Edelleute in Kieler Justizakten 1683-1806 (Einleitung)
Nachweise auf Vorkommen von Adeligen in juristischen Spruchkammerakten
Abb. rechts oben: Sigel der Juristenfakultät der Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel. Es zeigt die Symbole der Gerechtigkeit (Waage), der Macht (Krone,
Szepter und Schwert) und die Initialien des Gründers, des Herzogs
Christian August von Schleswig-Holstein-Gottorf. Die lateinische Umschrift
erinnert an die Zeiten, als die Juristen noch in Kollegin entschieden:
"SIGILLUM COLLEGII JURIDICI KIELIENSIS" und in der Mitte "DISCITE, JUSTITIAM,
MONITII".
Die Universität
als Zentrum
des Rechts |
II. Juristische Eigenarten der Spruchkammerverfahren
Das Verfahren der Aktenversendung war eine spezielle Art der Rechtshilfe
in Norddeutschland, welche ihre Blütezeit im 17.Jahrhundert hatte
und im 19.Jahrhundert im Zuge von Reformen im Justizwesen ihr Ende fand.
Grundlage der Aktenversendung und der daraus erfolgenden sogenannten Spruchkammertätigkeit
war das Bestreben von Stadt-, Land- und Niedergerichten, Hof- und Justizkanzleien
sowie Stadträten und Privatpersonen, sich kompetenten juristischen
Rat von den Universitäten zu holen, die damals das Zentrum der Rechtswissenschaften
bildeten.
|
Merkmal: Fern-
entscheidung |
Dabei wurden die entstandenen Akten von einzelnen Rechtsfällen
von einem solchen Absender zur Begutachtung und Urteilsempfehlung an eine
der juristischen Fakultäten der norddeutschen Universitäten geschickt.
Die Jura-Dozenten und -Professoren der Hochschulen sahen diese Akten durch,
gaben ihr Gutachten, ihre Bemerkungen oder ihr empfehlendes bzw. entscheidendes
Urteil ab, sandten die betreffenden Aktenstücke zurück und hielten
ihre Äußerungen dazu doppelt schriftlich fest. |
Mehrere
Exemplare zu
verschiedenen
Zwecken
|
Ein Exemplar der Gutachten und Bemerkungen, das in der Regel eine
bis zehn Folioseiten umfassen konnte, ging an den Absender, der nun den
Fall vor Ort nach dem Gutachten bzw. Urteil der Juristen entschied, eine
Abschrift der Entscheidung blieb in der Universität Kiel zurück,
um einen Nachweis über den Geschäftsgang zu haben. Jene Zweitausfertigungen
der Professoren sind bis heute erhalten geblieben und bilden die Grundlage
zu den folgenden Registern. Solche Spruchkammerakten wurden von nahezu
jeder juristischen Fakultät norddeutscher Universitäten (Rostock,
Greifswald, Kiel, Göttingen usw.) angelegt und dürften bei den
entsprechenden Archiven noch heute zu finden sein. |
Laufzeit
der Akten |
III. Quellenlage für die Universität Kiel
In Schleswig-Holstein setzt die aktenmäßige Überlieferung
für das Verfahren der Aktenversendung an der Juristischen Fakultät
der Universität zu Kiel mit dem Jahre 1683 ein und reicht bis hin
in die erste Hälfte des 19.Jahrhunderts, obgleich es bereits vor 1683
solche Gutachten und Urteile gegeben hat. Sie sind uns heute nur nicht
mehr überliefert.
|
Namenszugriff
bisher unmöglich |
Die Akten wurden einige Zeit nach ihrem Gebrauch Abteilungen (Abt.)
zugeordnet und nach dem Prinzip des "kurzfristig Machbaren und unbedingt
Notwendigen" verzeichnet, d.h. es wurde eine Minimalverzeichnung angefertigt,
die es bald ermöglichte, der Forschung Zugang zu den Akten zu gewähren.
