Institut Deutsche Adelsforschung
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Kleines ABC zum deutschen Adel

Namen, Verbände, Daten, Fakten aus fünf Jahrhunderten

Die vorliegende Webseite ist Teil eines kleinen virtuellen Lexikons betreffend herausragende Persönlichkeiten des deutschen Adels der Neuzeit sowie adelseigene Begriffe und Institutionen. Neben einer thematischen Einleitung zum Gesamtwerk finden Sie hier auch Register aller Artikel im Lexikon auf der Verzweigungsseite.

Völkische Adelsreformideen

"Das aber mögen sich von allen Volksgenossen die Fürsten und Adeligen deutschen Blutes, wo immer sie auch das über ihnen und den Völkern waltende Schicksal hingestellt hat, merken, daß es keinen höheren Adel gibt, als den der wurzelhaft deutschen Gesinnung und keine tiefere Schmach als deutschen Stammes zu sein und das Deutschtum zu verleugnen, zu mißachten oder gar zu unterdrücken." So forderte der völkische Schriftsteller Franz Kießling in seinem Werk "Wanderung im Poigreiche", welches vor 1911 erschien, den Adel auf, sich zu reformieren.  Auch Scheinadelige Guido von List (1848-1919), der in den völkischen Rastern des ebenfalls Scheinadeligen Jörg Lanz von Liebenfels (1874-1954) wandelte und sich illegitim teilweise selbst "Guido von List" nannte, forderte eine solche Orientierung noch im Kaiserreich.

Er entwarf dabei in einem seiner Bücher die Verfassung eines neuen Deutschland, in der er dem Adel einen neuen Führungskreis und neue Aufgaben zuwies. Dabei griff er teilweise zurück auf Vorarbeiten des Lanz von Liebenfels, der schon ein Jahrfünft zuvor - 1906 - ein Buch mit dem Titel "Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron. Eine Einführung in die neueste und älteste Weltanschauung und eine Rechtfertigung des Fürstentums und des Adels" herausgegeben hatte.

Betrachtet man sich diese zwei rassisch-religiösen Philosophen aus jener Zeit, die zudem durch eigenmächtige Adelsbeilegung dem Glanz des Adels teilhaftig werden wollten, im übrigen aber bei Betrachtung ihrer Biographie philosophische Abenteurer waren, so wurde der Begriff "Adel" von ihnen in einer künftigen Welt neu definiert.

Guido ListList war geborener Wiener und Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns. Seit 1902 betätigte er sich ausschließlich als völkischer Seher und freier Schriftsteller. Er strebte einen Staat und eine Gesellschaft an, in der die Qualität der Ichtümlichkeit oder des Individuums hervorgehoben wurde. Grundlage aller Verfassungen müsse die biologische Rasse sein. Sie entscheide automatisch über Führungsaufgaben oder Unterordnungstendenzen. Rassisch vorgegeben wären somit höhere Rassen und niedere Rassen. Mit anderen Begriffen nannte er diese beiden Gruppen auch Herrenmenschen, Asen oder Ario-Germanen einerseits und Herdenmenschen, Tschandalen, Mischlingsbrut oder Affenmenschenbrut andererseits. Bei der Betrachtung dieser Gruppen hatten die Individuen bei List allerdings keinen Vorrang, sondern nur die Gruppen. Denn unabhängig von den Fähigkeiten des Einzelnen garantiere bereits die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse gewisse Fähigkeiten, schlechte Eigenschaften seien einer Rasse ebenso angeboren und bereits im Erbgut vorhanden wie gute.

List selbst (Portrait siehe rechts) zählte sich zu den Ario-Germanen. Dennoch ergebe nicht automatisch die Herrschaft der Ario-Germanen einen von bösen Einflüssen freien Staat, sondern die Herrenmenschen, die in der Minderzahl und daher eine Elite seien, müssten im steten Kampf gegen den Herdenmenschen, der die Mehrheit stelle, seine Bewährung erkämpfen und durch Kampf seine erhöhte Stellung halten. Entsprechend den Rassen waren die Eigenschaften kennzeichnend: hier Selbstbestimmungsrecht, Heldentum, Ordnungsgefühl, dort Willkürherrschaft, Selbstsucht, tierischer Selbsterhaltungstrieb.

List lehnte deshalb auch das parlamentarische System strikt ab, es würde dem Herdenmenschen stets die Mehrheit verschaffen, da die Herrenmenschen immer in der Minderzahl waren. Nur eine hierarchische, pyramidale Staatsverfassung könne hingegen die Herrschaft der Ario-Germanen erhalten.

