Edelleute als Träger des Ehrenzeichens vom 9.11.1923
Verleihungen des nationalsozialistischen Parteiordens an Adelige
ab 1934
Den parteigebundenen "Blutorden" bekamen ab 1934 Nationalsozialisten
und Nichtnationalsozialisten als Ehrenzeichenträger verliehen. Unter
ihnen befanden sich auch einige Adelige, die hier einmal näher vorgestellt
werden sollen. Das "Ehrenzeichen vom 9.November 1923", das allgemein "Blutorden"
genannt wurde, fällt als Auszeichnung in der Landschaft deutscher
Orden und Ehrenzeichen deutlich aus dem Rahmen und dies vor allem aus zwei
Gründen: Erstens wurde es relativ selten verliehen und zweitens konnte
man in der Regel nur Inhaber werden, wenn man gewisse weltanschauliche
Voraussetzungen bewiesen hatte.
Im Folgenden soll einmal aufgezeigt werden, welche Edelleute den
Blutorden trugen und warum sie ihn trugen. Paradoxerweise befanden sich
nämlich ganz entgegen den Statuten unter den Trägern des Ordens
auch zahlreiche Nichtnationalsozialisten, die auf recht seltsame Weise
in den Besitz der Auszeichnung kamen. Warum dies so war, soll hier einmal
am Beispiel des Adels dargestellt werden.
A.Einführung
Doch zunächst einige Grundsätzlichkeiten zu diesem Ehrenzeichen:
Der Blutorden war undatiert - im März 1934 - von Adolf Hitler
gestiftet worden und hatte den Charakter eines Ehrenzeichens, nicht den
eines Ordens. Er wurde ausschließlich auf Antrag des Auszuzeichnenden
oder später auf Antrag von Hoheitsträgern der Partei verliehen.
Anträge waren zunächst beim Zemtralamt der Obersten SA-Führung,
ab 1938 beim Reichsschatzmeister der Partei einzureichen, der dann den
Betreffenden bei Adolf Hitler vorschlug, wenn eine Ordenskommission den
Antrag geprüft hatte. Der Kommission mußten fünf Parteigenossen
angehören, die selbst Träger des Blutordens und des Goldenen
Ehrenzeichens der NSDAP waren (die also eine Mitgliedsnummer unter 100.000
besaßen). Die Abwicklung der Verleihung erfolgte im Namen Hitlers
durch die SA-Führung und ab 1938 durch den Reichsschatzmeister.
B. Angebliche Verleihungsvoraussetzungen
Verliehen wurde das persönliche Ehrenzeichen in der Regel
nur an besonders "treue" Parteikämpfer, die schon lange Zeit vor der
Machtergreifung im nationalsozialistischen Geiste tätig gewesen waren.
Unterstrichen wurde die Exklusivität des Blutordens durch seine Ausführungsbestimmungen
und die Numerierung der einzelnen Ehrenzeichen sowie Matrikelerfassung
der Träger. Diese Matrikel ermöglicht es heute, den Personenkreis
der Beliehenen recht genau zu rekonstruieren. Zu den Personenkreisen, die
zur Verleihung zugelassen waren, gehörten drei Gruppen:
-
Gruppe 1: Parteimitgliedschaft schon vor dem 1.1.1932, ununterbrochen
andauernd bis zum Tage der Antragstellung auf Verleihung des Blutordens,
Ausnahme waren in den Jahren solche Mitglieder, bei denen die Parteimitgliedschaft
wegen ihrer Zugehörigkeit zur Wehrmacht vorläufig ruhte. Nationalsozialistische
Überzeugung und "charakterliche Würdigkeit" wurden ebenfalls
gefordert.
-
Gruppe 2: Teilnahme an den Kampfhandlungen des 9.11.1923 in
München als Angehöriger des Bundes Oberland, der SA, der Reichskriegsflagge
oder der Wehrmacht (sic!), wenn eindeutig nachweisbar gemacht werden konnte,
daß der Betreffende auf nationalsozialistischer Seite gestanden hatte.
Bei Fehlen der vorgenannten Bedingungen konnte der Blutorden aber auch
an solche Parteigenossen verliehen werden, die am 9.11.1923 in Marsch gesetzt
worden waren, aber aus Gründen verschiedenster Art an Kampfhandlungen
nicht mehr hatten teilnehmen können.
-
Gruppe 3: Ferner genügte auch allein der Nachweis einer
für die Bewegung erlittenen Verurteilung zum Tode mit späterer
Begnadigung zu lebenslänglichem Kerker oder eine mindestens einjährige
Gefängnisstrafe oder eine schwere Verletzung, die auf politische Betätigung
zurückzuführen war.