Diese Verzeichnung orientierte sich vornehmlich an dem historisch vorgefundenen
Ordnungsschema der Laufzeit. An dieser Minimalverzeichnung hat sich bis
heute nichts geändert. Ein Namensregister wurde nicht angefertigt.
Daher wurden die vorhandenen Akten der Abt.47.5 (Juristische Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) und der Abt.400.5 (Von
der Universitätsbiliothek zu Kiel übernommene Handschriften)
wie folgt in die Findbücher aufgenommen und registriert: |
Aktenstruktur |
Von der Abt.47.5 bieten die Nrn.25 bis 79 Urteile und rechtliche
Gutachten (Relationen, Sentenzen, Responsen) in Buchform und in gebundener
Aktenform, chronologisch sortiert, vollständig von den Jahren 1683
bis 1713 (1714-1752 fehlt) und 1753 bis 1764 (gebunden), unvollständig
aus den Jahren 1782 bis 1790 (ungebunden), 1809 bis 1811 und 1826 bis 1846
(diese letzteren Akten [1826-1846] sind in der Regel unter dem Gesichtspunkt
der Adelsforschung sehr unergiebig, enthalten nur sehr wenige Fälle). |
undatierte
Fragmente
sind häufig |
Von der Abt.47.5 bieten die Nrn.80 bis 110 Spruchakten, Voten,
eingegangene Schreiben, Prozeßschriften und Urteile in loser und
gebundener Form, zum größten Teil chronologisch sortiert, teils
aber undatiert und fragmentarisch aus den Jahren 1724 bis 1834. Zur Auffindung
der einzelnen Fälle in den recht dicken Akten ist die Jahreszahl entscheidend,
da die Akten nicht paginiert sind (sie besitzen keine Seitenzahlen!). Da
sich ab Akte Nr.89 meist nur noch die Kurzvoten der zuvor in anderen Akten
schon ausführlich abgehandelten Fälle befinden, wurde auf deren
Erfassung hier größtenteils verzichtet. |
Nicht
ausgewertet |
In der Abt.400.5 bieten die Nrn.755 bis 760 und 763 bis 764 Relationen
und Responsen, gebunden und fragmentarisch überliefert aus den Jahren
1746 bis1767 und 1815 bis 1824. Diese Aktengruppe ist hier nicht ausgewertet
worden. |
abweichende
Qualität
|
Bei allen diesen Beständen ist eine unterschiedliche Erschließung
festzustellen. Manche Akten bzw. Bücher haben einen den eigentlichen
Rechtsfallschilderungen vorgesetzten Rotulus, manche sind nur durchgängig
paginiert, aber ohne Inhaltsverzeichnis. Allen fehlt ein alphabetisch durchsortiertes
Personenverzeichnis wie auch ein Sachverzeichnis der in den einzelnen Fällen
behandelten Angelegenheiten. |
Hoher
Stellenwert
für die Adels-
forschung |
IV. Bedeutung der Akten für die Adelsforschung
Der Aktenversendung nun kommt eine erhöhte Bedeutung für
die Adelsforschung zu, wenn man bedenkt, daß sich in diesen Beständen
eine zunächst undefinierbare Menge an "ausländischen" Edelleuten
befindet, die mit ihren Rechtsstreitigkeiten geschildert werden. Denn ein
besonderes Merkmal der Aktenversendung war es, den Fall durch Gutachten
fremder Juristen, die in den Fall nie verwickelt gewesen und daher auch
nie befangen waren, entscheiden zu lassen. Es wurden also bewußt
nur "ausländische" Gerichte oder Personen in Kiel vorstellig. So ist
der Bestand im höchsten Maße interessant für Adelsforscher,
die sich für den nichtschleswig-holsteinischen Adel interessieren.