Für die kommende Zeit prophezeite List, daß nach der Konsolidierung der Nationalstaaten etwa um 1921 die Konsolidierung der Rassen erfolgen müsse. Die asische Rasse würde sich in dieser Zeit die Mongolen, die mediterrane Rasse die schwarze Rasse untertan machen und als Diener gebrauchen. Als Asen wurden von ihm die Arier oder Sonnenerzeugten verstanden. Als Toleranzbegriff verwendete List dabei die Argumentation, daß Rassereinheit eine menschenfreundliche Einteilung sei, denn er plädierte für feministische, anarchistische, konstituionelle, auch republikanische Staaten, aus denen diejenigen, denen eine ario-germanische Verfassung nicht zusage, auswandern könnten.

Die in Deutschland gültige Verfassung sei zur Verwirklichung seiner Pläne derzeit (1911) ungeeignet, insbesondere der Parlamentarismus und die Volksvertretung verhindere jede positive Entwicklung am Staats- und Volkswesen. Trotzdem sei eine monarchische Konstitution die Voraussetzung für Ario-Germanen. Auch die Wisschenschaft und die Kunst seiner Zeit kritisierte List, in ihr werde jede Ichtümlichkeit unterdrückt und würden nur schablonenhafte Massenmenschen erzeugt. Dies sei auch beim Stiftungswesen nicht anders. Die von Ario-Germanen (und vornehmlich dem Adel) errichteten Legate zugunsten der Armen und Kranken seien keine Wohltätigkeit, sondern eine verblendete Unterstützung der Herdenmenschen, mit denen sich sich die Ario-Germanen mehr schaden als nützen würden.

Doktordiplome und Abgangszeugnisse würden der Tschandelnrasse die besten Stellungen in Militär und Verwaltung sichern, während der Ario-Germane dieser Papiere bei "seiner regeren rassenhaften Geistesgewalt" nicht bedürfe. Er müsse in derzeitigem bildungswissenschaftlichen System "froh sein, wenn er um einen Hundelohn einem hochangestellten und gutbezahlten Mischlings- oder Tschandalensprößling als geistigem Handlanger dienen darf."

Feste Vorstellungen hatte List auch von der künftigen Aristokratie: Vornehmste Aufgabe des Adels sei es, seine eigene Rasse hochzuzüchten und sich von Niederrassigen eindeutig zu trennen und zu scheiden. Rechtlich sei diese Vorgehensweise legitimiert durch den Sachsenspiegel und das alte deutsche Recht, das dem Römischen Recht als Versklavungsmittel der Tschandalen gegenüberstehe. Die Aufgabe der Herdenmenschen könne nichts anderes sein, als sie in das "naturnotwendige Abhängigkeitsverhältnis" zum Ario-Germanen zu bringen.

Den Angehörigen dieser Rasse müsse es künftig verboten sein, irgendeine öffentliche oder leitende Stellung einzunehmen oder Grundbesitz zu haben. Dahingegen seien ihnen alle Dienerstellen, der Kleinhandel und das Handwerk offenzuhalten. Diese Tätigkeit sei die beste Möglichkeit, die Tschandalen "nutzbringend verwerten zu können." Herdenmenschen dürften aber nicht gemeinsam gleichberechtigt mit Herrenmenschen arbeiten, nicht mit ihnen erzogen werden und nicht gesellschaftich mit ihnen verkehren oder verheiratet sein. Sie dürften keine Armanenschulen wie Gymnasien, Hochschulen und Mittelschulen, sondern nur Volksschulen besuchen, auch keinen Anteil haben an Wissenschaft und Kunst.

Im Gegenzug dafür forderte List für den neuen Adel die künftige rassische Rein- und Hochzucht, strenge Gesetze gegen Mischlingsehen, die Festigung alt-ario-germanischer Sippenordnungen, die Einrichtung von Erbherrengütern nach dem Fideikommißprinzip und alle bürgerlichen Freiheiten sowie die Verpflichtung jedes Hausvaters oder Stammeshauptes (Familienvaters) zur Anlegung eines Sippenarchivs mit Sippenchronik.

Bereits die Jugend müsse in diesem Sinne adelig erzogen werden: Vor der Centschaft - einer Verwaltungseinheit - müsse der Jungmann Eide ablegen; mit sieben Lebensjahren ein Gelöbnis als ario-germanischer Lehrling, mit 14 Jahren die Erneuerung des Gelöbnisses als Geselle, mit 21 Jahren den Fahnen- und Waffeneid auf Vaterland und König, mit 28 Jahren den vollen Bürgereid.

