dem Anspruch auf Vollständigkeit erwähnte Vielzahl von Möglichkeiten auf, die sich vom klassischen Erwerb eines Adelsbriefes oder der Existenz des Uradels unterschieden.

Unberücksichtig bleiben in dieser Aufstellung zahlreiche Fälle, bei denen der Adel schon vor einer landesherrlichen Verleihung vorhanden war, also beispielsweise eine Adelstitelführung aufgrund reichsgerichtlicher Entscheidung (Beispiel: zur Lippe-Biesterfeld 1905), Genehmigungen zur Fortführung des Freiherrentitels (Beispiel: v.Ledebur 1848), kaiserliche Intimationsdekrete zur Führung des Freiherrentitels (Beispiel: v.Orsbeck 1688) ebenso wie die in Preußen nicht anerkannte Adelsführung der in wien 1804 geadelten Familie (v.Münstermann aus Westfalen und dergleichen mehr. Die folgenden Aufzählungen erheben keinen Anpruch auf Volständigkeit, beruhen aber in den Definitionen sämtlich auf der unter Aufsicht des Deutschen Adelsrechtsausschusses erstellten Reihe "Adelslexikon" des Genealogischen Handbuches des Adels der Bände I. bis XI. (1972-2000) der Buchstabengruppen "A" bis "Rok".