Das Ehrenzeichen bestand aus einer an einer gewölbten Standardöse
aufgehängten Ordensmedaille, die an einem roten, schwarz-weiß
geränderten Durchzugsband mit je einer Besitz- und einer Verleihungsurkunde
übergeben wurde. Sie zeigte ein Relief der Münchener Feldherrenhalle
mit einem darüber stehenden Strahlen aussendenden Hakenkreuz und dem
Spruchband: "Und Ihr habt doch gesiegt".
C. Abweichende Verleihungsgrundsätze
Jedes Ehrenzeichen war numeriert, es verblieb nach dem Tode des
Trägers in der Familie. Im Nationalsozilismus hatten Träger des
"Blutordens" einen hohen idealistischen Stellenwert und gehörten zu
den "Helden der Bewegung" und den sogenannten "Alten Kämpfern"; der
Besitz des Ehrenzeichens war in der Regel Ausdruck besonderer nationalsozialistischer
Verbundenheit. Zur Beurteilung des Stellenwertes des Blutordens in den
einzelnen Fällen muß jedoch bedacht werden, daß viele
Edelleute als Angehörige der Reichswehr-Infanterieschule in München
zum Putschmarch befohlen worden waren, also der Wehrmacht angehörten.
Diese Soldaten waren keine Parteimitglieder und auch später
erfüllten sie die strengen Kriterien zur Verleihung nicht, so gehörten
etwa 34 % der Träger den Freikorps an, und nur etwa 50 % der Ausgezeichneten
gehörten der NSDAP überhaupt an. Die Praxis der Verleihung wich
also erheblich von den Ausführungsbestimmungen ab. Auf diese
Weise kamen nicht wenige Adelige zu dem Ehrenzeichen, obwohl sie keine
Nationalsozialisten waren. Wer im Einzelfall wegen welcher "Leistung" das
Ehrenzeichen erhalten hatte, läßt sich heute nicht mehr vollständig
rekonstruieren. Durch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Verbänden
aber kann rückgeschlossen werden auf die Art der Verleihungsmotivation.
Gehörte ein Edelmann der Infanterieschule an, so ist er meist ohne
eigenes Engagement automatisch zum "nationalsozialistischen Märtyrer"
erklärt worden. Bei denjenigen aber, die den Kampfverbänden
wie der Reichskriegsflagge oder dem Bund Oberland angehörten, kann
davon ausgegangen werden, daß sie aktiv gegen die Republik gekämpft
hatten bzw. im Jahre 1923 Anhänger Hitlers oder völkischer Gruppierungen
waren.
D. Die Adeligen unter den Beliehenen
Bei der ersten Verleihungsvergabe am 10.Jahrestag des Putsches,
dem 9.11.1933, gab es rund 1.500 Erstverleihungen mit Matrikelnummer, welche
auch auf jedem Besitzzeugnis eingetragen und auf dem Ordensrevers eingestanzt
war. Unter ihnen waren auch mehrere Dutzend Angehörige der Infanterieschule
München. Die Träger des Blutordens im Einzelnen (aufgenommen
wurden auch Personen, bei denen der Adel zweifelhaft war):
-
Almasy, Franz v., Wien, BlutOrden aufgrund der Vorschlagsliste vom
4.Mai 1940
-
Bassewitz, Berthold v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.1468 am 9.11.1933
-
Becke, Bernhard v.der, BlutOrden Nr.?
-
Benigni, Karl Ferdinand Graf v., Graz, BlutOrden aufgrund Vorschlagsliste
vom 21.Oktober 1939
-
Berchem, Hans v., Bund Oberland, I.Bataillon, 2.MG-Kompanie, BlutOrden
Nr.257 am 9.November 1933
-
Berg, Viktor v., (†1935), SA-Regiment München, Artillerie-Abteilung,
BlutOrden Nr.1129 am 9.November 1933.
-
Bernuth, Julius v. (1897-1942), Kadettenanstalt Karlsruhe, Hauptkadettenanstalt
Berlin- Lichterfelde, August 1914 als Fähnrich dem Leibgarde-Infanterie-Regiment
(1.Großherzog- lich Hessisches) Nr.115 mit Garnison in Darmstadt
überwiesen, war am Ende des Krieges Leutnant. Übernahme in die
Reichswehr ins 15.Reiter-Regiment, 1925 Oberleutnant, 1931 Hauptmann, 1935
Major, 1939 Oberstleutnant im Generalstab. Im 2.Weltkrieg Chef des Generalstabes
des XXVI.Armeekorps, 1940 Oberst, 1942 Generalmajor und Chef des Generalstabes
der 4.Panzerarmee. Gefallen in Südrußland bei einem Flugzeugabsturz
nach Beschuß. BlutOrden Nr.? am ??.??.193?.