Unser Onlineregister enthält im folgenden alle deutschen Niederadeligen
und Grafen, die in den Voten, Gutachten und Urteilen vorkommen, die Laufzeit
des Gutachtens und den genauen Fundort mit Signatur. Manche Akten sind
- wie erwähnt - leider nicht paginiert und das Fehlen von Seitenangaben
ist in diesen Fällen damit begründet; für die Auffindung
solcher Fälle ist nach wie vor leider die Durchsicht der gesamten
Akte erforderlich (immerhin aber ist jetzt ein Register vorhanden).
|
Akten meist aus Mittel- und
Ostdeutschland |
Aufgrund des Vorgesagten sind Unterlagen zu Rechtsstreiten aus
Niedersachsen, beiden Mecklenburg, Ostpreußen, Brandenburg, Sachsen,
Vor- und Hinterpommern und zu einem sehr geringen Teil zu Schleswig-Holstein
und Franken vorhanden. |
Typischer Aufbau
eines Gutachtens
oder eines Berichts |
Ein solches Gutachten umfaßt meist die Kurzschilderung
des Falles und dann das eigentliche umfangreichere Gutachten. Der Reihenfolge
nach gehörten zu solch einem Gutachten in der Regel (bis 1713) die
Abschnitte "Relatio in Sachen X contra Y in puncto ...", "Facti species",
"Responsum, "Urthel" (=Urteil), wobei aber nicht alle diese Abschnitte
zwingend vorhanden sein müssen. In den allermeisten Fallen zeigt aber
das "Relatio in Sachen", "Relatio ex Actis" oder "Status causae" den Beginn
eines neuen Falles an. In den überlieferten Akten der Jahre ab 1713
bis 1763 ist die Gliederung anders geartet, in der Regel mit nicht so vielen
Informationen versehen und meist mit dem Urteil beginnend; aber auch hier
gibt es Ausnahmen. Allgemein kann aber gesagt werden, daß diese Akten
schwierig zu lesen sind, einmal durch die zeitgenössische Handschrift,
zum anderen dadurch, daß viele Worte regelmäßig in den
Bruch gebunden sind und sich daher nur schwer der ganze Text rekonstruieren
läßt. Ungebunden und wiederum sehr gut lesbar sind die Gutachten
ab dem Jahre 1782, sie sind auch wieder durchgehend paginiert. |
Beispiel eines
Aktentextes in Abschrift |
Hier ein Beispieltext aus den Spruchkammergerichtsakten, die nicht
immer einfach zu verstehen sind. Der in altdeutschen Buchstaben verfaßte
handschriftliche Text lautet transkribiert ("übersetzt"):
Zeile 1 |
"Anno 1683, d[en] 20. Octobr[is] ... |
Zeile 2 |
Facti species |
Zeile 3 |
Sempronia, mater, adsigniret in der testamentlichen dispo- |
Zeile 4 |
sition, u.[nd] darinn gemachten division inter liberos, ihrer Dochter |
Zeile 5 |
Titie ihren gantzen schmuck von perlen, ausser denen, die sonsten |
Zeile 6 |
in besagter disposition anderwerts vermachet; der ande[rn] dochter |
Zeile 7 |
Seja aber ihren schmuck an dicksteinen, und verordnet dar[inn] |
Erläuterung in heutiger Sprache: Die Mutter Sempronia bestimmt
in ihrem Testamtent, daß ihrer Tochter Titia, abgesehen von sonstigen
Vermächtnissen, ihr ganzer Schmuck an Perlen vermacht werden soll,
während ihre Tochter Seja die Dicksteine erhalten soll. Transkriptionen
("Übersetzungen") von diesen Gutachten können Sie auf Wunsch
jederzeit von Frau Dipl.-Archivarin
Tessa Neumann aus Berlin erhalten, die sehr rasch und zuverlässig
solche Aufträge erledigt. Einfach die Kopie der entsprechenden Seiten
hinsenden (Frau Neumann berechnet derzeit 34 Euro je Stunde Arbeitszeit
+ MWSt.)