A. Möglichkeiten zum Erwerb des Adels

  • Adel ohne jede Legitimation = adelsrechtlich zweifelhaft (Beispiel: v.Lebbin, naturgemäß kein Datum)
  • Erblicher Adelsstand = häufigste Verleihungsmöglichkeit des Adels, indem ein Nichtadeliger und seine möglichen ehelichen Nachkommen beiderlei Geschlechts im Mannesstamm in den Adelsstand per vom Landesherrn unterzeichneten Diplom erhoben wurde (Beispiel: v.Flügge 1886)
  • Persönlicher Adelsstand = vor allem in Österreich, Bayern und Württemberg verbreitet (Beispiel: v.Mohl 1811)
  • Adelsarrogation = Arrogation ist eine Form der Annahme an Kindesstatt, bei der sich im Gegensatz zur Adoption eine nicht in väterlicher Gewalt stehende Person selbst in die Gewalt eines Dritten begibt. In der Verbindung mit dem Wort "Adel-" kann eine Arrogation mit einer Nobilitierung, zum Teil auch zeitverschoben, ausgeführt werden (Beispiel: Kunhardt v.Schmidt 1869)
  • Adelsattest vom preußischen Heroldsamt (Beispiel: v.Oppenkowski 1888)
  • Adelsprävalierung = Wirkung wie eine Nobilitierung (Beispiel: Lemmel v.Seedorf 1885)
  • Adelsanerkennung durch Huldigung = Beim Übergang Westpreußens von Polen an Preußen im Jahre 1772 wurde den Geschlechtern, die dem König v.Preußen als neuem Landesherrn huldigten (sich ihm unterstellten), die Berechtigung zur Führung des Adels zugesprochen. Die dem König nicht huldigenden Familien, die oft aus polnischer Szlachta stammten, wurden in Preußen als nichtadelig betrachtet (Beispiel: v.Mocki, nur möglich 1772).
  • Adelsausdehnung = ähnlich wie die Adelsübertragung. Ein oder mehrere nichtadelige Verwandte eines Adeligen erhalten den Adel durch eine spezielle Form der Nobilitierung (Beispiel: v.Pury 1788)
  • Adelsbestätigung = bei zweifelhaftem Adel eine Bestätigung des Adelsstandes (Beispiel: v.Lerchenfeldt 1587)
  • Adelsübertragung = zusätzliche Nobilitierung eines nichtadeligen Verwandten eines Adeligen (Beispiel: Lévay de Kistelek 1886)
  • Adelsnaturalisation = geschah bei ehemals ausländischen Familien, die sich im Inland ansässig gemacht hatten und hier bereits informell naturalisiert waren. Die Adelsnaturalisation bestätigte die offizielle aufnahme der Familie oder einzelner Teile von ihr im neuen Wirkungskreis (Beispiel: v.Levetzow 1776 in Dänemark)
  • Adelslegitimation = durch uneheliche Geburt nichtadelig geborene Kinder eines Adeligen werden adelsrechtlich legitimiert und erhalten den Adel (Beispiel: v.Lauterbach 1854)
  • Adelserneuerung = für einen verdunkelten Adel, der früher schon bestanden hat, dann aber durch Nichtgebrauch in Vergessenheit geraten war, erteilt (Beispiel: v.Lavergne-Peguilhen 1821)
  • Adelserneuerung nur für in Kriegsdiensten stehende Personen = beschränkte Adelserneuerung (Beispiel: v.Drigalski 1755)
  • Adelsführung nicht beanstandet ohne offizielle Nichtbeanstandung (Beispiel: v.Loga ohne Datum)
  • Adelsrechtliche Nichtbeanstandung = durch eine Adelsbehörde bis 1918 oder ein adelsrechtliches Gremium ab 1918 ausgesprochen (Beispiel: v.Moeller 1942)
  • Adelsresolution (Beispiel: v.Reichmeister 1795)
  • Adel aufgrund Großratsbeschluß der Republik Bern = nur bei Berner Familien, denen am 9.4.1793 die Führung des "v." freigestellt wurde (Beispiel: v.Müller, nur 1793 möglich)
  • Bestätigung des bisher geführten Namens (Beispiel: v.Laurens 1889)
  • Bescheinigung der adeligen Abstammung durch Heroldamtsreskript (Beispiel: v.Pawlikowski 1875)
  • Bescheinigung des Adels durch einen preußischen Regierungspräsidenten (Beispiel: v.Pokrzywnicki 1803)
  • Bescheinigung des Kgl. Preußischen Heroldsamtes über die Zugehörigkeit zu einem Adelsgeschlecht, dessen in Preußen eingewanderte Mitglieder stets als Edelleute angesehen wurden (Beispiel: v.Rosen, 1886)
  • Bezeugung der adeligen Abstammung durch zwei Edelleute (Beispiel: v.Zabiensky, 1746)
  • Bestätigung des ausländischen Adels als inländischer Ritterstand (Beispiel: Lipowski v.Lipowiec 1856)
  • Berechtigung zur Adelsführung (Beispiel: v.Miaskowski 1902)
  • Durch den degen geadelt (Beispiel: v.Schmidt 1798)
  • Genehmigung zur Führung eines adeligen Namens (Beispiel: v.der Lippe 1887)
  • Genehmigung zur Fortführung des Adels (Beispiel: v.Lenski 1912)
  • Genehmigung der Führung des Adelsprädikats "v." (Beispiel: v.Lieberman 1912)
  • Genehmigung zur Annahme eines alten Namens (Beispiel: v.Leipziger 1905)
  • Genehmigung zur Führung der Namensform (Beispiel v.Lenz 1867)
  • In den Landadel übergegangen (Beispiel: v.Löhneysen ohne Datum)
  • Russiche Anerkennung der Berechtigung zur Führung des Baronats durch Senatsukas (Beispiel: v.Loudun, 1854)
  • unbeanstandete Namensform ohne offizielle Namensbestätigung (Beispiel v.Lentz seit dem 18.Jahrhundert)
  • Uradel = Adel, der bereits vor 1400 als ritterbürtig in Urkunden erwähnt wird (Beispiel: v.Heydebreck, ab 1254)
  • Wird ohne Diplom zum zum Adel gerechnet (Beispiel: v.Lucadou, ohne Datum)
  • Wird zum einheimischen Adel gerechnet = ohne Uradelseigenschaft und ohne Adelsdiplom als adelig zu einer bestimmten Region nicht beanstandet (Beispiel: v.Kurnatowski, ohne Datum)
B. Spezifische Bezeichnungen bei dem Eintritt in einen Landesadel oder in Ritterschaften

Berechtigte zwar nur zu bestimmten Rechten innerhalb der Korporation, für die eine Aufnahme ausgesprochen wurde, hatte jedoch auch allgemeingültige adelsrechtliche Rückwirkungen. Eine Familie, die in einen Landesadel korporiert wurde und sonst keinen Adelsnachweis vorzeigen konnte, galt durch den Inkorporationsvorgang als dem Adel zugehörig. Die folgenden Beispiele schließen auch nichtdeutsche europäische Legitimationsformen des Adels ein.