-
Braunschweig, Günther v., Infanterie-Schule, BlutOrden Nr.1175
am 9.November 1933
-
Bremen, Carl v. (1905-1941), Bund Oberland, Bataillon Teja, Batterie
Eichner, Baltischer Uradel, NSDAP-Mitgliedsnummer: 560465, SS.Mitgliedsnummer:
35919, am 20.4.1938 SS-Untersturmführer, 1938 bei der SS-Stammabteilung
22 tätig, zuletzt Schriftsteller, Leutnant und Sonderführer,
gefallen in Nordfinnland, BlutOrden Nr.180 am 9.November 1933
-
Brückner, Wilhelm v., BlutOrden Nr.968 am 9.11.1933
-
Detten, Otto v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.1472 am 9.11.1933
-
Engelbrechten, Julius Karl v., Stoßtrupp Hitler, BlutOrden Nr.478
am 9.11.1933
-
Freytag v.Loringhoven, Wessel, Infanterieschule, BlutOrden Nr.1309
am 9.11.1933
-
Gersdorff, Curt Ulrich v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.373 am 9.11.1933
-
Grolman, Wilhelm v., Landespolizei, BlutOrden Nr.77 am 9.11.1933
-
Hartz, Herbert v., Bund Oberland, II.Bataillon, 8.Minenwerfer-Kompanie,
BlutOrden Nr.250 am 9.11.1933
-
Heydebreck, Georg-Hennig v. (1903-1976), Angehöriger der Infanterieschule,
zuletzt Oberst d.R. der Bundeswehr a.D., BlutOrden Nr.1476 am 9.11.1933
-
Holst, Claus v., SA-Regiment München, Artillerieabteilung, BlutOrden
Nr.1155 am 9.11.1933
-
Holtey, Arthur Baron v., Infanterieschule, (*1904), zuletzt Oberst
a.D., BlutOrden Nr.1473 am 9.11.1933
-
Jarotzky, Heinz Joachim v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.686 am 9.11.1933
-
Kahlden, Wolf v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.1464 am 9.11.1933
-
Kapf, Karl v. (1862-), Bund Reichskriegsflagge, Stammabteilung, Frontkämpfer
im 1.Weltkrieg, Mitglied der NSDAP und der SS der NSDAP, am 5.4.1934 zum
SS-Hauptsturmführer ernannt, 1938 Sturmführer bei der SS-Stammabteilung
1, Ritter des Eisernen Kreuzes I.Klasse, BlutOrden Nr.108 am 9.11.1933
-
Krausser, Fritz v. (†1934), BlutOrden Nr.5 am 9.11.1933
-
Lachemair, Otto v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.741 am 9.11.1933
-
Lachmair, Max v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.278 am 9.11.1933
-
Lochner v.Hüttenbach, Oscar Frhr., Bund Oberland, II.Bataillon,
6.Kompanie (*1893), Mitglied der NSDAP und der SS, am 6.April 1934 zum
Untersturmführer ernannt, 23.8.1934 Obersturmführer, 20.4.1935
Hauptsturmführer, 30.1.1936 Sturmbannführer, 1938 als Führer
der II./70 tätig, BlutOrden Nr.306 am 9.11.1933
-
Marouschek, Herbert v., Wien, BlutOrden aufgrund der Verleihungsliste
vom 6.März 1940
-
Marschall v.Bieberstein, Wilhelm Freiherr (†1935), Stab der SA, BlutOrden
Nr.464 am 9.11.1933
-
Metnitz, Maria Theresia v., Wien, BlutOrden aufgrund Vorschlagsliste
vom 13.März 1941
-
Moltke, Joachim v., Führer der 1.Kompanie des Bundes Oberland,
BlutOrden Nr.732 am 9.11.1933
-
Müller-Klingspor, Egon Freiherr v., Wien, BlutOrden aufgrund der
Verleihungsliste vom 6.März 1940
-
Nes, Ernst August v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.1014 am 9.11.1933
-
Nordenskjold, Axel v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.1458 am 9.11.1933
-
Puttkamer, Karl v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.1474 am 9.11.1933
-
Reitzenstein, Friedrich Freiherr v., Reitzenstein, Friedrich Frhr.v.,