Auf verfassungsstaatlicher Ebene empfahl List die alte ario-germanisch-deutsche Gauverfassung der sieben Waltungsebenen, plädierte zunächst jedoch nur für ein fünfgeteiltes Modell: 1. als kleinste Einheit die Gemeinde oder Centschaft (Dorf), 2. dann die Bezirkswaltung, Gaywaltung oder Hunschaft (Stadt), 3. die Gauwaltung (Kreis), 4. die Landeswaltung (Provinz) und 5. das Reich (Land).

Auf jeder Ebene müsse es unterschiedliche Funktionsträger geben, die von den Ario-Germanen erwählt werden sollten, in der Regel sogenannte Wahrer. Hierzu gehörten unter anderem der Reichs-Sippenwahrer als Verantwortlicher für die ario-germanische Menschenzucht und in der Funktion eine Betreuers des Reichssippenarchivs oder der Reichsweistumswahrer als zuständiger Minister für Wissenschaft und Kunst.

Dem aristokratischen Feudalwesen und dem Fideikommißgedanken brachte List größte Sympathie entgegen. Die Sippe gehörte für List zu den Grundfesten und Fundamenten gesunder ario-germanischer Entwicklung. Daher lobte er auch besonders das Werk seines geistigen Mitstreiters, des Armanen Bernhard Koerner (1875-1952), der die Reihe des Deutschen Geschlechterbuches begründete und in ihm ständig neue Sippen darlegte, welche der künftige Stamm einer ario-germanischen Adelsrasse darstellen sollte. Nicht die in den zur gleichen Zeit in den Genealogischen Gothaischen Taschenbüchern gesammelten Adelsfamilien, sondern ausdrücklich jene bürgerlichen Familien seien die Grundlage, "aus welcher hoffentlich recht bald sich eine erneute kraftbewußte Sippengliederung herauskristallisieren wird, um den ario-germanischen Adel der Zukunft daraus zu gebären, der nichts anderes sein soll als die wiedergeborene ario-germanisch-deutsche Edelrasse der Herrenmenschheit ... Wie weit der heute bestehende Adel dafür verwendbar sein wird, wird dessen Verhalten erst erkennen lassen."

Im politischen Leben der Gegenwart forderte List anschließend nur wenige Jahre  vor den Schüssen von Sarajevo zu einem kommenden ario-germanischen Weltkrieg auf, in dem sich Vorherrschaft oder Untergang der Herrenmenschen entscheiden müsse: "Ja, noch einmal sollen die Funken aus den ario-germanisch-deutsch-österreichischen Schlachtschiffen stieben, noch einmal sollen Donars Schlachtenblitze aus den Kolossalkanonen unserer Dreadnougths zischend züngeln, noch einmal sollen unsere Völkerheere auf den alten Irminswegen nach Süden und Westen, meinetwegen auch nach Norden wettern, um die Tschandalenburt wieder in ihre Fesseln der Kultur zu schlagen, die sie freventlich zerbrochen haben, damit Ordnung geschaffen werde und der Herrenmensch wieder zu seinem ihm abgelisteten Herrenrecht gelange, damit aber auch der Herdenmensch wieder in geordnete Verhältnisse gebracht werde, in welchen auch sein Glück ihm erblühen wird." Danach sei die Wiedergeburt des Armanismus zu erwarten.

Welches Adelsbild vertrat also Guido List? Er entwarf am Vorabend des ersten Weltkrieges ein ungewöhnliches Bild von Staat und Adel, das sich ganz dem bei ihm dominierenden Rassebegriff unterordnete. Unter Adel verstand er nicht eine landesherrliche Gnade mit äußerer Auszeichnung, gleichwohl aber eine mit gewissen Privilegien ausgestattete Bevölkerungsschicht. Die Rechte jener Schicht sollten jedoch wesentlich weiter gefaßt sein als zu seiner Zeit, wo sie sich lediglich auf Rechte bei der parlamentarischen Vertretung (preußisches Herrenhaus), die ritterschaftlichen Klöster (Einschreibungen) oder auf das bessere Fortkommen in der Armee (Garderegimenter) bezogen.