  • Adelige Gesellschaft des Hauses Frauenstein (Beispiel: v.Loen ohne Datum)
  • Agnition in die Mecklenburgische Ritterschaft (Beispiel: v.Gadow-Hugoldsdorff 1778)
  • Aufnahme im Haus Alten Limpurg (Beispiel: Lersner 1566)
  • Aufnahme in den belgischen Adel (Loe)
  • Aufnahme in den preußischen Adel (Beispiel: v.Kupsz 1900)
  • Aufnahme in die adelige Ganerbschaft des Hauses Alten-Limpurg (Beispiel: v.Lützow, 1961)
  • Aufnahme in die Althessische Ritterschaft (Beispiel: v.Leonhardi 1846)
  • Aufnahme in die mittelrheinische Reichsritterschaft (Beispiel: v.Loehr 1769)
  • Aufnahme in die steirischen Stände (Beispiel: Di Pauli v.Treuheim 1823)
  • Aufnahme in die Tiroler Adelsmatrikel (Beispiel: Longo-Liebenstein, 1906)
  • Bayerische Edelmannsfreiheit (Beispiel: v.Muggenthal 1586)
  • Böhmisches Inkolat im Herrenstande (Beispiel:  v.Loudun, 1829)
  • Braunschweigisch-Lüneburgische Publikation = duch die Veröffentlichung im eigenen Lande erfolgte stillschweigend eine Adelsanerkennung eines im Ausland erworbenen Adels (Beispiel: v.Nolting 1734, in Wien 1717 geadelt)
  • Eintrag in das sächsische Adelsbuch (Beispiel: v.Leipziger 1906)
  • Eintrag in die Adelsmatrikel der preußischen Rheinprovinz (Lommessem,1829)
  • Eintragung in das Goldene Buch des Adels der Insel Kephalonia (Beispiel: v.Lusi, 1593)
  • Eintragug in das Adelsgeschlechtsbuch des Gouvernements St.Petersburg (Beispiel: v.Otto 1823)
  • Immatrikulation bei der  ... Ritterschaft etc. (Beispiel: v.Ledebur 1762 in Kurland)
  • Immatrikuliert bei der Bayerischen Adelsklasse / Ritterklasse / Freiherrenklasse / Grafenklasse
  • Inkolat in Schlesien (Beispiel: v.Lange 1805)
  • Introduktion bei der Adelsklasse der schwedischen Ritterschaft (Beispiel: v.Möller, 1649)
  • Kurfürstlich Bayerische Ausschreibung (Beispiel: v.Langenmantel 1668)
  • Landmannschaft in Kärnten (Beispiel: v.Leon 1751)
  • Legitimation bei der Galizischen Landtafel (Beispiel: v.Lesniowski 1784)
  • Preußisches Indigenat (Beispiel: v.Lüderitz, 1703)
  • Rezeption in die Mecklenburgische Ritterschaft (Beispiel: v.Mecklenburg 1770)
  • Salzburgische Ausschreibung (Beispiel: v.Lehrbach 1791)
  • Ungarisches Indigenat (Beispiel: v.Liebenberg 1728)
C. Möglichkeiten des Adelsverlustes
  • Juristischer Adelsverlust = gerichtlich herbeigeführt, führt zum Verlust des Adels für eine Person infolge einer Straftat, die bisher geborenen adeligen Kinder blieben (in Preußen) adelig (z.B. v.der Osten 1794).
  • Adelsniederlegung = infolge freiwilliger Ablegung des Adels einer Person vor einer Behörde, die bisher geborenen adeligen Kinder blieben (in Preußen) adelig (Beispiel: v.der Oelsnitz 1845).
  • Aufhebung des Adels = Zurücknahme des Adelsdiploms aufgrund späteren Erwägungen des Landesherren zur Unwürdigkeit der Beliehenen, zum Teil erst nach Jahren widerrufen (Beispiel: v.Lanzendorff 1824)
  • unberechtigte Adelsverleihung = Zurücknahme der Adelsdiploms durch eine nicht mit einer Legitimation zur Adelsverleihung versehene Institution (Beispiel: v.Lebzeltern, 1689 durch die philosophische Fakultät der Wiener Universität)


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