Bund Reichskriegsflagge, Stammabteilung, (*1888), Mitlgied der NSDAP und
der SS, dort ab 22.7.1929 Untersturmführer, am 9.11.1933 Obersturmbannführer,
am 20.4.1934 Standartenführer, 1938 bei der SS-Stammabteilung 34 arbeitend,
Inhaber des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP, BlutOrden Nr.53 am 9.11.1933
-
Sabransky v.Thalbrück, O., Unter-Radsisch bei Böhm-Rudoletz,
BlutOrden aufgrund Vorschlagsliste vom 7.Dezember 1939
-
Schickisch v.Velebit, Ernst, Wien, BlutOrden aufgrund Vorschlagsliste
vom 20.Juli 1939
-
Schumacher, Walter v., Wien, BlutOrden aufgr. Vorschlagsliste vom 5.April
1940
-
Sperl, Theodor v., SA-Regiment München, 8.Kompanie (*1904), Mitglied
der NSDAP und der SS, dort ab dem 9.11.1936 Untersturmführer, ab 30.1.1938
Obersturmführer und im Jahre 1938 beim Stab des SS-Hauptamtes tätig,
Inhaber des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP, Träger des Coburger
Ehrenzeichens der NSDAP von 1922, BlutOrden Nr.1229 am 9.11.1933
-
Strobl Edler v.Ravensberg, Rudolf, Bund Reichskriegsflagge, Stammabteilung
BlutOrden Nr.134 am 9.11.1933
-
Tautphoeus, Max Frhr.v., Infanterieschule, BlutOrden Nr.957 am 9.11.1933
-
Thüngen, Hildolf Frhr.v., Bund Reichskriegsflagge, Führer
der Stammabteilung (*1878), Mitglied der NSDAP und der SS, dort ab 9.11.1933
Obersturmbannführer, ab 20.4.1936 Standartenführer, ab 20.4.1937
Oberführer und 1938 bei der SS-Stammabteilung 83 tätig; besaß
auch das Coburger Ehrenzeichen der NSDAP von 1922, BlutOrden Nr.110 am
9.11.1933
-
Wangenheim, Robert Frhr.v., BlutOrden aufgrund Vorschlagsliste vom
7.Dezember 1939
-
Wangenheim, Udo Frhr.v., SA-Regiment München, 11.Kompanie (*1900),
Mitglied der NSDAP und der SS, dort ab 31.3.1935 Hauptsturmführer
und 1938 im IV.Sturmbann der SS-Standarte "Deutschland" tätig, BlutOrden
Nr.783 am 9.11.1933
-
Wrede, Fürst Carl v., Führer des Reiterkorps des SA-Regiments
München, BlutOrden Nr.434 am 9.11.1933
-
Quirsfeld, Eberhard v., Bund Oberland, Bataillon Werdenfels, BLutOrden
Nr.454 am 9.11.1933
-
Xylander, Wolfdietrich Ritter und Edler v. (1903-1945), Infanterieschule,
BlutOrden Nr.1452 am 9.11.1933. Zuletzt als Genltn und Chef des GeneralSt
der Heeresgruppe Mitte und Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes
bei Pirna in Sachsen gefallen.
Quellen: Zu den Verleihungsrichtlinien: Akten der Partei-Kanzlei
der NSDAP, Microfiche-Edition, Nr. 12400831, Bl.221-224, Ausführungsbestimmungen
des Reichsschatzmeisters zur Verfügung des Führers vom März
1934 ... über die Verleihung des Blutordens v. 27.8.1938 --- Zur Phaleristik:
André Hüsken: Katalog der Orden und Ehrenzeichen des deutschen
Reichs 1871-1945, Bremen 1993, S.252 --- Zu allen Trägern: Klaus D.Patzwall:
Das Ehrenzeichen vom 9. November 1923, Norderstedt o.D. (1986), S.15, 35,
63 --- Zu v.Bernuth: Wolf Dietloff v.Bernuth: Das Bernuthbuch, Neustadt
a.d.Aisch 1986, 370-171 und 461 und Deutscher Offizierbund (Hg.): Ehrenrangliste
des ehemaligen deutschen Heeres, Berlin 1926, 296. Ist in der offiziellen
Liste der Träger ist v.Bernuth nicht vermerkt! --- Zu v.Bremen: Gen.
Hdbuch. d. Adels, Adelige Häuser A, Bd.XVIII, Limburg an der Lahn
1985, S.52 |