|
Rekonstruktion
"verlorener"
Rechtsfälle
|
Mit dieser Aktenüberlieferung dürfte sich mancher in
anderen deutschen Archiven nicht mehr überlieferte Rechtsfall in Teilen
rekonstruieren lassen. Durch das Sachregister wird es außerdem möglich,
etwas über gewisse gesellschaftspolitische Wandlungen und Ansichten
in Standesauffassungen zu erfahren. Bemerkt werden muß, daß
es sich beim Sachregister der Rechtsfälle nur um solche handelt, an
denen auch Edelleute beteiligt waren. Alle nichtadeligen Vorkommen blieben
unberücksichtigt! |
Die Register
im Einzelnen |
V. Zur Benutzung der nachfolgenden Register
Die Inhaltsregistrierung der genannten Akten erfolgte auf unterschiedlichen
Wegen, was nötig war, da die Akten nicht in gleichbleibender Weise
geführt wurden. Zuerst wird ein Gesamtüberblick über alle
in den Akten der Abt.47.5 Nummern 25 bis 91 ermittelbaren
gegeben . Innerhalb dieser Abschnitte sind auch sämtliche Verweise
zu Akten aufgenommen, die keine Paginierung oder Faszikelzählung besitzen! |
Bitte beachten
bei Kopie- wünschen! |
Bei den Signaturangaben ist in Bezug auf die Paginierungen zu beachten,
daß immer nur die Anfangsseite genannt wird, auf der das Gutachten
beginnt, nicht aber die Seitenzahl, auf der das Gutachten endet. Der Eintrag
"Ackerbesitz (1690/95), >Nr.29 pag.21, 22, 79" bedeutet demnach, daß
der Sachbegriff Ackerbesitz, der in den Jahren 1690 bis 1695 vorkommt,
in der Abteilung 47.5 in der Akte Nr.29 erwähnt wird und drei Gutachten
dazu auf den Seiten 21, 22 und 79 beginnen. Gelegentlich kommen auch dritte
Personen in den Gutachten vor, die als Zeuge oder Briefschreiber (Autographen)
erwähnt werden. In diesem Falle wurde die betreffende Seite genannt.
Das System, daß dann der Fall dort beginnt, ist bei diesen Nennungen
ausgeschaltet. Solch eine Nennung kann sich also auch auf der letzten Seite
eines Falles befinden. |
Probleme bei der Akten- benutzung |
Ein Problem stellt für die Inhalte der frühen Akten die
Namensschreibweise dar. Zum Teil wurden Namen verfremdet wiedergegeben,
weil man die "ausländischen" Adeligen in Kiel nicht kannte, manchmal
auch wird in ein und demselben Gutachten der Name unterschiedlich geschrieben.
Soweit wie möglich wurden vom Verfasser die Namen in die heutigen
Schreibweisen umgewandelt. Gewisse Schwierigkeiten bereitet die geographische
Einordnung, da in nur wenigen Fällen Orte oder Länder angeführt
sind. Das geographische Register ist also als Auswahl zu verstehen, denn
Länderbezeichnungen wurden im Register nur in absolut sicheren Fällen
vergeben.
Gelegentlich enden die fortlaufenden Paginierungen abrupt in einem
Teil der Akte. Die restlichen Seiten oder Blätter, zum Teil eingebunden,
z.T. ungebunden und lose beiliegend, sind dann von neuem - ab pag.1 - paginiert
worden oder auch gar nicht mehr mit Blattzahlen versehen worden. In Fällen,
in denen eine neue Paginierung innerhalb einer Akte beginnt, wurde hinter
die Paginierungszahl hier im Register noch der Vermerk "2.Abschnitt!" angefügt. |
Zweifelsfälle wurden
mit aufgenommen |
Zuletzt sei noch bemerkt, daß in Fällen, in denen die
erwiesene Adelseigenschaft von Personen nicht bekannt war, diese sicherheitshalber
mit aufgenommen wurden, auch wenn es sich um norddeutsche bürgerliche
Personen handelt, die ein "von" im Namen führten. Der Nachweis, ob
diese Familiennamenträger zum historischen deutschen Adel gehörten
oder nicht, muß der Benutzer selbst herausfinden! Es handelt sich
jedoch nur um wenige Fälle, da in den meisten Fällen bekannte
Adelsnamen auftraten. |
|