Motivationen oder Gründe zur Erlangung des Adels waren demnach in seinem Weltbild unwichtig, ebenso die mögliche Adelsaberkennung oder -niederlegung als ein zu seiner Zeit noch aktives Institut zur Standesregulierung. Die Adelsvoraussetzungen waren bei ihm ausschließlich nur durch einen Faktor zu erlangen: Die Abstammung. Lists Adelsbegriff ging also von einem Geburtsadel aus, der sich nicht durch die bisher üblichen Nobilitierungen vermehren, sondern nur biologisch aus sich selbst ergänzen konnte. Die erhöhte Produktion von Herrenmenschen sollte dabei den natürlichen biologischen Schwund aufhalten; List huldigte mehr dem aristokratischen Prinzip als der "Herrschaft der Besten" denn dem Adel seiner Gegenwart.

Zugleich setzte sich List für eine Zweiteilung der Gesellschaft und der Abwertung bestimmter Menschengruppen ein. Die Größe der Verdienste einzelner Rassevertreter der von ihm so benannten Affenmenschenbrut mochte ihn nicht interessieren, wichtig war für ihn lediglich die Eigenschaft, daß sie der in seinen Augen minderwertigen Tschandalenrasse angehörten, deren Leitziel die intellektuelle Verdummung und deren Aufgabe die Bedienung der Ario-Germanen sein sollte.

Als Menschenverachter kam er sich nicht vor: Es sei die natürliche Bestimmung der Tschandalen, Diener zu sein und dementsprechend sah er alle Aktivitäten, die auf Führungsaufgaben der Affenmenschenbrut hinausliefen, als deren eigenes Unglück an. Dies wird auch deutlich an seinem Ausspruch  bei seiner Aufforderung zum Krieg: nur wenn die Herdenmenschen erniedrigt würden, wären sie glücklich. Die Unterdrückung und Entrechtung der Tschandalen durch den neuen Adel sei daher keine Menschenverachtung, sondern nur die Erfüllung naturgegebener Gesetze.

Interessant war weiter Lists Bekanntschaft mit Dr.Koerner und dessen Engagement für Lists völkische Ideen und den heraldischen Okkultismus. Mit seiner Hilfe fand List heraus, daß Teile des deutschen Adels in Mecklenburg, Kärnten, Brandenburg und der Steiermark die Vertreter einer alter armanischen Kultur wären und geheimes Wissen und Erbkraft in sich tragen würden. Aufgrund dieser Ideenverbindung entstand übrigens auch der "St.Michaels-Verein Deutscher Edelleute zur Pflege der Geschichte und Wahrung historisch berechtigter Standesinteressen" des List nahestehenden völkischen Freiherrn Friedrich v.Gaisberg (1857-1932).

Bemerkenswert bleibt, daß viele Ideen von List in veränderter Form gut zehn Jahre später von einzelnen Protagonisten aufgegriffen wurden. So wirtken Lists Adelsphantasien bewußt und unbewußt über Dr. Koerner oder Fritz v.Bodungen (1879-1943) bis hinein in die Adelsgenossenschaft und die staatlichen Behörden.

Einige Eckpunkte von List fanden sich später in modifizierter Form im NSDAP-Programm wieder: Die Aufwertung der "arischen Rasse" (SS-Ziele und -Aufnahmekriterien), die Beschneidung der bürgerlichen Rechte für Andersrassige (Nürnberger Rassegesetze 1935), die Gründung einer genealogischen Überwachungsbehörde (Reichsstelle für Sippenforschung, Ahnennachweis), die Errichtung von landwirtschaftlich gebundenem Besitz (Erbhofgesetz), die zentralistische Staatsordnung (Führerstaat) und nicht zuletzt die Entmachtung des alten Adels (keine Zuweisung von Führungsstellen).

Quellen und Schrifttum: Vorwort zum Kapitel III. Ararita in: Guido List: Die Armanenschaft der Ario-Germanen, Zweiter Teil, Leipzig und Wien 1911, S.121 (Forschungs- und Landesbibliothek Gotha, Sign.: Hist.nat. 80 1045) --- Franz Kießling in seinem Werk "Wanderung im Poigreiche", Wien und Leipzig 1906 --- Guido List: Die Armanenschaft der Ario-Germanen, Zweiter Teil, Leipzig und Wien 1911, S.53-146 --- Uwe Puschner / Justus H. Ulbricht: Guido von List, in: Uwe Puschner / Walter Schmitz / Justus H. Ulbricht: Handbuch zur Völkischen Bewegung 1871-1918, München 1996, S.916-917 --- Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Graz und Stuttgart 1997, S.67-69 


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